Die Aktualität von Dostojewskijs Großinquisitor

Hans-Jürgen Benedict

1) Einleitung: Der Großinquisitor als ästhetischer Schauder angesichts einer die Sache Christi verratenden Kirche.[1]

„Warum bist du denn jetzt gekommen, uns zu stören?“ sagt der Großinquisitor zu dem wiedergekommenen Jesus in Sevilla. „Was blickst du schweigend und durchdringend auf mich aus deinen milden Augen? Zürne doch! Ich begehre deiner nicht. Ich liebe dich auch nicht. Soll ich etwa vor dir Verstecken spielen. Weiß ich denn nicht, zu wem ich rede? Was ich dir zu sagen habe, ist längst bekannt, ich lese das in deinen Augen.“ Jesus schweigt und küsst den Großinquisitor: „Der Greis erzittert.Irgend etwas regt sich in seinen Mundwinkeln. Er geht zur Türe, öffnet sie und spricht zu Ihm: Geh und komm nicht wieder – komm überhaupt nicht mehr, komm niemals. Und er lässt ihn hinaus in die dunklen Gassen der Stadt.“ Nicht nur wenn man diese Sätze aus Dostojewskij Großinquisitor liest, auch wenn man Schillers Don Carlos im Theater sieht oder Verdis gleichnamige Oper hört, in der ein grausamer Großinquisitor auftritt, der vom König das Opfer seines Sohns fordert (hat Gott nicht auch seinen Sohn geopfert), hat man den Eindruck, das ist Gott sei Dank vorbei. Verbunden mit einem Schauder des Genusses dieser Texte, die eine Realität des 16. und 17. Jahrhunderts abbilden. Man kann es ästhetisch genießen oder bloß theatralisch empört sein, eben weil es vorbei ist. So hat die türkische aggressive Janitscharenmusik in die klassische Musik bei Haydn und Mozart Einzug gehalten, nachdem die Türkengefahr vorbei war und ihre Heere nicht mehr vor Wien aufkreuzten. Manchmal versucht ein Theaterregisseur noch den Schrecken inszenatorisch wiederherzustellen, so Peter Konwitschny in seiner Hamburger Don Carlos-Inszenierung, als er den Chor der zur Verbrennung bestimmten Ketzer mit Peitschen mitten durch die im Vestibül ihr Lachsbrötchen essenden und Sekt trinkenden Hamburger auf die Bühne treiben lässt. Aber der Schrecken nutzt sich schnell ab. Und da ist es fast schon konsequenter, wenn man wie Jette Steckel in ihrer Thalia-Inszenierung des Schiller’schen Don Carlos den Beichtvater wie den Großinquisitor als ein zappeliges krähendes Männchen, gespielt von einer Frau, auftreten lässt.

Ist das alles vorbei, Tempi passati, sowohl der Schiller’sche Don Carlos wie Dostojewkijs Großinquisitor, mit der der Schriftsteller den Herrschaftsanspruch der westlich- römischen Kirche attackieren wollte(aber auch Kritik an der russisch-orthodoxen Kirche übte)? Die römische Kirche, die ihre Macht über die Seelen und Körper der Gläubigen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Unfehlbarkeitsdogma des Papstes und dem Dogma von der leiblichen Himmelfahrt Mariens zu behaupten versuchte? Es war eine Zeit, auch das sei erwähnt, vielfältiger Marienerscheinungen auch in Deutschland zur Zeit des sog. Kulturkampfes der katholischen Kirche mit dem preußischen Staats (s. die faszinierende Studie von David Blackbourn, Wenn ihr sie wieder seht, fragt wer sie sei, 1997 über die Marienerscheinungen im saarländischen Marpingen 1876, die zum Einmarsch der preußischen Armee führten). Es war also auch eine religiöse Bewegung von unten, über die sich zeitgleich der Protestant Wilhelm Busch in seiner Bildgeschichten Die fromme Helene und Der heilige Antonius von Padua lustig machte. Zwei Absolutismen trafen hier aufeinander. Dieser kirchliche Herrschaftsanspruch ist, scheint ebenso passe wie ein autoritäres Staatskirchentum und klerikal-faschistische Diktaturen wie das Franco-Regime.

Aber was ist an seine Stelle getreten? Worin liegt die Aktualität des Großinquisitors? Kann man sagen: das, was Dostojewskij in seiner großartigen Legende vom Großinquisitor skizziert, lebt in anderer, in moderner-technischer Form weiter? Dazu mehr später.

Der Staat, den der Großinquisitor Dostojewskijs skizziert, ist ein autoritärer Versorgungsstaat, der die Rechte der Glaubens-und Meinungsfreiheit nur dem Namen nach garantiert, aber in der Praxis verweigert. Religions-oder Meinungsfreiheit zu gewähren überfordere die Menschen, so seine These. Am Beispiel der katholischen Kirche der frühen Neuzeit, die im Verein mit dem Königtum Einheit des Glaubens gegenüber häretisch- reformatorischen Bewegungen und Gewissenszwang durchsetzt, wird dieses Modell geschildert. Die Freiheit des Glaubens überfordere den Durchschnittsmenschen und führe zur Zerstörung des Gemeinwesens. Der Großinquisitor unterzieht den wiedergekehrten Jesus im Kerker einem Verhör, in dem er entlang der drei Versuchungen Jesu (Mt 4) durch den Satan die kardinalen Fehler Jesu geißelt. Indem er die Angebote Satans ablehnte, verpasste er nach Ansicht des Großinquisitors die Chance, den Menschen Zufriedenheit und Glück zu geben. Da Jesus seine Kirche allein gelassen habe, müsse nun der Klerus die gesamte Menschheit unter Kontrolle halten, denn ohne diese Kontrolle könne die mit der Freiheit überforderte Menschheit nicht leben. Um das Chaos zu verhindern, müssten die Menschen wie eine Herde Schafe geführt werden, eine Aufgabe, die der Großinquisitor und der Klerus selbstverleugnend auf sich genommen hätten.

Gegen Jesu Wort: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein sondern von einem jeglichem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt“ stellt er die Forderung: „Sättige die Masse, und dann erst verlange Tugend von ihr“ (Die Brüder Karamasow, übersetzt von G.Nötzel, Gütersloh oJ, 337). Wir kennen es inzwischen in der Fassung aus der Dreigroschenoper: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ Was zynisch klingt, hat dennoch eine berechtigten sozialen Kern „Erst muss es möglich sein, auch kleinen Leuten vom großen Brotlaib sich ihr teil zu schneiden“ heißt es in Brechts Stück an anderer Stelle.

„Freiheit für alle und reichliches Brot für jeden einzelnen sind unvereinbare Dinge.“ Der Großinquisitor redet wie ein kommunistischer Geo-Politiker in einem wirtschaftlich rückständigen Land, wie Stalin, Mao Tsetung, die schrecklichen Terror ausübten, um die Versorgung zu modernisieren und die Technifizierung gegen die Kulaken voranzutreiben. Und er stellt die unabweisbare Frage, „was wird aus den Millionen und 1000 Millionen Menschen, die nicht die Kraft in sich fühlen, das irdische Brot von sich zu weisen um des himmlischen willen.“ Damit geht er zwar am eigentlichen Sinn der Antwort Jesu vorbei, denn Jesus negiert in der Versuchungsgeschichte nicht die berechtigte Forderung der Menschen nach Brot, teilte er doch das Wenige, was er hatte und speiste er doch selber die Hungrigen durch wundersame Brotvermehrung. Wogegen sich Jesus aussprach, das war der Automatismus der Brotherstellung im Gotteswahn des Menschen. Er wollte vielmehr, so interpretiere ich es, den auch mühsamen Prozess der Brotherstellung vom Säen des Korns, Ernten des Getreides, Mahlen bis zum Backen des Brots und in diesem langen Prozess das Rechnen mit der Güte Gottes. Jesus wollte also beides. Auch Bonhoeffer sagt in seiner Ethik, dem Hungrigen Bot zu geben, sei Wegbereitung der Gnade.

Aber der Großinquisitor spitzt es zur elenden Alternative zu und trifft damit ungewollt die Situation des 20.und 21.Jahrhunderts vielleicht besser. Auch jene neue Situation, dass heute die technischen Möglichkeiten vorhanden sind,um den Hunger in der Welt abzuschaffen und dass trotzdem noch Millionen hungern und nicht wenige verhungern – alle 5 Sekunden stirbt weltweit ein Kind unter 10 Jahren an Hunger, 37000 Menschen sterben jeden Tag, das war der Satz, mit dem der Schweizer Soziologe Jean Ziegler seine Salzburger Festrede 2011 beginnen wollte, die er dann vor dem Publikum der Reichen und Schönen nicht halten durfte. Nicht himmlische, sondern sehr irdische Interessen sind es, Profit- und Kapitalinteressen, nationale, bürokratische Interessen, die das Brot für alle trotz ungeheuren Reichtums und innovativer Landwirtschaftstechnik verunmöglichen und immer noch karitative Aktionen wie Brot für die Welt und Welthungerhilfe nötig machen.

Dass Jesus die zweite Versuchung, den Sturz von der Zinne des Tempels, von sich wies und damit das Wunder als das, wessen der Mensch nicht entraten kann, findet ebenfalls die schärfste Kritik: „nicht so sehr Gott als das Wunder sucht der Mensch, er kann nicht ohne Wunder leben und wird sie sich selber schaffen und sich beugen vor Hexenzauber und Altweiberspuk“, sagt der Großinquisitor. Und auch da hat er wieder im übertragenen Sinne Recht, wenn man an die Wunder der Technik von heute denkt.Und da ist die fortbestehende magische Wundergläubigkeit der Gläubigen wie die weinenden oder blutenden Madonnen und Jesusstatuen zeigen , denn „das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind“(heißt es in Goethes Faust).

Und den Sturz von der Zinne, das Wunder des Fliegens inszeniert der Mensch selber auf der Suche nach Gefahrenkitzel im Bungee-Jumping und Paragliding, im Rausch der Geschwindigkeit.

„Wer anders aber soll Herr sein über die Menschen, wenn nicht der, der ihr Gewissen beherrscht und in dessen Händen ihr Brot liegt? Darum haben wir nach dem Schwert Cäsars gegriffen und da wir nach ihm fassten, schwuren wir dich ab und folgten ihm.“ Sprich dem Satan. Und in einer blasphemischen Inversion ohnegleichen heißt es weiter, die apokalyptische Bild vom Tier aus dem Abgrund aufnehmend: „Einst aber wird das Tier zu uns herangekrochen kommen und wird unsere Füße netzen. Und wir werden uns dem Tier auf den Rücken netzen, und wir werden unseren Kelch erheben, und auf dem wird geschrieben sein: Geheimnis. Und dann erst bricht für die Menschen das Reich des Friedens und des Glücks an.“ Eine Blasphemie des Abendmahls. Vielleicht jagt es uns noch einen Schauder über den Rücken, wenn wir uns an das Tier aus dem Abgrund erinnern, das im 20. Jahrhundert in Stalin und Hitler so schreckliche Verwirklichungen fand. Verglichen damit ist das Verhalten der russisch-orthodoxen Kirche, die nationalistisch gemeinsame Sache mit dem wiedergewählten Autokraten Putin macht, noch harmlos. Und doch nicht verzeihlich. Aber auch sie wird Christus einmal fragen, ob sie seine Sache, die Parteinahme für die Armen und Schwachen nicht besser hätten vertreten können. Nach dieser Einleitung drei Themen – die heutige Kirche als Macht, die Macht des Fernsehens und die Gewalt des Internets.

2. Ist die Kirche noch die Herrschaftsinstitution, als die Dostojewskij sie zeichnete?

In unseren Breiten scheinen die Kirchen eher gewaltfreie Institutionen geworden zu sein. Nichts mehr von den Gewaltverhältnissen, wie sie im Spanien der Inquisition herrschten. Die Zeiten, in denen die Kirchen die herrschenden Gewalten absegneten und im Verein mit ihnen die überkommene Ordnung nach innen und außen verteidigten, sind vorbei. Ebenso die Gelegenheit für grinsende Pfaffen in den Karikaturen von Grosz oder in Brechts Legende vom toten Soldaten .Unser Herr Pfarrer in der Fernsehserie ist ein lieber Kerl, bei dem man sich freut, wenn er mal grob und zornig wird. Die Nonnen in Um Himmels willen sind sympathisch und gewitzt, der Bischof und sein Sekretär zumindest sympathisch grotesk. Auch wenn die Großkirchen nach wie vor an dem Einsatz militärischer Mittel als ultima ratio zur Friedenserzwingung festhalten, so zeigt ihre differenzierte Begründung, dass die Friedensethik in der Kirche an Boden gewonnen hat. Und auch der Kompromiß, der den Militärseelsorgevertrag rettete, zeugt von der Stärke der Herrschaftskritik in den Kirchen. Ja, selbst wenn der Bundestag der Einschränkung eines Grundrechts für verfolgte Menschen, die um Asyl nachsuchen, zustimmt, gibt es viele christliche Gruppen, die durch Kirchenasyl diese Schutzminderung zu kompensieren suchen, was der Staat sogar anerkennt. Die Kirche steht an der Seite von Armut bedrohter Gruppen von Menschen in unserer Gesellschaft, Tafeln, Kirchenküchen, Vesperkirchen landauf landab. Caritasverband wie Diakonisches Werk streiten für höhere Hartz IV-Sätze.

So scheint Kirche also der Gegensatz von Gewalt zu sein, eine gewaltabgeneigte menschenfreundliche Institution, auch wenn es nur ein halbes Jahrhundert her ist, dass die Kirche Gewalt rechtfertigte und Verfolgte im Stich ließ, auch wenn das religiöse Gewaltpotential uns noch als historische Erinnerung und Schuld bedrängend nahe ist und es in Nordirland und Bosnien bis vor kurzem sein Unwesen getrieben hat.

Allerdings genügt ein genauerer Blick, um zu zeigen, dass es mit der Machtferne der Kirche längst nicht so gut bestellt ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

Kirche ist nach wie vor als bürokratische Organisation institutionalisierte Gewalt. Mag diese Macht auch weniger brüsk auftreten als zu früheren Zeiten, sie ist nach wie vor vorhanden. Der Papst tritt zwar im Bundestag auf und reklamiert für die Kirche, sie habe schon immer für Menschenrechte gestritten, was so trotz des Gedankens der Gottebenbildlichkeit als Vorform der unantastbaren Menschenwürde aber nicht stimmt. Sie hat das göttliche Recht bis in die jüngste Vergangenheit stets noch gegen das weltliche gesetzt. Als voller Mensch galt nur der Christ. Ein Blick auf die geistliche Gewalt in der katholischen Kirche mag dies illustrieren. In der katholischen Kirche haben die Dogmen und die Hierarchie die Herrschaftsgewalt inne, sie ist eine gewaltförmige Rechtskirche, in der die Dogmen als Rechtssätze verbindlich sind, in der der Papst und die Konzilien aufgrund göttlicher Stiftung die gesamtkirchliche Gewalt ausüben (einmal abgesehen von der langen Phase(fast ein Jahrtausend), in der die Kirche auch weltliche Gewalt beanspruchte, deren symbolischer Rest der heutige Kirchenstaat ist). Gleichzeitig beansprucht die sichtbare katholische Machtkirche auch der mystische Leib Christi zu sein, des Christus, der sagte mit Blick auf die Herrschaftsgewalt der Machthaber, die ihre Völker knechten: Unter euch soll es nicht so sein.(Mk 10,42) Nicht zu Unrecht hat daher Sigmund Freud die katholische Kirche mit der Armee verglichen, in der ebenfalls das Prinzip des absoluten Gehorsams gelte.

In der katholischen Kirche sind Glaubenslehre und Sakramente nicht in die Hand des einzelnen Gläubigen gegeben, sondern an die Jurisdiktions- und Weihegewalt einer Hierarchie gebunden; sie kennt kein allgemeines Priestertum. Die Hierarchie verfügt allein über die kirchliche Gewalt, auch wenn sie selbst wiederum dem göttlichen Recht unterworfen ist. In der formal nachprüfbaren äußeren Rechtsordnung liegt die Sichtbarkeit der katholischen Kirche beschlossen, in der göttlich-rechtlichen Grundlegung ihrer Hierarchie ihre Unfehlbarkeit. Außerhalb der alleinseligmachenden Kirche gibt es kein Heil. Erst in den Verlautbarungen des 2.Vatikanischen Konzils wurde anerkannt, daß die Kirche nicht nur aus Hierarchie und Klerus sondern maßgeblich auch aus Laien besteht. Der Begriff des "Volkes Gottes" kennzeichnet den eschatologischen Charakter der Kirche. Mögen sich die katholischen Laien in Deutschland auch als wanderndes Gottesvolk verstehen, nach wie vor steht der Bischof von Rom als Stellvertreter Christi, also kraft göttlichen Rechts, an der Spitze der katholischen Hierarchie. Ihm allein kommt die kirchliche Vollgewalt auch persönlich zu. Die übrigen Bischöfe und erst recht der nichtbischöfliche Klerus haben Gewalt nur in Verbindung mit ihm und sofern er sie ihnen verleiht.

Jede inzwischen massenmedial geschickt inszenierte Papstreise macht diese rechtliche und spirituelle Gewalt deutlich, selbst das Kuba Raul und Fidel Castros musste ihr Tribut zollen.

Die geistliche Gewalt der katholische Hierarchie mit dem Papst an der Spitze ist am Beginn des neuen Jahrtausends ungebrochen Nach dem sozial vitalen Papst Johannes Paul, dessen langsames Sterben 2005 die Strahlkraft des Amtes auch im Hinfälligen zeigte, ist mit dem deutschintellektuellen Papst Benedikt XVI (wir sind Papst) trotzdem die Faszination des Amtes weitergegangen, das zeigte sich schon in dem geschickt inszenierten Weltjugendtag in Köln 2005, desgleichen bei den verschiedenen Reisen. Und nach seinem Rücktritt im Februar 2013 hat der neue Papst aus Argentinien durch die Wahl des Namens eines dem Armutsideal huldigenden Heiligen, sprich Franziskus, zumindest für neue Reform-Erwartungen gesorgt

Das Ansehen der katholischen Kirche ist zwar durch die Skandale um den Missbrauch von Jugendlichen durch Priester in den USA, Irland und jetzt auch in Deutschland zutiefst beschädigt. Bußerklärungen, Versetzungen der Täter, Entschädigung der Opfer, runde Tische haben den Vertrauensverlust nicht auffangen können, die Austrittszahlen waren noch nie so hoch. Der Versuch einer Aufarbeitung in Zusammenarbeit mit Kriminologen und Psychologen ist vorerst gescheitert. Auch die Gewalt-und Ausbeutungserziehung in kirchlichen Jugendheimen der Nachkriegszeit bis in die 70er Jahre, zuerst in dem Buch von Peter Wensierski, Schläge im Namen des Herrn dokumentiert, hat das Vertrauen in die Institution Kirche erschüttert. Erst langsam wird bekannt und öffentlich gemacht, welch großen Schaden die kirchliche Heimerziehung bis in die 70 er Jahre angerichtet hat. Die Entschädigungen, die die Runde Tisch unter Leitung von Antje Vollmer erstritten hat, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Immer wieder ist im Namen Christi und der Kirche Christus verraten worden. Käme Christus heute wieder, er würde sich über den Zustand der in seinem Namen auftretenden Kirchen wundern, denn selbst hat er ja keine Kirche gegründet, sondern das Reich Gottes verkündet. Und vielleicht würde er auf dem Petersplatz in Rom auch arretiert, wenn er sich dem Heiligen Vater, seinem Stellvertreter auf Erden, in einfachem Gewand und Jesuslatschen ungebührlich näherte oder in Trier den Heiligen Rock, den er angeblich getragen hat und der gegenwärtig ausgestellt wird, anfassen will.

Zusammengefasst: Die geistliche Gewalt über die Seelen von hunderten Millionen Menschen, die tief bis ins Leibliche reicht (Pillenverbot), ist nach wie vor erstaunlich. Trotz der schrecklichen Ausbreitung von Aids hielt Benedict XVI auf seiner Afrikareise am Kondomverbot fest. Die päpstliche Unbelehrbarkeit feiert gerade auch bei einem so stark von dem Verhältnis von Gnade und Vernunft bestimmten Papst wie Benedict XVI fröhliche Urständ. Offensichtlich ist aber die Sehnsucht nach einer Mittlergestalt, die etwas anderes Zeitüberdauerndes repräsentiert, immer noch so groß, dass all diese Fehlentwicklungen nicht so sehr zu Buche schlagen bei den Gläubigen und auch die kirchlich-Distanzierten sich von der gebrechlichen Erscheinung im weißen Gewand mit den roten Schuhen und der schütteren Stimme dann und wann faszinieren lassen.

Im Unterschied zur Kirche als Heilshierarchie trat die Reformation mit dem dreifachen sola gratia, scriptura, fide gegen die Gleichsetzung von sichtbarer Kirche mit dem Leib Christi und gegen die Verwechslung von weltlicher und kirchlicher Gewalt. Non vim sed verbi, nicht mit Gewalt sondern durch das Wort ist das Motto gewesen, das jedoch schnell mit der Flucht in das landesherrliche Kirchenregiment verraten wurde - Absicherung durch die Fürsten..

Nach der Auflösung der Verbindung von Thron und Altar 1918 kam es allerdings nur zu einer der hinkenden Trennung von Staat und Kirche (Smend). Nach 1945 etablierte sich Kirche besonders durch die für sie günstige Situation in den 5oer und 60er Jahren wieder als gesellschaftliche Ordnungsmacht.

Sie konsolidierten ihren Besitzstand, sicherten sich bildungspolitisch (Konfessionsschulen) und parteipolitisch (CDU/CSU) kräftig im Schlepptau der kulturkämpferisch katholischen Kirchenpolitik ab, bauten eine nahezu staatsunabhängige Verwaltung- und Disziplinargerichtsbarkeit auf, partizipierten über die an der Lohnsteuer orientierte Kirchensteuer am wachsenden Sozialprodukt, bauten eine Fülle übergemeindlicher Einrichtungen der Begleitung, Beratung und Lebenshilfe, expandierten im diakonischen Bereich durch das Evangelische Hilfswerk und die Innere Mission, ab 1965 Diakonisches Werk, unterstützt durch die die Wohlfahrtsverbände begünstigende Sozialgesetzgebung, und ließen das alles in Konkordaten und Verträgen festschreiben. Der öffentliche Religionsunterricht an Schulen, die Einrichtung von Konfessionsschulen, die Präsenz der Kirchen in den Rundfunkräten, ihr Recht auf Verkündigungssendungen in den Massenmedien, ihre Beteiligung an der freiwilligen Selbstkontrolle des Films, der Abschluss des Militärseelsorgevertrages - all diese Maßnahmen und Privilegien ließen die Kirche bis zu Beginn der 80er Jahre in ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Körperschaften als Teil der öffentlichen Ordnung erscheinen, in wohlabgestimmter Partnerschaft zum Staat, und das galt auch für die Zeit der sozialliberalen Koalition. Zwei Entwicklungen haben ihre Position als öffentlich-rechtliche Ordnungsmacht entscheidend geschwächt. Das Erstarken einer neoliberalen Wirtschaftspolitik in der Kohl-Ära mit ihrer Tendenz zur Privatisierung öffentlicher und halböffentlicher Aufgaben und der deutsche Einheitsprozess. Die sinkenden Löhne, die wachsende Arbeitslosigkeit und die Kosten der Einheit verringerten die Erträge der Kirchensteuer dramatisch, was zu einem Verlust an Einfluss der Kirche beitrug. die Streichung des Buß-und Bettags zwecks Finanzierung der Pflegeversicherung war der vorläufige Höhepunkt des Machtverlusts der Kirche. Andere dramatische Entwicklungen sind die Einführung des LER-Fachs statt des grundgesetzlich garantierten RU im Land Brandenburg oder die Gleichstellung der privat gewerblichen Anbieter im sozialen Bereich. Dieser Verlust an Privilegien ist natürlich auch eine Chance. Eine Kirche, die weniger verdächtig ist, Teil der öffentlichen Gewalt zu sein, könnte ihrem Auftrag überzeugender nachkommen.

Auch wenn der öffentliche Einfluss abnimmt, die Kirchen sind nach wie vor große und mächtige Institutionen. Und hier ist institutioneller Charakter genauer zu betrachten. Kirche ist bürokratische Anstalt(nach M.Webers Definition). Als solche muss sie gut verwaltet und geführt werden.

Und diese Kirchenverwaltung hat der Schweizer Theologieprofessor Karl Barth vor gut 85 Jahren einmal zu einer rasanten Attacke motiviert unter dem Titel Quousque tandem. Es ging um die Kritik eines Artikels, den Johannes Schneider im Kirchlichen Jahrbuch 1928 veröffentlicht hatte. „Die Kirche, der nach 1918 die Zerschlagung drohte, habe sich als empirische Kirche bewährt und sei dank der meisterlichen Kirchenführung über den Engpaß hinaus.“ Dazu Barth: „Wo so geredet werde, da ist Catalina, da ist die eigentliche, gefährliche Verschwörung gegen die Substanz der evangelischen Kirche. Gefährlicher als das Gefährlichste, was Katholiken, Juden und Freidenker nach den Schauernachrichten, mit denen ihr je und je euer Kirchenvolk außer Atem zu halten sucht, gegen sie im Schilde führen könnten. Gefährlicher als alles, was etwa der Sowjet-Atheismus gegen das Christentum unternehmen und vollbringen kann." (Barth, Quousque tandem, 1930, in: Der Götze wackelt, Berlin 1964, 28) Und weiter in Barths radikaler Institutionskritik, die seit dem Römerbrief von 1919 neben Wirtschaftslebens / Kapitalismus, Staat, Militarismus auch die religiös-kultischen Organisation als "herrenlose Gewalten", als Götzenherrschaft attackierte. Wenn die Kirche sich damit begnügt und stolz darauf ist, anerkannte Institution neben anderen Institutionen zu sein, "wenn sie dazu übergeht und dabei bleibt als eine Marktbude neben anderen sich selbst anzupreisen und auszuposaunen, dann hat sie einfach und glatt aufgehört, Kirche zu sein, da wird keine Neuentdeckung der reformatorischen Botschaft, da wird kein Lutherfilm und kein violettes Jahrhundert der Kirche, da werden keine ökumenischen Ideologien und Machenschaften auch nur das geringste helfen: eine Kirche, die zugestandnermaßen damit beschäftigt ist, ihren Wert zu behaupten, eine solche Kirche kann in keinem Wort ihrer Weihnachts- und Oster- und Sonntagspredigt glaubwürdig sein. Wenn sie Jesus Christus sagt, muß und wird man, und wenn sie es tausendmal sagt, ihre eigene Sattheit und Sicherheit hören.“

All das was Barth attackiert, wird heute von der Kirche der Postmoderne angeblich notgedrungen, um sich auf dem Markt zu behaupten, längst realisiert. Effektive Organisation, Marketing-Denken, corporate identity auf der einen Seite, Teilnahme am Markt der Sinnangebote auf der anderen Seite - das letzte natürlich in anderen kulturellen Ausdrucksformen als zu Barths Zeiten - von Filmnächten in der Kirche mit Hollywood-Filmen zu Themen wie Liebe, Gewalt, Das Böse, Apokalypse bis hin zur Techno-Fete. Es wird aber alles wenig helfen gegen den Niedergang der bürokratisierten Kirchen in Westeuropa. Ebenso wenig wie die Reform- und Fusionsprozesse, mit denen etwa die Nordelbische Kirche sich in den letzten 15 Jahren beschäftigt hat und die jetzt in eine Nordkirche gemündet sind, die zu Pfingsten feierlich beginnt. Ihr Institutionengehäuse kann noch lange überleben.

3. Das Fernsehen als neue Alltagsreligion?

Hören wir die letzten Sätze des Großinquisitors: “Und dann werden wir den Menschen ein stilles bescheidenes Glück bereiten, das Glück schwacher Geschöpfe, wie sie es nun einmal sind. Oh, wir werden sie schon einmal überreden, endlich einmal abzulassen von ihren Stolz. Denn du hast sie stolz gemacht, da du sie zu hoch erhobst. Wir werden ihnen beweisen, daß Schwäche ihr Teil ist, daß sie nur spielende Kinder sind, daß aber der Kinder Glück süßer ist als jedes andere. Und sie werden bescheiden werden und werden hinaufblicken zu uns und werden in Furcht sich an uns anschmiegen wie die Küchlein an die Henne. Wohl werden wir sie zur Arbeit zwingen, aber in arbeitsfreien Stunden werden wir ihnen das Leben zu einem einzigen Kinderspiel gestalten mit Kinderliedern, Chorgesang und unschuldigen Tänzen. Oh, wir werden ihnen auch die Sünden gestatten, und sie werden uns deswegen lieben wie die Kinder.” Am Ende der Zeiten werde er auf die 100 Millionen glücklicher Kinder verweisen. “Und wir, die wir ihre Sünde auf uns nahmen zu ihrem Heile, wir werden dann vor dich hintreten und werden dir sagen:Richte uns, wenn du es kannst und wenn du es wagst.”

Nach Paulus und den Deuteropaulinen „(haben) wir nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen sondern mit den Mächtigen und Gewaltigen, mit den Beherrschern diese finstern Welt.“ (Eph 6,12) Karl Barth hat diese Weltsicht in der radikalen Institutionenkritik seines Römerbriefkommentars 1919 aktualisiert und Wirtschaftsleben/Kapitalismus, Staat, Militarismus als "herrenlose Gewalten", als Götzenherrschaft benannt. Das war noch vor dem Siegeszug der quasi-religiösen Massenmedien Film, Radio, Massenpresse und Fernsehen. Nach dem schrecklich propangandistischen Missbrauch dieser Massenmedien durch den Nationalsozialismus und den Kommunismus wurde in der BRD eine öffentlich-rechtliche Kontrolle von Rundfunk und Fernsehen installiert, während Film und Printmedien weitgehend privatwirtschaftlich organisiert blieben. In der Debatte um den SPRINGER-Konzern 1968 nach dem durch Hetzartikel provozierten Attentat auf Rudi Dutschke („Enteignet Springer“ hieß es in der APO) ging der Satz um: „Die Pressefreiheit ist die Freiheit von 300 reichen Leuten, ihre Meinung zu sagen.“ In den Massenmedien Rundfunk und Fernsehen sicherten sich die regierenden Parteien diesen Einfluss durch ihre Dominanz in den Aufsichtsräten der Anstalten. Kanzler Adenauer konnte durchsetzen, dass ein der CDU/CSU genehmeres 2. Programm eingerichtet wurde. Und die Intendanten der großen Anstalten werden bis heute nach Proporzgesichtspunkten und Parteienmehrheiten in den Aufsichtsräten gewählt. Schließlich wurde in den 80er Jahren über Radio Luxemburg das Privatfernsehen schleichend und dann 1984 offiziell als duales System eingeführt. Neben den öffentlich-rechtlichen Sendern gibt es gegenwärtig an die 20 Privatfernsehsender und sage und schreibe 400 Kanäle.

Man könnte sagen, dass die Massenmedien heute im privatrechtlichen Sektor zu den "herrenlosen Gewalten" gehören. Sie haben die religiös-kultischen Institutionen der Vergangenheit (sprich die Kirchen) in einer Weise beerbt und übertrumpft, dass einem Hören und Sehen vergehen kann. Die vielen Soap-operas und Serien, Action-Filme und Comedy-Shows prägen die Sehgewohnheiten und Verhaltensweisen von Millionen. Die sozialisierende Wirkung, die von ihnen ausgeht, ist so stark, dass man als Eltern oft vergeblich dagegen ankämpft. Das Verschwinden der Kindheit hieß eine massenmedienkritische Streitschrift von Neil Postman 1983. 1988 erschien von demselben Autor Wir amüsieren uns zu Tode. Schon lange vorher hatten Th.W. Adorno und M. Horkheimer in dem Kapitel Kulturindustrie ihrer Dialektik der Aufklärung 1969 (zuerst 1947 in Amsterdam erschienen) von der Gleichschaltung durch die Massenmedien gesprochen. Noch mal gefragt: Wie ist das theologisch zu beurteilen?

1974 veröffentlichte ich eine Analyse des Fernsehens als quasi religiösem Ritual der Industriegesellschaft unter dem Titel „Vom Trost der Religion zur Tröstung durch die Massenmedien“ vor.[2] Ich zeigte darin, dass die religiösen Riten der Weltvergewisserung (Gottesdienst, Gebet, Morgen-und Abendsegen) durch Rundfunk- und Fernsehrituale abgelöst wurden. Der moderne Mensch wird massenmedial unterhalten und seiner eigentlichen Bestimmung entfremdet. Den Gedanken der gesellschaftlichen Veränderung gab ich dabei nicht auf. Wie kann es geschehen, so fragte ich mit Walter Benjamin, dass den Massen durch die neuen Medien nicht nur zu ihrem Ausdruck verholfen wird, sondern zu „ihrem Recht“? 1976 habe ich den Ansatz noch mal theoretisch verändert mit dem wissenssoziologischen Ansatz von Luckmann und Berger zu „Fernsehen als Sinnsystem“.[3] Jüngere Theologen haben diesen Ansatz dann wissenschaftlich ausgearbeitet. „Das Fernsehen ist das zentrale Ritual der vermeintlich ritenlosen und zunehmend säkularisierten modernen Gesellschaft. Das im Durchschnitt drei Stunden täglich genutzte Leitmedium der Industriegesellschaften begleitet als unendliche Liturgie den Alltag der Menschen." (so G. Thomas in seiner Dissertation „Medien-Ritual-Religion“). Nach der „kulturalistischen Wende der praktischen Theologie“ werden die Massenmedien nicht mehr kritisiert, sondern unter dem Motto „implizite Religion in den Massenmedien“ neugierig, sprachgewandt, theologisch detektivisch analysiert. Und siehe da, es sind die alten theologischen Themen, die da zum Vorschein kommen: Gewalt und Opfer, Liebe und Versöhnung, die Reise des Helden im Hollywood-Gewand, Endzeitängste und Apokalypsen.

Gegen diese ebenso sanfte wie aggressive Alltagsgewalt der Massenmedien scheint kein Kraut gewachsen. Zu Beginn dieses Jahrtausends liegt die Apokalypse darin, dass es immer so weitergeht. „Oma war nicht allein als sie starb, der Fernseher lief." Es sei denn, man setzt darauf, dass jede Herrschaft einer sich absolut setzenden Größe an ihr Ende kommt - so wie im 17. Jahrhundert die Religion, im 20. Jahrhundert der Nationalismus jetzt bald die der Massenmedien und der Wirtschaft? Wohl eher nicht trotz aller Krisen. Wir müssen mit ihnen weiter leben. Die Massenmedien sind allgegenwärtig. Sie sind nicht mehr wegzudenken aus unserem Leben. 223 Minuten wird täglich durchschnittlich ferngesehen. Ihre Realität für viele Menschen ebenso wichtig oder sogar wichtiger als ihr reales Leben. Sie identifizieren sich mit den Schicksalen der erfundenen Personen in den TV- Serien stärker als mit denen ihrer Nachbarn oder sogar der eigenen Familie.

Scripted reality – Seit zwei Jahrzehnten machen die Privatsender mit inszenierten Dokumentationen vor allem im Nachmittagsprogramm Quote. Besonders RTL. Sendungen wie Familien im Brennpunkt, Verdachtsfälle, Die Schulermittler, Betrugsfälle, Die Supernanny, Die Ausreißer werden von Millionen Zuschauern gesehen. Sie tun so als erzählten sie aus einem realen Deutschland. Tatsächlich ist jedoch die dargestellte, meist schlimme soziale Wirklichkeit übertrieben oder erfunden. Der Vater schreit nur rum, die Tochter schläft mit jedem, der pubertierende Sohn beschimpft seine Mutter mit „Fick dich“. Auch die Mittelschicht schaut sich so was mal ganz gern an, um den „sozialen Abwärtsvergleich“ (ZDF-Programmdirektor Bellut) zu goutieren. Die Senderverantwortlichen reden sich darauf hinaus, dass die wenigstens jungen Zuschauer glauben, dass die Szenen tatsächlich passiert sind. Außerdem böten die Sendungen Orientierung. Doch eine Umfrage eines Instituts für Fernsehbildung hat ergeben, dass dem nicht so ist. Über ein Drittel halten die Sendungen für Abbildung der Realität. Das geschieht aus Gründen der Unterhaltung, des Nervenkitzels, aber auch des Trostes und der Vergewisserung.

Film- und Fernsehhelden sind Vorbilder und Figuren der Identifikation. Das macht ihren quasi-religiösen Charakter aus. Doch bloße kulturkritische Verdammung hilft nicht weiter. Dem Trend zur banalen Fernsehunterhaltung müsste von den Konsumenten selbst Einhalt geboten werden. Alternative attraktive Programme gegen die Gewalt der massenmedial erzeugten Dummheit, von den Kirchen unterstützt, wären gut, nicht das irgendwie Mitmachen und Sich-Anpassen. Die Sendung 37 Grad, im Auftrag der Kirchenredaktion produziert (ZDF) ist so ein Beispiel, aber ihre Sendezeit ist abends um 22.30 Uhr. Die öffentliche Unterstützung gehaltvoller Fernsehfilme und Serien gehört auch dazu. Was ist die grundsätzliche Frage nach Lebenssinn? Sie betrifft in unseren Breiten inzwischen weniger Nahrung, Kleidung und Integration, niemand muss verhungern, auch wenn er in der letzten Woche des Monats zur Tafel oder Kirchenküche geht, um über die Runden zu kommen, sondern eher die Frage gesellschaftlicher Anerkennung: gehöre ich noch dazu oder werde ich nur noch so mitgeschleppt.

Sie betrifft eher Sinnfrage, die lebenswichtigen Grundworte des Lebens, die sich auch in der religiösen Frage, der Frage nach Gott zeigen, die aber kaum noch religiös gestellt wird. Kann die Kirche gegen die Gewalt der Konsum- und Massenmedienreligion einerseits, die Gewalt der neoliberalen Wirtschaft andererseits diese Grundfrage noch vermitteln? Ist der Mensch angesehen und wahrgenommen? Findet das Ja Gottes zu ihm menschlich-hilfreiche Umsetzungen?

Der Großinquisitor Dostojewskis spricht zu dem wiedergekehrten Christus im Spanien des 17. Jahrhunderts, als hätte er den Film Die Truman-Show (darin geht es um den Hauptdarsteller einer Fernsehserie, der nicht weiß, dass in einer Serie lebt und der langsam aus seiner falschen Existenz aufwacht, s. Eph 5,14) vorweggeahnt. Dostojewskij kritisiert hier die westliche Kirche mit ihrem quasistaatlichen Machtanspruch. Aber nach der Trennung von Staat und Kirche, nach dem Ende der letzten Diktatur in Europa, die in Spanien mit dem Segen der Kirche vonstattenging, ist das, was der Großinquisitor sagt, unvermindert aktuell.

„Und dann werden wir den Menschen ein stilles bescheidenes Glück bereiten, das Glück schwacher Geschöpfe, wie sie es nun einmal sind. Oh, wir werden sie schon einmal überreden, endlich einmal abzulassen von ihren Stolz. Denn du hast sie stolz gemacht, da du sie zu hoch erhobst. Wir werden ihnen beweisen, daß Schwäche ihr Teil ist, daß sie nur spielende Kinder sind, daß aber der Kinder Glück süße ist als jedes andere. und sie werden bescheiden werden und werden hinaufblicken zu uns und werden in Furcht sich an uns anschmiegen wie die Küchlein an die Henne. Wohl werden wir sie zur Arbeit zwingen, aber in arbeitsfreien Stunden werden wir ihnen das Leben zu einem einzigen Kinderspiel gestalten mit Kinderliedern, Chorgesang und unschuldigen Tänzen. Oh, wir werden ihnen auch die Sünden gestatten, und sie werden uns deswegen lieben wie die Kinder." Am Ende der Zeiten werde er auf die 100 Millionen glücklicher Kinder verweisen. "Und wir, die wir ihre Sünde auf uns nahmen zu ihrem Heile, wir werden dann vor dich hintreten und werden dir sagen: Richte uns, wenn du es kannst und wenn du es wagst."

Das ist die Vision einer sanften Massenmediendiktatur zum infantilen Glück der Menschen, die heute Wirklichkeit geworden ist.

4. Das Internet als Gabe und Gefahr – die neuen Großinquisitoren

Wir brauchen keinen George Orwell-Roman 1984 mehr. Ein paar Jahre nach dem 2.Weltkrieg veröffentlicht, malte er in seinem Zukunftsroman das Bild einer Schreckensherrschaft an die Wand, die in Europa mit einem System kompletter Überwachung überziehen würde. Sie erinnern sich, die Einheitspartei angeführt von dem Großen Bruder, mit einer neuen Sprache, die alle Wortbedeutungen auf den Kopf stellt, mit der Abschaffung der Privatsphäre, mit totaler Überwachung, Umerziehung und Gehirnwäsche, einer allmächtigen Geheimpolizei, die alle illegalen Mitteln nutzen kann, um ihre Ziele durchzusetzen.

Ein Überwachungsstaat also, ein Staat, der die Gedanken kontrolliert, der jederzeit Zugriff auf meine private Welt hat. Glücklicherweise hat sich diese Schreckensvision, so wie Orwell sie sich vorstellte, nicht realisiert. Die westlichen Länder entwickelten sich zu stabilen Demokratien mit Gewaltenteilung, freier Presse und einer florierenden Wirtschaft, die den Systemwettbewerb mit den autoritären sozialistischen Staaten gewann und seit 1990 gewissermaßen das alleinige Gesellschaftsmodell ist. Die freiheitlich-demokratische Gesellschaft, sagen wir stolz. Oder: unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Wer nicht auf dieser stand, der bekam allerdings den autoritären Staat bis in die 80er Jahre zu spüren, man denke an die Mitgliedschaft in der DKP, die zu Berufsverboten führte. Oder an die bürgerkriegsähnlichen Schlachten vor AKW-Bauplätzen, an die Strafverfahren gegen Blockierer in den 80er Jahren (heute noch in Gorleben). Hier ging und geht es um die Verteidigung von Wirtschaftsinteressen der Atomenergie (trotz des jetzt wieder beschlossenen Ausstiegs).

Der starke Wunsch nach freiem Konsum, freien Reisen und freier Nutzung der Medien hat 1989 zu einer Revolution in den kommunistischen osteuropäischen Staaten geführt, die all das nicht hatten. Wir haben jetzt sogar einen Pastor und ehemaligen Bürgerrechtler als Bundespräsidenten, der das Lob und die Verteidigung dieser Freiheit zu seinem Programm erhoben hat. Aber was zu beachten ist: Verbunden war diese politische Revolution mit einer gleichzeitig ablaufenden technischen Revolution, dem Siegeszug der Informations- und Computertechnik. Und die war nicht nur segensreich: Die gerade errungene politische Freiheit wurde im Laufe der letzten 20 Jahre durch die Konzerne der Informationstechnik teilweise wieder rückgängig gemacht. Nicht hinter unserem Rücken, sondern mit unserer Zustimmung und Beteiligung wurde durch die Wirtschaft ein System weitgehender Kontrolle und totaler Überwachung eingeführt. So will Facebook unser Leben schon von der Geburt an bestimmen – mein Lebenslauf soll mit Facebook beginnen und enden. Das Leben meiner kleinen Enkelin Clara, sie wird in drei Wochen zwei, ist von den Informationsmedien ihrer Eltern umstellt - ständig telefonieren sie aus oft beruflichen Gründen auf ihrem Handy oder haben den PC auf dem Schoss, auch wenn das Kind etwas von ihnen will. Sich das Handy ans Ohr zu halten, schreiend immer wieder danach zu verlangen, war zeitweilig die Folge.

Wer sich einen PC anschafft und eine Internet-Adresse hat, der ist für Firmen wie Google, Microsoft, Apple, Amazon und Facebook erfassbar und steuerbar. Er ist in ihren Fängen, ob er will oder nicht. Er will nur eine e-mail schreiben und ein paar Infos aus dem Internet abrufen, und schon werden seine Daten weitergegeben, wird er mit Werbung überschwemmt. Die unbestreitbaren Vorteile ihrer IT-Dienstleistungen werden erkauft mit meiner Auslieferung an den Markt (und jetzt an den kontrollierenden Staat, siehe die ducrh Edward Snowdon aufgedeckten Praktiken der NSA 2013, die ja das Szenario Orwells fast noch übertrifft). 2011 wies Georg Adamek auf “Die Facebookfalle. Wie das soziale Netzwerk unser Leben verkauft” hin. In seinem Buch Filter Bubble. Wie wir im Internet entmündigt werden schildert es Eli Pariser so: die vier großen Amazon, Apple, Facebook und Google schicken sich an, aus einem für alle gleichermaßen zugänglichen Informationsuniversum ein Pluriversum zu machen, in dem jeder Nutzer seine je eigene Informationswelt auf den Leib geschneidert bekommt (nach DIE ZEIT Nr. 18, 2012). Bei jedem Klick installieren Google und Co. Cookies, mit denen sie unser Tun verfolgen und so ein immer präziseres Bild von unserem Online-Ich zusammensetzen, ohne dass wir es jemals zu Gesicht bekämen. Jeder unserer Klicks wird zur Ware; die Daten werden an den meistbietenden Kunden verkauft, der uns bald mit maßgeschneiderten Angeboten überrascht. Wer Hamburg googelt und in seinem Leben häufig nach Sportbegriffen gegoogelt hat, wird viele Treffer zu HSV erhalten und bald mit Werbung für Sporttickets zugeschüttet werden. Wer klassische Musik liebt, wird nach ähnlichem Muster auf die Hamburgische Staatsoper und die Elbphilharmonie verwiesen. Bei Freizeitinteressen mag das ja noch als hinnehmbar und hilfreich empfinden, so wird es fragwürdig bei politischen Interessen. Eli Pariser stellte fest, dass auf seiner Facebook-Startseite die Posts seiner konservativen Freunde nicht mehr auftauchten. Die Facebookrechner hatten registriert, dass Pariser meist die Links seiner liberalen Freunde anklickte und fortan alle, die bisher wenig Beachtung gefunden hatten, aus der Liste gestrichen. Pariser untersucht, was es für unsere vernetzten Gesellschaften bedeutet, wenn die großen Player unser Leben vorsortieren, ohne dass wir die Kriterien kennen und aus unserem bisherigen Suchverhalten unsere Suchzukunft vorherbestimmen. “Demokratie verlangt, dass man Dinge aus den Blickwinkeln anderer sieht, doch wir sind immer mehr in unseren kleinen Welten gefangen. “ Pariser, ein früherer Internetaktivist, der von einer Redemokratiserung und Bürgerbeteiligung via Netz träumte, ist also desillusioniert und plädiert für mehr Schutzmaßnahmen. Eine Warnung spricht auch Sherry Tuckle aus in ihrem Buch: Verloren unter 100 Freunden. Wie wir in der digitalen Welt seelisch verkümmern. “Wir scheinen fest entschlossen, Objekten menschliche Eigenschaften zu geben und begnügen uns selbst damit, einander wie Objekte zu behandeln: ”Das belegt sie am Umgang mit Robotern, die Kinder als Spielkameraden und Ältere als Einsamkeitsvertreiber dienen. Werden Kinder und Jugendliche von ihren Eltern vernachlässigt, weil Mama oder Papa an der Schaukel nur auf ihren Blackberrry starren und selbst beim Essen Mails schreiben, können sie allzu rasch der Faszination dieses neuen Roboterfreundes erliegen. Sie scheuen das Risiko und basteln sich eine eigene Welt, die mit Roboterbabys, Roboterrobben und Robotern mit menschlichem Antlitz in den USA schon Wirklichkeit geworden ist. In Interviews mit hunderten von Jugendlichen hat Turkle festgestellt, dass diese sich einen elektronischen SMS und Instant-Messenger-Schutzwall aufbauen. Sie kommen nicht weg von ihren Zweit-und Dritt-Identitäten, die sie sich aufgebaut haben. Facebook ist für viele von ihnen zu einer Bestie geworden, die gefüttert werden muss, zu einem Vielfraß, der Zeit, Selbständigkeit und persönliche Begegnungen raubt. Wie gesagt, das sind Gefahren, denen aber noch begegnet werden kann. Aber es gibt auch die kommunikativen Vorteile des Internet, die Daniel Miller in seinem Buch ,Das wilde Netzwerk. Ein ethnologischer Blick auf Facebook schildert. Sieben Porträts von Menschen aus Trinidad, die der Ethnologe aus London begleitet hat. Da ist der schüchterne Junge, der es schafft, über das Facebook-Spiel Farmville Anerkennung ins seiner Schulklasse zu gewinnen. Und da ist der alte, kluge und gebildete Mann im Rollstuhl, früher ein brillanter Redner, der heute kaum mehr sprechen kann, aber auf Facebook Gleichgesinnte gefunden hat, mit denen er stundenlang über Politik diskutiert und so seine Einsamkeit kompensiert. Es geht also darum, Handelnde in der virtuellen Welt zu bleiben, nicht Getriebene zu werden. Daran entscheidet sich, ob das Internet, zweifellos eine große Erfindung, der Menschheit zum Segen ausschlägt oder zum Fluch.

Eine kulturgeschichtlicher Erklärungsversuch: Am Anfang der Kultur in der Steinzeit stand der ausgegrenzte Opferraum, sagt der Philosoph Christoph Türcke in dem Buch Philosophie des Traums. Im Angesicht großer Gefahren, Natur-, Feindes und Tierschrecken, half sich der Steinzeitmensch in seiner Not mit dem Schrecklichsten, dem Opfer seinesgleichen für die Götter, um der drohenden Vernichtung zu entgehen. Diese an sich sinnlose Handlung des Opfers (denn es konnte ja das Erdbeben und den Vulkanausbruch nicht verhindern) musste er dennoch gutheißen.“ Vor dem mir’s graut, zu dem mich’s drängt”. (R.Otto,Das Heilige)

“Erst durch die Gutheißung des Schreckens ist Sinn die Welt gekommen“ sagt Türcke. So entstanden Sprache, Musik, Kunst, Religion, in der Bewältigung des Schreckens, den man sich antat, an den man sich dann nervlich gewöhnte und der dann zivilisiert wurde durch rituelle Wiederholung. Das Heilige ist der benannte Schrecken. Noch der Großinquisitor Dostojewskijs steht in dieser Tradition. Er vollzieht den Schrecken der Verurteilung und der Hinrichtung, um das Ganze zu stabilisieren, fällt dabei hinter die schon erreichte Ablösung des Opfers durch Christi Tod und seine Wiederholung in der Eucharistie zurück, nimmt diese Schuld bewusst auf sich.

Im Massenmedienzeitalter, sagte ich, gibt es die permanente Liturgie der Massenmedien und jetzt des Internet. Erhoffte sich Walter Benjamin noch von der Chokwirkung des Films gesteigerte Geistesgegenwart, so reduziert diese sich heute auf das Zappen in einem fast unübersehbaren Fernsehprogramm. Die Massenmedien und Informationstechniken verbinden die Menschen untereinander, aber sie lassen die Menschen auch nicht mehr zur Ruhe kommen. Permanente Reizüberflutung, das wirkt sich nachteilig aus. Bei den Kindern und Jugendlichen, die an dem ADHS-Syndrom leiden, die keine Minute stillsitzen können und nur vor dem Bildschirm konzentriert sind, feiert, so Türcke, die steinzeitliche Heiligung des Schreckens eine hochtechnologische Wiederauferstehung. Doch Kinder brauchen Rituale, die diese Allgegenwärtigkeit der Medien unterbrechen. Dazu können wir als Eltern und Großeltern beitragen.

Zugespitzt gesagt: Die neuen Großinquisitoren sind die genialen Erfinder und Gründer dieser Firmen, Steve Jobs, Marc Zuckermann und viele andere. Sie sind die Messiasse des 21. Jahrhunderts. Also Erleichterung und Kontrolle gehen Hand in Hand. Das ist ein sanfter Totalitarismus, eben der des 21.Jahrhunderts.Alle Datenschutzregelungen greifen nicht zuverlässig. Die Politik kommt immer einen Schritt zu spät (und sie bricht diese Regeln in den USA in dem absolut gesetzten Nationalinteresse der Terrorbekämpfung durch die NSA).

Dostojewskij finstere Vision ist also ganz anders Wirklichkeit geworden als gedacht. Der große Bruder hat nicht mehr das finster-mörderische Antlitz des greisen und unbarmherzigen Großinquisitors aus Sevilla. Auch nicht das Stalins, Hitlers, Mao Tsetungs, Pot Pols. Das ist passé, obwohl es solche Diktatoren leider immer wieder geben wird, man denke gegenwärtig an Assad in Syrien. Auch der alte Papst in Rom ist nicht der finstere Inquisitor von Millionen unmündiger Gläubiger, sondern ein freundlicher Gelehrter auf dem Stuhl Petri, der allerdings immer noch hart-dogmatisch durchregiert. Axel Cäsar Springer konnte noch als Feindbild dienen und wird heute zu seinem 100. Geburtstag von seinem Konzern als vorausschauender Visionär der deutschen Einheit und moderner Medienmanager gefeiert. Seine BILD-Zeitung kann heute noch einen Bundespräsidenten stürzen und die Politiker suchen ihre Unterstützung. Der große Bruder sitzt in einer Riesenbehörde und kontrolliert in Zusammenarbeit mit Regierungen des Westens ,die nicht so sehr an den Rechten des Individuums interessiert sind, was das Zeug hält. Und in der BRD hat die Regierung angeblich davon nichts gewusst!

Ich frage zum Schluss ähnlich wie Iwan und Alescha in ihrem Gespräch über die Jesuiten und den Großinquisitor nach den Menschen, die in den Massenmedien arbeiten. Welches Bewusstsein von ihrer Tätigkeit haben sie, welche Berufsethik? Sind sie solche, die nicht einmal an Gott glauben, die Verlangen nach Macht haben, nach Knechtung, wie Alescha behauptet. Oder doch solche, die von Kummer gequält sind wie Iwans greiser Inquisitor, der sich dazu durchgerungen hat, dass man die Lüge und den Betrug auf sich nehmen muss um der Menschen willen, “damit wenigstens unterwegs sich diese jämmerlichen Blinden für glücklich halten.” Also sind diese tausende von Journalisten und Medienpraktikern, die in den unterhaltsamen Printmedien und den auf Unterhaltung und Ablenkung getrimmten Privatsendern arbeiten, in der Unterhaltungsfilmindustrie – sind das Menschen mit einem Verantwortungsethos oder bloße Zyniker? Haben sie noch Ziele der Aufklärung und Information? Oder geht es ihnen nur um die Auflagen und Quoten, weil sie ja den Profit mit ihren Produkten garantieren müssen? Reicht ihnen, dass die Menschen abgelenkt und trivial gut unterhalten sind, auch wenn dabei die Qualität und die Wahrheit baden gehen? Sind sie wie die Macher des scripted reality-TV, die so tun, als erzählten sie aus einem realen Deutschland, die jedoch die dargestellte soziale Wirklichkeit übertreiben oder erfinden? Sind sie wie die Chefin einer Produktionsfirma, die auf den Vorwurf Lügenfernsehen antwortete: “Was erwarten denn die Leute von Unterhaltung? Pädagogisch wertvolle Filme? Fernsehen ist keine Schule.”

Wir aber sind keine unmündigen Kinder mehr, die man unterhaltend ablenken und so glücklich machen muss. Wir lachen über die Schlagzeilen BILD-Zeitung und können eine Gegendarstellung einklagen, mit Harald Schmidt spotten wir im TV über das Fernsehen, wir können den Fernseher jederzeit abschalten, wir amüsieren uns mit den Kabarettisten über die Politiker, wir können das Internet zivilgesellschaftlich nutzen, den Missbrauch anprangern und die Kontrolle der Medien politisch einfordern. Und Gott sei Dank gibt es noch verantwortlich denkende IT- Experten wie Edward Snowdon, die Geheimnisverrat begehen, um die üblen Praktiken des NSA aufzudecken.

Anmerkungen

[1]    Vortrag vor der Dostojewskij-Gesellschaft Hamburg, Mai 2012 (überarbeitet August 2013)

[2]    Th Pr, 1.Jg.,1976, S. 89ff.

[3]    Veröffentlicht in dem Band Wolfram Fischer/ Wolfgang Marhold,Hg, Religionssoziologie als Wissenssoziologie, Stuttgart 1978, S. 171ff.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/85/hjb21.htm
© Hans-Jürgen Benedict, 2013