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Vielfältige Inszenierungen der Vernunftherrschaft im alten ReichZu Steffen Martus ‚Aufklärung‘Hans-Jürgen Benedict
Deutschland gilt gemeinhin als „verspätete Nation“ (H. Plessner). Während andere Nationen wie England und Frankreich ihre Nationwerdung und Aufklärung einschließlich Revolution längst hinter sich hatten, existierte in der Mitte Europas immer noch das „Heilige römische Reich deutscher Nation“ unter der Führung Habsburgs mit seinen kleinteiligen Fürstentümern und Herrschaften und entfaltete sich als eine vielfältig anregungsreiche „Kulturnation“. 1806 aufgelöst wirkte es in der politischen Praxis weiter. Noch 1834 musste Heinrich Heine in Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland seinen französischen Lesern erklären, weswegen die Deutschen in der Theorie, sprich Philosophie so radikal, in der politischen Praxis aber so konservativ-rückständig seien. „Ein methodisches Volk wie wir mußte mit der Reformation beginnen, konnte erst hierauf sich mit der Philosophie beschäftigen und durfte nur nach deren Vollendung zur politischen Revolution übergehen.“ Heine exemplifiziert die deutsche Radikalität im 18. Jahrhundert an Christian Wolff, Moses Mendelsohn und Lessing (den er als Nachfolger Luthers apostrophierte) und kommt dann zu Immanuel Kant. Er deutet dabei Kants Kritik der reinen Vernunft mit ihrer Erledigung der Gottesbeweise, „er hat die ganze Besatzung (des Himmels) über die Klinge springen lassen“, als Auftakt zur Abschaffung der Adelsherrschaft. Kants berühmte These „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“, zwei Jahre nach der Kritik 1784 publiziert und zum werbewirksamen Motto der Aufklärung in Deutschland geworden (von Heine merkwürdigerweise nicht zitiert) nimmt nun Steffen Martus in seinem großangelegten Werk Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert“ (1033 Seiten!) zum Ausgangspunkt für eine Neuerzählung, für ein elegant und spannend erzähltes hochdifferenziertes Epochenbild dieses Jahrhunderts, das uns in seiner zweiten Hälfte vor allem als Zeit der Klassik und damit als einer auf Bildung setzenden Haltung als Bedingung von Freiheit vertraut ist. „Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit,“ heißt es bekanntlich bei Kant weiter, „wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Anleitung eines anderen zu bedienen.“ Aber wie kommt es zu dieser Unmündigkeit, wenn es, wie doch ersichtlich, im 18. Jahrhundert so viele kluge Geister und Aufklärer gegeben hat, fragt Martus. Und er gibt kund, eine Epochengeschichte der Aufklärung schreiben zu wollen, die neben den literarischen Strategien der Aufklärung die Ebenen von Politik, Kultur, Wissenschaft und Religion in ihrer Darstellung berücksichtigen wird. „Wie aber verhielten sich die Ideen zu den Ereignissen, Akteuren, Institutionen oder Gesellschaftsstrukturen?“ (S. 18) Und das eben unter den besonderen Bedingungen des alten Reichs. Er setzt sich damit von der älteren Forschung ab, die „im Alten Reich nur Mangel und Verspätung ausgemacht (hat): mangelnde Staatlichkeit, mangelnde politische Führung, mangelnde kulturelle Verbundenheit und eine daraus resultierende verspätete Einigung Deutschlands im 19. Jahrhundert mit katastrophalen Folgen im 20. Jahrhundert.“ (S. 197) Nein, Martus will das 18. Jahrhundert im deutschen Reich positiver sehen. Es bot ein breites Spektrum von Handlungsspielräumen an, in denen sich aufklärerische Ideen entfalten konnten. Es war politische Gemeinschaft, Verfassungs-, Informations-, Policey-, Wirtschafts-und Verteidigungsgemeinschaft zugleich, nicht auf Expansion, sondern auf Bestand und Erhaltung gerichtet. In diesem Kontext konnten sich in Deutschland in verschiedenen Bereichen aufklärerische Ideen entfalten. Ausführlicher als in Rezensionen sonst üblich werde ich sie vorstellen.
Die Hamburger Lage war komplex einerseits als reichsunmittelbare Stadt dem habsburgischer Kaiser untertan, musste man mit den protestantischen Landesfürsten der umgebenden Territorien Hannover, Lüneburg-Braunschweig und Brandenburg-Preußen auskommen, sich gegen Dänemarks Übergriffe wehren und als Handelsstadt immer darauf achten den Handel aufrechtzuerhalten (selbst mit Reichsfeinden wie Frankreich). Die doppelpolige Herrschaftsstruktur mit dem Rat und der aus den fünf Kirchspielen sich rekrutierenden Bürgerschaft führte dazu, dass die Konflikte zwischen Patriziern und Handwerkern schnell auf der Straße ausgetragen wurden. So kam es nur vier Jahre nach der Hinrichtung Jastrams und Snitgers zum Hamburger Pietismus-Streit, als pietistisch eingestellte Pastoren die Unterschrift unter eine Eidesformel, den Revers, verweigerten, die zur Treue gegenüber den „etablierten Kirchen-Ceremonien“, sprich den lutherisch-orthodoxen verpflichtete. Doch der Konflikt zwischen pietistischen Neuerern und Orthodoxen eskalierte, es kam zu Unruhen, 1708 rückten kaiserliche Truppen gegen die Stadt vor, die Rädelsführer der Unruhen landeten im Gefängnis. Ein „Hauptrezeß“ von 1712 sollte endlich alle Fragen regeln, die paritätische Zweiteilung der Herrschaft zwischen Rat und Bürgerschaft wurde bestätigt mit dem Vorrang des Rates, zu dem nur wenige erbgesessene Bürger Zugang hatten. Liberalität und religiöse Toleranz waren in Hamburg nicht angesagt (1617 kam es zum Sturm auf die katholische Kapelle, die der Gesandte des Reichs neben seiner Residenz für seine Privatandacht hatte errichten lassen, wofür sich 1721 eine Hamburger Gesandtschaft beim Kaiser in Wien persönlich entschuldigen musste). Letztlich siegte die konservative Reaktion. Aus dieser Oberschicht aber kamen jene Hamburger Aufklärer wie der Ratsherr Johann Hinrich Brockes, der in der moralischen Wochenschrift Der Patriot anonym die Hamburger sozialen Verhältnisse kritisierte, Verschwendungssucht und Angeberei bloßstellte. Anders als die Flugschriften, die in Hamburg in großen Mengen zirkulierten, und die sich auf Schmähungen konzentrierten und gelegentlich (stellvertretend für den Autor) auch öffentlich verbrannt wurden, wollte der Patriot die sozialverträgliche Zulassung von Meinungsverschiedenheiten befördern.
Im zweiten Teil des Epochenbildes geht es Martus noch mal um die Universität und um die Rolle des Philosophen Christian Wolff. Dieser hatte in einer Schrift provozierend sich zu einem Lob der Chinesen hinreißen lassen, die auch ohne christliche Religion ziemlich zivilisiert seien, was unter Androhung der Todesstrafe zu seinem Verweis aus Halle führte. Martus skizziert „eine Aufklärung ohne Grenzen“, schildert die naturwissenschaftliche Experimente, etwa die Wolffs über die Folgen des Atementzugs, Hallers Sektionen von Leichen in Göttingen, wozu er sich bei Bettlern bediente, seine grausamen Tierexperimente, um seine Irritabilitätsthese gegenüber der Sensibilitätsthese zu beweisen. Der erste Statistiker, der Berliner Propst Johann Peter Süßmilch, sammelte Daten über Geburts-und Todesraten und empfahl den Herrschenden die Erhaltung der Armen aus Eigennutz. Viel ist vom Buch der Natur als der zweiten Offenbarungsquelle die Rede.
Die radikale Aufklärung, von Frankreich kommend, hatte auch in Deutschland ihre Vertreter. Nicht nur entfiel die christliche Mythologie, womit Martus die Erlösungslehre meint. Die Welt wird erklärt, als ob es Gott nicht gäbe, das personale Gottesbild wird durch Spinozas Pantheismus ersetzt. Furore machten 1717 die Meditationes philosophicae über Gott, Welt und Mensch von Theodor Ludwig Lau. Gott sei aus der Natur erkennbar, die Bibel nur fehlerhaftes Menschenwerk. Der Mensch sei aus unterschiedlicher Materie zusammengesetzt, Erlösung und Verdammnis seien überflüssig. Lau landete im Gefängnis. So schlecht erging es Johann Lorenz Schmidt, dem Verfasser einer rationalistischen Bibelübersetzung, der Wertheimer Bibel, glücklicherweise nicht; Daraus ist auch noch heute etwas zu lernen: Zwar ist historisch-kritische Auslegung der Bibel in beiden großen Kirchen Standard (was Papst Benedict XVI. nicht davon abhielt, sie in seinen Jesusbüchern weitgehend souverän zu ignorieren), aber allzu tiefenpsychologische Ausleger der Heiligen Schrift wie Eugen Drewermann, die den Offenbarungsgehalt in psychische Erfahrungen verwandeln oder Verfechter einer strikt nichttheistischen Gottesrede (siehe der Hamburger Pastor Paul Schulz) werden immer noch exkommuniziert. Die ungeschützte personalistische Predigtsprache, die sich den Bildcharakter der Gottesprädikate nicht eingesteht, ist hingegen weit verbreitet, als hätte der doch ansonsten hoch verehrte Dietrich Bonhoeffer nie den Satz gesagt: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“ Im dritten Teil des Epochenbildes „Aufklärung im Widerstreit“ stehen die Kontrahenten Friedrich II. und Maria Theresia als Fürsten, die „mit Herz regieren“, im Zentrum; Friedrich der Philosophenkönig, der sich als erster Diener seines Volks verstand (und Menzels Gemälde von der Überreichung einer Bittschrift armer Leute an den heranreitenden König in der Berliner Alten Nationalgalerie zeigt die Wirkung dieses Mythos). Maria Theresia bezeichnet Martus sogar mit einer modernen Anleihe als „Königin der Herzen“ (Das hätte er schon bei Matthias Claudius finden können, der anlässlich des Todes der Kaiserin im Jahr 1780 sein herzerwärmendes Gedicht verfasste: „Sie machte Frieden, das ist mein Gedicht“). Die Religionspolitik der Habsburger setzte auf konfessionelle Einheitlichkeit (Vertreibung der Salzburger Protestanten), aber auch auf sakrale Identifikationsporträts. Was die Pietisten für die Reform Preußens bedeutete, war für Österreich der Einfluss der Jansenisten, der den der Jesuiten zurückdrängte. Gemäßigte Aufklärung war auch in der katholischen Kirche angesagt. Ein Kapitel handelt vom Siebenjährigen Krieg, den Martus als „ersten Weltkrieg“ bezeichnet, weil er seinen Ursprung in dem Konflikt zwischen Frankreich und England in Amerika hatte. Eindrucksvoll die Beschreibung der ersten großen Schlacht von Lobositz am 1. Oktober 1756 zum einen aus der Feldherrnperspektive (Friedrich II.), zum andern aus der Froschperspektive als blutiges Gemetzel durch Ulrich Bräker (Der arme Mann in Toggenbrug). Dieser diente in der preußischen Armee, gerät bei einem Durchbruch in einen regelrechten Gewaltrausch, hört aber das „Zetter- und Mordiogeheul“ tausender Opfer und desertiert schließlich. Die Aufklärer waren in der Regel keine Kriegskritiker. Es gab eine „Poesie des Kriegs“ in Gleims Preussischen Kriegsliedern, die den Tod auf dem Schlachtfeld priesen und zu denen Lessing kritisch sagte, der Patriot „überschreie“ darin den Patrioten und versuche ihn vergessen zu machen, dass er „ein Weltbürger“ sei. Es gab Abbts programmatische Schrift Vom Tode für das Vaterland. Es gab den gesuchten Tod Ewald von Kleists auf dem Schlachtfeld, von Lessing wild ironisch betrauert. „Er hatte drey vier Wunden schon, warum ging er nicht. Es haben sich Generals mit wenigern und kleinern Wunden schon umschimpflich auf die Seite gemacht!?“ In die Zukunft verwies jene „ Religion des Kriegs“, wie sie etwa der preußische Pastor Sack in seinen Berliner Predigten verkündete. Dieser versetzte seine Gemeinde unmittelbar auf das Schlachtfeld, auf dem über Heil und Unheil entschieden wurde und der Herr Zebaoth als himmlischer Verbündeter des Königs für Preußen stritt es war eine Einstellung, die 150 Jahre später in den Kriegspredigten des 1. Weltkriegs noch schrecklicher wiederkehrte (wobei die Predigt überdies als Mittel gegen Entkirchlichung benutzt wurde: „Vorwärts gegen den Feind, zurück zu Gott“, so der Hamburger Hauptpastor Hunzinger im August 1914). Immerhin konnte ein so großer Schriftsteller wie Lessing in seiner Komödie Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück, immer hart am Rande der Tragödie zeigen, dass selbst in einer unglückseligen Nachkriegszeit (zusätzlich zu der halben Million Soldaten waren in Preußen 400.000 Menschen Seuchen zum Opfer gefallen), die dem Major von Tellheim arg zusetzte, sich alles zum Besten wenden kann, wenn einer nur ganz sein Herz sprechen lässt.
So langsam lässt Martus dann das Jahrhundert der Aufklärung in Deutschland ausklingen spricht vom „Ende eines Zeitalters?“. Winckelmanns Entdeckung der Griechen, „stille Einfalt, edle Größe“, schildert eine verunglückte Kaiserkrönung in Frankfurt, die Gründung des Göttinger Hainbunds durch literarisch engagierte Studenten, das Woellnersche Aufklärungsedikt, die Gartenkunst in Dessau-Wörlitz, den bayrischen Erbfolgekrieg, der nicht nur Goethes kluge briefliche Beratung seines Herzogs, ein Glanzstück politischer Prosa, sondern auch Matthias Claudius eindrucksvolles Kriegslied hervorbrachte. Martus übergeht es leider ganz, dabei ist es mit seiner intensiven Schilderung des Gewissenstraums, in dem die Erschlagenen vor dem Dichter wehklagen, ein Antikriegstext, dessen Wirkung bis in die Proteste gegen die Irakkriege 1990 und 2003 reicht. Der ungeheure Erfolg der Leiden des jungen Werthers, sowohl eine Entkriminalisierung des Selbstmords, als auch eine Entfachung der Leidenschaften rief die Kritik der Kirche wie der Aufklärer hervor Goeze polterte dagegen, Lessing wünschte sich eine „kalte Schlußrede“. „Erfahrungsseelenkunde“ hingegen forderte Karl Philip Moritz und brachte sie in seinem Roman Anton Reiser in eine literarische Form. Er schildert peinigend die langwierige Entwicklung seines Helden aus ärmlichen Verhältnissen und enger pietistischer Frömmigkeit bis hin an die Universität und ans Theater, getrieben von den ihn determinierenden Umständen seiner Herkunft. Anton Reiser wird so zum Urtyp des modernen Seelenromans, zwar ohne die unterhaltsamen geistreichen Abschweifungen, wie Sternes Tristram Shandy, aber auch mit ironischen Passagen, etwa wenn der Held und sein Freund in der freien Natur empfindsame Literatur lesen, dabei von in die Hosen krabbelnden Ameisen gestört werden, und dann auch noch die Lektüre von Klopstocks Messias nur langweilig finden. Martus nennt dies Kapitel die „Individualität der Aufklärung“. Man könnt es auch die Zertrenntheit der Aufklärung in Deutschland nennen zusammen mit und in den Kleinstaaten entwickeln sich Individualitäten, die anders als im benachbarten Frankreich in wo sie sich in der Auseinandersetzung mit einer Zentralgewalt zur Revolution zusammenfassen, sich zersplittern, viele Musenhöfe, aber keine gemeinsame soziale Bewegung. Jedenfalls sind sie sich angesichts des Terrors der französischen Revolution in der Notwendigkeit ästhetischer Erziehung einig Freiheit sei nur durch Freiheit zu lernen, so Schiller. Das geht aber über Martus‘ Untersuchungszeitraum hinaus, der mit 1784, also mit Kants programmatischer Schrift Was ist Aufklärung? endet. Nicht ohne vorher auf die jüdische Aufklärung zu verweisen, wie sie von Moses Mendelssohn vertreten wurde und ebenfalls in der Berlinischen Monatsschrift erörtert worden war.
Martus lässt seine großangelegte faszinierende Studie damit enden, dass er eine Beziehung zwischen der Krönung des Kurfürsten zum König in Königsberg im Dezember 1700 und dem Königsberger Philosophen Kant und seiner Aufklärungsschrift von 1784 herstellt zwei Selbstkrönungen der eine wollte selbst regieren, der andere selbst denken, beide wollten einen Anfang setzen und darin liegt, so Martus, die Erfolgsgeschichte der Aufklärung. Die Hoffnung auf bessere Zeiten, auf einen heiteren Himmel analog zum Ende der kleinen Eiszeit, erfüllte sich aber nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung. Wie es den Regierten mit den Errungenschaften der Aufklärung erging, das hätte man gerne genauer erfahren. Etwa wie rationalistisch eingestellte Pastoren in ihren Predigten ihre Bauern über besseren Ackerbau und Viehzucht aufklärten. Die von Martus erwähnte Haltung Kants, die Welt aus der Perspektive des Staats und der Regierung wahrzunehmen und die chaotisch wimmelnde Gesellschaft zu vernachlässigen, verweist ja schon voraus auf Hegel und seinen Gang des Weltgeistes, der sich schließlich sowohl in Napoleon hoch zu Pferde wie im preußischen Staat verkörpert. Martus ist es gelungen, das 18. Jahrhundert mit „seinen unterschiedlichsten Gemengelagen aus staatlicher und vorstaatlicher, territorialer und transregionaler Politik, durch die sich die Regierenden und Regierten hindurch gewurstelt haben“ (S. 886) neu zu erschließen. Irgendwie, so Martus, ist diese Gemengelage als Orientierungshilfe besser für unser postnationales Zeitalter, auch wenn man die Wiederkehr der Religion betrachtet (wenn es denn eine ist), „weil die deutsche Aufklärung ein enges und versöhnliches Verhältnis zum Glauben nie aufgegeben hat.“ (S. 888) Das sanfte Licht der Aufklärung des 18. Jahrhunderts ist sowohl „der bösen Erleuchtung angezündeter Häuser“ (Lichtenberg), sprich der Revolution, als auch den Geistesfackeln der deutschen Naturphilosophie vorzuziehen, vor denen Heine 1834 die Franzosen auf den letzten Seiten seiner Geschichte der Religion und Philosophie warnte. Wenn „die dämonischen Kräfte des altgermanischen Pantheismus“ sich rühren, wenn der „zähmende Talismann, das Kreuz, zerbricht“ und „Thor mit dem Riesenhammer die gotischen Dome (zerschlägt)“, dann wird in Deutschland „ein Stück aufgeführt werden, vor dem die französische Revolution wie eine Idylle erscheinen möchte.“ Die wir aus den Trümmern dieser von Heine prognostizierten Schreckensherrschaft auferstanden und zu einer der Aufklärung wie dem Christentum sich verdankenden Zivilisation des Rechts und der Demokratie zurückgekehrt sind, mit all ihren Fehlern, ihrer kulturellen Unübersichtlichkeit, ihren sozialen Kompromissen und kapitalistischen Verwerfungen, wir können Martus‘ Epochenbild des 18. Jahrhunderts noch einmal anders wertschätzen als einen Gang zurück zu den Quellen jetzigen Glücks. |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/99/hjb47.htm |