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Kurz und gut VIVorstellungen ausgewählter Kurzfilme: Science FictionAndreas Mertin In einem etwas anderen Kontext stieß ich vor kurzem auf die Frage, ob der Science-Fiction-Film und hier insbesondere der Science-Fiction-Kurzfilm für religiöse Sinnvermittlungsprozesse geeignet ist. Die Recherche ergab einige interessante Ergebnisse, von denen ich einige kurz vorstellen will. Hingewiesen sei noch auf den Kurzfilm Brain-Hack, der in Heft 94 vorgestellt wurde und der ebenfalls im weitesten Sinne in diese Kategorie gehört. HENRI2012 Eli Sasich (Director & Writer) (https://vimeo.com/61686359) Was macht eine künstliche Intelligenz, der die Menschen verloren gegangen sind, die aber noch über Fragmente menschlicher Erinnerungen verfügt? Das ist die Kernfrage, um die sich der Sci-Fi-Kurzfilm HENRI von Eli Sasich dreht. Das erinnert nicht zu Unrecht an „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ von Philip K. Dick, nur dass diese künstliche Intelligenz eben vom Menschen träumt. Und wie der biblische Gott in der Genesis erschafft sich die KI einen Roboter nach dem Bilde des Menschen und dieser wandert durch das Raumschiff auf der Suche nach seinem Vor- und Ebenbild. Zwischendurch schießen immer wieder Erinnerungsfragmente der Menschen durch das Bild, das Rauschen des Meers, die letzten Momente der menschlichen Astronauten an Bord. Das alles ist brillant gedacht und wirft für den Betrachter sogleich eine Reihe philosophisch-religiöser Fragen auf so wie das ja auch alle Science-Fiction-Romane von Isaac Asimoc tun. WIRE CUTTERS2014 Jack Anderson (Director & Writer) (https://vimeo.com/137531269) Herrlich ironisch ist Jack Anders’ Sci-Fi-Kurzfilm “Wire Cutters”. Er handelt von einem kleinen Minenroboter auf einem fernen Planten, der im Auftrag einer Minengesellschaft wertvolle Mineralien sucht. Und immer wieder muss er seinen Akku aufladen, weshalb er ein Segel in die Luft steigen lässt, das ihn vorwärts zieht und den Akku lädt. Allein das ist schon wunderbar gestaltet und erinnert von Ferne an den Mythos von Sisyphos. Der kleine Minenroboter erinnert mehr an einen kleinen pfiffigen Menschen als an einen wirklichen Roboter. Die Arbeit ist aber mühsam, denn das Arbeitsfeld ist weit und die zu bearbeitenden Steine zum Teil unüberwindbar groß. Dann aber trifft der kleine Roboter auf einen anderen Roboter einer konkurrierenden Minengesellschaft, größer, robuster nur eben nicht mit der Intelligenz des kleinen Roboters ausgestattet. Da stellt sich natürlich die Frage wie man damit umgeht? Konkurrieren, kooperieren, intrigieren, imitieren? Der kleine Roboter entscheidet sich für die Kooperation: er verfügt über das Wissen in welchen Steinen die Mineralien verborgen sind, der andere über die Kraft, diese zu zerschmettern. Der Ertrag wird geteilt bis, ja bis einmal die Zahl der zu verteilenden Steine ungerade ist und der kleine Roboter sich selbst bevorteilen möchte. Und schon ist die Solidarität zu Ende. Plötzlich entsteht eine Kain-und-Abel-Situation zwischen den beiden, der Große erschlägt den Kleinen beinahe und setzt sich in den Besitz des fraglichen Minerals. Als er es einsacken will, verbindet ihn der Kleine mit dem Segel und der große Roboter wird Richtung Himmel gezogen. Der kleine kann ihm gerade noch das Mineral entreißen, dann reist das Seil des Segels und der große Roboter verschwindet im Nirwana. Glücklich kehrt der kleine zurück zu seinem Mineraldepot, aber da meldet sich sein Akku und will aufgeladen werden, aber das Segel ist nicht mehr da ... Motivisch ist „Wire Cutters“ mit dem Oscar-prämierten Animationsfilm „Balance“ aus dem Jahr 1989 verwandt, bei dem es ja auch darum ging, wie Solidarität und Eigeninteresse miteinander in Konflikt geraten. Nur dass „Wire Cutters“ noch viel mehr auf die emotionale Nähe zu einer der handelnden Figuren setzt. Theologisch vertritt der Sci-Fi-Kurzfilm so etwas wie eine Position des Tun-Ergehen-Zusammenhangs. Beyond2013 - Raphael Rogers (Director & Writer) (https://vimeo.com/72632269) Ironisch gesagt kann man an diesem Video sehen, wie man seine Urlaubsbilder bzw. filme zu einem Sci-Fi-Kurzfilm verarbeitet. Mit nur 1000 $ Einsatz realisiert, zeigt „Beyond“ das Leben der letzten menschlichen Person, die über die Fähigkeit der Teleportation über größere Strecken, ja zwischen Planeten und Galaxien verfügt. Sie erkundet Planeten, nicht zuletzt auf der Suche nach der eigenen Identität. Es wird dabei aber eine weitere Entität vorausgesetzt, eine Art KI mit der die Protagonistin immer wieder spricht. Der Ansatz ist nicht ganz uninteressant (die Teleportationsphantasien erinnern ein wenig an die Null-A-Romane von A.E. van Vogt), aber der Funke will nicht so recht überspringen. Atropa2015 - Eli Sasich (Director & Writer) (https://vimeo.com/77761436) Dieser Film ist eher Trailer als Shortfilm, denn er lässt den Betrachter auch wenn der Film wirklich gut gemacht ist - am Ende ziemlich verwirrt zurück. Die Geschichte scheint einfach: ein Weltraum-Detektiv ist beauftragt, das Schicksal eines Raumschiffs zu erkunden. Er findet es und stößt auf eine schlafende Besatzung und weckt sie auf. Dann aber implodiert bzw. explodiert alles in Paradoxien ... Von der Sache her ist dies weniger ein Kurzfilm, als vielmehr ein so genannter Proof-on-Concept-Film, mit dem man sich bei potentiellen Finanziers vorstellt, in der Hoffnung, dass diese nun einen abendfüllenden Film bezahlen. Trotzdem ist zumindestens etwas vom Potential erkennbar. Der Autor und Regisseur Eli Sasich, der ja auch schon den oben vorgestellten Kurzfilm Henri hergestellt hatte, sagt zu seinem Film: „The story really came out of a thought experiment: what would happen if you (literally) crashed into yourself in space? How might something like that be possible, and how would you deal with it? What would be the physical and emotional toll?“ Und gebeten, dies näher auszuführen, fährt er fort: “I can say that the film explores the ideas of fate and free will, actions and consequences. That’s one of the things I love about science fiction the ability to explore big philosophical ideas in an organic way.” Grounded2011 Kevin Margo (7:53) (https://vimeo.com/49580248) Die Zusammenfassung bei der Internet Movie Database zeigt vielleicht schon die Problematik dieses Stückes auf: „One astronaut's journey through space and life ends on a hostile exosolar planet. Grounded is a metaphorical account of the experience, inviting unique interpretation and reflection by the viewer. Themes of aging, inheritance, paternal approval, cyclic trajectories, and behaviors passed on through generations are explored against an ethereal backdrop.“ M.a.W. etwas zu viel von allem. Etwas Grundsätzliches, etwas Slapstick, etwas Philosophisches, etwas Paradoxes, etwas Symbolisches, etwas Menschliches ... Der vertraute Gedanke, dass am Ende des Lebens das gesamte Leben vor dem inneren Auge noch einmal vorbeizieht, wird hier variiert zur unendlichen Wiederholung des Sturzes in die metaphysische Fraglichkeit. Am Ende liegt derselbe Astronaut in gleich zehnfacher Ausfertigung auf dem Wüstenstaub des fernen Planeten um zum wiederholten Male aufzuwachen und sein Schicksal zu durchleben. Schade, eine vertane Chance, etwas weniger wäre mehr gewesen. |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/103/am559.htm |