![]() Kultur |
Februar 2015 Liebe Leserinnen und Leser, viel ist geschehen seit dem Erscheinen des letzten Heftes: das Erstarken und die Selbstauflösung der PEGIDA-Bewegung, die die Frage verschärft stellen lässt, was denn eigentlich die kulturelle Identität des Abendlandes sein soll (wenn es denn überhaupt so etwas gibt). Der mörderische Anschlag auf die Redakteure der Satire-Zeitschrift CHARLIE HEBDO, der uns nach den Notwendigkeiten und Grenzen von Meinungsfreiheit, Solidarität und Religionsfreiheit fragen lässt. Beide Ereignisse stellen die Frage: In welcher Kultur wollen wir leben? Einer Kultur, die ausgrenzt und sich über diese Grenzziehungen definiert; oder in einer offenen Kultur, in der jeder sagen kann, was er denkt und sich dann in kontroverse Debatten über die Gültigkeit seiner Ansichten begibt.
*** Das aktuelle Heft des Magazins sollte unter der Überschrift stehen: Protestantismus und Kultur / Themenjahr Bild und Bibel. Im Verlauf der Arbeit an dem Heft fiel uns auf, dass dies nur ein weiterer Beitrag zur fortschreitenden Selbstghettoisierung der Kirche sein würde. Das Themenjahr „Bild und Bibel“ ist so rückwärtsgewandt, dass selbst die Kritik daran noch den Eindruck erweckt, das Ganze sei irgendwie diskutabel. Das ist es nicht. Dass beinahe 200 Jahre nach dem Ende der Gottesgeschichte im Bild (Wolfgang Schöne) immer noch so getan wird, als könne man biblische Geschichte einfach so mit Kunstwerken illustrieren, zeigt, dass die Evangelische Kirche nicht gewillt ist, aus ihrer eigenen Geschichte zu lernen. Was immer man zur Zeitgeist-Orientierung des Protestantismus sagen mag, aber geistesgegenwärtig ist er im Augenblick nicht. Wir haben uns deshalb entschlossen, das Heft schlicht unter den Titel Kultur zu stellen. Darum geht es in den aktuellen Debatten und hier ist jede einzelne Analyse und Auseinandersetzung mit kulturellen Artefakten wertvoll. Unter VIEW finden Sie daher nur zwei kurze Notizen zu den unter „Bild und Bibel“ laufenden Aktivitäten der EKD aus der Feder von Andreas Mertin. Ansonsten gibt es eine Fülle von Kulturanalysen. Hans J. Wulff beschäftigt sich in einem großen Überblick mit dem Thema Alter, Sterben und Tod im Film. Wolfgang Vögele erörtert Religion und Literatur bei Goethe, Hebel und Wagner und schreibt über „Über Väter und das Vater-Buch von Botho Strauß“. Christian Göbel beschäftigt sich mit der Bildung in F.C. Delius' Erzählung "Bildnis der Mutter als junger Frau". Hans-Jürgen Benedict kommentiert Hamburgs Katastrophen und ihre theologische Deutung. Unsere Rubrik RE-VIEW enthält einen Kommentar von Karin Wendt zur Kunst von Mike Nelson und eine Rezension von Hans-Jürgen Benedict über ein Buch zur theologischen Rezeption Dostojewskijs. Unter POST finden Sie wie gewohnt die Notizen zu Themen der letzten zwei Monate und eine Glosse von Andreas Mertin. Wir wünschen eine angenehme und erkenntnisreiche Lektüre!
Andreas Mertin, Jörg Herrmann und Horst Schwebel
|