Sprachpfleger kritisieren Kirchensprache

Aber: Sie haben es verhunzdeutscht.

Andreas Mertin

Es gibt Veröffentlichungen, da befindet man sich von der ersten Zeile an im Stadium des Fremdschämens. Wie kann es geschehen, dass manche Menschen sich mit stolzgeschwellter Brust in die Öffentlichkeit stellen und dabei nicht bemerken, wie sie sich ganz und gar lächerlich machen? Gab es keine Freunde oder Freundinnen in ihrer Umgebung, die sie gewarnt hätten? Die ihnen geraten hätten, noch einmal nachzudenken, wozu und weshalb sie mit welchen Worten was schreiben?

Dieser Tage informierte die evangelikale Plattform idea (wer auch sonst) die geneigte Leserschaft darüber, die Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“ habe sieben Thesen zur Kirchensprache veröffentlicht. Wem diese Zeitschrift noch nicht auf den Schreibtisch gekommen ist, braucht sich nicht zu sorgen: sie ist bedeutungslos. Renommiert ist sie allenfalls dafür, ab und an mit allen Mitteln in die Öffentlichkeit zu drängen und das mit Thesen oder noch lieber Verurteilungen, die niemanden interessieren.[1] Man polemisiert gegen zu viele Fremdwörter, geriert sich als Wächter der Deutschen Sprache und – das ist ja der Höhepunkt jeder inferioren Institution – man zeichnet den einen oder den anderen für das eine oder andere aus.[2] Machterwerb durch Preisvergabe. So weit, so langweilig. Interessant ist diese Szene gesellschaftspolitisch insofern, weil sie sich ab und an mit Tendenzen am rechten Rand unserer Gesellschaft verbindet.

Im aktuellen Fall ist es also die Kirche bzw. die Kirchensprache, die Anlass zur Kritik gibt. Als Aufhänger wird der 31. Oktober 1517 gewählt. Und weil man besonders kreativ und originell ist, stellt man zu diesem Datum Thesen auf. Ob wohl vorher noch nie jemand auf diese Idee gekommen ist? Ich vermute einmal, zu jedem der einschlägigen Luther- und Reformationsjubiläen der letzten 150 Jahre gab es derartige Wichtigtuer, die sich auf Teufel komm raus ins Bild zu drängen suchten.[3]


Die Thesen tragen folgenden Titel und Untertitel:

Sieben Thesen gegen Denglisch und Genderei in den Kirchen.
Laß-ab-Brief

Ja, Sie lesen richtig: da verfasst jemand einen Ablassbrief aus Anlass des 500jährigen Jubiläums der 95. Thesen und klebt ihn – wie das stolz herumgereichte Foto belegen soll – an eine Tür der Wittenberger Schlosskirche. Bescheiden sind sie nicht, diese Wächter der Deutschen Sprache. Aber das sind Hirten nur selten – ob sie nun Schafe oder Worte hüten. Das muss an ihrer Einsamkeit liegen.

Was möchte jemand den evangelischen Christen mitteilen, der zu einem Jubiläumsfest, das aus Anlass des vor 500 Jahren erfolgten Kampfes gegen den Ablass gefeiert wird, einen Ablassbrief[4] an die Wittenberger Schlosskirche klebt? Will er Luthers Ablassthesen widersprechen – also eine Disputation, die Luther damals eröffnete, wieder neu aufnehmen und fortführen?

Was ist der konstitutive Zusammenhang, so fragt man sich neugierig, zwischen dem aktuellen „Laß-ab-Brief“ und den Ablassthesen Martin Luthers? Und man ist dann doch einigermaßen überrascht, wenn man erfährt, der Zusammenhang bestehe darin, dass man mit Luther gegen den Fremdsprachengebrauch in der Kirche vorgehen möchte. Nun besteht Martin Luthers Wittenberger Thesenpapier ausschließlich aus Fremdwörtern, denn es wurde natürlich wie damals üblich komplett auf Latein vorgetragen. Luther hat es Zeit seines Lebens nicht für nötig gehalten, diesen konsequenten Fremdsprachengebrauch (wie lautet wohl die Analogie zu Denglisch: Datein?) dadurch auszugleichen, dass er eine deutsche Übersetzung anfertigte. Man muss schon ziemlich ‚behämmert‘ sein, wenn man unter Verweis auf Luthers Thesenanschlag gegen den Gebrauch von Fremdsprache in der evangelischen Kirche ankämpfen will.

Da wäre seine Bibelübersetzung der bessere Anlass gewesen – aber die ist ja erst später sukzessive entstanden (1522/1534/1545) und man könnte nicht schon 2017 fotogen in den Fokus der Öffentlichkeit treten.

Luthers Ablass-Thesen haben inhaltlich mit der deutschen Sprache und ihrer Pflege überhaupt nichts zu tun, aber wen kümmern schon Inhalte in einer Mediengesellschaft? Luther nutzt fromm und frei die Fachbegriffe (Thesaurus ecclesie; Canones poenitentiales), weil sein Publikum damit umgehen kann. Er arbeitet adressatenorientiert – darauf komme ich noch zurück.

Nichts in Luthers Thesen gibt dazu Anlass, über „Denglisch und Genderei“ zu schwafeln. Es sei denn, man nutzt jede Gelegenheit, um seine eigenen Themen vorzubringen. Dann hätte auch der Verein zur Rettung der Indianer seine 10½ Thesen an die Kirchentür schlagen können oder die katalonische Freiheitsbewegung. Nach dem Motto: was ich auch noch zu sagen hätte ...

Was dann folgt, ist ein Beispiel für sprachliche Verwirrung, wie ich sie in den letzten 20 Jahren selten erlebt habe. Es ist, als ob ein vollständig Desorientierter durch die deutsche Sprache irrt und nicht weiß, wie diese funktioniert und wie man mit ihr arbeitet. Es ist, wie einleitend geschrieben, ein perfektes Beispiel für das Phänomen des Fremdschämens.

Dieser unsägliche Traktat ist garniert mit Lyrismen, Pseudo-Reimen, die das schon niedrige Niveau des deutschen Schlagers oder des deutschen Hip-Hop nicht einmal annäherungsweise erreichen. Es sind Reime, die zudem oft nur in der Schriftsprache funktionieren, weil sie mit lautmalerischen Variationen arbeiten (Lehre / Leere), die im Vortrag nicht kenntlich gemacht werden können. So etwas nennt man üblicherweise: „die rechtschreibung seiner muttersprache durch eine ... veruntreuung ... eines kleinen buchstabens zu verhunzen.“ (Johann Georg Hamann). Und so wie es gemacht ist, ist es tatsächlich eine Sünde an der deutschen Sprache. Man fragt sich, wenn man diese pseudolyrischen Ergüsse liest, welcher Deutschlehrer das jemals hat durchgehen lassen, so dass der Verfasser zu der Ansicht gelangen konnte, derlei sei in Ordnung. Gleich unter dem Titel eröffnet die Sudelei mit folgendem Vierzeiler:

Wahret Gottes Wort und Ehre!
Lasset ab von Denglisch-Leere,
Lasset ab von Genderei:
Deutsch krankt durch diese Schänderei!

Ehrlich gesagt: Wenn ich so etwas lese, bin ich spontan für die Wiedereinführung von Autodafés. Wer denkt sich so etwas aus? Welchen Begriff haben die Verfasser von dem einen Wort Gottes, dass sie glauben, dessen Kabod (Glorie, Ehre, Glanz) würde durch den Gebrauch von Anglizismen beschmutzt und verdunkelt? Welche Sexualpathologie vollzieht sich in ihrem Hirn, dass sie Gender ausgerechnet mit Schänder kombinieren? Schämen sie sich nicht? Und wer formuliert derartig sprachinkompetent, um nicht zu sagen sprachinkontinent: „Deutsch krankt durch ...“ Im Ernst? Ich habe in der deutschen Sprache kein weiteres Beispiel für diese Sprachtölpelei gefunden.

Und wie kommt der Objektwandel im Vierzeiler zustande? Wahrt man Gottes Ehre, indem man die deutsche Sprache gesund hält? Klingt das nicht eher wie Nazi-Ideologie? Am deutschen Wesen werden Gott und die Welt genesen? Was sie ja behaupten ist, dass der Herr der Welt dadurch Schaden in seiner Ehre und seiner Lehre nimmt, dass einige Menschen in Deutschland in der Verkündigung Anglizismen und geschlechtergerechte Sprache verwenden. Diesen Gedanken würde ich nun meinerseits für Blasphemie halten. Nein, Gott ist kein deutscher Sprachverwalter, er ist eher Kosmopolit und polyglott. Im Pfingstereignis werden nicht alle auf eine Einheitssprache verpflichtet (wir sprächen sonst alle aramäisch), sondern Gott macht sich allen Anwesenden simultan in ihrer Sprache verständlich. Vielleicht darf man gegenüber allen Sprach-Wahrern und -Puristen Pfingsten noch einmal in Erinnerung rufen:

Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins.

Und weil es gleich noch eine Rolle spielen wird – dort steht auch:

Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.


Nun aber zurück zu unserem Pamphlet. In der Einleitung heißt es:

Am 31. Oktober 2017 jährt sich zum 500. Male Martin Luthers berühmter Anschlag der 95 Thesen. Der Reformator legte mit seiner Bibelübersetzung die Grundlage für eine einheitliche deutsche Schriftsprache. Diese ist heute jedoch durch Denglisch und Genderei bedroht. Statt gegenzusteuern, mischen die Kirchen dabei kräftig mit. Solcherlei Auswüchse wirken wie ein Ablaß an den Zeitgeist, während die Kirchen das Kirchenvolk mißachten, das ganz anders spricht. Das darf so nicht weitergehen, daher ist es Zeit für neue Thesen!

Ich habe schon Schwierigkeiten, jenseits des plumpen Geraunes auch nur den sachlichen Gehalt dessen zu verstehen, was da gesagt werden soll. Zwischen Thesenanschlag und deutscher Schriftsprache gibt es keinen irgendwie erkennbaren Zusammenhang, formal nicht, weil er in Latein erfolgte, inhaltlich nicht, weil dies mit dem Ablass nichts zu tun hat. Dass die „einheitliche deutsche Schriftsprache“ (die es so nie gegeben hat) heute durch „Denglisch und Genderei“ bedroht ist, glaubt wohl auch der Verfasser nicht. Andernfalls müsste man ihn für gestört erklären. Geschlechtergerechte Sprache benutzen höchstens 4% der Bevölkerung, in deutschen Verlagen unterliegt geschlechtergerechte Sprache immer noch einer Art Zensur. Ich bekam gerade wieder den Brief eines kirchlichen Verlages, ich solle doch bitte in meinem Text auf geschlechtergerechte Sprache verzichten. Das ist die bittere Realität. Denglisch dagegen kann als produktiver Prozess beschrieben werden, mit der jeweiligen lingua franca umzugehen. Das war im Mittelalter Kirchenlatein, später Französisch, heute Englisch. Aber wie jemand auf die Idee kommt, Derartiges sei ein „Ablass an den Zeitgeist“, erschließt sich mir nicht. Welche Höllen- bzw. Fegefeuerstrafen werden denn durch „Denglisch und Genderei“ gemindert? Könnte es sein, dass der Autor überhaupt keine Ahnung hat, worum es in der Ablassfrage geht, ja, dass er die 95 Thesen überhaupt nicht gelesen hat?

Vom Protestantismus jedenfalls versteht er nichts, denn Kirchenleitungen sind dort – anders als im Katholizismus – keinesfalls den Gläubigen übergeordnete Instanzen. Protestantismus ist keine Top-Down-Institution. Natürlich haben wir Kirchenleiterinnen und Kirchenleiter, messen ihnen aber nicht die Rolle zu, die dem Autor vorzuschweben scheint. Wenn im Protestantismus einer Gemeinde die Sprache ihres Pfarrers, ihrer Pfarrerin nicht gefällt, dann artikuliert und ändert sie das. Das nennt man gut biblisch presbyteriales System. Das geht schnell und man braucht dazu keine Thesen, die man an irgendwelche Kirchentüren klebt. Im reformierten Bereich hat es Zeiten gegeben, da standen Kirchenälteste mitten im Gottesdienst auf und widersprachen den Predigern. Im lutherischen Kontext braucht es dazu vielleicht eine Gemeinderatssitzung. Man kann am Erfolg der Bibel in gerechter Sprache trotz des Bannstrahls des Rates der EKD sehen, dass die Gläubigen keinesfalls Lämmer der Kirchleitungen sind. Diese Zeiten sind vorbei.


Kommen wir nun zur ersten These.

Der Zeitgeist vertreibt den Heiligen Geist.
Immer mehr Gemeinden bieten zum Beispiel „After-Work-Gottesdienste“ an. In einer evangelischen Wochenzeitung beschwert sich ein Kirchenvorsteher über Bezeichnungen wie „Best Practice“, „Train-the-Trainer-Tag“, „work-life-balance“, „in house-Fortbildung“ und „GoSpecial-Gottesdienste“. Kirchendenglisch ist lediglich eine Huldigung an die Mode. Zeitgeistliches Wortgeklingel lenkt von der frohen Botschaft ab. Die sprachliche Verflachung der Kirchensprache steht der Glaubenstiefe entgegen. Statt dessen müssen sich die Zeitgeistlichen auf die Sprache des Kirchenvolks rückbesinnen.
Deine Sprache sei dir heilig, fremde Worte sind nur eilig.

Was für ein Gequassel, was für eine unsinnige These. Es ist der Kern reformatorischen Denkens, dass göttliches Handeln nicht als abhängig vom menschlichen Handeln gedacht werden kann. Im Guten nicht und im Schlechten nicht. Deshalb schreibt Martin Luther die 95 Thesen. Es ist nicht möglich, dass der Zeitgeist den Heiligen Geist vertreibt. Wer das nicht versteht, sollte bei Martin Luther oder Johannes Calvin noch einmal in die Lehre gehen. Und ich lache über jemanden, der glaubt, eine Predigtnachbesprechung unter einem anglizistischen Titel könnte den Heiligen Geist beschädigen, das ist doch nur billige Polemik. Vielleicht sollte der Verfasser überlegen, ob hier nicht sogar der Bericht der Apostelgeschichte zutrifft: Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.

Wörter wie „Glaubenstiefe“ lassen mich an der sprachlichen Kompetenz des Autors zweifeln. Wie tief muss der Glauben denn sein, um bei seiner Messlatte noch auf Akzeptanz zu stoßen? Reichen 10 Zentimeter oder ist das zu viel? Ist der angemessene Platz des Glaubens im Gehirn, im Herz oder nicht doch gut biblisch in der Niere? Oder wäre nicht vielleicht doch „Glaubenshöhe“ angesichts der "Verflachung der Kirchensprache" besser? Sagen wir 40 bis 60 Meter?

Der Abschluss-Lyrismus ist dagegen einfach nur schrecklich: Deine Sprache sei dir heilig? Nein, Gott allein ist heilig – hier braucht der Autor etwas Konfirmandenunterricht. Vielleicht spielt er auf die Idee der drei heiligen Sprachen an, aber selbst diese sind nun einmal Fremdsprachen: Die „tres linguae sacrae“ sind hebräisch, griechisch und lateinisch. Deutsch dagegen gehört nicht zu den tres linguae sapientales bzw. zu den tres linguae praecipuae. Und geheiligt werden diese drei Sprachen nicht als Sprachen, sondern simpel, weil sie sich auf dem Kreuz Christi befunden haben. Der Verfasser hätte doch auch formulieren können: Deine Sprache sei dir wichtig, dumme Worte sind nur nichtig. Klingt genauso bescheuert – darauf legt der Verfasser ja wert -, wäre aber theologisch nicht ganz so falsch. Merke: Heilige Schriften sind nicht wegen der Sprache heilig.


Kommen wir zur zweiten These:

Die Zeitgeistlichen machen die Kirche lächerlich.
Kirchenfunktionäre schreiben sprachwidrig von „Pfarrer*innen“, „Spendenden“, „Mitarbeitenden“. Im Programm des Evangelischen Kirchentags 2015 war inmitten der politisch korrekten Doppelnennungen dann sogar versehentlich von den „Saalmikrofoninnen und -mikrofonen“ die Rede. Auf dem Kirchentag 2017 begrüßte die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt die Kleinsten mit „Liebe Kinderinnen und Kinder“. Wer sich in den Fallstricken vermeintlich gerechter Sprache verheddert, wird zum Gespött und nicht mehr ernstgenommen. Die Kirche muß sich daher wieder einer ernsthaften und glaubwürdigen Sprache bedienen.
„Lasset Kids und Kinderinnen zu mir kommen“? So hätte Jesus nicht gesponnen!

Jetzt wird es unappetitlich und widerlich. Fangen wir mit dem Banalen an: "sprachwidrig". Ein Sprachschutzgesetz fordert der Verein schon seit fast zwei Jahrzehnten. Und ich frage mich: geht es ihnen darum, die deutsche Sprache zu schützen oder darum, sprachwidrig Sprechende hinter Gittern zu bringen? Ich vermute letzteres.

Und dann kommen diese Memen, die man auf Facebook oder bei Twitter findet. Sie sind aber vor allen Dingen ein Beweis dafür, dass ihre Verbreiter und die Sprachbewahrer keinen Spaß verstehen. Wie Sheldon in The Big Bang Theory können sie Ironie und Sarkasmus nicht erkennen. Da ist die Geschichte mit den Saalmikrofoninnen, ein typischen Beispiel wie die ironische Kritik an einer zu formalisierten gendergerechten Sprache ins Gegenteil verkehrt wird. Der Kirchentag hatte bitter ironisch auf Seite 12 des Programmheftes geschrieben:

"Die Teilnehmenden des Kirchentages sind eingeladen, mitzureden und ihre Meinung deutlich zu machen: über Anwältinnen und Anwälte des Publikums und über Saalmikrofoninnen und -mikrofone".

Wer ernsthaft glaubt, das sei keine Ironie, sollte mal bei einem Komiker in die Schule gehen. Seit fast 30 Jahren kenne ich den gleichen Witz mit dem Sujet ‚Anrufbeantworter‘. Da heißt es dann „Bitte sprechen sie nach dem Piepton auf meine Anrufbeantworterin“. Muss man denn immer ein Schild dranhängen, auf dem „Vorsicht Ironie“ steht?

Und dann ist da die Meme der AfD mit den Kinderinnen. Der Verfasser des Thesenpapiers weiß vermutlich genau, dass dies nur eine Meme ist. Hochgekocht ist es durch einen Facebook-Eintrag der AfD, die darin kolportierte, Katrin Göring-Eckardt (die zu dieser Zeit kein Kirchenamt innehatte) habe ernsthaft so auf dem Kirchentag geredet. In Wirklichkeit zitierte sie ironisch ein Lied aus DDR-Zeiten. Das alles ist gut dokumentiert. Trotzdem tut man so, als habe jemand das ernstgemeint. Ich nenne das: falsch Zeugnis reden.

Dass man dann ernsthaft behauptet, jemand sei diskreditiert, nur weil er zum Gespött anderer Leute wird, ist bizarr, denn dann kennt man die Bibel nicht. Christus wird dort als „Fresser und Weinsäufer“ verspottet und das ist nicht der schlimmste Spott, den er sich anhören musste. Die Kritik an den frühen Christen, sie sprächen als wären sie „voll süßen Weines“ haben wir eben schon gehört. Vielleicht sollte der Autor einmal bei Harvey Cox nachlesen, einem der großen baptistischen Theologen des 20. Jahrhunderts: „Das Fest der Narren - Das Gelächter ist der Hoffnung letzte Waffe.“[5] Aber Vorsicht: es ist ein linker Theologe.

Und zum abschließenden Lyrismus dieser These: Ich glaube weniger der Sprachusus als das Verhalten unseres Sprach-Oberlehrers hätte Jesus wütend gemacht. Jesus benennt als einziges Kriterium, ob Kinder gastfreundlich aufgenommen werden (Mk 9, 36). Ob man sie dabei als Kids anspricht, scheint ihm dabei – wenn ich meine Bibel recht lese – völlig egal zu sein. Ihm geht es um die Kinder und nicht um die Nationalsprache. Deshalb nenne ich diesen Lyrismus ein falsches Zeugnis wider Christus.


Kommen wir zu These 3:

Die Zeitgeistlichen nehmen die politische Korrektheit wichtiger als die sprachliche und biblische.
Kirchenfunktionäre folgen dem Gender-Mainstreaming-Programm der Bundesregierung. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat sogar ein Studienzentrum für Genderfragen eingerichtet. Die EKD gibt „Tipps für eine geschlechtergerechte Sprache“: Statt „jeder“ – ein Wort, das angeblich andere ausschließe – soll man nur noch „alle“ sagen, statt „der Auftragnehmer“ soll man „der/die Auftragnehmer*in“ schreiben. In der „Bibel in gerechter Sprache“ treiben es die Zeitgeistlichen auf die Spitze, wenn sie Gott zur Frau machen oder die Zehn Gebote umschreiben: „Verletze keine Lebenspartnerschaft!“ (6. Gebot, 5. Mose 5,18) Das ehemalige EKD-Ratsmitglied Peter Hahne wirft der EKD einen „Anschlag auf die Ästhetik unserer deutschen Sprache“ vor: „Die ‚Kirche des Wortes‘ hat wahrlich andere Probleme als diesen Gender-Unfug.“ Die Bibelübersetzung muß zurück an die Wurzeln.
Die Kirche ist ein heil’ger Ort, wenn sie bewahrt das reine Wort.

Ja, dazu bekenne ich mich: mir ist die politische Korrektheit wichtiger als die sprachliche! Viel wichtiger. Politische Korrektheit bedeutet, für Grundrechte einzutreten, für die Gleichberechtigung der Geschlechter, gegen das Ausgrenzen von Minderheiten und vieles andere mehr. Das ist mir wichtiger als die Frage, ob „Zeitgeistliche“ eine gelungene oder nicht doch eine schrecklich moralisierende Sprachschöpfung ist.

Aber sagen wir es klar und deutlich: die biblische Korrektheit interessiert den Autoren einen Dreck. Sie ist ihm vollständig egal. Was das zweite Gebot ist oder das vierte – ihn kümmert es nicht. Er hat ein geschlossenes Weltbild und klopft Texte daraufhin ab, ob sie diesem Weltbild entsprechen oder nicht. Seine ganze Anti-Gender-Ideologie macht nur bei bestimmten naturrechtlichen Vorgaben Sinn. Sie ist weitgehend mit evangelischem Denken inkompatibel. Dass die Verwaltungseinheit EKD ein Genderzentrum einrichtet, gereicht ihr zur Ehre, zwingt aber keinen einzigen Protestanten und auch keine Pfarrerin und keinen Pfarrer, künftig Auftragnehmer*in zu schreiben. So funktioniert Evangelische Kirche nicht. Man kann vorschlagen, bestimmte Formulierungen zu verwenden, aber festlegen kann man es nicht (außer in definierten liturgischen Texten, aber auch dazu bedarf es eines synodalen Beschlusses).

Texte wie die Bibel in gerechter Sprache sind in diesem Sinne Vorschläge zum Nachdenken. Die Denunziation der Autoren der Bibel in gerechter Sprache als Zeitgeistliche muss man sich schlichtweg verbitten – sie ist infam. So etwas schreibt jemand, der nicht einmal ansatzweise die deutsche Sprache beherrscht, über Autoren, die neben der deutschen Sprache auch Hebräisch, Griechisch, Latein, Aramäisch und Ugarit beherrschen. Diese Kenntnisse braucht man nämlich, um angemessen die Bibel übersetzen zu können. Aber die Sprachhüter der deutschen Sprache können es natürlich intuitiv besser – ohne auch nur ansatzweise zu wissen, was da auf Hebräisch oder Griechisch steht. Es widert mich an.

Nein, in 5. Mose 5, 18 steht nicht das 6. Gebot, weder in der Bibel in gerechter Sprache, noch sonst irgendwo. Der Tanach kennt keine Zählung der Gebote. Man hat außerbiblisch irgendwie versucht, die Verse zu einer Zehnertafel zu gruppieren, ist aber zu keinem Konsens gekommen. Für Juden, Anglikaner, Reformierte, viele Freikirchler, Orthodoxe und Adventisten ist das Treuegebot das 7. Gebot! Nur Lutheraner und Katholiken zählen es als 6. Gebot. Und wie dieses Gebot zu übertragen ist, darüber muss man konkret nachdenken. Eine Ehe im heutigen Sinne gab es noch nicht. Es gibt im Hebräischen nicht einmal den Abstraktbegriff „Ehe“. Deshalb geht es darum, zu schauen, wie man die Worte recht verstehen kann, damit man nicht gesellschaftliche Vorstellungen des 6. Jahrhunderts vor Christus unbesehen auf heute überträgt. Die Bibel in gerechter Sprache macht für die beiden Überlieferungen im Blick auf das Zusammenleben von Menschen zwei unterschiedliche Vorschläge: in Deuteronomium 5, 18 übersetzt sie: Verletze keine Lebenspartnerschaft! In Exodus 20, 14 schlägt sie dagegen vor: Geh nicht fremd. Und so entwickelt sie für dieses Gebot zwei Lesarten, die die vertraute lutherische Lesart „Du sollst nicht ehebrechen“ ergänzen und bereichern.

Aber Butter bei die Fische. Ich würde nun gerne vom Verfasser des Thesenpapiers wissen, wie er übersetzt. Wie ist das sprachkorrekt zu übertragen? Und bitte keine Antwort im Stil von Peter Hahne, der ja zu sagen pflegt, in seiner Lutherbibel stünde dazu Folgendes ... ganz so, als wäre die das Original. Was haben die biblischen Autoren gemeint, als sie diese zwei Wort schrieben, welche Lebensform hatten sie im Blick, wer war ihr Adressat, war es ein normativer Satz oder ein legislativer, beschreibt er ein Ideal oder eine gesellschaftliche Realität? Ist also der Besuch einer Prostituierten durch einen Ehemann Ehebruch oder nicht? Oder hängt das vielleicht davon ab, ob die Prostituierte verheiratet ist? Wie macht der Autor das in seiner Übersetzung deutlich? So etwas und noch viel mehr muss bedacht werden, bevor man es wagen kann, sich über die Leistung der Übersetzer der Bibel in gerechter Sprache zu echauffieren.

In der Lutherbibel steht „Du sollst Vater und Mutter ehren“, aber das steht so nicht in der hebräischen Bibel, denn diese denkt viel konkreter. Von Ehre wird man nicht satt. „Respektiere und versorge deinen Vater und deine Mutter“ übersetzt die Bibel in gerechter Sprache Ex 20 und den analogen Vers in Deuteronomium 5 mit „Dein Vater und deine Mutter sollen für dich Gewicht haben“. Man hätte auch schreiben können: Du sollst Vater und Mutter fett halten. Schon das macht deutlich, dass es nichts mit Zeitgeist zu tun hat, wenn man das eine oder das andere schreibt. Sondern mit Nachdenken, Übersetzungsarbeit und Verantwortung. Und mit den Adressaten, an die man sich richtet. In einer Gesellschaft, in der Eltern im Alter zum Überleben auf die Versorgung durch ihre Kinder angewiesen waren, drückt sich das Elterngebot anders aus als in einer Zeit, in der das die Sozialsysteme übernehmen. Dadurch wird Gottes Wort über die Zuwendung zu den Eltern nicht hinfällig, aber es erfordert einen anderen Ausdruck – und sei es ein eingeschobenes für dich. Martin Luther hat dies an anderer Stelle ähnlich praktiziert – einfach ein sola dazwischengeschoben, damit es auch jeder versteht.

Peter Hahne, das sei nur kurz annotiert, versteht nun wirklich nichts von Ästhetik. Er hält ein Geschmacksurteil wie „schön“ für Ästhetik. Jedenfalls habe ich in seinen Ausarbeitungen nicht einmal einen Anflug von ästhetischer Gestaltung erkennen können. Und eine feststehende ‚Ästhetik unserer deutschen Sprache‘ gibt es auch nicht – so als ob diese ein Objektivum und nicht ein Gewordenes und weiter zu Entwickelndes wäre. Zur Dynamik unserer Sprache gehört, dass noch das Grimm’sche Wörterbuch nahezu alles in Kleinbuchstaben schreibt. Oder dass Melanchthon Ablass mit nur einem s schreibt. Sprache lebt und ändert sich.

Und nein, ich wiederhole mich, die Kirche ist kein heiliger Ort (und schon gar kein heil’ger Ort), wie immer sie zur Sprache steht. Das ist nur dummes Zeitgeist-Gerede von Theologen und Kirchenpädagogen, die es mit und durch Paulus besser wissen müssten. "Wisst ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euer selbst seid?" (1. Kor. 6,19)


Kommen wir zur vierten These:

Die Zeitgeistlichen biedern sich der Jugend mit Denglisch an.
Der Jugendgottesdienst im Hamburger Michel heißt „Praytime“. Die Jungschar in Pinneberg heißt „Lutherkids“. Ob das „th“ bei Luther englisch ausgesprochen wird, ist nicht bekannt. Das Internetprojekt der katholischen Kirche in Augsburg nennt sich „Touch me, Gott“. Auf den Seiten der Katholischen Jugend und Jungschar Vorarlberg finden wir unter „Out of time“ Begriffe wie „Why?nachten“, „Workshopsession“ und „Time my face“. Diese Liste ließe sich nahezu ewig fortführen. Es steht dem Pfau schlecht an, in der Gemeinde zu reden (frei nach 1. Kor 14,35). Martin Luther selbst warnte: „Hüte dich vor Katzen, die vorne lecken, hinten kratzen.“ Euch selbst liebt ihr schon genug, nun liebet auch eure Sprache wie euch selbst!
Der Pfaffe des Teufels Liedlein pfeift, wenn er zu fremder Sprache greift.

Man merkt, der Verfasser hat überhaupt keine Ahnung, wie Evangelische Kirche funktioniert. Er glaubt, das sei wie beim katholischen Jugendkatechismus, dass sich da einige Funktionäre hinsetzen und sich englische Leitbegriffe für die Jugendlichen ausdenken, so dass am Ende YOUCAT oder DOCAT dabei herauskommt und alle ganz stolz sind. So läuft das aber nicht. Ich vermute einmal, im Hamburger Michel hat die Jugendgruppe mit dem verantwortlichen Pfarrer zusammengesessen und sie haben überlegt, wie sie ihre Adressatinnen und Adressaten am besten zum Gottesdienst einladen. Bisher hatte man das seit 30 Jahren immer ‚Jugendgottesdienst‘ genannt, aber das zog nicht mehr. Und dann kam irgendeine(r) auf „Praytime“ – vielleicht mit Hilfe des Heiligen Geistes: Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. Einer solchen Idee folgt man, probiert es aus und wenn keiner kommt, dann nimmt man einen anderen Titel. Offenkundig erreichte der Titel aber seinen Zweck, deshalb gibt es ihn noch heute. Dass irgendwelche finsteren Kirchenmächte oder gar der Teufel sich bei Jugendlichen mit englischen Worten anbiedern, damit diese in die Kirche kommen, halte ich dagegen für völlig absurd. Das ist eine fast schon mittelalterliche ekklesiologische Verschwörungstheorie. Und Jugendliche würden derartige Vereinnahmungsversuche auch sofort bemerken und ablehnen.

Der Autor schiebt nun eine merkwürdig unbegründete Paränese ein: Es steht dem Pfau schlecht an, in der Gemeinde zu reden (frei nach 1. Kor 14,35). Erstmal: Im Protestantismus darf jeder reden, ob eitel oder nicht. Aber vielleicht darf man doch mal fragen, wie die Assoziationskette im Kopf des Autors abgelaufen ist? In 1. Korinther 14, 35 steht bekanntermaßen: „Wie es in allen Gemeinden der Heiligen ist, sollen die Frauen in den Gemeinden schweigen, denn es wird ihnen nicht erlaubt, zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt.“ Exegetisch kann man zu dieser Stelle viel anmerken, sie wird nicht in allen biblischen Textquellen überliefert und wirkt daher wie eine interessegeleitete Einfügung konservativer Kirchenkreise des Urchristentums. Walter Hollenweger hat dazu schon vor Jahrzehnten eine wunderbare Geschichte geschrieben: Konflikt in Korinth.[6] Aber das ist im Augenblick weniger wichtig. Mich interessiert der Sprung im Kopf des Verfassers bei der Übertragung von „Frau“ zu „Pfau“. Wie kommt Mann darauf? Ich finde das ehrlich gesagt frauenverachtend. Selbst wenn sich der Autor darauf zurückziehen wollte, er habe doch nur die adulten Hähne gemeint, wird es ja nicht besser. Gut wird es nie. Und theologisch ist es höchst zweifelhaft. Martin Luther legte Wert darauf, möglichst alle am Gemeindegeschehen zu beteiligen.

Und schließlich das mit den Katzen, nun ja, von Luther selbst ist es nicht, er hat es vielleicht in seinen Tischreden zitiert (Hut dich für den katzen, Fornen lecken, hinden kratzen), aber es ist ganz sicher älter. Zumindest lässt Brants Narrenschiff (39, 18) erkennen, dass ihm das Wort als geflügeltes bereits bekannt ist. Zur Zeit Luthers war es eine populäre Redewendung und in diesen Dingen ist Luther Populist. Einen kirchen-sexual-politischen Sinn macht es, wenn man es auf Latein liest: a fronte lingat et a tergo laegat. Aber das hat mit unserem Thema wenig zu tun. Ich glaube nicht, dass man daraus nun ableiten kann: Euch selbst liebt ihr schon genug, nun liebet auch eure Sprache wie euch selbst! Als Abwandlung des historischen Jesuswortes Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst finde ich es eine ungeheuerliche Zumutung.

Zum Lyrismus am Ende der vierten These: Wer redet heute denn noch von Pfaffen? Ich dachte, das wäre mit Zupfgeigenhansl endgültig überwunden - und auch die zitierten ja nur uralte Volkslieder.[7] Und dass der Teufel hinter allem und auch hinter dem Gebrauch der Fremdwörter steckt, glaubt in der evangelischen Kirche so und so keiner. Aber wer so denkt, überführt sich doch eigentlich selbst der Teufelsanbetung. Der Satz (Der Pfaffe des Teufels Liedlein pfeift, wenn er zu fremder Sprache greift) mag vielleicht 1550 noch gewirkt haben, heute ist Derartiges nur noch peinlich. Vor allem, wenn Sprachpuristen es äußern. Ein Pfarrer, der nicht zu fremder Sprache (Hebräisch / Griechisch) greifen will, ist ganz gewiss ein schlechter Pfarrer, denn er müsste auf die Lektüre der biblischen Urtexte verzichten. Pfarramt ohne Fremdsprache geht nicht.


Wechseln wir zu These 5.

Die Zeitgeistlichen zerstören die gewachsene Sprachtradition.
Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag zum Beispiel wurden gegenderte Liederhefte verteilt. Statt „Lobet den Herren“ hieß es da: „Lobet die Ew’ge“. „So legt euch denn, ihr Brüder“ wurde umgeschrieben zu: „So legt euch Schwestern, Brüder“. Die Kirche muß die Poesie überlieferter Worte erhalten.
Bewahr die Worte deiner Väter, wer sie verdirbt, ist ein Verräter.

Dass das mit dem ‚gegenderten‘ Liederheft stimmt, konnte ich nicht verifizieren. Aus dem, was ich gelesen habe, erscheint es mir so, als ob neben(!) den normalen Liedtexten auch(!) Variationen vorgeschlagen wurden, die Genderaspekte aufnehmen. Auch das scheint mir nicht ehrenrührig zu sein. Luther selbst ist ein guter Beleg dafür, dass man Lieder aus älteren Zeiten neuen Erkenntnissen anpassen kann. Man muss nur das Geystliche Gsangbüchlin von 1524 studieren. Da ist manches Adaption, etwa das Lied „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“, das Luther aus dem Katholizismus übernahm, aber seiner Theologie anpasste.[8]

Ansonsten kommen nach den Vaterlandsverrätern und den Landesverrätern nun die Wortverräter. Ich halte schon die Rede vom Verrat für absurd. Es gibt kein Treueverhältnis zur Sprache. Lachhaft ist jede dieser Kategorisierungen. Was kommt mir da nur in den Sinn? Vielleicht ein Deutscher, der es immerhin nach Walhalla geschafft hat:

In der Tat, jene regenerierten Deutschtümler bildeten zwar die Minorität, aber ihr Fanatismus, welcher mehr religiöser Art, überflügelte leicht einen Fanatismus, den nur die Vernunft ausgebrütet hat; ferner stehen ihnen jene mächtigen Formeln zu Gebot, womit man den rohen Pöbel beschwört, die Worte »Vaterland, Deutschland, Glauben der Väter« usw. elektrisieren die unklaren Volksmassen noch immer weit sicherer als die Worte »Menschheit, Weltbürgertum, Vernunft der Söhne, Wahrheit...!« Ich will hiermit andeuten, daß jene Repräsentanten der Nationalität im deutschen Boden weit tiefer wurzeln als die Repräsentanten des Kosmopolitismus und daß letztere im Kampfe mit jenen wahrscheinlich den kürzern ziehen, wenn sie ihnen nicht schleunigst zuvorkommen... durch die welsche Falle. [Heinrich Heine]

Ausgerechnet gegenüber der Evangelischen Kirche nun mit der Sprach-TRADITION zu argumentieren ist schon frech. Das Traditionsargument hat hier nämlich einen historisch bedingten geringeren Wert. Schutz genießt die Bibel, nicht die Tradition: Sola scriptura! Aber wo in der Bibel steht eigentlich, dass die Poesie(!) überlieferter Worte erhalten werden muss? In meiner steht es nicht. In meiner steht: „Ihr habt gehört, dass Euch gesagt wurde ..., ich aber sage euch ...“. Die gesamte Bibel ist in diesem Sinne Anpassung an die Geschichte und damit Zeitgeist. Man könnte auch treffender sagen: sie ist (spätestens in der Auslegung) lernfähig. Und auch unser Sprachfetischist denkt ja gar nicht daran, sich an die Poesie überlieferter Worte zu halten. Sonst hätte er bei seinen Lutherzitaten wirklich Luther zitiert und ihn nicht mit modernen Sprachanpassungen überzogen. Er schreibt eben nicht: Hut dich für den katzen, Fornen lecken, hinden kratzen, sondern modernisiert die Formulierung, weil er sich nur so seinen Adressaten verständlich machen kann. Das machen wir eigentlich permanent, dass wir historische Texte so übertragen, dass sie für Zeitgenossen verständlich erscheinen und nicht allein schon wegen der Formulierungen abgelehnt werden.


Und nun zur These 6. Sie ist interessant, weil es nun vorrangig nicht mehr um Sprache geht, sondern wenig verbrämt um reaktionäre Ideologie:

Die Zeitgeistlichen bauen der Einheitssprache einen babylonischen Turm.
Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche feierten am 11. März 2017 in Hildesheim einen ökumenischen Bußgottesdienst. Den Prozeß der Versöhnung nennen sie jedoch „Healing of Memory“. Im Herzen Berlins soll ab 2019 das „House of One“ entstehen, das eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee beherbergen soll. „Der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache … Wohlauf, laßt uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, daß keiner des andern Sprache verstehe!“ (1. Mose 11,6f.) Was früher Latein bewirkte, das machen die Zeitgeistlichen heute mit Englisch: Mit einer Fremdsprache als Einheitskirchensprache grenzen sie das Kirchenvolk aus. „Anmaßung ist der Kopf der Schlange“, meinte Luther. Die Kirche muß dem Volk aufs Maul sehen und dessen Sprache sprechen. Als zu Pfingsten der Heilige Geist auf die Jünger Jesu herabkam, konnten sie in allen Sprachen sprechen. Nicht Einsprachigkeit, sondern Mehrsprachigkeit ist der Weg!
Bau nicht am Englisch-Turm zu Babel, sprich wie der HERR schuf deinen Schnabel!

Das ist eigentlich nur noch wirr. Der Verfasser versteht weder die Geschichte vom Turmbau zu Babel (er kennt sie vielleicht nur als Geflügeltes Wort), noch die Erzählung von Pfingsten. Der Turmbau dient keinesfalls der Einrichtung einer Einheitssprache, vielmehr ist diese – die einheitliche Sprache - eine Basis dafür, reibungslos noch die größten architektonischen Vorhaben umzusetzen (und natürlich ist sie eine ätiologische Erzählung, die erklärt, warum es heute so viele Sprachen in der Welt gibt). Wer das polyphone und polyglotte Stimmengewirr auf mittelalterlichen, neuzeitlichen und modernen Baustellen imaginiert, weiß, wie viel eine gemeinsame Kommunikation zwischen Menschen verschiedener Völker bewirken kann. Wenn alle das gleiche verstehen(!), ist viel erreicht. Davon erzählt Pfingsten. Es geht nicht darum, in den Nationalsprachen zu sprechen, sondern Verständigung zu erreichen. Sonst stellt man die Dinge auf den Kopf. Sowohl beim Turmbau zu Babel wie bei der Pfingsterzählung ist Sprache nicht der Zweck, sondern ein Mittel.

Die Polemik gegen das House of One ist wirklich primitiv. Wäre es für den Autoren besser, wenn es stattdessen Gottes Haus hieße (was den Einheits-Charakter vernachlässigen würde) oder Haus des Einen (was auch im Deutschen ziemlich merkwürdig klingt)? Oder ist er in Wirklichkeit gegen die Verständigung und nicht gegen den Anglizismus?

Beim Healing of Memory hat er sich einfach nicht sachkundig gemacht. Es wäre freilich besser gewesen, er hätte mal nachgeschlagen. Bereits 2015 meldet das konfessionskundliche Institut:

Healing of Memories“ (HoM) wurde erstmalig als seelsorgerlich-therapeutisches Verfahren in der Täter-Opfer-Arbeit zur Aufarbeitung von persönlichen Verletzungen in Südafrika in Anwendung gebracht. Es fand in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre Eingang in Europa im Zusammenhang mit Aufarbeitungsprozessen in Nordirland. 2004 beschlossen die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) das gemeinsame Projekt „Healing of Memories – Brücke zwischen Kirchen, Kulturen und Religionen in Südosteuropa“.

Healing of Memories ist also de facto ein Zitat, das sich auf internationale Prozesse bezieht und diese im Reformationsjahr in Deutschland fruchtbar zu machen sucht. Damit alle Welt – Südafrikaner, Osteuropäer und Deutsche – diesen Bezug erkennt, wird das Kennwort „Healing of Memories“ beibehalten, es ist ein binnenkirchlicher Fachbegriff.

Der Lyrismus am Ende ist dagegen unfreiwillig witzig, so als ob Gott uns deutsche, englische, französische oder russische Schnäbel wachsen lässt. Herr Doktor, ich weiß nicht, von welchem Vater das Kind ist, sagte die Frau im Kreißsaal. Es kommt ein Deutscher, ein Engländer, ein Franzose oder ein Russe in Frage. Man muss also abwarten, bis es anfängt zu sprechen. Da hat wohl jemand die Sprichwörter verwechselt. Reden wie einem der Schnabel gewachsen ist meint nun gerade nicht, nationalsprachlich zu reden, sondern so, wie man es gewohnt ist. Und heutige Jugendliche haben einen anderen Schnabel als der ergrimmte und verstimmte Sprachbewahrer.


Bleibt noch die letzte These:

Zeitgeistliche schaffen häßliche, unbrauchbare und unverständliche Wörter.
Sie bereichern nicht die deutsche Sprache, sondern lassen sie verarmen. Welche Wortschöpfungen haben die Zeitgeistlichen hervorgebracht? „Praystations“, „Godspots“, „Gender Mainstreaming“, „der/die Unterzeichner_in“, „Ansprechpersonen“ und so weiter. Dagegen hat Luther die deutsche Sprache bereichert: Fallstrick, Schauplatz, Rüstzeug, Richtschnur, Beruf, Lückenbüßer, Langmut, Ohrwurm, Feuereifer, Morgenland, Machtwort, Lästermaul, Sündenbock, Lockvogel, Feuertaufe, Schandfleck, Affenschaukel, Dickkopf, friedfertig. „Ihr Otterngezücht! … Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ (Mt 12,34) Die Kirche muß wieder auf das Herz hören, nicht auf den Zeitgeist! Amen, Amen, das sei wahr: Es siegt das Wort, wenn rein und klar.

Mir fallen aber einige schöne Wendungen ein, die wir den so apostrophierten Zeitgeisttheologen verdanken. Eine der schönsten steht in einer Übersetzung von Genesis 3, Vers 1:

Die Schlange hatte weniger an, aber mehr drauf als alle anderen Tiere des Feldes, die Adonaj, also Gott, gemacht hatte.

Ist das nicht wunderbar? Und es kommt dem Hebräischen so viel näher als alle anderen Übersetzungen. Die Autoren der Bibel in gerechter Sprache, aus der ich diesen Vers entnommen habe, erläutern: „Weil die hebräischen Worte für ‚nackt‘ und ‚klug‘ praktisch gleich klingen, ist mit einem Wortspiel die Schlange nackter und zugleich klüger als die anderen Tiere.“ Es ist, wie uns die rabbinische Auslegung des Tanach zeigt, gerade der Witz vieler biblischer Texte, dass der Sinn eben nicht „rein und klar“ ist, sondern mehrdeutig, so als ob die biblischen Autoren bewusst mit dem Leser, der Leserin spielen. So schreibt Yehuda T. Radday über die Versuche der Forscher, anhand der Bibel das Paradies zu lokalisieren: „Die Ironie der Torá an dieser Stelle ist souverän. Über die andauernden Anstrengungen moderner Forscher jedweder Konfession, die genaue Lage dieses Wundergartens anhand der Daten dieses Kapitels zuerst festzustellen und womöglich den Ort auch noch zu photographieren, kann sie nur lächeln. Cranachs Malerei kommt ihren Vorstellungen wahrscheinlich näher ... Es ist aber fraglich, ob die Torá überhaupt zu informieren wünscht ...“[9] Wer talmudische Auslegung kennt, weiß dass der Reiz gerade darin besteht, weitere Lesarten in den Texten zu entdecken und zu entwickeln.

Ich habe vor einigen Jahren beschrieben, wie faszinierend es ist, dass schon der Anfang der Bibel von so offenkundiger Uneindeutigkeit ist, so dass man zu ganz unterschiedlichen Übersetzungen herausgefordert wird.[10] Jedenfalls gibt es da keine Reinheit und Klarheit, sondern nur Vielfalt und Differenz.


Kommen wir zum Abschluss des in all diesen Fragen doch sehr einfältigen Thesenpapiers. Hier wird der Autor scheinbar noch einmal ganz fromm protestantisch:

Die Reformation der Kirche wäre ohne eine Reformation der Sprache kaum möglich gewesen. Eine Gegenreformation unserer Muttersprache in Richtung englischer Sprache fördert die Abkehr von der Kirche. Es war Martin Luther, der dafür kämpfte, Gottesdienste und Predigten auf deutsch und damit in einer verständlichen Sprache zu halten. Er war es, der forderte, dem Volk aufs Maul zu schauen. Wir fordern daher die Kirchen dazu auf, ihre Sprache gründlich zu überdenken!
Die deutsche Sprache sei uns Mutter, das lehrt uns Doktor Martin Luther! Amen.

Ganz so ist es nicht, wie unser Autor da formuliert. In Sachen Deutsche Messe war Luther eher ein Getriebener als ein Antreiber. Karlstadt hatte schon damit begonnen, Teile der Messe auf Deutsch zu gestalten, Thomas Müntzer konnte es nicht schnell genug gehen, er schreibt im Sommer 1523 über den "Deutschen Gottesdienst". Erst 1526 publiziert Luther seine Deutsche Messe. Ob die Reformation der Kirche ohne die Reform der Sprache möglich gewesen wäre, ist eine müßige Frage. Ich kenne ähnliche Überlegungen im Blick auf den Einsatz der Bilder und den Buchdruck. Jedes Mal wird ein Faktor aus der Geschichte aufgebläht und verabsolutiert. Auch an anderen Orten gab es eine Reformation, ohne dass dem eine Reform der Landessprache korrespondierte.

Wäre es Luther von Anfang an vor allem um die deutsche Muttersprache gegangen, hätte er die 95 Thesen wohl kaum auf Latein veröffentlicht. Luther ging es um Theologie. Und aus der Theologie ergab sich die Notwendigkeit, dass die Leute in der Bibel lesen und den Gottesdienst verstehen. Dafür muss man die Bibel übersetzen bzw. die vorhandenen Übersetzungen zugänglich machen. Vor der Reformation gab es bereits 70 deutsche Übersetzungen, auf einige hat Luther direkt zurückgegriffen.[11]

Der Lyrismus am Schluss des Ganzen bemüht mit Luther eine Autorität, die dafür nicht einsteht. Die deutsche Sprache sei uns Mutter – das lässt sich seinen Schriften nicht entnehmen. Er hätte den Verfasser der Thesen wohl eher einen Buchstabilisten genannt – ein wunderbares Wort. „Aber ich habe eher wollen der deutschen Sprache Abbruch tun, denn von dem Wort weichen“[12] lässt sich bei ihm im Sendbrief vom Dolmetschen lesen. Zweimal kommt die Mutter dort vor, beides Mal ist es nicht die Muttersprache, sondern die Mutter im Hause, also die Hausfrau, deren Sprache man beobachten soll, ebenso wie die des Bürgers auf der Straße und der Kinder (also der Kids) in den Gassen:

Ich hab mich des beflissen im Dolmetschen, daß ich rein und klar Deutsch geben möchte. Und ist uns sehr oft begegnet, daß wir vierzehn Tage, drei, vier Wochen haben ein einziges Wort gesucht und gefragt, haben's dennoch zuweilen nicht gefunden. (…) daß es eine völlige, deutsche, klare Rede wird, denn man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, wie diese Esel tun, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.“[13]

Nur dass Luther gar nicht daran denkt, sich an seine eigenen Wort zu halten, sonst müsste seine Übersetzung ja eher sächsisch geprägt sein, das ist sie aber nicht, er ist kein Purist:

Wenn er verlangt, man müsse “die mutter jhm hause, die kinder auff der gassen, den gemeinen man auff dem marckt drumb fragen” (Luther 1530a: 637), würde das ein mündlich-familiäres Register und eine sächsische Mundart bedeuten. Diese Sprachvariante hat Luther keineswegs verwendet. Er verwendete bewusst eine gehobene, überregionale Sprache, nahm aber in seinem Satzbau Rücksicht darauf, dass der Text des Neuen Testamentes auch zum Vorlesen bestimmt war.[14]

Auch das mit dem Volk aufs Maul schauen ist also eher lutherische Propaganda als sprachliche Wirklichkeit – so bitter das für einen Protestanten auch ist.


Fazit

Ich sehe wenig Substanz in der Thesenreihe des Autors der Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“. Eigentlich erkennt man nur Ressentiment und primitive Polemik. Dort, wo in der Evangelischen Kirche (und leider nicht durch die Evangelische Kirche) in den letzten Jahren und Jahrzehnten die aufregendsten sprachlichen Aufbrüche gewagt wurden, artikuliert sich der Verfasser im Gegenzug überaus reaktionär. Aber er ist dabei nicht konservativ, wie das vor 35 Jahren einige Germanisten bei der Lutherbibel 1984 waren.[15] Er ist wirklich reaktionär. Er lehnt Gender nicht aus sprachästhetischen Gründen ab (wofür ich noch ein wenn auch begrenztes Verständnis entwickeln könnte), sondern meint wahrscheinlich tatsächlich, es wäre besser, wenn das Weib in der Gemeinde schweigen würde. Zu dicht sind seine misogynen Attacken. Polemische Begriffe wie ‚Genderei‘ überdecken eben schnell, dass es in der Sache um die Herstellung von Gerechtigkeit geht, an der man sich – auch mit der Sprache – beteiligen kann oder es unterlässt.

Die diffusen Affekte gegen die Fremdwörter in der deutschen Sprache, die der Autor artikuliert, verachte ich zutiefst. Hier halte ich es mit Theodor W. Adorno, der in den Minima Moralia einmal mahnend schrieb: Fremdwörter sind die Juden der Sprache.[16] Überhaupt muss man den überaus differenzierten Überlegungen Adornos über „Wörter aus der Fremde“[17] einmal nachgehen, damit einem die billige Polemik gegen diese im Halse stecken bleibt.

Entschieden protestieren sollte man aber dagegen, dass Sprachpuristen das Reformationsjubiläum für ihre eigenen durchsichtig reaktionären Zwecke instrumentalisieren.

Vielleicht sollten die Wittenberger eine drastische Gebühr für den „Gebrauch“ ihrer Kirchentüren für „fremde Zwecke“ erheben, um dem einen Hebel vorzuschieben.

Besser aber wäre es natürlich, in der Sache zu reagieren und das Programm der Bibel in gerechter Sprache weiter voranzutreiben. Denn sachlich haben die Kritiker wenig zu bieten. Mit ihnen ist keine Reformation zu machen.

Sie sind, um mit einem ursprünglich aus dem Deutschen stammenden Begriff in anglizistischer Übertragung zu schließen, ein ziemlich perfektes Beispiel für

„Vicarious embarrassment“.

Anmerkungen

[3]    Allein auf der Hauptseite von Idea, auf der die Sprachweltler mit ihren sieben Thesen angezeigt sind, gibt es es noch sechs Thhesen eines badischen Pfarrers und 95 Thesen von 95 Christen als durchlaufende Idea-Serie. Entwertung eines Gedankens durch Inflationierung nennt man das wohl.

[4]    Bevor es sprachliche Missverständnisse gibt: selbstverständlich waren auch die historischen Ablassbriefe Laß-ab-Briefe.

[5]    Cox, Harvey (1977): Das Fest der Narren. Das Gelächter ist der Hoffnung letzte Waffe. Gütersloh: Mohn (Gütersloher Taschenbücher/Siebenstern, 216).

[6]    Hollenweger, Walter J. (1984): Konflikt in Korinth. 4. Aufl. München (Kaiser Traktate, 31).

[9]    Yehuda T. Radday, Auf den Spuren der Parascha, Arbeitsmappe 1, Frankfurt 1989 (Abschnitt Bereschít).

[12]   Aber ich habe ehe wöllen der deutschen sprache abbrechen, denn von dem wort weichen.

[13]   Sendbrief vom Dolmetschen, Luther 1530.

[14]   Schneiders, Hans-Wolfgang (2012): Luthers Sendbrief vom Dolmetschen – Ein Beitrag zur Entmythologisierung. In: trans-kom, Jg. 5, H. 2.

[15]   Vgl. Anderegg, Johannes (1985): Sprache und Verwandlung. Zur literarischen Ästhetik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

[16]   Adorno, Theodor W. (2004): Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. In: Adorno, Theodor W.: Gesammelte Schriften in 20 Bänden: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft).

[17]   Adorno, Theodor W. (2002): Noten zur Literatur (I-IV): Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/110/am610.htm
© Andreas Mertin, 2017