Von Ewigkeit zu Ewigkeit

Ein Projektfinale

Andreas Mertin

Ein seit längerem auch von Tà katoptrizómena unterstütztes Projekt kommt im Augenblick zu seinem Höhe- und Abschlusspunkt: side by side von der Landauer Künstlerin Madeleine Dietz wird vom 4. August bis zum 9. September im Sepulkralmuseum in Kassel ausgestellt und zugleich abschließend verewigt. Madeleine Dietz hat seit 2003 in einem einzigartigen Projekt mit Hilfe von Regierungen, Institutionen, Kirchen und Freunden Friedhofserde aus nahezu allen Ländern dieser Erde zusammengetragen und zu einem Kunstprojekt gebündelt.

Erst in der nun in Kassel erfolgenden Rück-Sicht wird deutlich, was die Künstlerin dazu in den letzten Jahren alles geleistet hat und mit welch künstlerischem, kulturhistorischem und gesellschaftspolitischen Anspruch das Projekt verbunden ist. Es ist ein weltweit vernetztes Konzeptkunstwerk, das nun seinen Abschluss findet.

Ich habe lange keinen Katalog mehr gelesen, der mich so angeregt hat, wie der zu dieser Ausstellung erschienene. Detailliert wird dokumentiert, wo die einzelnen Erdschichten entnommen wurden, welche Begleitumstände dazu zu notieren sind und auch, welche Probleme es vor Ort gab. Denn natürlich kann und darf man nicht einfach Friedhofserde aus aller Welt zusammentragen – hier gibt es zahlreiche Grenzen und man berührt viele Tabus. Es ist das eine, wie Hans Haacke es im Deutschen Reichstag getan hat, Erde aus allen Bundesländern im Deutschen Bundestag zusammenzutragen, und es ist etwas ganz anderes, Erde von Friedhöfen aus aller Welt und von allen Religionen an einem Ort zu versammeln. Hier geht es um die elementarsten Vorgänge im Gefühlsleben der Menschen, um ihren Glauben, ihre Überzeugungen, ihre Bindungen.

Wer den Katalog aufschlägt – den ich wirklich zur Anschaffung empfehle (sonst ist das Ausmaß des Projektes kaum nachvollziehbar) –, findet die einzelnen Orte verzeichnet, von denen die Erde stammt. Beginnend mit der Erde aus der Nekropole Giza in Ägypten und endend mit dem Friedhof in Kamiantos auf Zypern. Dazwischen eine Fülle von Gedächtnisorten auf dieser Welt. Besonders faszinierend waren die Schilderungen, die einzelne den jeweiligen Entnahmen (bzw. Nichtentnahmen) beigesteuert habe, etwa in Armenien, Aserbaidschan, Bahrein, Belgien, Bosnien, China, Dänemark, Estland, Fidschi, Ghana, Hawaii, Indonesien, Irland, Israel, Kambodscha, Kamerun, Kanada, Kapverden, Katar, Kolumbien, Lettland, Litauen, Marokko, Mauritius, Mexico, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Peru, Portugal, Ruanda, Rumänien, Singapur, Slowakei, Spanien, Süd-Korea, Tansania, Thailand, Uruguay, Venezuela, Zypern … Und das sind nur die Länder, zu denen Notizen und Berichte der Erd-Entnehmer vorliegen. Jede dieser Schilderungen ist ein Kleinod, das den lokalen Traditionen nachspürt und viel vom Verhältnis der jeweiligen Menschen zum Tod erzählt.

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Die Ausstellung Madeleine Dietz, side by side ist vom 4. August bis zum 9. September im Sepulkralmuseum in Kassel zu sehen. Die Eröffnung ist am 3. August um 19:30

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/48/am222.htm
© Andreas Mertin