Film und TheologieErgänzungen zum Impulspapier "Gestaltung und Kritik"Inge Kirsner |
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Einleitung"Zum Verhältnis von Protestantismus und Kultur im neuen Jahrhundert": so heißt das neue Impulspapier der EKD und der VEF. Dieser Text ist einer der ersten Früchte des Konsultationsprozesses der Evangelischen Kirchen, der eine neue Verhältnisbestimmung von Kultur und Protestantismus zur Jahrtausendwende schaffen soll. Im Vorwort werden einige kritische Stimmen aufgeführt, die besagen, das Christentum sei dabei, seine kulturprägende Kraft einzubüßen. Die HerausgeberInnen des EKD-Textes setzen ihre Auffassung dagegen, nach der die Kirchen eine wichtige kulturelle Rolle nach wie vor einnehmen und ihnen im kulturellen Wandel neue Aufgaben zuwachsen. Nun kommt es darauf an, in Auseinandersetzung mit der Kultur der jeweiligen Gegenwart eine spezifische kulturelle Gestalt anzunehmen. Ausgehend von der Inkulturation des christlichen Glaubens als menschlicher Entsprechung zum göttlichen Inkarnationsgeschehen wird das Verhältnis von Protestantismus und Kultur in exemplarischen Begegnungsfeldern entfaltet. Dies sind z.B. Alltagskultur, Bildung, Medien, Kunst und Erinnerungskultur. Auffällig ist dabei, daß die bildende Kunst ein ganzes Kapitel einnimmt, der Film jedoch ganz allgemein als kurzes Stichwort unter "Jugendkultur" abgehandelt wird. Dieser unzureichenden Behandlung möchte ich mit den folgenden Ausführungen über "Film und Theologie" entgegentreten. Der Film spielt im Verhältnis von Kunst und Kult, von Religion und Kultur eine wichtige Rolle. Apologie des FilmsWichtige Wissens- und Erfahrungsbereiche, die von Theologie und Kirche nicht mehr angemessen bearbeitet werden, wandern aus und treten woanders wieder auf. Themen wie Gewalt, Liebe, Sexualität finden im Film ihren zeitgenössischen Ausdruck. Der Film als das Medium des 20.Jahrhunderts liefert als Spiegel der Gegenwart einen Kommentar zur Welt - so, wie sich auch die Theologie u.a. versteht. Einen Kommentar zur Welt kann die Theologie aber nur dann geben, wenn sie weiß, was der Fall ist. Gerade die praktische Theologie kann hier als Wahrnehmungswissenschaft verstanden werden; Filme sind dabei ein unverzichtbarer Bestandteil zur Wahrnehmungserweiterung und -vertiefung. Film wie Kirche sind Erzählgemeinschaften, die einander dialogisch bereichern und sich gegenseitig als autonome Partner sehen und stehen lassen können. Wurde in den Geisteswissenschaften bis in die 60er Jahre, in der Theologie z.T. bis in die 90er Jahre hinein eine strenge Scheidung zwischen Popular- und Hochkultur betrieben, ist diese in einer anzustrebenden offenen und pluralen Gesellschaft nicht mehr haltbar. In der Postmoderne steht alles nebeneinander, was auch den Lebensalltag auf der gleichen Ebene bestimmt: Kitsch und Kunst werden ununterscheidbar, der Verdacht der Wirklichkeit als Fiktion tritt neben die 'Sehnsucht nach mehr', die Entlarvung von Sinn als Konstruktion steht neben der Frage, wie man heute leben kann. Das Ende der 'großen Erzählungen' hat Raum geschaffen für viele kleine Geschichten, wie sie in Filmen vorgestellt werden, als Angebote und Möglichkeiten. Gerade der populäre Film hat hier religiös zu nennende Funktionen übernommen. Mythische Kreisläufe von Schuld, Opfer und Erlösung werden immer neu vollzogen und miterlebt. Diese Bewegungen zu benennen und das Christentum als Bruch der 'ewigen' Kreisläufe zu aktualisieren, ist eine der Möglichkeiten der (praktischen) Theologie, in den zu aktualisierenden Diskurs Kirche/Kultur einzutreten. Zur besonderen Funktion des Films innerhalb der Kunst(1)Innerhalb der protestantischen Religion und ihrem Verhältnis zu Kult und Kunst nimmt der Film eine besondere Rolle ein. Der Film ist das Medium des 20.Jahrhunderts und bedarf so innerhalb der Künste einer besonderen Eigenwahrnehmung. Die Welterfahrungen heute basieren meist auf medial vermittelten Wahrnehmungen. Der Mensch ist auf dem Weg zu neukonstruierten (=virtuellen) Wirklichkeiten. Realität ist nur noch im Plural - als "Wirklichkeiten" - zu 'haben'. Der Film bereitete dieser Entwicklung den Weg. Seine Geburt erfolgte aus dem Geist der Moderne, er ist das erste vom Industriezeitalter hervorgebrachte Medium. In vielem ist der Film der Repräsentant der Epoche seines Ursprungs. Gegenüber den 'alten', etablierten Künsten ist die Kinematographie auch insofern eine Kunst der Moderne, als sie ihren Erfolg nicht mehr dem Auftragswesen der Kirchen im Abendland verdankt. Die Filmkunst ist eine in ihren technischen und ästhetischen Wurzeln säkulare, dem damit verbundenen Selbstverständnis gemäß autonome Kunst. Der Film ist ein 'Bastard', der sich in seinen Anfängen manchmal selbst beschnitten hat, was die Wahl seiner Sujets anging. Die Themenwahl rekrutierte sich häufig aus dem religiösen Bereich - so entstand 1897 der Film "Leben und Passion Christi" durch die Filmpioniere Lumière, lebende Bilder, deren Zusammenhänge die Zuschauenden aufgrund ihres damals noch vorhandenen Grundwissens selbst ergänzen konnten. Das monumentale Stummfilmepos "Intolerance" von D.W. Griffith (USA 1916) erzählt mehrere Geschichten über menschliche Intoleranz in unterschiedlichen Zeitepochen und schneidet immer wieder Szenen aus dem Leben Jesu dazwischen. Daneben gab es natürlich auch bereits die ersten Science-Fiction-Filme, angefangen bei der "Reise zum Mond" von George Méliès. Er griff in die Trickkiste und legte so einen weiteren Grundstein für die Entwicklung des Films als eigene Kunstform. Für den Gebrauch ausschließlich filmischer Mittel plädierte der Filmtheoretiker Siegfried Kracauer in seiner "Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit" (1960). Er lehnte alle unfilmischen Mittel ab, wie sie seiner Meinung nach die theatralischen Literaturverfilmungen und manche Vertreter des expressionistischen Films gebrauchten. Ronald Holloway zeigte in seiner Dissertation "The Religious Dimension in the Cinema" (Hamburg 1972) die parallele Entwicklung des Films und dem allgemeinen Stand der Technik auf. Der Film ist die Erfindung einer hochtechnisierten Gesellschaft - daher seine erfrischende Traditionslosigkeit. Er spielt mit allem Vorfindlichen, mit Religion, Mythen, Märchen, ein Erbe, der seiner Erbmasse jedoch nicht gleich wird. Diese theoretische Autonomie ist beschränkt durch die praktische Abhängigkeit des Films vom Markt. In einer Zeit, in der die Subventionierungen von außen, die in Europa auch den unpopuläreren Filmformen ihr Dasein erleichtern, immer knapper werden, liegt der Einwand nahe, daß es um die Freiheit des künstlerischen Individuums gerade jetzt schlecht bestellt ist. Dazu ein Wort von Paolo Flores d'Arcais: "Gerade, weil wir den freien Willen des Individuums als 'fast nichts' erkennen müssen, wird es umso nötiger, das bedrohte, kleingeteilte Gelände der Autonomie zu beschützen und zu pflegen durch liberale Institutionen, in einer Gesellschaft, die sich selbst als offen begreift." (2) Der Einsatz für die Autonomie der Kunst ist gleichzeitig ein Einsatz für die Autonomie des Individuums und verbindet sich so mit dem aufklärerischen Anspruch des Protestantismus, der sich auch als Bildungsreligion und Religion der Freiheit sieht. Der Film ist ein Freibeuter, der sich nimmt, was er braucht und dabei tut und wirkt, wie und was er will. Er ist eine Herausforderung für die Theologie, unter anderem aus dem Grund, den der italienische Regisseur Federico Fellini so bezeichnet hat: "Das Kino ist eine göttliche Art und Weise, Geschichten zu erzählen, dem Herrgott Konkurrenz zu machen". Beide Erzählgemeinschaften können jedoch bei aller Konkurrenz miteinander ins Gespräch gebracht werden. Von den anderen Künsten, die der Tendenz nach über sich selbst hinausweisen, unterscheidet er sich auch darin, als er an der physischen Oberfläche der Dinge haftet. Der Film ist die vollkommene Inkarnation religiöser Gehalte und Ideen, sofern er sie in irgendeiner Weise thematisiert. Im Film wird das Wort unablässig Fleisch. Er weist so nicht über sich selbst hinaus, sondern verweist immer auf sich selbst. Einem möglichen Einwand - wie "film is not the screen" und wird erst zu einem solchen in den Köpfen der Rezipierenden - könnte man entgegnen, daß auch der Kopf, der die Bilder zusammensetzt, in Körper-Bildern denkt. Abstraktion steht gegen Realisation. Kann man in Bezug auf den Film von einer Wiederentdeckung der Religion sprechen? Ist es einfach mit allgemeiner Sinnkrise/Orientierungslosigkeit zu erklären, daß der 'religiöse' Film plötzlich wieder Hochkonjunktur hat? "Breaking The Waves" von Lars von Trier (Dänemark 1996) wurde der Film des Jahres 1996, wie unter anderem eine LeserInnenumfrage von epd-Film ergab. Es ist die Geschichte eines Mädchens, das regelmäßig zu Gott betet und ihm alles erzählt, von ihrer Liebe, ihrem Schmerz, ihrer Sehnsucht. Sie erwartet Antworten und bekommt auch solche, die wir mit ihrer eigenen - etwas tiefergelegten - Stimme hören. Am Ende läuten gar riesige Glocken am Himmel, als nach ihrer Selbstopferung ihr Leichnam dem Meer übergeben wird. Hingabe, Opfer, Gebet, Absolutheit - eine neuzeitliche heilige Johanna. Wie steht es mit dem Bezug der hier dargestellten Religion zur (filmischen/realen?) Wirklichkeit? Ist es lediglich ein postmodernes Spiel, das alles spielerisch verarbeitet, was Wirklichkeiten (mit-)konstituiert? Ist Religion ein wiederentdecktes Urbedürfnis? Doch es gibt keinen Grund, von einer neuen Religionswelle zu sprechen; nicht nur der religiöse Film, alle möglichen Genres erleben zur Zeit ihre Auferstehung. Als weitere fin-de-siécle-Erscheinung gibt es z.B. eine Renaissance der Science-Fiction-Filme als Variation apokalpytischer (Alp-)Träume. Diese kommen ohne transzendente Hintermacht aus, wenn sie ihre Außerirdischen auf die Leinwand schicken - wie es in "Independence Day" (Roland Emmerich, USA 196) oder in "Mars Attacks" (Tim Burton, USA 1997) geschieht. Daneben gibt es zahlreiche Literaturverfilmungen, von Goethe und Shakespeare bis Jane Austen, die eine vergangene Welt beschwören. Es gibt also keinen einheitlichen Strang, Mainstream umfaßt potentiell jedes der eben genannten Genres. Auffällig jedoch ist die Selbstverständlichkeit, mit der religiöse Fragestellungen und Versatzstücke (wieder) angegangen werden - gerade auch in den sogenannten Kultfilmen. Ich wähle hierfür ein Beispiel aus jüngerer und eins aus älterer Zeit. Aus dramaturgischen Gründen stelle ich zunächst Mutmaßungen über das Geheimnis des Erfolges von "Pulp Fiction" (Quentin Tarantino, USA 1994) vor. Zunächst ein Exkurs zum Begriff "Kult": Das Wort "Kult", ursprünglich "Kultus", hat dieselbe lateinische Wurzel wie die "Kultur"; beides kommt von "colere": dessen Bedeutungsfeld reicht von "hegen und pflegen" bis "tätig verehren". Letzteres deutet bereits die mit dem Kultus verbundene Tätigkeit an. Der Kultus bezeichnet den Bereich, in dem Religion als Begegnung mit dem Heiligen ursprünglich aktualisiert und dargestellt wird. Es ist der äußere Ausdruck der inneren Ehrfurchtshaltung dem Göttlichen gegenüber. Die Kulthandlungen sind meist an eine bestimmte Zeit, einen bestimmten Raum und oft auch an ein die Gottheit darstellendes Kultbild gebunden. Dabei können Worte, Gesten und deren Kombination zu komplexen Handlungen gleichzeitig Symbol des Heiligen selbst sein wie auch ein Mittel darstellen, das Göttliche gegenwärtig zu 'machen'. Hier sind wir schon längst wieder beim Kino angelangt. Die Bindung an eine bestimmte Zeit, einen bestimmten Raum verbindet die Filmaufführung mit kulturellen Veranstaltungen aller Art, doch zu was ein "die Gottheit darstellendes Kultbild" die Rezipierenden veranlassen kann, ist schon filmreif. Da läuft seit Jahrzehnten die "Rocky Horror Picture Show" in deutschen wie in amerikanischen Kinos, und dazu gibt es eine Kultgemeinde, die zu bestimmten Anlässen bestimmte Handlungen tätigt, in dieser Hinsicht einer Art Gottesdienst vergleichbar. Die Genese und die Wirkung eines Kultfilmes kann weder aus der Absicht der Filmemachenden noch aus dem Inhalt des Werkes oder aus seiner PR heraus erklärt werden. Manche Filme werden auf zukünftigen Kultstatus hin konzipiert und fallen beim Publikum durch. Film is not on the screen. Doch gibt es vielleicht drei Vermutungen über den Erfolg eines Filmes(3):
"Pulp Fiction""Pulp Fiction" erfüllt alle diese genannten Kriterien. "In einer derart ironiegesättigten Zeit, in der Kneipenbesucher, Studenten, Bankangestellte und Journalisten gleichzeitig Filme toll finden, die, wie 'Pulp Fiction', im Grunde nur von anderen Filmen handeln...", so beginnt ein Satz des Journalisten Christian Kracht im "Spiegel" (41/1996, 249). Diesen Satz möchte ich fortsetzen und ergänzen: auch Theologinnen und Theologen, Kids jeglichen Alters, Philosophen und Literaturwissenschaftler lobten den Film, wenn auch - vielleicht - aus unterschiedlichen Gründen (oder aus denselben, nur besser 'getarnten'). Wenn ich in der kirchlichen Bildungsarbeit nach geeigneten Filmen gefragt werde, die den Zeitgeist am treffendsten wiederspiegeln und auch eine religiöse Zugangsweise erlauben, so rate ich zunächst einmal zu "Pulp Fiction". Meist sind die Fragenden Personen, die den Film nicht kennen, und nur davon gehört haben, wie unverhältnismäßig grausam er sein soll und wie sehr er die Lust an der eigenen Grausamkeit feiere. Was auf den ersten Blick ebenfalls auffällt, ist die Beschäftigung des drei Geschichten 'parallel' erzählenden Films mit religiösen Fragen, wenn auch auf sehr ungewöhnliche Weise. Religiös thematisiert werden
Daß dieser Film funktioniert, als Publikums- und als Kritikererfolg, liegt wohl zum großen Teil an seiner einzigartigen Komposition, seinen starken Dialogen, dem Humor, der Filmmusik, den Schauspielerinnen und Schauspielern, denen Tarantino die Rollen auf den Leib geschrieben hat. Die Zutaten stimmen, und die Mischung macht den Meister. Es ist die Doppelcodierung, die diese postmoderne Collage funktionieren läßt. Es gibt jede Menge Zitate, die man analysieren und/oder die man auch einfach nur genießen kann, unabhängig vom Bildungsstand. In dem Baukasten "Pulp Fiction" ist für jede/n was enthalten, deshalb spricht er die unterschiedlichsten Leute auf verschiedensten Ebenen an. "Pulp Fiction" ist eine Schöpfung der Popkultur und des Fernsehzeitalters, der Serien (wie Beavis und Butt-Head) und der Rocksender, der Cartoons und der B-Movies. Er ist ein Film, der dem Zeitgeist und der Medien- und Weltwahrnehmung entspricht, der desillusioniert und mit Illusionsverlusten spielt, ohne an die Leerstelle neue Entwürfe zu setzen. Er spielt mit sogenanntem Tiefsinn genauso wie mit allem anderen, stellt Tiefsinniges auf die gleiche Ebene wie Banales. "Pulp Fiction" schafft nichts Neues, sondern mischt die Elemente neu. "Terminator II"Ebenso wie "Pulp Fiction" gelang der Figur des Terminators der Crossover; wer sich bis dahin von 'geilen Gewaltfilmen' mit Arnold Schwarzenegger und Co. voll Unverständnis abgewandt hatte, mußte nun zumindest eingestehen, daß mit dieser Neubearbeitung des Themas "Zweite Schöpfung" neue ästhetische, philosophische und religiöse Zugänge geschaffen worden waren. Der "Terminator II" (James Cameron, USA 1991) bringt ein stellvertretendes Opfer für die Menschheit. Der Maschinenmensch wird in die Vergangenheit zurückgebeamt, um einen zehnjährigen Jungen zu beschützen, der später einmal die Welt retten soll und auf den zwecks Tötung ein weiterentwickeltes Terminator-Modell angesetzt ist. Der 'gute' Terminator kann den 'bösen' vernichten und muß sich am Ende selbst opfern, damit aus seinem Material und den darin gespeicherten Informationen später nicht doch die menschheitsbedrohenden Maschinenmenschen gemacht werden können. Zu der Gestalt der beiden konkurrierenden Maschinenmenschen schreibt Peter Sloterdijk: "Schon jetzt ist Arnold nur noch historisch interessant, ein Kuriosum aus der Zeit der stoischen Rabauken. Die Zukunft, daran ist kein Zweifel, gehört seinem verwandlungsfähigen Gegenspieler. Eine ganze Filmhandlung lang blieb Arnold stur er selbst, mehr oder weniger demoliert, eine alteuropäische Maschine als Variante der aristotelischen Substanz, die neuzeitlich als fundierendes Subjekt wiederholt werden sollte. Ganz anders der smarte Gegenspieler, der wie ein Lehrsatz über den Vorrang der Struktur über die Leinwand spukt. Längst kann er alles werden, was er sieht; ausgestattet mit einem autopoietischen Formprogramm, reorganisiert er sich aus jeder Zertrümmerung. Was ihn zu einer Erscheinung macht, ist seine Fähigkeit, sich mit allem zu vereinigen, was er vernichten will. Er ist selbstreflexiv wie ein hegelianischer Automat und selbstlos wie ein Bhudda. In ihm ist Posthumanität vollendete Tatsache. Er ist die erste Maschine, die eine Mystikerin sein könnte. Um sie zu deprogrammieren, muß man die Elemente selbst bemühen... ".(4) Kult-Kultur-ProtestantismusSieht man den Kulturprotestantismus (seinem traditionellen Verständnis nach) als den Versuch einer Synthese zwischen Christentum und Kultur an, so könnte man seine Gestalt mit der des neuentwickelten Terminators vergleichen. Es ist eine wandlungsfähige Maschine, die keine eigene Identität hat, dafür aber die Fähigkeit, sich alles und allem anzugleichen. ("Was ihn zu einer Erscheinung macht, ist seine Fähigkeit, sich mit allem zu vereinigen, was er vernichten will.") Dies bedeutet für ein Christentum mit derselben Angleichungsfähigkeit (sich alles anzugleichen, sich allem anzugleichen) den Verlust eigener Identität und somit die Selbstvernichtung. Dagegen setze ich das Bild des 'alten' Terminators. Er steht für die Autonomie, die Fähigkeit der Auseinandersetzung ohne völlige Angleichung. Er ist der traditionelle Maschinenmensch, der seinen Schützling John Connor im Lauf des Films fragt, warum Menschen weinen würden. Der Junge kann es ihm nur schwer beantworten, da gemeinsame Erlebnis- und Gefühlskategorien fehlen. Am Ende, als sich Arnold von John verabschiedet und der Junge weint, wischt er ihm eine Träne von der Wange und sagt: "Jetzt weiß ich, warum ihr Menschen weint. Aber das ist eine Sache, die ich niemals tun kann..." Die Autonomie der jeweiligen Welt bleibt so erhalten, die Maschinen- und die Menschenwelt bleiben trotz mancher 'Zwischengänger' letztlich voneinander getrennt. Doch über diese grundsätzliche Trennung hinweg ist ein Dialog möglich, ein Verstehen des anderen bei aller Unfähigkeit (und Unwilligkeit), einander gleichzuwerden. Dieses Modell könnte eine Chance für die Theologie sein, mit dem Film in einen Dialog zu treten. Nicht mit den alten Begriffen und Formeln an ein neues, andersartiges Phänomen herangehen, um bekannte Strukturanalogien wiederzufinden. Oder wenn dies geschieht, es unter dem Vorbehalt tun, daß der theologische Zugang zum Film immer nur ein möglicher unter vielen anderen und insofern genauso relativ ist. Der Film als autonomes Kunstwerk kann der Theologie viel mehr geben - an Fragestellungen und Zugängen hinsichtlich der Wahrnehmung(en) und Wirklichkeitserfahrungen - als seine Betrachtungsweise unter dem Aspekt der 'impliziten Religion' oder seines angeblichen 'Gleichnischarakters'. Es ist nicht unbedingt sein Sujet, sondern seine Sprache, die Art und Weise, wie er seine Geschichte(n) erzählt, die der Theologie immer neue Zugänge zur Wirklichkeit vermitteln kann. Eine theologische Wahrnehmung der Kunst darf nicht intentional sein, sondern kann nur im Hören und Zuschauen dessen bestehen, was Kunst über die Wirklichkeit aussagt (5). Der Film ist ein ausgezeichneter Partner in Hinsicht auf Wirklichkeitserfassung. Die Pluralität der Lebensentwürfe und die Schwierigkeit, sie zu erfassen und zu benennen, macht er besonders deutlich. Der Film steht gegen theologische Eindeutigkeiten und Zuweisungen, die den Verlust von Wirklichkeitssinn zur Folge haben. Die Zukunft, schreibt Sloterdijk, gehört im "Terminator II" dem wandlungsfähigen Gegenspieler, der die Möglichkeit unendlicher Transformationen besitzt. Auch die neuen Kulturprotestanten, die eine Erscheinung des ausgehenden 19. Jahrhunderts auf ihre Verwirklichungsmöglichkeit Ende des 20. Jahrunderts hin überprüfen wollen, sehen im Kulturprotestantismus die Chance der Gegenwart, das sich ansonsten selbst überlebende Christentum zu transformieren. Doch dies kann nicht mit den alten Begriffen und Systemen geschehen. Weder eine radikale Diastase noch eine vereinheitlichende Sythese kann die Lösung für den Umgang der Theologie mit der Kultur sein. Doch müssen gerade innerhalb des Protestantismus, dessen "einzige Kontinuität die Veränderlichkeit" (Friedrich Schlegel) ist, hierfür neue Kriterien gefunden und neue Standortbestimmungen vollzogen werden - gerade gegenüber einem Medium wie dem Film, das gut ohne Theologie auskommt. Doch läßt sich der Film durchaus von ihr anregen - eine Anregung, die der Theologie umgekehrt ebenfalls guttäte. Eine dialog- und differenzierungsfähige Position aber kann die christlich-protestantische Religiosität heute nur dann haben, wenn sie die Autonomie ästhetischer Gegenwelten achtet und sich aus dem eigenen Kern heraus immer wieder erneuert. Ihre Selbstbescheidung würde dann darin bestehen, Hinweis auf ein anderes sein zu können, ohne selbst ein anderes sein zu wollen. Anmerkungen
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