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Banaler IkonoklasmusAus der Wohnstube des ChristentumsAndreas Mertin Es gibt Bilder, die sind auf den ersten Blick ganz einfach: Blumige Servietten, Tupper-Dosen, in Frischhaltefolie eingewickelte Lebensmittel, fein säuberlich etikettiert. Ein alltägliches Bild auf dem Küchentisch, die Lebensmittel gerade aus dem Kühlschrank geholt und nun der liebevollen Drapierung auf dem Frühstückstisch harrend. Eins nach dem anderen wird ausgepackt und auf einen Teller, ein Brettchen, in einen Korb gelegt. Nach dem Frühstück kann man dann die nicht verwendeten Lebensmittel in die etikettierten Folien zurück packen und im Kühlschrank verstauen. So bleibt alles sauber und ordentlich. Also durch und durch ein Bild der tüchtigen Hausfrau, ganz nach Sprüche 31, 10f.: Wem eine tüchtige Frau beschert ist, die ist viel edler als die köstlichsten Perlen. Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen, und Nahrung wird ihm nicht mangeln.“ Es gibt Bilder, die verschlagen einem einfach die Sprache: Die gerade noch isoliert betrachteten abgepackten Lebensmittel stehen nicht etwa auf einem Küchentisch, sie stehen auch nicht auf einem Und auch das nebenstehende Bild hat nichts mit der Arbeit der Künstlerin zu tun, sondern ist der Versuch, ein autonomes Werk der konkreten Kunst durch Zutaten in simples Kunsthandwerk zu transformieren. Zunächst, so kann man aus dieser Abbildung schließen, wurde die Arbeit von Madeleine Dietz verunstaltet, indem man einen Blumenstrauß auf ihn stellte und einzelne abgerissene Blätter scheinbar zufällig und nur vermeintlich kunstvoll über den gesamten Altar drapierte. Es gibt Vorgänge, die sind vielleicht auf den ersten Blick lustig: ... die Putzfrau, die 1988 aus Versehen Joseph Beuys Fettecke wegputzte. Oder ihre Kollegin, die 2004 Teile eines Kunstwerks von Gustav Metzger in der Tate Gallery in den Müll entsorgte. In beiden Fällen waren sich die Handelnden aber über die Bedeutung des Gegenstandes nicht im Klaren, sie agierten nicht gegen Kunst, sondern meinten irrtümlich nur, ihre Arbeit zu tun. Davon kann man im vorliegenden Fall des Werkes von Madeleine Dietz aber nicht ausgehen, das Argument „sie wissen nicht, was sie tun“ taugt keinesfalls zur Entschuldigung.
Es gibt Vorgänge, die sind charakteristisch für eine ganze Institution:
So wird aus einem Altar, in künstlerischer Perspektive gestaltet als Werk in formaler Reduktion, unversehens ein floristischer Adventskranz. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier … dann steht ein Blumenladen bald allhier. Und man mag sich gar nicht ausmalen, zu welchen Anlässen dieser Altar noch ganz anders „ausgeschmückt“ wird. Da mag man nur noch ironisch mit dem allseits verehrten Paul Gerhardt sagen: Schau an der schönen Gärten Zier. Oder passend zur Weihnachtszeit: Schöne Bescherung. Es ist ein verzweifeltes Lachen, das einen da überkommt. Es wäre Realsatire, wenn es nicht so ernst wäre. Die Frage ist doch, warum eine Kirchengemeinde erst eine renommierte Künstlerin mit der Gestaltung ihrer Kirche beauftragt, wenn sie anschließend das Ganze dann doch zu einem Kreativ-Ensemble der Trivialitäten herabwürdigt.
Als ich vor 20 Jahren schrieb, der Regelfall des christlichen Umgangs mit der Bildenden Kunst sei der Ikonoklasmus, habe ich nicht vermutet, dass Ikonoklasmus sich auch ganz geregelt und banal im anästhetischen Vandalismus einer Kirchengemeinde äußern kann. Man lernt eben nie aus. P.S. Der protestantische Sturm auf das Heilige: Der Protestantismus hat einen für ihn spezifischen Stil, noch das scheinbar Heiligste zu profanieren. Das ist schon deshalb wichtig, weil es notwendig zur Kritik der magischen Unvernunft der Menschheit gehört. Nicht weil die Dinge an sich heilig und unantastbar sind, werden sie als etwas Besonderes angesehen, sondern weil sie mit Vernunft und Bildung betrachtet, sich als solches eindrücklich gemacht haben. Aber es gibt Grenzen im protestantischen Drang, alles der Entzauberung zu unterziehen. In diesem Sinne gilt die Mahnung des Paulus aus dem Korintherbrief: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.“ Wenn mit der bewussten Profanierung die Gleichgültigkeit der Dinge und nicht ihre Deutungsbedürftigkeit vor Augen geführt wird, dann wird es problematisch. Der ikonoklastische Gestus ist kein Selbstzweck, vielmehr soll er dazu dienen, sich nicht von den Dingen überwältigen zu lassen und die Dinge selbst-bewusst zu gestalten. Wo das nicht geschieht, ist er banal und dumm. |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/51/am233.htm |