Wort und BildDie Bilderfrage als Problem der politischen TheologieDietrich Neuhaus |
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Vom "Wort" als theologischer Kategorie zum "Wort" als KommunikationsmediumDie reformatorische Kirche will "Kirche des Wortes" sein. Im Laufe der historischen Entwicklung hat diese grundsätzliche ekklesiologische Bestimmung praktisch Gestalt angenommen. Die Konzentration auf das Wort hat sich ausgewirkt auf die liturgische Gestaltung des Gottesdienstes, in dem die Predigt als gesprochenes Wort im Mittelpunkt steht und eine beträchtliche Zeit - bis zu einem Drittel der Gesamtzeit des Gottesdienstes - in Anspruch nimmt. Sie hat ebenso die Gestaltung des gottesdienstlichen Raumes bestimmt, in dem die Kanzel als erhöhter Ort des Sprechens das innenarchitektonische, religiöse Gravitationszentrum bildet. Sie hat die Amtsbezeichnung und das Selbstverständnis der religiösen Profis reformatorischer Spielart bestimmt, indem sie zu "Dienern des Wortes" wurden. Sie diktierte auch noch deren Kleiderordnung: den schwarzen Talar der wortmächtigen Gelehrten und Beamten. Die reformatorische "Kirche des Wortes" hat auf das geschriebene Wort der Heiligen Schrift als Fundament zurückgegriffen und es zur überhistorischen Norm erklärt. Alle Traditionen und historischen Vermittlungsschritte, aber auch das lebendige "Amt" von Personen wurden damit theologisch abgewertet. Die reformatorische Fundamentalkategorie "Wort" hat im Laufe von 470 Jahren aber nicht nur Religions-, sondern sie hat auch Kulturgeschichte gemacht. Sie hat über den assoziativen Zwangszusammenhang von "Wort - Hören -Verstand - Logik - Abstraktion" auf der einen und von "Bild - Sehen - Gefühl - Sinnlichkeit - Konkretheit" auf der anderen Seite unterschiedliche Kulturräume geschaffen: "Zwei kunstgeschichtliche Konstanten bestimmen bis in unsere Tage den Nord-Süd-Dialog der europäischen Kunst": "Im protestantischen Norden herrscht die von Bilderangst geprägte Phantasieabstinenz, im katholischen Süden die Einbildungskraft und der Bildzauber."(1) In diesem Sinne schildert Mortimer sein Rom-Erleben seiner Königin in Friedrich Schillers "Maria Stuart": "Es haßt die Kirche, die mich auferzog, der Sinne Reiz, kein Abbild duldet sie, allein das körperlose Wort verehrend. Wie wurde mir, als ich ins Innere nun der Kirchen trat und die Musik der Himmel herunterstieg und der Gewalten Fülle verschwenderisch aus Wand und Decke quoll, das Herrlichste und Höchste gegenwärtig ..." In diesem Sinne affiziert die "Kirche des Wortes" gar den Geruchssinn von Beobachtern: "Die evangelische Kirche ist in erster Linie eine Kirche des Wortes. Sie ist daher - im Unterschied zur katholischen Kirche - auch keine Kirche der Farbe, sondern eine Kirche des Schwarz-Weiß, und - mit Verlaub gesagt - sie riecht manchmal ein bißchen nach Tinte."(2) Von dieser Wahrnehmung ist es nicht mehr weit bis zu dem Schluß: "Der Protestantismus ist eine Philologie, keine Religion"(3) und hat die Sinnlichkeit zerstört (Alfred Lorenzer). Wie auch immer die ekklesiologische Bestimmung von der "Kirche des Wortes" gemeint gewesen sein mag, ihre Wirkungsgeschichte legt Zeugnis darüber ab, daß sie primär als Auskunft über das alles beherrschende Kommunikationsmedium in der protestantischen Kirche verstanden worden ist. Noch die letzten Stellungnahmen zumindest der Reformierten in Deutschland zum Problem "Wort und Bild" machen deutlich, daß diese mediale Interpretation kein Mißverständnis ist. 1958 sieht sich der "Reformierte Bund" zu einer Stellungnahme herausgefordert angesichts der Tatsache, daß "seit längerer Zeit in der Öffentlichkeit bildliche Darstellungen Jesu Christi (erscheinen), die in zunehmendem Maße als Hilfsmittel für die Verkündigung des Wortes Gottes in Anspruch genommen werden."(4) Der Argumentationsgang zur Aktualisierung des zweiten Gebotes gibt in kürzester Form die Etappen wieder, die von dem offenbarungstheologischen Verständnis des Begriffes "Wort Gottes" (= die Person Jesu Christi), über die missionstheologische "Verkündigung des Wortes Gottes" (möglicherweise mit allen zu Gebote stehenden Mitteln) zur nur noch verbalen "Predigt des göttlichen Wortes" führt. Obwohl es jeweils um drei vollkommen unterschiedliche Sinnebenen geht, wird der Anschein von stringenter Schlußfolgerung geweckt, weil es auf jeder Stufe irgendwie um "Wort" geht. Auch bei wohlwollender Interpretation kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, daß hier Begriffs-Scharlatanerie getrieben wird. Die folgende Feststellung, daß "Abbildungen Jesu Christi ebenso unmöglich wie Abbildungen Gottes"(5) seien, geht an der Problemstellung völlig vorbei, denn den Anspruch, Gott oder Jesus "abzubilden", haben selbst in der Antike nur ganz wenige Bilder für sich erhoben.(6 ) Eine neuzeitliche Problemstellung wird damit ebenfalls nicht getroffen. Die Abgrenzungen und praktischen Schlußfolgerungen, die die Stellungnahme beenden, lassen vermuten, daß es nur geistlicher Hochmut gewesen sein kann, der hier die Feder geführt hat:"Das zweite Gebot ruft uns von allen Gottesbildern weg, die wir uns in Gedanken machen, einerlei, ob diese Gedankenbilder in der Kunst Gestalt gewinnen oder nicht...Indem wir frei werden von unseren eigenen Gottesbildern und allen künstlerischen, pädagogischen und seelsorgerlichen Hilfsmitteln, werden wir frei für die völlige Hingabe an Gottes wunderbares Werk in Jesus Christus. In solcher Hingabe werden wir frei, die Kreatur in der rechten Weise zu gebrauchen, und es wird der Weg zu einer Kunst freigelegt, die nicht aus dem Götzendienst stammt und die nicht zum Götzendienst verführt."(7) "Kirche des Wortes" scheint also sowohl nach dem Erscheinungsbild, das die protestantischen Kirchen in ihrer Geschichte bieten, als auch nach dem Bild, das distanziertere Beobachter von ihr haben, als auch nach jüngeren Stellungnahmen zumindest reformiert-offizieller Art zu bedeuten: sie ist eine Kirche, in der das Wort, verstanden als Schrift oder Sprache, theologisch im Mittelpunkt steht und das Bild bestenfalls marginalisiert, schlimmstenfalls gänzlich verboten ist. Die "Kirche des Wortes" will bilderlose Kirche sein. Es ist nun im Blick auf die Reformation zu fragen, wie sich das Verhältnis von Wort und Bild dort gestaltete. Reformatorischer BilderstreitDas "fremde Wort"Martin Luther hat das "Wort" als einen entscheidenden reformatorischen Begriff entwickelt. Ihm ging es um eine Kritik des Gottesdienstes, um eine Kritik des Reliquienkultes, des Wallfahrtskultes, des Marienkultes, des Stifterkultes, des Buß- und Ablaßkultes, kurz: um die Kritik der grundsätzlichen und besonderen Verfassung der christlichen Religion, wie sie damals gelebt wurde. Die Kritik der religiösen Lebenspraxis hatte den Zweck, die menschliche Seele aus dem angstmachenden religiösen Zwangssystem, in das sie eingesperrt war, zu befreien. Um diesen Zweck zu erreichen, mußten alle gewachsenen Traditionen relativiert und eine theologische Größe gefunden werden, die allem in der christlichen Geschichte Gewachsenen und von Menschen Gemachten als Gegenüber absolut vorgegeben war. Nur eine solche gleichsam "extra nos", außerhalb der menschlichen Vermittlungen liegende Größe war tauglich, die Garantie für die von Selbstzweifeln geplagte Seele zu übernehmen, daß Gott gnädig sei. Letztlich kann nur Gott selbst "extra nos" der Garant der Befreiung des Menschen sein. Für die Theologie Luthers, wie auch für alle nachfolgende reformatorische Theologie stellt sich damit ein Problem, das man als Gewißheitsproblem beschreiben kann. Auf der einen Seite muß Gott "extra nos" allem menschlichen Zugriff entzogen werden, damit die Befreiung garantiert ist. Auf der anderen Seite muß diese Befreiung versinnlicht werden, um für Menschen erfahrbar zu sein. Was die Theologie Luthers manchmal widersprüchlich scheinen läßt, ist, daß es ihr um die Gewißmachung und die Erfahrbarmachung des religiös-sakramentalen Grundaktes zugleich geht: "Dir sind deine Sünden vergeben". So hat denn auch der reformatorische Grundbegriff "Wort" bei Luther diese doppelte Dimension: er bezeichnet Gott selbst in seiner dem Menschen zugewandten Seite und gleichzeitig die konkret erfahrbare Gestalt dieses Wortes, die sich zum reformatorischen Grundsatz "sola scriptura" verdichtet. Die Spannung, die damit im reformatorischen Grundbegriff "Wort" eingezeichnet ist, läßt sich am besten durch ein Briefzitat verdeutlichen: "Der Fürst der Dämonen ist gegen mich angetreten, so mächtig und kundig geht er mit der Schrift um, daß meine Schriftkenntnisse nicht ausreichen, wenn ich mich nicht halte an das fremde Wort."(8) Das "fremde Wort" ist das Evangelium, das fremd bleiben und Wort, d.h. möglichst konkret und sinnlich erfahrbar werden muß. Von dieser Spannung her ist es zu verstehen, daß der Gegenbegriff zu "Wort" in Luthers Theologie nicht "Bild" ist - das würde auch hinsichtlich der sinnlichen Erfahrbarkeit gar keinen Sinn ergeben -, sondern "Werk". Die Rechtfertigung aus Glauben allein, der eine Kreatur des Wortes ist, steht gegen die Werkgerechtigkeit und nicht gegen Bilder. Luther selbst war ein von Bildern geradezu besessener Mensch, was an seiner Sprache deutlich wird, und die Reformation selbst hat eine wahre Bilderflut hervorgebracht und Bilder geschickt als Waffe im polemischen Kampf zu nutzen verstanden.(9) Karlstadt gegen LutherAndreas von Bodenstein, gen. Karlstadt, gehörte zu Luthers Mitstreitern in Wittenberg. Er war Pfarrer in Orlamünde und Luthers Kollege an der Universität. Während Luther von seinem Landesherrn auf die Wartburg geschickt wurde, führte Karlstadt gleichsam die Geschäfte der Reformation in Wittenberg weiter. Seine bilderstürmerische Theologie entfaltete er in der Schrift "Von Abtuhung der Bilder", Januar 1522.(10) Karlstadt trägt folgende Argumente gegen die Bilder vor:
In Wittenberg kommt es, nicht zuletzt in Folge von Karlstadts Wirken, im Februar 1522 zu einem Bildersturm mit heftigen Unruhen. Der Landesherr läßt Luther von der Wartburg holen, damit Ruhe und Ordnung wiederhergestellt werden. Vom 9.-16. März 1522 hält Luther die acht Invokavit-Predigten, wobei er besonders in der dritten und vierten Predigt auf die Bilderfrage eingeht. Hier formuliert er die Lehre, daß die Bilder zu den Adiaphora gehören: "Deshalb müssen wir schließen und dabei bleiben lassen, daß die Bilder weder so noch so, weder gut noch böse sind; sondern man lasse es frei sein, sie zu haben oder nicht zu haben, allein daß der Glaube oder Wahn davon sei, daß wir mit unserem Bilderstiften Gott einen Dienst oder Wohlgefallen tun."(11) Am ausführlichsten legt Luther seine Argumente in einer Schrift aus den Jahren 1524/25 dar: "Wider die himmlichen Propheten, von den Bildern und Sakrament". Luthers Argumente:
Die Bilderfrage bei Zwingli und CalvinDie reformierte Tradition bringt ihren Unterschied zur lutherischen in der Bilderfrage nicht zuletzt durch eine unterschiedliche Zählung der zehn Gebote zum Ausdruck. Das Bilderverbot wird in der Frage 92 des "Heidelberger Katechismus" als ein eigenständiges, als das zweite Gebot gezählt, während in Luthers "Katechismus" das Bilderverbot unter das erste Gebot "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben" eingeordnet wird. Leo Jud, ein Freund Zwinglis, hat diese reformierte Einteilung entwickelt. Daß letztendlich Reformierte und Lutheraner doch nur zehn Gebote haben, wird dadurch erreicht, daß Luther "Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus" als neuntes Gebot und "Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib etc." als zehntes Gebot zählt, während die Reformierten beide als zehntes Gebot verstehen. Allerdings handelt auch Luther in seinen Erklärungen das neunte und zehnte Gebot immer zusammen ab. Zwingli hat seine Position zur Bilderfrage in verschiedenen Gutachten zu bilderstürmerischen Vorgängen in Zollikon und Zürich in den Jahren 1523 und 1524 formuliert, ferner in seinen Schriften "De vera et falsa religione" (1525)(15) und seiner Antwort an den Landschreiber des Kantons Uri, Valentin Compar, aus dem Jahr 1525.(16) In seiner Streitschrift gegen Luther "Amica exegesis" aus dem Jahr 1527 greift er v.a. Luthers Adiaphora-Lehre an.(17) Neben den Argumenten, die schon bei Karlstadt zu finden sind, greift Zwingli eine Kritik an den Bildern auf, die auch schon kirchliche Reformbewegungen im Mittelalter von Bernhard von Clairvaux über die Wiclifiten und Hussiten bis zu Savonarola vorgebracht hatten: Bilder seien Luxus, das Geld solle lieber den Armen gegeben werden. Darüber hinaus geht Zwingli noch auf das besondere Problem von Christusdarstellungen ein. Er nimmt dabei ein Argument auf, das in den byzantinischen Bilderstreitigkeiten des 8. Jahrhunderts von den Ikonoklasten formuliert worden ist. (Es taucht ebenfalls in der Stellungnahme des Reformierten Bundes aus dem Jahr 1958 unter Pkt.4 auf.) Ausgangspunkt ist die Zwei-Naturen-Lehre Jesu Christi, nach der göttliche und menschliche Natur in der Person Jesu Christi weder getrennt noch vermischt vorgestellt werden dürften. Da sich Christi göttliche Natur nicht abbilden lasse, sondern nur seine menschliche, diese aber nicht als göttliche verehrt werden dürfe, weil sie uns nicht erlöst habe, darum müsse auf eine Darstellung Christi gänzlich verzichtet werden. In den byzantinischen Streitigkeiten antworteten die Ikonodoulen auf dieses Argument: Wenn es falsch ist, Christus abzubilden, weil man nur seine menschliche Natur darstellen kann, so ist es ebenso falsch, ihn nicht abzubilden, weil man damit leugnen würde, daß er wahrhaftig Mensch geworden ist. Insgesamt tendiert Zwingli dazu, die äußere Sinnenwelt gegenüber der inneren Welt des Geistigen abzuwerten, und dies bestimmt auch seine Haltung in der Bilderfrage: "Der Mensch fällt von Natur an die Ding, die ihm in die Empfindnusse (=sensus) gestellt werden,"(18) und "was anderen (z.B. nämlich den Israeliten mit dem goldenen Kalb, D.N.) geschehen ist, das kann auch uns geschehen."(19) Bei seiner ablehnenden Haltung mag er auch getrieben worden sein von der "verständlichen Sorge um die Treue und Festigkeit seiner eben erst dem Irrtum entrissenen jungen Gemeinden."(20) Calvin behandelt die Bilderfrage im 11. Kapitel des ersten Teils der "Institutio" im Zusammenhang mit dem menschlichen Götzendienst. Aufgrund seiner konsequenten Sündenlehre ist für ihn das menschliche Herz eine "fabrica idolorum", eine unaufhörlich tätige Götzenfabrik, die darauf bedacht ist, die Majestät und Ehre Gottes herabzuziehen, zu verdinglichen und sich selbst manipulativ zunutze zu machen. Bilder in der Kirche verletzen die Ehre Gottes und bergen die Gefahr in sich, daß der Mensch sich an sie verliert und sie gegen den wahren Gott eintauscht. "Wollen wir wirklich nur den einen Gott haben, so müssen wir darauf achten, ihm auch nicht das geringste von seiner Ehre zu rauben."(21) Das Interessante an der Position Calvins ist, daß er nicht von einer spiritualistischen Grundhaltung aus argumentiert wie Zwingli, sondern daß es ihm um das gleiche Anliegen wie Luther geht, das oben als Gewißheitsproblem gedeutet wurde. Die "Extra"-Dimension in der Theologie Calvins(22) ist der Versuch, auf unterschiedlichen Ebenen die Majestät und Freiheit Gottes und die Wirklichkeit der Menschwerdung ineins sicherzustellen. Nur wenn Gott frei bleibt, kann der Mensch frei werden und zum Heil kommen. Aus dem gleichen Interesse heraus wie Luther kommt Calvin aber zu einer ablehnenden Haltung in der Bilderfrage. Nur Taufe und Abendmahl sind das in der Kirche zulässige "Bild" (23) , das sinnlich erfahrbar Gewißheit vermittelt. Dies spiegelt sich noch in dem "so gewiß ... so gewiß" der Frage 75 über das Abendmahl im "Heidelberger Katechismus". Die Prädestinationslehre ist dann ein weiterer Versuch in der reformierten Tradition, dem Gewißheitsproblem gerecht zu werden. "...daß der Hund nicht lerne an den Riemen das Leder fressen". Die Bilderfrage als Problem der politischen TheologieDie Frage, welche Haltung eine Kirche, die sich auch heute noch als "Kirche des Wortes" verstehen will, in der Bilderfrage einnehmen soll, kann nicht einfach traditionalistisch beantwortet werden. Zum einen gibt es zwei verschiedene reformatorische Argumentationslinien, die zu unterschiedlichen Ausprägungen im Erscheinungsbild des gottesdienstlichen Raumes und der Liturgie geführt haben. Zum anderen sind die Veränderungen, die die neuzeitliche Geschichte seit der Reformation für das Leben der Menschen mit sich gebracht hat, so gravierend, daß es geraten sein dürfte danach zu fragen, welche Bedeutung die Wiederholung eines theologischen Satzes oder Standpunktes für das Leben der Kirche heute haben würde. Insbesondere das Verhältnis von Wort und Bild hat sich allein in diesem Jahrhundert durch die Massenreproduktions- und -publikationstechniken, durch die Erfindung von "laufenden Bildern", durch die medialen Revolutionen, die die Verbreitung von Hörfunk und Fernsehen und den sogen. "Neuen Medien" bedeuteten, derart dramatisch verändert, daß es bei einer Wiederholung von Sätzen, die die Situation von Menschen im 16. Jahrhundert im Blick hatten, nicht bleiben kann. Bevor auf diese Situation eingegangen wird, ist grundsätzlich der systematische Ort zu bestimmen, an den die Bilderfrage theologisch gehört. Die These, die hier kurz begründet werden soll, lautet, daß der angemessene Rahmen, in dem die Bilderfrage erörtert werden muß, eine Kritik der politischen Theologie ist. Unter "politischer Theologie" sollen dabei theologische Sätze verstanden werden, die Teil der Legitimationsmythen politischen Handelns sind.(24) Dabei ist es nebensächlich, ob theologische Sätze intentional dazu entwickelt wurden, politische Entscheidungen zu motivieren oder zu legitimieren. Im Rahmen einer "Kritik der politischen Theologie" ist in ideologiekritischer Absicht nach den politischen und gesellschaftlichen Funktionen theologischer Sätze zu fragen.(25) Daß die Bilderfrage angemessen in diesem Rahmen zu erörtern ist, kann man nicht nur aus dem historischen Faktum ableiten, daß alle Bilderstreitigkeiten in der Geschichte mit Bilderstürmen als politischen Aktionen zusammengehen.(26) Es ist auch aus der systematischen Erörterung der Frage zu folgern, was denn ein Bild eigentlich sei. Diese Frage wird man nicht nur mit einer spekulativen philosophischen Übung beantworten können, sondern auch mit einer Untersuchung des praktischen Umgangs mit Bildern in privaten und öffentlichen Räumen, mit einer Analyse ihrer Funktionszusammenhänge.(27) Ein kurzer Blick auf die reformatorische Kontroverse um Wort und Bild zeigt, daß auch hier politische Konflikte eine bedeutsame Rolle spielten. Luthers Haltung in der Bilderfrage und seine Kritik bilderstürmerischer theologischer Ansichten ist unauflöslich verknüpft mit seiner Kritik an den sozialrevolutionären Bewegungen, die zu den Bauernaufständen führten. Nicht erst Luthers furchtbare Sätze in seiner Schrift "Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern" zeigen, wie er in den Kampf um Macht und Herrschaft verstrickt ist und wo er Position bezogen hat. Luther war auf jeden Fall auch eine Figur im Schachspiel der politischen Mächte, die ihn geschickt dort einzusetzen verstanden, wo er ihnen nützlich war. So spielt denn auch in den Schriften zum Bilderstreit die "Oberkeit" eine entscheidende Rolle. Luther findet zwar auch vieles richtig, was die Bildergegner formulieren, aber es ist eben falsch, praktische Folgerungen aus theologischen Einsichten zu ziehen ohne die Erlaubnis der Obrigkeit: "Daß man wohl sieht, wo Gott etwas heißt die Gemeinde tun, und das Volk nennt, daß ers will nicht vom Pöbel ohne Oberkeit, sondern durch die Oberkeit mit dem Volk getan haben, auf daß der Hund nicht lerne an den Riemen das Leder fressen, das ist, an den Bildern sich gewöhne zu rotten auch wider die Oberkeit."(28) Auch Karlstadt ist sich der politisch-praktischen Dimension dessen, was er in Wittenberg und Orlamünde tut, bewußt. Er war darauf bedacht, sich selbst und seine Theologie nicht zum Instrument der Aufständischen machen zu lassen. Deshalb auch zählt Luther ihn nicht direkt zu den mörderischen Propheten - wie Müntzer - sondern attestiert ihm nur einen "aufrührischen, mördischen, rottischen Geist".(29) Die Situation in der Schweizer Reformation war von der in Wittenberg dezidiert verschieden. Sie war von Anfang an praktischer orientiert und auf unterschiedlichen Ebenen auch mit Fragen der politischen Neuorganisation verbunden. Mag sein, daß die größere Skepsis Zwinglis nicht nur mit seinen spiritualistischen Grundüberzeugungen zu erklären ist, sondern auch Ausdruck der Notwendigkeit war, in seiner Situation Religion und Politik in rechter Weise unterscheiden zu müssen. In Bildern manifestiert sich Herrschaft, und es ging nicht nur darum, die Bilder der politischen Klasse, die die Herrschaft innehatte, zu zerschlagen, sondern auch der aufstrebenden Klasse des Bürgertums zu verwehren, nun ihrerseits das entsprechende Bild im religiösen Raum aufzurichten. Im Schweizer Zweifrontenkrieg gegen den Brokatmantel auf der einen und die seidenen Pumphosen auf der anderen Seite blieb der religiöse Bildraum erst einmal leer. "Die weißgetünchten Wände der Zürcher Kirchen, an denen er (Zwingli, D.N.) seine Freude hat, besitzen in einem weiteren Sinn ja auch Bildqualität."(30) Eine Aussage, ein Appell dieses monochromen Bildes könnte es sein, daß die "Kirche des Wortes" reformierter Spielart gegenüber der Vermengung von Politik und Religion kritisch zu sein und zu bleiben hat. Die "bildhafte Aussage des bilderfreien Kirchenraumes"(31) könnte darin bestehen, daß die "Kirche des Wortes" in besonderer Weise um die "Bilder und ihre Macht"(32) weiß. Denn im Bild fallen Religion und Politik zusammen, wird Religion politisch und Politik religiös. In Bilderstreit und Bildersturm geht es um Herrschaft über die Menschen. Zusammenfassend sind hinsichtlich des Verhältnisses von Wort und Bild innerhalb einer Kirche, die "Kirche des Wortes" sein will, aufgrund unserer Überlegungen einige Schlußfolgerungen zu ziehen:
Die "Kirche des Wortes" in der Bilder- und MedienweltDie reformatorische Kirche will "Kirche des Wortes" sein. Daß dies nicht heißen kann, daß sie eine bilderlose Kirche ist und Bilder sie nichts angehen, wurde anhand des Bilderstreites zur Zeit der Reformation zu zeigen versucht. Sofern die "Kirche des Wortes" auch sichtbare Kirche, d.h. eine religiöse Institution in dieser Gesellschaft ist, kommt sie um positive religiöse Gestaltungsaufgaben nicht herum. Diese Gestaltungsaufgaben beinhalten die Schaffung von eigenen Bilderwelten in Auseinandersetzung mit anderen Bilderwelten; sie bedeuten, Menschen in Bilderwelten Orientierung zu geben und sie im Umgang mit Bildern anzuleiten(37); sie bedeuten, auch die Verräumlichung und Verzeitlichung der Botschaft im Gottesdienst nicht nur als "Dienst am Wort", sondern auch als Bilderdienst zu begreifen. Damit wird auch die kritische Analyse der eigenen gottesdienstlichen Tradition zur Aufgabe. Sie ist daraufhin zu befragen, wo weniger die reformatorische Botschaft selbst als vielmehr das mediale Mißverständnis, bzw. die mediale Engführung der theologischen Fundamentalkategorie "Wort" im Gottesdienst Gestalt gewonnen hat. In einer polemischen Analyse macht etwa Gerhard Marcel Martin auf den "ungeheuren Textkonsum in Liturgie und Predigt"(39) bei Gottesdiensten aufmerksam, der dazu führt, - seltsam genug in einer Kirche, in der das Wort besonders hoch stehen soll -, daß "der Text allenfalls gekostet, nicht ausgekostet, geschweige 'verkostet' (wird)".(40) Alle Freiräume, Denkräume, Atemräume werden "zugetextet", was faktisch zum "Ausverkauf" der Worte,- man darf vermuten: auch des Wortes - führt. Aufgrund der theoretischen und praktischen Wirkungsgeschichte der ekklesiologischen Bestimmung ("Kirche des Wortes") ist darum, statt den Ausverkauf der Worte immer weiter zu betreiben, von der reformatorischen Tradition aus neu nach der besonderen Zuständigkeit für das Bild zu fragen.(41) Damit würde der religionskritische Zug der Bibel und der Reformation in einer für die heutige Kultur relevanten Weise weitergeführt. Dazu ist die religiöse Bedeutung des Bildes zu skizzieren. Das Bild als Kern der ReligionDer Begriff "Bild" ist bisher als Metapher verwendet worden. Dies war gut und nützlich, weil die theologische Kategorie "Wort" diesen metaphorischen Charakter seit der Reformation ebenfalls hatte und auch weiterhin behalten soll. Die Frage nach dem Verhältnis von "Wort und Bild" in der Kirche kann so nicht einfach zu der Frage verdünnt werden, ob man im Religionsunterricht Jesusbilder benutzen darf oder ob Kunstwerke in evangelischen Gottesdiensträumen erlaubt sind, sondern hinter dieser Fragestellung verbirgt sich das vertraute theologische Problem des Verhältnisses von christlichem Glauben und Religion. In diesem allgemeinen Zusammenhang ist darum auch nach der Bedeutung zu fragen, die das Bild in der Religion hat. Die Religionsphänomenologie setzt beim Vorgang der "Verbildlichung" an, um den religiösen Gehalt des Bildes zu bestimmen: "Verbildlichung als Gerinnung des Lebensstromes ist eine religiöse Handlung".(42) Der Begriff "Bild" wird dabei als ein räumlich fixiertes, optisch wahrnehmbares (graphisch/plastisch/architektonisches) Kunst-Zeichen verstanden. Obwohl damit wichtige Momente im Bildbegriff ausgeblendet werden(43), ist diese Bestimmung ausreichend, um den religiösen Charakter von Bildern deutlich zu machen. Durch den Vorgang der Verbildlichung, durch den Ur-Akt des Ab-Bildens von inneren Bildern oder äußeren Dingen oder Vorgängen so, daß sie im Raume präsent bleiben, entstehen plötzlich zwei Welten: das Raum-Zeit-Kontinuum ist zerbrochen, und es gibt nun mehrere, ineinander verschachtelte Lebens- und Erlebensräume. Es gibt nun neben der Welt Nr. 1, die als Leben vor sich hin lebt und ist, die Welt Nr. 2, die aus Zeichen besteht, die etwas anderes bedeuten können als sie selbst, und die in der Welt Nr. 1 andere Welten, seien es vergangene, innere, erdachte etc. präsentieren oder repräsentieren, d.h. gegenwärtig machen. "Bildliche Darstellung ist Vergegenwärtigung und somit Reproduktion von Macht, Fixierung und somit Konzentration von Macht".(44) Indem der Vorgang der Verbildlichung den Lebensstrom unterbricht und gleichzeitig im Zeichen wieder präsent macht, wird die "Lebensmacht" herausfordernd beschworen. Dies wird in der Religionsphänomenologie als religiöser Vorgang gedeutet. Verbildlichung als Unterbrechung und zeichenhafte Beschwörung der Lebensmacht wird zum Herrschaftsvorgang(45), denn "alle Darstellung ist Unterwerfung, ist Vergewaltigung und Eigenmächtigkeit. Zum Wesen der Malerei und Bildhauerei gehört es, daß die Bewegung stagniert, eben dadurch gewinnt die Unterwerfung an Beständigkeit und festigt sich die Eigenmächtigkeit. Das Bilderverbot ist daher sehr tief im Wesen der Religion verankert."(46) Daß das Bild der Kern der Religion ist, hat also nichts mit dem Gegenstand des Bildes zu tun, sondern ist in seiner Form und Intention begründet. Die Macht des Bildes besteht in seinen praktischen Vergegenwärtigungsmöglichkeiten.(47) Dabei lassen sich verschiedene Stufen der Massivität der Vergegenwärtigung vorstellen, wobei an erster Stelle die dreidimensionale Rundplastik steht. Wer einmal vor einer riesigen Bronzestatue eines griechischen Gottes gestanden und sich ihrer Ausstrahlung ausgesetzt hat, wird diese Einschätzung vielleicht nachvollziehen können. Sie haben eine solche Aura, sind in einer Lebendigkeit und Massivität einfach da, daß einen schaudert.(48) Die Bilderüppigkeit der orthodoxen Kirchen erscheint auf diesem Hintergrund noch einmal in einem anderen Licht: es wird deutlich, worauf man auch in den östlichen Kirchen verzichtet hat, indem man Rundplastiken zur Vergegenwärtigung des Göttlichen bewußt ausschloß. "Ikonen sind nur Ikonen."(49) Wie in der "Kirche des Wortes" der Weg vom Wort zu den "Wörtern" gegangen worden ist, so ist nach diesen Andeutungen nun auch der Weg vom Bild zu den Bildern zu gehen. Dabei sind schlaglichtartig einige Felder unserer gegenwärtigen Kultur zu benennen, in denen die theologische Diskussion in selbstkritischem Rückbezug auf die reformatorische Tradition zu führen ist. Theologie und ÄsthetikDie Beschäftigung mit den Bildern in der "Kirche des Wortes" macht eine Klärung des Verhältnisses zwischen Theologie und Ästhetik zur Aufgabe. Im Rahmen eines weiten, metaphorischen Bild-Verständnisses wird Ästhetik dabei nicht als "Theorie der Kunst" im Anschluß an Hegel, sondern im Rückgriff auf Baumgarten und den griechischen Wortsinn als Wahrnehmungslehre verstanden. Neuere Versuche, so unterschiedlich sie im einzelnen auch ausfallen, sind sich über die hermeneutische Bedeutung einer so verstandenen Ästhetik für Theologie und Kirche einig.(50) Besonders interessant ist dabei ein Versuch, der nun gerade das biblische Bilderverbot als Grundlage einer theologischen Ästhetik ernst nehmen und verstehen will als "Selbstvorstellung Gottes, die sich auch unter ästhetischem Aspekt nachzeichnen läßt."(51) Systematisch konsequent entwickelt Albrecht Grözinger die Kategorien seiner theologischen Ästhetik denn auch in der biblischen Auslegung einer alttestamentlichen und neutestamentlichen Geschichte, der Berufungsgeschichte des Mose in Exodus 3,1-14 und der Emmaus-Perikope in Lukas 24,13-35. Die Stärke dieses dogmatisch reflektierten Ansatzes liegt darin, daß gezeigt wird, daß und wie eine inkarnationstheologische Argumentation möglich ist unter Bewahrung der Einheit und Zusammengehörigkeit von Altem und Neuem Testament.(52) Das Bilderverbot wird zur "Begründung für eine theologische Ästhetik, die 'Erscheinung' und 'Verborgenheit' Gottes zusammendenken muß."(53) Mit dieser Beschreibung wird in der Ästhetik die Spannung aufgenommen, die in der reformatorischen Kategorie des "Wortes" angelegt ist und die Luther mit seiner pointierten Formulierung vom "fremden Wort" zum Ausdruck bringt. Kunst und KircheDer Zusammenhang von Bild und Religion ist weiter für das Gespräch zwischen Kunst und Kirche relevant.(54) Eine Reihe von Studien nehmen auch hier das Bilderverbot zum Ausgangspunkt des Gesprächs. Reinhard Hoeps etwa weist auf den "impliziten Ikonoklasmus des Symbolbegriffs"(55) hin und geht dann den künstlerischen Werken nach, die das Bilderverbot so realisieren, daß sie "den Widerstreit zwischen Bild und Verbot in jedem Werk selbst zur Austragung kommen lassen", und zwar "im Modus von Durchkreuzung sinnlicher Präsenz".(56) Die produktiven und positiven Seiten des Ikonoklasmus für die Kunst entwickelt Andreas Mertin, indem er Ikonoklasmus als "jede Stillstellung oder Erstarrung der ästhetischen Erfahrung"(57) interpretiert und den Bilderstreit als "Paradigma christlicher Kunsterfahrung" schlechthin versteht. Ein weiterer wichtiger Gesprächsfaden scheint die seit der Romantik aktuelle Analyse der Kunst als gesellschaftlicher Institution zu sein, die die Religion ersetzt. Die kritische Analyse der Übernahme religiöser Funktionen durch den Kunst- und Kulturbetrieb entspricht durchaus den religionskritischen Zügen, die die "Kirche des Wortes" nicht verabschieden kann, wenn sie sich auf Bild und Religion neu einläßt.(58) Denn nur das, was als Religion benennbar ist, ist als solches auch kritisierbar. Die jüngste Diskussion um den Epiphanie-Anspruch des Kunstwerks(59) und die Rehabilitation der Kategorie des "Erhabenen" im kunsttheoretischen und philosophischen Diskurs(60) deuten auf ein neues Interesse an der Erforschung des Zusammenhangs von Kunst und Religion auch außerhalb der Kirche. Das Gespräch zwischen Kunst und Kirche hat nicht nur zu einer Rückkehr der Kunst in den Kirchenraum geführt, sondern beginnt, auch Früchte für die Homiletik zu tragen. Die "Bildpredigt", in der ein Kunstwerk Grundlage einer Predigt oder Illustration eines Predigttextes ist, wird entdeckt.(61) Horst Schwebel reflektiert den Zusammenhang von Kunst, Religion und christlichem Glauben unter der Voraussetzung der Autonomie der Kunst und macht auch auf die Grenzen aufmerksam, die für Kunst und Kirche gelten sollen: die Kirche kann kein Gesamtkunstwerk werden, und die Kunst bleibt autonom und darf nicht instrumentalisiert werden.(62) Kirche und MedienEine Beschäftigung mit den verschiedenen Dimensionen des Bildes ist für eine "Kirche des Wortes" auch darum notwendig, weil sie in einer hochtechnisierten Medien- und Informationsgesellschaft lebt, in der mittlerweile Bilder die omnipräsente und vorherrschende Form der Kommunikation geworden sind. Was dies im einzelnen anthropologisch und ekklesiologisch bedeutet, ist zur Zeit auch in Ansätzen noch nicht absehbar. Es ist einmal der Film, der von seiner Form her auf der Grenze zwischen Kunstwerk und Medium steht. Er ist bisher zwar recht stiefmütterlich von Theologie und Kirche behandelt worden, scheint aber zunehmend mehr Interesse auf sich zu ziehen, je deutlicher seine quasi-religiösen Funktionen im gesellschaftlichen Zusammenhang durch Einzelanalysen deutlich werden.(63) Bezeichnenderweise ist das Thema Film kirchlich noch am ehesten an den evangelischen Akademien angesiedelt (z.B. in Form der Tagungsreihe "Arnoldshainer Filmgespräche")(64), die von ihrem institutionellen Selbstverständnis her kommunikative Aufgaben zwischen Kirche und Gesellschaft übernehmen. Eine theologische Diskussionsgrundlage bieten die von Doron Kiesel und Werner Schneider vorgetragenen "Thesen zum Verhältnis von Theologie, Kirche und Film".(65) Es sind zum andern die audiovisuellen Massenkommunikationsmedien, die dringend einer theologischen Reflexion bedürfen. Dabei fällt auf, daß die protestantischen Kirchen in unserem Land - im Unterschied etwa zu Holland, England und den USA - besonders große Probleme haben, sich auf Medien wie das Fernsehen positiv einzustellen. Erst zögerlich beginnt die Praktische Theologie, sich dieses Themas anzunehmen.(66) Von seiner Aufgabenbeschreibung her ist es hauptsächlich das "Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik"(GEP), das Theologen und Publizisten zusammenführt und die medialen Kommunikationsformen der Gesellschaft nicht nur für die Kirche zu nutzen, sondern auch in ihrer Eigenlogik zu verstehen sucht.(67) Für die Zögerlichkeit, mit der sich Theologie und Kirche den elektronischen Medien zuwenden, gibt es mehrere Gründe. Zum einen scheinen gerade evangelische Christen eine besondere Affinität zu kulturkritischen Analysen des Fernsehens im Gefolge von Marshall McLuhan wie Neil Postman und Marie Winn zu haben.(68) Dabei werden diese Studien häufig wie empirische Analysen bewertet, ohne daß der apokalyptisch gestimmte geschichtsphilosophische Rahmen einer Kritik unterzogen würde.(69) Positive Zugänge versuchen die Autoren im Band "Die kanalisierte Botschaft. Religion in den Medien - Medienreligion" zu finden.(70) Wolf-Rüdiger Schmidt, der die religiöse Funktion elektronischer Medien untersucht, macht auf den Doppelcharakter des Fernsehens aufmerksam als "Medium der Rückverzauberung in einer Welt, deren einst sakraler Charakter philosophisch und theologisch definiert, ökonomisch verödet, technisch weithin zerstört zu sein scheint" und gleichzeitig als "Medium struktureller Entheiligung", das das Erbe der Aufklärung in schonungsloser Weise weiterführt.(71) Der Suche nach positiven Zugängen zu audiovisuellen Massenkommunikationsmedien gelten auch die Überlegungen von Hans Erich Thomé, der die kirchliche Diskussionslage in eine breite Aufnahme der Kommunikations- und medienwissenschaftlichen Theoriebildung einordnet.(72) Ein weiterer Grund für die Zögerlichkeit von Theologie und Kirche, auch die elektronischen Medien theologisch ernst zu nehmen, liegt wohl darin, daß durch eine Verkündigung in den anonymen Kanälen die am Modell personaler Kommunikation orientierte gesamte Organisationsstruktur der parochialen Volkskirche letztlich zur Disposition steht.(73) Denn die Verkündigung in den Medien ist parochial nicht mehr rückholbar. Neben kulturkritischen und humanen Überlegungen bei der Kritik an den "anonymen Medien" dürfte verdeckt auch ein klerikales Herrschaftsinteresse eine Rolle spielen. Denn in den Medien verlieren die religiösen Profis die Kontrolle über die Rezipienten ihrer Botschaft. Anmerkungen
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