Kitsch - Kopie - Nostalgie


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„Das Schwierigste ist, der Einfachheit Ausdruck zu geben“

Eine Skulptur von Robert Schad

Andreas Mertin

Als ich das Buch mit der im folgenden vorzustellenden Arbeit von Robert Schad bekam, war ich sehr im Zweifel, ob das wirklich sinnvoll war: diesen Künstler um ein monumentales Kreuz für Fátima zu bitten. Ich schätze Robert Schad als einzigartigen Bildhauer, der es versteht, mit Stahl in den Raum zu zeichnen. Ich habe ihn selbst 1997 im Rahmen der documenta-Begleitausstellung der Evangelischen Kirche in Kassel mit einer Arbeit ausgestellt. Im Mittelgang der Martinskirche war parallel zur Längsachse die Skulptur „Alltag 1988“ (Stahl, 200 x 600 cm) aufgestellt, die in gestischer Weise die liturgische Raumbewegung vom Eingang der Kirche hin zum Altar aufgriff. Diese optische Vergegenwärtigung einer Bewegung im Raum fordert die Reflexion auf das Verhalten des eigenen Körpers. In welchem Verhältnis steht die Raumwahrnehmung zu den eigenen Bewegungen im Raum? Im Konzept der Ausstellung hatte ich zur Erläuterung für die Auftraggeber geschrieben: „Der Künstler arbeitet in einem sehr reduzierten, fast spartanischen Gestus mit auf den Raum bezogenen Plastiken. Dabei sind seine Installationen in hohem Maße abstrakt. Eine besondere Herausforderung sehe ich darin, einen Künstler vorzustellen, dessen Arbeiten geradezu als De-Konstruktion religiöser Erfahrung verstanden werden können. Jedenfalls vermeiden seine Inszenierungen jeglichen Anklang an irgendeine Form von Emblematik oder Symbolik.“ Natürlich war mir damals schon eine kleinere Arbeit bekannt, die Robert Schad in Form eines Kreuzes gemacht hatte, aber diese Skulptur war auch ohne Symbolik wahrnehmbar und lesbar.

Nun aber liegt vor mir das Buch „Ein Kreuz für Fátima“, das vom Entstehen der Skulptur „A Cruz Alta“ Auskunft gibt. Fátima ist neben Lourdes und Altötting so etwas wie das Zentrum der Dingmagie im Katholizismus, wo nichts nebensächlich ist und alles mit Bedeutung aufgeladen wird. In Fátima wurde 2007 eine neue Kirche errichtet, die viertgrößte im Ordo des Katholizismus und die größte im 21. Jahrhundert. Vor der Kirche erstreckt sich der größte Kirchvorplatz der Welt. Reichlich Superlative als Herausforderung für einen zeitgenössischen Künstler also. Zunächst einmal ist zu notieren, dass es sich nicht um eine Skulptur im Inneren des Kirchenschiffes handelt, so dass ein zentraler Einwand entfällt, den einmal Karl Barth so formulierte: "Die entscheidende Aufgabe der Predigt im Gottesdienst lässt die Anwesenheit von figürlichen Darstellungen Jesu Christi im Versammlungsraum der Gemeinde als nicht wünschenswert erscheinen ... Kann man es nun der Kunst bzw. den Künstlern sicher nicht verwehren, sich immer wieder gerade an diesem aufregenden Gegenstand zu versuchen, so sollte es doch der Gemeinde und schließlich auch den Künstlern einsichtig zu machen sein, dass es besser wäre, ihre Werke dieser Art nicht gerade mit dem Predigtdienst konkurrieren zu lassen" (Barth, KD IV.3, S. 995.). Nicht mit der Predigt konkurriert Robert Schads abstrakte Arbeit, sondern – in heutigen Zeiten vielleicht noch viel aufregender – mit der öffentlichen Zeichensetzung.

Wie das überhaupt zu Stande kam, was den Künstler dabei bewegt hat, darüber gibt das Buch Auskunft. Es enthält Texte von Peter Anselm Riedl, Alexandros N. Tombazis und Josè Barreto sowie ein Gespräch mit August Heuser. Vor allem letzteres gibt einen guten Einblick in die Überlegungen von Schad.

Das Ergebnis vor Ort kann sich jedenfalls sehen lassen – es ermöglicht überraschende Quersichten, es überragt den Platz ohne ihn zu beherrschen. Vor allem aber bietet es im Umschreiten immer neue Perspektiven, was im dokumentierenden Buch mit zahlreichen Fotos wahrnehmbar wird. Das Buch, das nicht nur das Ergebnis, sondern vor allem auch den Entstehungsprozess dokumentiert, zeigt eindrücklich, wie das geht: heute noch ein Kreuz zu schaffen, und dabei „über gängige Formdogmen christlicher Kunst“ (R. Schad) hinauszugehen.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/57/am272.htm
© Andreas Mertin, 2009


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