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Magazin für Theologie und Ästhetik


2 Captains - 1 Mission

Carsten Gliese u. Markus Kleine-Vehn, 28.02. - 11.04. 1999
Städtische Ausstellungshalle Am Hawerkamp, Münster

Karin Wendt

Mission Impossible

Die Ausstellungshalle am Hawerkamp in Münster wird zur Zeit als temporäre Raumstation genutzt. Carsten Gliese und Markus Kleine-Vehn haben künstlerische Formen des Transits entwickelt, die den Raum neu erfinden. Die baulichen Verbindungspunkte der Halle erscheinen durch selbständige architektonische Elemente überformt, so daß passierbare Übergänge entstanden sind, zugleich Nachbildungen und Implantate von Raum. Mit groß aufgezogenen Fotos macht Gliese sein Verfahren transparent. Den vorgelagerten Pfeilerraum hat er komplett verschalt, farbig gefaßt und dann unter perspektivischen Gesichtspunkten partiell herausgelöst und verschiedenen Schnittstellen der Architektur eingepaßt: dem Eingang zur Halle und einer sich östlich anschließenden Nische. In der Wahrnehmung werden Raum korrespondierende Achsen gezogen, die jedoch an der konkreten Gestalt der Einbauten vielfältig gebrochen und umgelenkt werden. Passagen zum Verweilen.

Etwa in der Mitte der Halle setzt eine Gangway aus spulenförmig verschraubten Furnierholzpaneelen an, durch die man in den hinteren Raum gelangt. Die quadratische Öffnung dieses "Energietunnels" dockt genau am Durchgang an: Raum verstanden als Halbleiter-Phänomen. Die analoge Übersetzung findet man in farbigen Teppichquadraten am Boden ausgelegt. Kleine-Vehn exemplifiziert hier additive Ästhetik down-loaded im Look der 70er.

Vielleicht erst beim Rückzug aus der Halle landet man in einem kleinen Vorraum, wo per 3-D-Animation auf sechs Monitoren architektonische Ein- und Ausbauten für die Halle erprobt werden. Wie eine Sonde ist ein Raumchattle ausgefahren, das man über eine Treppe oder einen Fahrstuhl im Rauminnern erreicht. Durch minimale Überschneidungen der Videos untereinander und markante Schnitte zwischen den Bildeinstellungen erzielt Kleine-Vehn eine Endlosschleife wechselnder Perspektiven, die gleichwohl nie in einem geschlossenen Raumeindruck terminieren.

Raum entsteht und verschwindet im Prozeß der ästhetischen Erfahrung. Er wird vor allem erfahrbar als das, was man gerade hinter sich gelassen hat. Die Eigenschaft des Virtuellen, das machen Gliese und Kleine-Vehn deutlich, ist nicht an ein Medium gebunden, sondern an die Wahrnehmung. Indem die Arbeiten explizite Schnittstellen sind, machen sie die parasitäre Struktur zum eigenen Konstruktionsprinzip. Insektenmahlzeit.


© Karin Wendt 1999
Magazin für Theologie und Ästhetik 2/1999
https://www.theomag.de/02/kw3.htm