"Dieser Mann ist kein Christ"

Trumpisten - Rechte Ideologie und ihre religiöse Verbrämung

Andreas Mertin

Das Entsetzen nach der Wahl von Donald Trump speist sich sicher aus ganz unterschiedlichen Quellen. Es nicht vorhergesehen zu haben, ja seine Wahl für unmöglich, weil vernunftwidrig gehalten zu haben – ist sicher das Eine. Also, dass man quasi unvorbereitet getroffen wurde. Dass man darauf vertraut hat, dass sich Vernunft und Verstand doch noch irgendwie durchsetzen werden, wenn auch vielleicht die Alternative nicht unbedingt die beste war. Das andere ist die Angst vor der weltweiten Rückkehr des Totalitarismus – der angeblich starken Männer (oder im Fall von Frankreich: angeblich starken Frauen), die Politik zu Deals herabwürdigen und für die Menschrechte nur noch Verhandlungssache sind.

Beeindruckt hat mich ein Hinweis von Wolf Lepenies in der WELT auf einen Text von Richard Rorty aus dem Jahr 1997 („Achieving Our Country“), in dem dieser schreibt:

„Eines Tages wird es einen Riss in Amerika geben. Ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft wird zu dem Schluss kommen, dass das ‚System‘ gescheitert ist, und wird sich nach dem starken Mann umsehen, den es wählen kann. Der wird ihnen versichern, dass nach seiner Wahl die schmierigen Bürokraten, die Winkeladvokaten, die überbezahlten Fondsmanager und die postmodernen Professoren nichts mehr zu sagen haben werden. Ist ein solcher ‚Strongman‘ einmal gewählt, vermag niemand zu sagen, was passieren wird. 1932 erwiesen sich alle Voraussagen, was passieren würde, wenn Hindenburg Hitler zum Kanzler machte, als unglaublich optimistisch.“

Wladimir Putin – Viktor Orban – Donald Trump – Marie Le Pen … Die Sehnsucht nach den “Strongman” scheint in globalisierten Zeiten extrem verführerisch zu sein. Vielleicht war es schlichtweg naiv, einmal nicht mit dem grundsätzlich Bösen im Menschen zu rechnen, vielleicht waren die letzten 50 Jahre eher der Ausnahmefall in der Entwicklung gesellschaftlicher Rechte.

Was mich aber im Vorfeld und in der Auswertung der Wahl am stärksten „umgehauen“ hat, ist das Verhalten der religiösen Reaktionäre – ganz gleich ob diese nun evangelisch oder katholisch sind. Mir war immer klar, dass es eine genuine Nähe der religiösen Rechten zu totalitärem Denken gibt, zum Denken im Freund-Feind-Schema, zur Vorordnung der geglaubten eigenen Wahrheit gegenüber allem abweichenden Denken. Aber ich hatte immer mit einer gewissen Stringenz der Argumentation gerechnet. Dass also Katholiken, die Christian Wulf in unsäglichster und ehrenrühriger Weise wegen seiner zweiten Ehe angegangen sind, dies mit derselben Selbstverständlichkeit auch bei einem Kandidaten machen würden, der zum dritten Mal verheiratet ist und der – katholisch gesprochen – das Sakrament der Ehe für einen Treppenwitz der Weltgeschichte hält und deshalb damit prahlt, verheirate Frauen zum Sex nötigen zu können / zu wollen. Aber das Sakrament der Ehe ist einem rechten Katholiken sch...egal, wenn ihm die Lebensschutz-Ideologie des Kandidaten recht ist. Insofern erweisen sich kath.net & Co. als Rechte, die sich mit Katholizismus zieren und nicht als Katholiken, die sehr konservativ sind.

Noch viel schockierender ist aber der Blick auf das konkrete Wahlverhalten. Es waren die Christen, die als einzige Religion mehrheitlich Trump gewählt haben – einen Mann, der Water­boarding für normal erachtet, den Einsatz der Atombombe für kalkulierbar hält, bis zu 11 Millionen Flüchtlinge abschieben will, eine Mauer zur Ausgrenzung errichten will, den sexuellen Missbrauch von Frauen für normal hält und sich selbst der Rechtfertigung unbedürftig, weil er ja nie sündige. Ein Mann, vor dem der gegenwärtige Papst warnte, dass er gewiss kein Christ sei. Unter den weißen evangelikalen und den weißen wiedergeborenen Christen erhielt Trump sagenhafte 81% Zustimmung. Je häufiger jemand in den Gottesdienst geht, desto stärker war seine Neigung, Donald Trump zu wählen. Nach dieser Wahl muss man konkrete Angst vor den religiösen Rechten haben. Und diese Quote wird erklärt mit der liberalen Haltung der demokratischen Kandidatin in der Abtreibungsfrage. Wenn hier jemand auf der falschen Seite steht, dann ist es völlig egal, wer auf der anderen Seite steht. Dass nennt man den imaginierten Teufel mit dem Beelzebub austreiben.

Wer das Trommelfeuer auf religiös rechten Plattformen wie kath.net oder idea im letzten Jahr für die AFD und Pegida erlebt hat, kann vorausahnen, was auch in Deutschland und Österreich auf uns zukommen wird. Es ist, als ob zumindest die Evangelikalen aus ihrem Versagen während des Nationalsozialismus nichts gelernt hätten. Als ob einer der durch sie an die Macht gekommenen Führer sich nach der Wahl um ihre Anliegen kümmern würde.

Sicher, Donald Trump wird alles tun, um Abtreibung unmöglich zu  machen, er wird Frauenrechte beschneiden, er wird die Rechte von Homosexuellen auf Heirat abzuschaffen trachten. Das aber ist nicht Teil einer religiösen, sondern einer rechten Agenda. Damit hätten auch Nationalsozialisten (aber auch Stalinisten) Politik machen können. Der Hitler-Stalin-Pakt, nun als Trump-Putin-Deal neu aufgelegt, wird den rechten Populismus in ganz Europa stützen und wie schon Putin in Russland die heilige Allianz von religiöser Rechter und politischen Regime verkünden. Um dann untereinander die Interessensgebiete abzustecken. Assad? Darf weiter morden. Erdogan? Darf weiter auf die Kurden bomben. Und alles mit der Unterstützung jener, die sich als wiedergeborene Christen verkaufen.

Es wurde mit dieser US-Wahl für mich zum ersten Mal deutlich, wie die Deutschen Christen funktionieren konnten. Weil es eben nie um das Christentum und christliche Gedanken ging, sondern um rechte Ideologie, die nur erfolgreich religiös verbrämt wird. Konnte man schon bei Pegida deutlich erkennen, dass deren Vertreter die Botschaft der Heiligen Schrift nicht einmal ansatzweise zur Kenntnis genommen hatten, so wird auch bei den Lebensschützern und Evangelikalen deutlich, dass das Christentum ihnen letztlich vollständig egal ist. Es interessiert sie nur dort und dann, wo es ihre krude Frauen und Homosexuelle verachtende Ideologie unterstützt. Deshalb können sie so gut damit leben, wenn jemand alle Positionen verrät, die für das Christentum gelten, wenn er nichts von katholischer Soziallehre hält, wenn er Nächstenliebe für Schwäche und Sünde für ein peripheres Problem hält. Und Oblaten für Kekse.

Die Gebildeten unter den atheistischen Verächtern des Christentums verhalten sich besser. Und so sei abschließend noch einmal der Satz von Papst Franziskus wiederholt, den er vor einem Jahr bei seiner Rückkehr aus Mexiko gesagt hat:

"Eine Person, die daran denkt,
Mauern anstatt Brücken zu bauen, ist nicht christlich.
Das ist nicht das Evangelium!"

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/104/am566.htm
© Andreas Mertin, 2016