VIPs

Eine Kurzvorstellung

Andreas Mertin

Cordula Güdemann (2010): 49 VIPs. Simultantexte von Peter O. Chotjewitz: Kerber, Christof.

Man kann über diese Kunst nicht schreiben. Nicht, weil es nichts zu schreiben gäbe, sondern weil Worte immer unvollkommen wären, immer hinter dem betrachteten Bild zurück blieben und in die Irre führten. Und eigentlich hilft selbst ein Katalogbuch nicht viel, denn diese Bilder wollen ertastet, wahrgenommen, für wahr genommen werden.

Es gibt einen verführerischen Sog, sich mit einer vorschnellen Identifizierung der VIPs zufrieden zu geben (ich vermute, dass ist dieser oder jener), aber de facto bleibt das unbefriedigend. Man muss wie ein Blinder schon seine Finger zu Hilfe nehmen, den dicken Farbaufträgen nachspüren und zugleich als ein Sehender die Masken durchschauen.

Cordula Güdemanns Katalogbuch „49 VIPs“ spielt und arbeitet mit unserer Wahrnehmung. Sie zeigt uns Porträts – Köpfe – Gesichter, deren Schemen einem bekannt vorkommen, die aber doch nur Charakter-Masken im überlieferten Sinne sind. Auch VIPs sind Personen = Masken – Chiffren für unsere Wut, unsere Ängste, unsere Sehnsüchte. Malerei erfasst diese auf ihre Weise. Seit Albrecht Dürers Selbstporträt können wir ganz anders in die Welt sehen. Seit El Grecos Darstellungen des Großinquisitors ist uns das Entlarvende des Porträts nur allzu bewusst. Seit Francis Bacons Bildern schneidet das Porträt tief in unser Gehirn.

Cordula Güdemann VIPs lassen uns zu Blinden werden, die ihre Finger ausstrecken, um eine Wahrheit zu erfahren. Pinselstrich für Pinselstrich. "Ich bin Ihnen die Wahrheit in der Malerei schuldig, und ich werde sie Ihnen sagen" schrieb Paul Cezanne 1905 in seinem Briefwechsel mit Emile Bernard. Wahrheit in der Malerei.

Den Arbeiten von Cordula Güdemann sind „Simultantexte“ von Peter O. Chotjewitz beigefügt. Nicht zugeordnet. Obwohl … Durch die Simultanität ergeben sich Korrespondenzen im wörtlichen Sinne, verändert sich Wahrnehmung und Text. Das ist eine Bereicherung, eine neue Ebene der Betrachtung und Durchdringung.

Die Texte von Peter O. Chotjewitz sind ein Kosmos für sich. Einer lautet:

THELEOLOGIE

Ständig fällt was um

Geht was zu Bruch Jagdsaison

Für Schleiermacher


Peter O. Chotjewitz ist am 15. Dezember 2010 in Stuttgart gestorben.


Das Katalogbuch ersetzt nicht die unmittelbare Betrachtung der Werke – das kann es grundsätzlich nicht. Aber es hilft bei der Erinnerung und Vergegenwärtigung. Es hält die Werke in einem gewissen Sinne lebendig.

Vom 22. Februar bis zum 16. September 2011 ist eine Auswahl von Arbeiten (Gemälde, Goachen, Zeichnungen) von Cordula Güdemann in der Galerie der Kreissparkasse Esslingen, Am Kronenhof zu sehen.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/69/am340.htm
© Andreas Mertin, 2011