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Was ich noch zu sagen hätte XXIIIEin BlogsurrogatextraktAndreas Mertin Hinweis: Dies ist die Zusammenfassung meiner Blognotizen der letzten Monate. Wer die Notizen tagesaktuell verfolgen will, kann dies in meinem Blog http://blogsurrogatextrakt.blogspot.de/ tun. Nach zwei Monaten werden diese dann gebündelt im Magazin publiziert.
02.06.2017 - Wo liegt eigentlich Nürnberg, Herr Kelle?
Kelle aber ist empört, erkennt sofort eine mögliche Gefährdung der BRD und schreibt:
Die herausgestellte Adressierung an die Bundeskanzlerin macht zudem nur Sinn, wenn diese spezifisch etwas mit dem Fall zu tun gehabt hätte, wenn also der Flüchtling 2015 im Rahmen der damaligen Entscheidung Merkels nach Bayern gekommen wäre. Ist er aber nicht. Er ist vor vier Jahren(!), also 2013 als 16-Jähriger unbegleitet aus Afghanistan nach Bayern gekommen. Alle Verantwortlichkeit fällt damit der bayerischen Staatsregierung unter Horst Seehofer zu. Und da stellt sich mir die Frage, warum der Neurechte Klaus Kelle unbedingt die Bundeskanzlerin für etwas verantwortlich machen will, was doch allenfalls dem Konservativen Horst Seehofer anzulasten wäre. Über Kelles Rechts- und Staatsverständnis, das ernsthaft meint, zur Durchsetzung des Rechts müsse man Berufsschüler mit Pfefferspray und Schlagstöcken aus der Schule holen, will ich gar nicht erst reden. 03.06.2017 Abrechnung zu Pfingsten
Genau, 4 Prozent ist knapp die Hälfte der Bevölkerung, so rechnet die AfD auch immer. Ich weiß, dem guten Mann ist nur eine 7 aus den Tasten gerutscht. 47% der Bevölkerung wissen, warum Pfingsten gefeiert wird, 75% immerhin, dass es ein christliches Fest ist und nur 23% wissen es nicht. Eigentlich kein Grund zur Klage. Aber Winnemöller möchte gerne klagen. Und er möchte auf die biblische Überlieferung verweisen:
Nur ist das biblische Zeugnis nicht immer so eindeutig, wie es Leute wie Winnemöller es uns vormachen wollen. Wo genau Pfingsten sich ereignete, weiß Lukas, der Jahrzehnte nach den Ereignissen davon berichtet, nämlich nicht. Anders aber Winnemöller:
Das ist die Überlieferung der christlichen Tradition, aber nicht das Zeugnis der Heiligen Schrift. Die kennt nur ein Haus, in dem sich die Jünger versammelt haben. Alles andere ist Legende. Und der Pfingstmontag? Nun in Italien ist er weitgehend ein ganz normaler Arbeitstag, ebenso in Spanien. Eigentlich ist er der verbliebene Rest des Pfingstoktav, das Papst Paul VI 1970 abschaffte. 07.06.2017 Hauptsache gott-los?
Es gibt wohl kaum ein Gebot, das dem Verlauf der kapitalistischen Welt in der Gegenwart mehr zuwider läuft, als dieses. Der unermüdliche Fluss des Kapitals und der Waren duldet keinen Aufschub und die Arbeitssklaven sollen möglichst rund um die Uhr schuften. Dem setzt die Bibel mit dem Verweis auf die Schöpfungsordnung entgegen, dass auch der Mensch ein Recht auf die Ruhe am siebten Tag habe. So weit, so gut. Reaktionäre Katholiken, denen sonst kein Anlass zu schade ist, auf die gute Schöpfungsordnung Gottes zu verweisen (Naturrecht, Lebensschutz, Familie, Homosexualität), vergessen die Zehn Gebote sofort, wenn es um den Schutz der Arbeitnehmer vor Sonntagsarbeit geht. Klaus Kelle, der Meinungsführer von The Germanz, polemisiert gegen die Vorstellung der "linksextremen" Grünen, man müsse am Sonntag ruhen und nicht arbeiten. Und er hält ihnen wie der Bibel entgegen:
Da hat Gott wohl nicht nachgedacht, als er die Schöpfung vollzog und am siebten Tag ruhte. So ein Mist. Ob der katholische Meinungsprophet Kelle nun auch die Schlussfolgerung, die er gegenüber den Grünen zieht, auch auf Gott überträgt? Da bin ich gespannt:
Wer für den Ruhetag eintritt, ist überflüssig. Na, denn gute Nacht Gott. 12.06.2017 quod licet iovi non licet bovi
Heute, am 12. Juni 2017 publiziert The Germanz einen Kommentar von einem Martin D. Wind, der sich über einen Beschluss des Parteitages der Linken aufregt, in dem die Kündigung der Staatskirchenverträge gefordert wird. Das war zugegebenermaßen ein dummer Beschluss. Das Problem ist nur, dass zum Zeitpunkt der Publikation des Textes von Wind dieser Beschluss gar nicht mehr besteht. Er wurde vom Parteitag zurückgenommen, weil die Delegierten die Trennung von Staat und Kirche fördern wollten, nicht aber jene Regelungen torpedieren, die diese Trennung gerade regeln. Der erste Beschluss war also von den Delegierten unter falschen Voraussetzungen gefasst worden und wurde umgehend korrigiert. Nicht korrigiert hat aber der Autor Martin D. Wind seinen einen Tag später publizierten Artikel, in dem er nun die Partei Die Linke heftig angreift und gegen sie mit Argumenten polemisiert, die nichts mit der Sache selbst zu tun haben. Statt wie die Parteitags-Delegierten die Sachlage zu erörtern, beginnt der Autor die Partei zu beschimpfen - übrigens mit Argumenten, die, wie deutsche Gerichte geurteilt haben, unzutreffend und unterlassungsbewert sind. Und der Autor hält der Partei vor, anders als die Kirchen schaffe diese keine Kindergärten, keine Krankenhäuser, keine Schulen etc. Nun wäre das auch gar nicht wünschenswert, es wäre eher ein Schritt in eine totalitäre Gesellschaft. Aber nun so zu tun, als ob die Kirchen Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser etc. finanzieren würden, ist echt eine Frechheit. Sie bezuschussen diese, finanzieren sie aber nicht. Müssten die Kirchen alle Schulen, Krankenhäuser und Kindergärten finanzieren, die unter ihrem Namen auftreten, wären sie einen Monat später pleite. Nein, wir Steuerzahler und Krankenkassenmitglieder bezahlen das - egal ob Atheisten oder Gläubige. Ich erinnere mich nun dunkel, dass der Autor einmal Pressesprecher eines Bistums war, dessen Bischof von Kirchensteuergeldern sich ein Paradies im Bischofspalast schaffen wollte. So etwa ein Koi-Becken im Wert von 213.000 Euro wie der kirchliche Prüfungsbericht ergab. Oder bronzene Fensterrahmen mit Mehrkosten von über 800.000 Euro. Und so weiter und so fort. Wäre es da nicht angemessen, man würde heute noch mal fragen, wo die Millionen der Kirchensteuerzahler versickert sind? Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Aber, wie gesagt, die Partei Die Linke hat den Beschluss längst korrigiert. Und ich warte nun ab, wie lange The Germanz braucht, einen bereits zum Zeitpunkt der Publikation nicht mehr zutreffenden Bericht zu korrigieren. Aber von den 10 Geboten halten sie vermutlich wenig. 20.06.2017 Unkorrekt
Der Autor sucht nun ganz im Stil der Neuen Rechten das politisch Korrekte gegen das Anständige auszuspielen - natürlich zugunsten des Letzteren. Trotzdem sollte er dann doch ein wenig nachdenken, um nicht allzu dumm zu wirken. Was soll man von einem Autor sagen, der folgenden Satz herauswürgt?
Vielleicht hätte er nach "politisch korrekt" suchen sollen? Er wäre dann schnell bei deutschen Veröffentlichungen des Jahres 1914, des Jahres 1920 usw. gelandet. In der von ihm gemeinten Form wäre er dann spätestens 1963 in einer Zeitschrift fündig geworden, in dem ein Autor über die Native Americans schreibt und in Klammern ergänzt: (die „politisch korrekt" eben nicht „Indianer" heißen). Also ist bereits Anfang der 60er Jahre noch vor der Studentenbewegung der Begriff der Politischen Korrektheit nicht nur in Amerika, sondern auch in Deutschland so bekannt, dass ein Autor ihn voraussetzen kann. Derselbe Autor schreibt übrigens in seinem Aufsatz in den Blättern für internationale Politik "Personal verwende ich stets die maskuline Form, weil ich des PC-sensitiven, geschlechtsneutralen Sprachgebrauchs im Deutschen nicht völlig kundig bin". Also stimmt nicht einmal das erste Argument des Textes unseres Spaßvogels Sebastian M. Überprüft er nicht, was er schreibt? Seine grundsätzliche Differenzierung von Privat und Politisch mutet nun etwas antiquiert an. Sie hat in der Sache noch nie gestimmt (das Privateigentum war für das Bürgertum lustigerweise immer politisch). Der Autor fährt fort:
Ich finde den Schlachtruf Jahre vorher in der Wochenzeitschrift DIE ZEIT und kann daher auch den Schlussfolgerungen daraus nicht folgen. Bis Ende der 50er-Jahre konnte ein Ehemann allein über die Beschäftigungsverhältnisse seiner Frau entscheiden, konnte ihr die Berufstätigkeit verbieten. War das anständig? Erst die von Frauen erhobene Forderung, dieses bis dahin als "Privat" Begriffene als Politisch zu begreifen, führte zur Änderung der Verhältnisse. Kein Anständiger hatte bis dahin daran gedacht, hier Gerechtigkeit herbeizuführen. Das Gleiche gilt übrigens für die Frage der Homosexualität, die bis 1994(!) in Deutschland diskriminiert wurde - ohne dass die Anständigen dieser Gesellschaft etwas getan hätten. Erst die Politisch Korrekten drängten hier auf Abhilfe. Aber respektiert haben die Anständigen die Homosexuellen vermutlich - auch wenn sie sie ins Gefängnis steckten. Ich will hier nicht schreiben, was ich ganz privat von dem kath.net-Autor halte, aber politisch gehört er zu den Reaktionären unserer Gesellschaft. 22. 07. 2017 Homestory Echt jetzt?
An diesen Text von Eco musste ich denken, als ich einen Blogeintrag las, der den Titel trug "Bei van Gogh im Zimmer". Ganz ergriffen schildert dort ein Kulturbeauftragter seinen Besuch im früheren Patientenzimmer von van Gogh. Und dann folgt ein Satz, der zeigt, wie viel den Kulturbeauftragten mit der amerikanischen Sicht auf Europa verbindet:
Da reiht sich ein Klischee ans nächste. Bettelarm war van Gogh sicher nicht (noch während des Aufenthaltes wurde sein Bild "Die roten Weingärten von Arles" verkauft und sein Bruder kaufte ihm alle Bilder ab). Dass van Gogh die klassische Moderne definiert, kann zudem schlicht als falsch bezeichnet werden. Er gilt zwar als einer der Begründer der modernen Malerei, aber er ist kein Vertreter der klassischen Moderne. Diese ist später anzusiedeln. Aber der Text von Claussen macht mir deutlich, warum manche Menschen - statt Luthers Schriften zu lesen - lieber nach Wittenberg reisen oder die Wartburg besuchen. Der Hauch des Echten, des Authentischen, den man zu verspüren glaubt, wenn man sich dort aufhält, wo sich der Meister bewegte, ist von ähnlicher Aktualität wie das Zimmer van Goghs im Palace of Living Arts. 23.07.2017 Hahnenschrei
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Artikelnachweis: https://www.theomag.de/108/am603.htm |