Zwischen Neu- und Altbau der Hamburger Kunsthalle ragt seit kurzem ein großer schwarzer Würfel auf, der „Cube Hamburg“, wie ihn sein Urheber getauft hat. Der 13 Meter hohe Würfel ist mit einem schwarzen, samtartigen Tuch bespannt. Sein Anblick vor dem Hintergrund eines strahlend blauen Märzhimmels evoziert gemischte Gefühle: der schwarze Kubus wirkt schön und elegant, aber auch ein wenig unheimlich. Er ist feierlich und respekteinflössend zugleich, ein dunkel strahlender Würfel, aber auch ein schwarzes Loch, das den Blick verschluckt. Die Aura des Unheimlichen verliert sich ein wenig, wenn man näher hinzutritt, das samtige Tuch berührt und Spuren von Händen daran bemerkt, die zeigen, dass viele den „Cube Hamburg“ schon berührt und gestreichelt haben. Vielleicht, um die Fremdheit aufzuheben und zu bannen? In den sinnlichen Eindruck mischen sich unwillkürlich Bilder der Kaaba, des muslimischen Heiligtums in Mekka. Dieser Bezug wird von Gregor Schneider, dem Urheber des Werkes, ganz offensiv auch dadurch unterstützt, dass er seinen „Cube Hamburg“ exakt so ausgerichtet hat wie die Kaaba in Mekka. Diese Assoziation zur Kaaba war es auch, die in Venedig und Berlin dazu führte, dass der Würfel dort nicht gebaut werden konnte. Mit dem Projekt schon nach Venedig eingeladen, wurde es von Davide Croff, dem Präsidenten der Biennale, in letzter Minute per E-Mail abgesagt. Als Begründung verwies Croft auf die „politische Natur“ des Projektes, berichtete Schneider in einer Podiumsdiskussion in Hamburg. Offenbar hatte man Angst, dass der Kubus die Gefühle von Muslimen verletzen könnte und womöglich islamistischen Terror anziehen könnte. Auch in Berlin waren die Widerstände am Ende zu groß. Erst im dritten Anlauf und mit dem Segen von Vertretern muslimischer Gemeinden (müssen Kunstwerke neuerdings von Religions-gemeinschaften abgesegnet werden?) konnte der Würfel nun in Hamburg realisiert werden. Er steht hier im Kontext der Ausstellung „Das schwarze Quadrat. Hommage an Malewitsch“, die vom 23. März bis zum 10. Juni 2007 in der Hamburger Kunsthalle gezeigt wird. Die von Hubertus Gaßner, dem neuen Direktor der Hamburger Kunsthalle, kuratierte Ausstellung zeigt zwölf Gemälde, darunter das berühmte schwarze Quadrat auf weißem Grund, und eine ganze Reihe von Zeichnungen von Kasimir Malewitsch, die nach komplizierten Verhandlungen von ihrem Heimatmuseum in St. Petersburg ausgeliehen werden konnten. Ausgehend von Malewitsch und seiner „Ikone der neuen Kunst“, wie er das schwarze Quadrat selbst nannte, folgt die Ausstellung der Rezeption der Werke Malewitschs in Russland bis 1925, um dann den Bogen noch weiter zu spannen und seine Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte in der westeuropäischen und amerikanischen Kunst von 1945 bis heute aufzuzeigen. In diesen dritten Schwerpunkt der Ausstellung gehört auch der „Hamburg Cube“ von Schneider. Zu sehen sind außerdem u.a. Arbeiten von Hanne Darboven, Lucio Fontana, Felix Gonzalez-Torres, Noriyuki Haraguchi, Yves Klein El Lissitzky, Bruce Naumann, Glaes Oldenburg, Sigmar Polke, Ad Reinhardt, Richard Serra, Jean Tinguely Günther Üecker und Franz Erhard Walter. Man darf gespannt sein, wie die Ausstellung und vor allem der „Hamburg Cube“ aufgenommen wird. In den Kontext der an Malewitsch anknüpfenden Ausstellung passt Schneider Würfel jedenfalls gut. Man könnte ihn als Verräumlichung des schwarzen Quadrats interpretieren. Beide Arbeiten stellen dabei Bezüge zu unterschiedlichen religionskulturellen Kontexten her: das schwarze Quadrat zur Tradition der Ikonenmalerei, der „Hamburg Cube“ zur Kaaba. Beiden Arbeiten setzen sich mit der Frage der Undarstellbarkeit und Gegenstandslosigkeit auseinander. In religiöser Perspektive lassen sie sich als Verweise auf die Undarstellbarkeit Gottes interpretieren. Aber dies ist nur eine aus einer Fülle möglicher Lesarten, die das schwarze Quadrat und der „Hamburg Cube“ eröffnen. „Die Null der Form“ (Malewitsch über sein Schlüsselwerk) bietet Projektionsflächen für Vieles. Gregor Schneider äußerte auf der Pressekonferenz zur Eröffnung in Hamburg die Hoffnung, dass sein Kubus dazu anregen könnte, die Gemeinsamkeiten der monotheistischen Religionen zu sehen und zur Sprache zu bringen. Wir werden sehen. |
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https://www.theomag.de/46/jh15.htm |