In Search of Spiritual Space

Emptiness

Andreas Mertin

Der Raum des Spirituellen dürfte von den unterschiedlichen Religionen, aber auch von den unterschiedlichen ästhetischen Stilen ganz unterschiedlich gefüllt werden. In Venedig kann man das an Arbeiten von Sol LeWitt (im zentralen italienischen Pavillon) im Vergleich zu solchen von Bill Viola (im Begleitprogramm in der Kirche San Gallo) und wiederum im Vergleich zu denen von Jill Mercedes (im Luxemburger Pavillon) beobachten.

Manche spirituellen Räume sind bis in die letzte Ecke mit religiösen Motiven überfüllt, andere geradezu radikal leer.

Auf der Suche nach dem Raum des Spirituellen ist auch Li Chen, Künstler aus Taiwan (*1963). Im Rahmen der Biennale Venedig zeigt er im „Kreuzgang“ des „Telecom Italia Future Centre“ plastische Arbeiten, die sich mit der Energie der Leere beschäftigen sollen.

Bezug nehmend auf buddhistische Skulpturen im Stil der Tang Dynastie (618-907) und Arbeiten der Song Dynastie (960-1270) schafft Li Chen Kombinationen, bei denen man auf den ersten Blick nicht weiß, ob man höchst ironische Werke der Dekonstruktion vor sich hat oder Arbeiten, die im Mixed Stil von High und Low Neues schaffen wollen.

Faktisch geht es aber wohl um die Vermittlung eines künstlerischen spirituellen Denkens der Ruhe und der Gelassenheit – die sich eben auch mit einem Stück von Verschmitztheit verbindet. Der Künstler, so heißt es im begleitenden Text, gestaltet seine Figuren absichtsvoll extrem schlicht. Auf diese Weise arbeite er in seinen Werken Elemente aus fünf Jahrhunderten chinesischer Geschichte und Kultur heraus, wie das chinesische göttliche Wesen, den Buddha, den Drachen, die volkstümlichen Fabeln und Geschichten und gestalte sie in zeitgenössischer Perspektive. Bei aller historischen Bezugnahme – die ja offensichtlich und unbestritten ist – bleibt vor Ort ein Ausdruck des Ambivalenten, ja durchaus Distanzierten, wenn nicht sogar explizit Spielerischen.

Richtig spirituell wirken die Arbeiten nur in höchst ästhetisierten Kontexten, wie sie sich auf den offiziellen Fotos der Arbeiten zeigen. „Clear Soul“ etwa wirkt auf dem offiziell verbreiteten Pressefoto tatsächlich wie die Versinnlichung eines spirituellen Raumes, ein Eindruck der vor Ort im „Telecom Italia Future Centre“ nicht erreicht werden kann. Hier ist er eher eine Gartenskulptur. Für die richtige Intensität bedarf es vielleicht doch einer zusätzlichen räumlichen Inszenierung.

Dennoch ist das Spiel von Religion, Gestaltung und Besinnung nicht unüberzeugend – eine Gratwanderung zwischen den Welten.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/49/am227.htm
© Andreas Mertin