dOCUMENTA(13) |
August 2012 Liebe Leserinnen und Leser, die letzte Ausgabe 77 des Magazins für Kunst | Kultur | Theologie |Ästhetik hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen, empörte und vor allem zustimmende. Niemand kritisierte die scheinbare Unleserlichkeit des Magazins. Tatsächlich schien das für manche eher eine Herausforderung zu sein. Ab heute jedenfalls sind die Texte der Ausgabe 77 in einer etwas besser lesbaren Version online, denn die Lektüre soll natürlich nicht auf Dauer erschwert werden. In der Sache hat sich erwartungsgemäß nichts getan. Die Presse pries das Symposium „Das Fest der Liebe zur Kunst“ als den Höhepunkt des kirchlichen Documenta-Begleitprogramms. Dem Begriff der Kunst, der ja, folgt man dem Philosophen Menke, auf jeder documenta zur Diskussion steht, wurde von der Kirche ihr kulinarisch-bukolischer Aspekt zurück gegeben: Bei Ägäis-Barsch, arkadischem Lamm, Wein vom Berg Athos und Musik erging man sich in gepflegtem documenta-Bashing. Das Geistige (in) der Kunst spielte dabei eine geringere Rolle, obwohl doch „das sinnliche Element nicht derart buchstäblich sich genießen lässt wie eine Kalbshaxe. Gerade wo sie kulinarisch serviert wird, ist sie von vornherein ideologisch versetzt.“ (Adorno, Dissonanzen) Das hätte wohl auch niemand anders erwartet, in der Kirche hat die Kunst immer ein Geschmäckle. „Ästhetik, die nicht in der Perspektive auf Wahrheit sich bewegt, erschlafft vor ihrer Aufgabe; meist ist sie kulinarisch.“ (Adorno, Ästhetische Theorie) Wie eben auch in diesem Falle. Sachlich ging es bei der Veranstaltung aber wohl weniger um ein Fest der Liebe zur Kunst als vielmehr um eine kultivierte Form des Stalking. Nachdem das geliebte Wesen (Kunst wie Documenta) sich der Liebe nicht zugänglich erwiesen und diese Zudringlichkeit sich sogar expressis verbis verbeten hatte, wurde man nun nachtragend und verfolgte die documenta hartnäckig mit Vorwürfen. Gnostisch sei sie und animistisch, entgrenzt und zugleich ausgrenzend, vor allem aber als Kunst getarnte Religion und was den Stalkern sonst noch so alles einfiel. Von der wahrzunehmenden Vorgängigkeit der Kunst, die dann theologisch, literarisch, psychoanalytisch oder wie auch immer reflektiert wird, konnte keine Rede mehr sein. Nachdem es so gelungen war, die Kunst zum Schweigen zu bringen, ließ man es sich bei Ägäis-Barsch, arkadischem Lamm, Wein vom Berg Athos und Musik gut gehen. Ein trauriges Kapitel in der Geschichte von Kunst und Kirche, ein Kapitel, das man am Besten überschlägt. *** In dieser Ausgabe von tà katoptrizómena geht es nun aber vor allem um die dOCUMENTA(13) eine Ausstellung, die einen mehrtägigen Besuch lohnt, weil sie viele Entdeckungen bietet und zu Reaktionen herausfordert. Man sollte sich von den Irritationen im Vorfeld nicht irritieren lassen, es geht weniger um Hunde, Erdbeeren oder Tomaten als man meinen könnte. Statt dessen geht es darum, wie Kunst zustande kommt, was sie uns auch unter prekären Verhältnissen sagen kann, es geht um „Collapse and Recovery“, und darum, wie der „Engel der Geschichte“ in all dem wirkt oder als wirkend verstanden werden kann. So gesehen ist es eine Documenta, die zu theologischen Querverbindungen geradezu einlädt. Unter VIEW finden Sie Überlegungen dazu, was die Sphinx dOCUMENTA uns eigentlich erzählt und einen theologischen Spaziergang über die dOCUMENTA(13), beides aus der Feder von Andreas Mertin. Ausgezeichnete Bilder vom Salzburger Barock steuern Architekturstudenten/innen aus der Klasse von Henner Herrmanns bei. Unter den RE-VIEWs finden Sie zwei Ausstellungsbesprechungen von Barbara Wucherer-Staar, eine Rezension des Rechtfertigungsbuches von Martin Walser aus der Feder von Hans-Jürgen Benedict sowie einige Rezensionen von Andreas Mertin. Unter POST gibt es die vertraute Videoclip-Kolumne (inzwischen immerhin die 32. Ausgabe) und zwei Polemiken aus gegebenem Anlass von Andreas Mertin. *** HINWEIS: Die Artikelreihe, die Stefan Schütze in den letzten Jahren unter dem Stichwort "Paradigmen theologischen Denkens" in diesem Magazin veröffentlicht hat, ist nun in erweiterter und überarbeiteter Form als Print-Ausgabe im Grin-Verlag München erschienen. Das bietet die Möglichkeit, sich den Text noch einmal in physischer und greifbarer Form vor Augen zu führen: Stefan Schütze: "Gott", "Welt" und "Mensch" im 21. Jahrhundert: Paradigmen theologischen Denkens: Auf der Suche nach einem für mich heute trag- und sagfähigen Glauben *** Die kommende Ausgabe 79 beschäftigt sich mit dem Thema Kirchenräume heute und greift noch einmal verschiedene theologische, kulturelle, architektonische und kulturwissenschaftliche Debattenbeiträge auf. Heft 80 ist dann wieder ein CONTAINER ohne besonderen Themenschwerpunkt. Leserinnen und Leser, die Beiträge zum Heft 78 einreichen wollen, werden gebeten, diese bis zum 15. September 2012 bei der Redaktion abzugeben. Die Abgabetermine für die folgenden Hefte liegen jeweils spätestens 2 Wochen vor dem jeweiligen Erscheinungstermin. Wir wünschen eine angenehme und erkenntnisreiche Lektüre!
Andreas Mertin, Jörg Herrmann und Horst Schwebel
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