![]() documenta 14 |
Palais BellevueVon Staubsaugern und Leoparden
Versammelt sind im Palais Bellevue auf dieser Documenta achtzehn künstlerische Positionen. Und angekündigt werden sie so:
Beginnen wir mit der vielleicht lustigsten und einer zugleich überaus beeindruckenden Arbeit dieser Documenta, einer Ode an den Dyson Sieben. Roee Rosen
Was aber zeigt nun das Video „The Dust Channel“? Am Anfang sehen wir ein junges Paar im Bett. Nach dem Erwachen fangen sie an zu singen und singen dabei vor allem vom „Sanften Saugen“. Dabei gehjt es um eine Fetisch-Beziehung zum Staubsauger Dyson Seven, um den sich immer groteskere Dinge drehen. Er wird ins Bett gelegt und mit Kleidung ausgestattet. Ein Zimmermädchen kommt herein und nimmt eine extrem sexualisierte Reinigung des Dyson vor. Ein Polizist betritt die Szene und es wird immer burlesker. Dazwischen sehen wir einen Deutschen, der in einer Dyson-Fabrik arbeitet, abends immer Teile einer Dyson herausschmuggelt, um seiner Frau diesen fantastischen Staubsauger zu basteln aber es wird doch nur immer ein Maschinengewehr daraus. Eingeschoben in das Ganze sind immer wieder Exkurse zur israelischen Flüchtlingspolitik mit passenden Zitaten entsprechender Politiker. Das Ganze ist ein wunderbares Video mit einem gehörigen Schuss jüdischem Humor man wünschte sich mehr derartiger Artefakte auf dieser documenta. Regina José GalindoAls aufklärerische Einsätze mit Zivilcourage schätze ich viele künstlerische Aktionen von Galindo. Sei es ihre Aktion vor dem Verfassungsgericht in Guatemala 2003. Oder ihre Aktion in Venedig, bei der sie 2001 kahlgeschoren durch die Lagunenstadt lief. Vielleicht besteht im Erfolg dieser Aktionen aber auch eine Gefahr bzw. eine Verführung, nämlich die Protestaktionen ständig zu wiederholen. Irgendwann erkennt man aber ein sich ständig wiederholendes Muster es ist dann nicht mehre existentiell, sondern die Anwendung eines Schemas, das nahezu blind angewendet wird. Politisch engagierter Künstler als Beruf Klaus Staeck lässt grüßen. Wo also findet die nächste Ausstellung statt? In Deutschland und wo in Deutschland? In Kassel. Na, dann nehmen wir den Leopard-Panzer und das Sturmgewehr G36 passt doch. Beides wird so eingesetzt, dass scheinbar eine existenziell bedrohliche Situation entsteht. In einem Fall läuft die Künstlerin vor einem sie unerbittlich verfolgenden Leopard-Panzer davon (im Palais Bellevue), im anderen Fall lässt sie scheinbar mit G36-Sturmgewehren auf sich schießen (im Kasseler Stadtmuseum). Irgendwann wird das billig, oder höflicher gesagt: plakativ. Und irgendwann wird alles gleich-gültig. Mit Kunst hat das immer weniger zu tun. Denn die Grenzen, die Galindo überschreitet, sind keine der Kunst, und aktuell nicht mal solche des politischen und existentiellen Diskurses. Existentielle Grenzüberschreitungen haben seit Marina Abramovic eine gewisse Tradition, aber es wird immer berechenbarer, immer routinierter und darin den sich überbietenden Grenzüberschreitungen des Trivialfernsehens und der Popkultur immer ähnlicher. Es gibt auch einen existentialistischen Monumentalismus. Die intendierte hehre Symbolik macht es dabei nicht besser. Abgesehen davon, dass jeder weiß, das Galindo bei ihrem Wettrennen mit dem Leopard nicht einmal ansatzweise ihr Leben aufs Spiel setzt, sondern nur so tut als ob.
Rebecca BelmoreDies ist mehr ein Kommentar zum Kommentar als zum Kunstwerk. Im Documenta-Text zur Künstlerin heißt es
Ehrlich gesagt, bis ich diese Sätze im documenta-Daybook las, hatte ich noch nicht von der so bedeutenden den Kolonialismus entlarvenden Oka-Krise gehört. Und auch die Sätze mit den durcheinandergebrachten Metaphern machten das ganze kaum besser. (Wirklich: Fassaden, hinter denen eitrige Wunden liegen? Und was ist der Kolonialismus in diesem Bild: der Eiter oder die Wunde? Vermutlich doch weder das eine noch das andere, sondern die Infektion, die die Wunde eitern lässt. Oder ist gemeint, dass der Kolonialismus eine eiternde Wunde hat?) Ich will nicht missverstanden werden: Dass man den Unterdrückten bzw. den indigenen Völkern Stimme verleiht bzw. ihre Stimme zu Gehör bringt, finde ich ein Unterfangen, das man unterstützen sollte. Aber dann sollte man die Sprache auch Wert schätzen und nicht so nachlässig mit ihr umgehen. Wie schrieb schon der documenta Leiter Adam Szymczyk:
Dann sollte Sprache aber auch etwas sein, das auch im Daybook der documenta gepflegt wird. -> Hier geht es weiter zur Neuen Galerie Anmerkungen
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Artikelnachweis: https://www.theomag.de/108/am597.htm |