Ein katholisches Buch mit evangelischem Vorwort in einem evangelischen Verlag gilt es vorzustellen. So unvermeidlich wie die in der Regel unerträglichen Kinderbibeln mit entsprechenden Softbildern sind inzwischen in der Weihnachtszeit und zu anderen kirchlichen Feiertagen die Foliobände mit Bildern zur Bibel oder zum Leben Jesu geworden. Machen wir uns nichts vor: die Bücher entspringen weder einer kunsthistorischen Notwendigkeit noch einer religiösen Zwangsläufigkeit. Sie dienen ausschließlich und allein der Akkumulation des schnöden Mammons. Hier gilt immer noch der Aufschrei des biblischen Predigers: "Und über dem allen, mein Sohn, lass dich warnen; denn des vielen Büchermachens ist kein Ende" (Pred 12, 12) und man sieht sich geneigt Johannes 2, 16 wörtlich zu nehmen. Wenn Weihnachten oder ein anderes kirchliches Hochfest sich nähert, sitzt jedoch der Geldbeutel locker und man befriedet sein schlechtes Gewissen bezüglich des vernachlässigten Kirchenbesuchs mit dem Kauf eines bebilderten Religionsschmökers. So und nicht anders kann man sich die illustrierten Bibeln und die Bildatlanten zur Bibel nur erklären. Sachlich bieten sie nichts, ästhetisch reproduzieren sie das sattsam Bekannte und Neues zeigen sie schon gar nicht. Die Wiederkäuer der Verbilderung des Christentums erschöpfen sich in immer wieder neuen Zusammenstellungen des kunsthistorisch längst Zertifizierten und ästhetisch belanglos Gewordenen. Probleme, so denn überhaupt noch ein Problembewusstsein existiert, werden mit schnellen Gesten beiseite gewischt. Wozu den kaufwilligen Leser noch verstören und das ganze Unternehmen in Frage stellen. Komplexität, so beschied eine Lektorin eines renommierten Verlages vor einiger Zeit einen befreundeten Publizisten, sei in heutiger Zeit nicht angebracht und schade nur dem Absatz. Und der Absatz ist das Einzige, was zählt. Das gilt auch für das vorliegende Buch. Aber kommen wir zur Sache. "Bilder zur Bibel" kündigt der Buchtitel an, aber von den in der Regel etwa 1100 Seiten einer Bibel werden hier nur 10% mit Bildern bedacht, nämlich jene zum Leben Jesu, wie der Untertitel dann erläutert. Und auch hier wird der Begriff "Leben Jesu" nur übertragen verwendet, denn auch Gleichnisillustrationen gehören offenbar zum Leben Jesu. Wer das Buch gekauft hat, weil er wirklich "Bilder zur Bibel" erwartet hat, wird enttäuscht. Vermutlich, weil alle Buchtitel wie
schon vorhanden waren, wurde schnell zur großen Münze gegriffen und "Bilder zur Bibel" angekündigt. Das aber wird gerade nicht eingelöst. Nun ist der Verfasser renommiert und einschlägig ausgewiesen. Er hat bedeutende, wenngleich auch umstrittene Ausstellungen für den Katholikentag organisiert. Man hätte also mehr als die in all diesen Werken übliche Standardbebilderung von Giotto bis Beuys erwarten können. Vielleicht die eine oder andere kunsthistorische Entdeckung, etwas, was den aufmerksamen Augen der Vielzahl bisheriger Autoren zum Thema entgangen ist. Etwa ein Weihnachtsbild von FRANCESCO DI GIORGIO MARTINI, das so gar nicht in die Blickkonventionen des weihnachtsseligen Bücherkäufers passt. Oder Arbeiten von Jonathan Meese, Rosemarie Trockel oder Rune Mields. Aber nichts davon. Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal auf ein Buch mit Bildern zur Bibel stoßen würde, bei dem ich jedes der ausgewählten Bilder schon kenne. Nichts Ungesehenes, keine Entdeckung, nur Altbekanntes. Dabei verspricht der Klappentext vollmundig, man werde "den Leser in bisher ungekannter Weise in siebenhundert Jahre Glaubens- und Kunstgeschichte des Christentums" einführen. In Wirklichkeit handelt es sich um eine weitere Form des Geschenk-Buches, das zudem die Standards der Einführung in die Wahrnehmung von Kunstwerken, wie es sich etwa in der Visuellen Geschichte der Kunst zeigt, weit unterläuft. Das Buch zeigt nichts, es führt nur vor. Noch merkwürdiger ist das abschließende Kapitel "Ausblick - Christliche Motive in der Moderne". Das habe ich alles schon einmal bei nahezu identischer Zusammenstellung der Künstler und Abbildungen vor knapp einem Vierteljahrhundert gelesen: In Günter Rombolds und Horst Schwebels Buch "Christus in der Kunst des 20. Jahrhunderts" aus dem Herder-Verlag. Es eröffnet - wie bei Schmied ein Vierteljahrhundert später - mit Caspar David Friedrichs Kreuz im Gebirge, geht über James Ensor und Chagall sowie Herbert Falken und Werner Knaupp bis zu Arnulf Rainer und Ben Willikens. Auch Hrdlicka, Beuys, Max Ernst kommen vor. Hinzugekommen sind bei Schmieds Bilderbuch nur Dali, Nitsch, Orozco, Heisig, Tübke und Baselitz. Es fehlen aber gerade so gewichtige Positionen wie Barnett Newman, Mark Rothko oder Antoni Tapies, die bei Rombold/Schwebel eine wichtige Rolle spielen. Sonst ist dieses Kapitel einfach ein Dublette. Als wenn es nach 25 Jahren nichts Neues zu vermelden gäbe. Das Gegenteil ist der Fall. Aber Heisig, Tübke oder Baselitz bilden nicht das Ende christlicher Motive in der Kunstgeschichte in den 80er-Jahren, vielmehr gibt es seitdem viel Aufregendes und Dramatisches in der Kunst zu berichten. Nur handelt es sich nicht mehr um die bürgerliche Bilderschau, vielmehr ist die Kunstgeschichte wortwörtlich in Bewegung geraten - und auch das müsste Thema eines solchen Buches sein. Wenn aber demnächst wieder ein kirchliches Hochfest ansteht, gehen Sie hin und kaufen Sie das Buch. Oder eines der vielen anderen, die für nur diesen Zweck gemacht wurden - meint ein verärgerter Rezensent. |
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https://www.theomag.de/46/am206.htm |