Welche Bedeutung kann Gegenwartskunst in einem Kirchenraum haben? Die Frage stellt Markus Zink in der jüngsten Veröffentlichung des Marburger EKD-Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart. Markus Zink (Hg.), Kreuz + Quer. Gegenwartskunst für Kirchen, Um den empirischen Stand der innerkulturellen Annäherung von Kunst und Kirche zu dokumentieren, werden 20 Kunstwerke der letzten zehn Jahre, heute mehrheitlich in evangelischen Kirchen, erfaßt und besprochen. Die Untersuchung des Materials erfolgt im Hinblick auf das Paradigma der Raumgestaltung. In der einleitenden Perspektivierung wird zwischen sakraler und funktionaler Bedeutung eines Raumes unterschieden, zwei Momente, welche für den Verfasser der ästhetischen Vermittlung bedürfen. Ästhetische Implikationen des Raumbegriffs werden jedoch nicht thematisiert. Ein kurzer Überblick über kunsthistorische Konzepte zur Gestaltung religiöser Räume wäre an dieser Stelle aufschlußreich gewesen. Durch wenige systematische Überlegungen, etwa zur Frage, ob und in welcher Weise ein Kunstwerk den Raum zum Gegenstand seiner Argumentation machen kann, wären die folgenden Werkbesprechungen vielleicht weniger detailliert, dafür in ihrer künstlerischen Position greifbarer geworden. Die "Bedeutung" von Kunstwerken für Kirchenräume kann man doch nur ermessen, wenn die künstlerischen Möglichkeiten der Raumthematik mitreflektiert werden? Die Problemskizze zum religiösen Raum läßt vermuten, daß auch das Verhältnis von Kirche und Kunst letztlich im Hinblick auf Funktionalität und Sakralität gedeutet wird, wobei der Kunst dann nur die funktionale Rolle, d.h. die der Illustration christlicher Inhalte zukommen kann. Gleichwohl wehrt sich Zink entschieden gegen eine solche Verkürzung von Kunst. Künstlerische Gestaltung dürfe nicht als "Lückenbüßer" den Raum "behübschen". Gegenwärtige Kunst beanspruche dagegen "Mündigkeit in ihren Formen und Inhalten. Es sei zwar "ein typisch kirchliches Problem", daß die Kunst "passen" müsse (7). "Das neue Bild in der Kirche" sei jedoch eine "Chance, denn es bedeutet auch ein neues Bild der Kirche". (Ebd.) Die Verwendung der Bild-Metapher in diesem Zusammenhang zeigt leider wenig Gespür für den ästhetischen Eigenwert von Sprache und Bildern. Langfristig wird von Seiten der EKD ein Modell der "wechselseitigen "Ergänzung" von "kirchlichen und künstlerischen Interessen" angestrebt. (10) Kirchlicher und künstlerischer Kontext können so aus meiner Sicht jedoch weder als selbständige noch als dynamische, d.h. konkrete Größen in den Blick kommen. Das "Ergänzungsmodell" verdinglicht die Sprengkraft religiöser Rede und unterminiert die subversive Kraft ästhetischer Negation. Wenn Zink schließlich darauf baut, daß "die Augen mitglauben" (30), ignoriert er sowohl den religiösen Begriff des Glaubens wie den modernen Begriff des Sehens. Jan Assmann hat mit seinem Buch Moses der Ägypter(1) etwas von der ungeheuren Bedeutung erahnen lassen, die die Bilderfrage für die jüdische Religion als Gegenreligion hat. Wer meint, die christliche Religion müsse demgegenüber unbedingt auf Bilder setzen, dem sei diese Schrift empfohlen. Die mosaische Unterscheidung, die den Raum des jüdisch-christlich-islamischen Monotheismus begründet hat, wird im Raum der Bilder getroffen und gegen Bilder geführt. Mancher mag meinen, diese Unterscheidung sei ein zu überwindendes Relikt der Vergangenheit, aber faktisch begründet sie eine Gedächtnisspur, die die drei großen Buchreligionen bis in die Gegenwart trägt. "Kreuz und Quer" zeigt sich das Inhaltsverzeichnis. Drei Stichworte sollen offenbar eine zeitliche Abfolge unterschiedlicher Weisen der Bedeutungskonstitution gliedern: "Ursprünglichkeit" kennzeichnet konkrete und minimalistische Verfahren, "Zeichen" subsumiert Künstler, die kontextuell arbeiten, und "Figur" versammelt Positionen, die seit den 80er Jahren verstärkt Bild- und Erzähltraditionen bearbeiten. Die Begriffe erhellen jedoch nichts - um was für eine Ursprünglichkeit geht es? Warum wird hier kein Fachvokabular verwendet? Es bleibt ebenfalls dunkel, worauf sich die Überschriften "Raum, Farbe, Material" und "Verdichtung" beziehen. Ist das Medium gemeint, das künstlerisch zur Exemplifikation genutzt wird? Weder die Doppelsemantik der zwei Spalten noch die Einzelüberschriften erschließen eine bestimmte Problematik. Die vorgestellten künstlerischen Positionen erscheinen ahistorisch als situative Auseinandersetzungen einzelner Künstler mit dem jeweiligen Kirchenraum. Für eine Analyse und erst recht für eine Bewertung möchte man jedoch wissen, wo die Künstler zu verorten sind. So bleibt es eine bunte Sammlung von Einzelfällen, die weder argumentativ noch anschaulich irgendeine bestimmte Entwicklung im Verhältnis von Kunst und Kirche verdeutlichen. Ein wenig mehr formales Bewußtsein wäre auch für die Gestaltung wünschenswert gewesen. Eine Fülle der Farbbilder ist zu blaß, zahlreiche Bilder sind unscharf oder verwackelt, manches wirkt, als habe ein Hobbyfotograf seine Diasammlung für die Illustration des Buches zur Verfügung gestellt. Daß das Buch mit einem Aufsatz zur "Kraft des Figurativen" endet, läßt endgültig vergessen, daß es sich um eine kritische Bestandsaufnahme handeln soll. Hier wird eine Malerei vorgestellt, die sich in formalen Nachahmungen - eben keine kenntlich gemachten Zitate! - religiöser Werke erschöpft, die jede Freiheit der Artikulation und ironische Brechung vermeidet, die Bilder symbolisch aneinanderreiht im Versuch, ein zeitgemäßes Panorama zu erzeugen. Die Beklemmung der Bilder von Hermann Buß resultiert nicht - wie der Verfasser meint - aus der Mehrdeutigkeit der Szenerien, sondern aus einer inhaltlichen Vergewaltigung formaler Möglichkeiten. Das Bild wird zum moralischen Vorwurf an den Betrachter, dem die Lust an der freien Form verweigert wird. Wenn dies der Ausblick für die kirchliche Annäherung an die Gegenwartskunst sein soll, wünscht man sich die Kirche lieber als leere Galerie mit der sonntäglichen Predigt als sprachlichem Imaginationsraum. Anmerkungen
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