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Elektrische PhilosophieEine RezensionWolfgang Vögele Tristan Garcia, Das intensive Leben. Eine moderne Obsession, Berlin 2017 Intensität lässt als Begriff zunächst an Parfum oder billiges Deodorant denken. Aber der Begriff gehört auch in den Titel eines der spannendsten und aufschlussreichsten philosophischen Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Der Verfasser, der junge französische Schriftsteller Tristan Garcia, lehrt Philosophie an der Universität von Lyon, und gleichzeitig schreibt er Romane, ähnlich wie der Schweizer Philosoph Peter Bieri, der als Romancier das Pseudonym Pascal Mercier benutzt. Garcias Thema sind das Empfinden und Denken des modernen Menschen. Um sein Leben zu gestalten, hat dieser sich von politischen und religiösen Zielen ab- und der Intensität von Erlebnissen zugewandt. Intensität erreichen Menschen durch immer stärkere Herausforderungen an Spannung, Aufmerksamkeit und Konzentration, bei den modernen Risiko-Sportarten wie Fallschirmspringen und Bouldern, aber auch bei illegalen Autorennen und S-Bahn-Surfen. Seine These entwickelt der Autor aus der Geschichte der Elektrizität[1], die sich vom obskuren Phänomen des 18. Jahrhunderts, das auf Jahrmärkten vorgeführt wurde, zum für alle Lebensbereiche notwendigen Energielieferanten gewandelt hat. Elektrizität ist für Wirtschaft und technische Produktion, was Intensität für den Menschen ist, unabhängig von den Zielen, die beide verfolgen. In einem zweiten Schritt fragt Garcia nach dem Verhältnis von heißem, intensivem Erleben zu kaltem, langsamen Denken. Intensives Erleben verliert schnell seinen Reiz, es verwandelt sich in Routine und erkaltet. Genau dieser Widerspruch müsste aufgelöst werden, aber Garcia kann das nicht gelingen. Am Ende des Buches spricht er von einer Gratwanderung zwischen Erleben und Denken, mit der Gefahr des Absturzes nach beiden Seiten. Das bleibt nicht ganz befriedigend, aber der Denkweg, auf dem Garcia zu dieser Paradoxie findet, erweist sich, auch für Theologen, die selbstverständlich an Kierkegaards psychologisch-philosophische Existenz-Analysen erinnert werden, als anregend und nachdenkenswert. Der moderne Mensch, so Garcia, sehnt sich nach intensivem Leben, weil er Angst vor Monotonie, Routine, Langeweile und Lethargie hat, vor der „existentiellen Plattitüde“ und „Vitalitätsverlust“ (9).[2] Vor der Moderne konnten sich nur Reiche und Mächtige intensive (und kostspielige) Lebenserfahrungen leisten, heute ist die Möglichkeit dazu zum Allgemeingut geworden. Menschen vergangener Epochen mussten sich Lebenszeit gegen Gefahren, Risiken und Hindernisse erkämpfen, während die Angestellten der modernen Industriegesellschaften sozial und politisch gegen die meisten Risiken geschützt sind. Um zu überleben und alt zu werden, sind eigentlich keine richtigen Anstrengungen mehr nötig. Versicherungen, Sparguthaben und Rücklagen decken die meisten Risiken ab. In einem solchen gesicherten, langweiligen Leben sind Erfahrungen der Intensität nötig, um die Existenz spannend und interessant zu machen. Intensität bildet sich in der Person selbst, als Spannung, als Kraft, als das Gefühl, mit sich selbst eins zu sein und sich von aller Grübelei zu befreien. Das Gegenteil der Intensität davon ist die Distanzierung, das Nicht-mit-sich-selbst-Übereinstimmen, oder in den Worten Kierkegaards, der Gegensatz zwischen dem Verzweifelt-man-selbst-sein-Wollen und dem Verzweifelt-nicht-man-selbst-sein-Wollen.[3] Intensität hebt Distanzierung auf, sie verstärkt das Gefühl der Identität, und sie lässt eine Person über sich selbst hinauswachsen. Intensität ist Steigerung des Selbstseins; sie bringt jegliche Form der Ablenkung zum Verschwinden. Für Garcia ist die moderne Gesellschaft darauf ausgerichtet, den intensiven Menschen hervorzubringen. Erfahrungen der Intensität rücken an die Stelle des religiösen Jenseitsglaubens, der Erfüllung des Lebens postmortal verschiebt, und an die Stelle der politischen Utopie. An die Stelle des Prinzips Hoffnung (Ernst Bloch) rückt das Prinzip der Steigerung und Intensivierung: mehr, besser, konzentrierter, gefährlicher. Wer vom Komparativ spricht, der vergleicht. Für Garcia entsteht Intensität aus dem Vergleich des einzelnen mit sich selbst. Dem intensiven Menschen scheint es an Sozialität und Nächstenliebe zu fehlen. Anders als seine älteren Vorgänger ist er nicht mehr religiös. Der intensive Mensch ist ein Mensch der Selbstverwirklichung; er verwirklicht das, was ihm vorgegeben ist, er ist ein Nachfahre von Hermann Hesses „Steppenwolf“ und von Kierkegaards „Don Juan“. Intensität beruht auf einem bestimmten Selbstwertgefühl. Die immer intensivere Erfahrung erst macht das Ich zum Ich, das sonst auf dem Niveau eines gelangweilten Spießers verharren müsste. „Nach und nach wurde die Intensität zum Fetisch der Subjektivität, des Kontinuierlichen, des Unzählbaren und der reinen Qualität.“ (17) Erfahrungen des Intensiven konterkarieren die Routine des Alltags. Intensität bedeutet eine Steigerung der Aufmerksamkeit, eine ins Absolute reichende Konzentration, die alles Nebensächliche ausschaltet. Intensität ist der Zustand, bei dem sich das Ich auf Wahrnehmung, Erfahrung und Erlebnis konzentriert, sich von nichts ablenken lässt und darum und darin in einem bestimmten Augenblick ganz bei sich selbst ist. Aber zum einen findet jeder Augenblick der Intensität auch sein Ende, zum anderen kann die Erfahrung von Intensität nicht beliebig widerholt werden, denn jede Erfahrung von Konzentration, Spannung und Aufmerksamkeit schleift sich irgendwann zur Routine ab. Garcia beschreibt Intensität als ein inhaltsleeres und formales Ideal (18). Um mit den eigenen Erfahrungen von Intensität umzugehen, braucht jeder Mensch für sich eine Ethik, keine äußere Ethik (Moral), nach der er Regeln und Gesetze befolgen muss, sondern eine innere Ethik, mit deren Hilfe er selbst sein Erleben und Handeln reguliert. Ethik ist damit nicht mehr auf äußere Ziele (Reich Gottes, politische Utopie) ausgerichtet, sondern auf die Beurteilung des eigenen Selbst. Moral ist an Zielen und einem guten Leben orientiert und darum adjektivisch, weil sie nach dem Schönen, Guten, Wahren strebt. Ethik dagegen ist adverbial, stets an einer bestimmten Art und Weise des Lebensstils orientiert. Der intensive Mensch beurteilt sich selbst, er kämpft mit sich selbst, er scheitert an sich selbst, egal ob er Christ, Buddhist oder Kommunist ist. Intensität spielt für den Menschen dieselbe Rolle wie die Elektrizität für die Industrialisierung. Wie bei der Elektrizität lassen sich für die Intensität Ladezustände (mehr oder weniger Aufmerksamkeit) und Zeiterfahrungen (das Moment des Komparativen, der Steigerung) unterscheiden. Und das zieht Konsequenzen für das Denken nach sich, das für Garcia seit Aristoteles fixierend, statisch und vor allem unbeweglich war und deshalb die Beweglichkeit und das „Fließen“ aller Dinge nicht einfangen konnte. Erst Nietzsche fängt an, sich in seiner Philosophie auf dieses „Fließen“ der Dinge einzustellen. Erfahrungen der Intensität hängen nicht von den Dingen und der äußeren Wirklichkeit ab, sondern von der Einstellung des Ich, seiner Bereitschaft, intensive Erfahrungen zu machen. Intensität erst schlägt die emotionalen Funken in die Kälte der im Grunde abweisenden Welt. Schönheit und Wertschätzung entstehen erst im Auge des Betrachters. An die Stelle des Cogito ergo sum tritt steigerungsfähige Emotionalität: „Ich fühle, dass alles, was ich wahrnehme, an Intensität variieren kann.“ (76) Anschwellen und Überschäumen, das charakterisiert das Überwältigende von Erfahrung. Das Ich will seine Identität, sich selbst als Person spüren und gleichzeitig dadurch diese Personalität aufgeben, dass sie sich völlig der Erfahrung des anderen ihrer selbst überlässt. „In der Welt der Intensität gilt, dass nichts bleibt, was es ist, und in der alles mehr oder weniger ist.“ (95) Garcia bringt es so auf den Punkt: Der Mensch der Antike lebte in einer Ordnung, seinem Kosmos, der aufgeklärte Mensch lebte in einer Welt der Kräfte, und der moderne Mensch lebt in einer „Welt der Intensitäten“ (86). Aber Erfahrungen der Intensität lassen sich nicht endlos steigern. Wenn wie beim Sportler der Rekord, das Nonplusultra oder der absolute Punkt erreicht sind, dann nehmen Anspannung, Konzentration und Adrenalinausschüttung auch wieder ab. Sportler sprechen in solchen Situationen davon, dass sie sich für neue Herausforderungen motivieren müssen. Das System der anthropologischen Intensität gerät auch nach größter Anstrengung nicht an den Punkt, wo es wieder in den Ruhezustand übergeht. Das Erreichte muss stets übertroffen werden. Aber niemand kann noch höher steigen, wenn er den Gipfel bereits erreicht hat. Intensität benötigt eine Ethik, aber auch eine Anthropologie. Garcia spricht von einer „elektrische[n] Subjektivität“ und einem „elektrisierte[n] Menschen“ (96), der sich nicht mehr in Organisationen oder Systeme einfügt, der keinem Ideal nachläuft und sich stattdessen nur mit sich selbst vergleicht. Er misstraut der Tradition, denn Traditionen machen Vorgaben, limitieren und engen ein. Der intensive Mensch hat sich von allen äußeren Vorgaben (Normen, Traditionen etc.) befreit und springt frei auf dem Trampolin seiner Gefühle, die ihn zu immer waghalsigeren Sprüngen verleiten. Damit schließt er an historische Menschentypen an. Im 18.Jahrhundert provozierte der Libertin, der gegen Religion und Sitten rebellierte, die Gesellschaft; im 19.Jahrhundert nahm der Romantiker diese Stelle ein. In der Moderne tritt an seine Stelle der „blitzartige“ (109) Mensch, der durch Rock’n’Roll, Techno und Free Jazz geprägt ist. In diesen drei Typen vereinigt sich jeweils eine bestimmte Konstellation von Emotion, Lebensstil, Moral und Erfahrung. Intensive Menschen der Moderne entwickeln bestimmte Techniken, um ein bestimmtes Level der Intensität stets aufrechtzuerhalten. Garcia nennt Beschleunigung, Variation und Steigerung und ergänzt durch „Akzelerationismus“ (127) und „Primaverismus“ (129) ergänzen. Primaverismus ist eine Haltung, nach der ein (intensiver) Mensch eine Erfahrung stets als erster machen will: stets als erster das neue iPhone besitzen, als erster einen Gipfel besteigen etc. In der Vormoderne war Intensität das Privileg der „happy few“, der Reichen, Schönen, Adligen, in der Moderne demokratisiert sich diese Erfahrung jedoch. Die Feinde aber bleiben: Es sind die Vertreter der bestehenden Ordnung, Priester, Professoren und Justizbeamte (115). Die alten Philister der Romantik sind zu den Spießern der Gegenwart geworden, laue Menschen eben (116). Die Metapher der Lauheit ist der Apokalypse des Johannes entnommen. Der laue Mensch gibt sich mit kleinen Erfolgen zufrieden, er engagiert sich nicht. Feige schwimmt er mit dem Strom. Der intensive Mensch verachtet den Bourgeois. Für Garcia lautet der kategorische Imperativ des Intensiven: „Ob du Faschist, Revolutionär, Kleinbürger, Konservativer, Heiliger, Dandy, Ehrenmann, Betrüger oder Gauner bist sei es energisch.“ (118) Was an der Lektüre Garcias fasziniert, ist die Gegenüberstellung zwischen Intensität, Enthusiasmus, Konzentration auf der einen Seite und Langeweile, Lethargie, sogar Depression auf der anderen Seite. Aber dieser Faszination steht eine Enttäuschung gegenüber. Denn an diesem Punkt kippt Garcias ethisches Modell. Auch der intensive Mensch wird Ziele (mindestens aber Werte) verfolgen, die er in sein intensives Leben einbaut. Und überhaupt: Plötzlich scheint der Gedanke merkwürdig, Leben einzig und allein auf die Steigerung von Intensität zu konzentrieren. Es gibt auch noch anderes als die Steigerung des Lebensgefühls: Umwelt und Mitmenschen. Und der auf sein Gefühlsleben bezogene intensive Mensch könnte anderswo als in sich selbst das suchen, was ihm fehlt: Gewissheiten, Lebenssinn, (religiöse) Erfahrung. Aus einer anderen Perspektive betrachtet erscheint der intensive Mensch plötzlich als ein weltabgewandter Egoist, der sich nur um seine Gefühlswelt kümmert: der Bungee Jumper, der jedes Risiko eingeht; der Triathlet, der sich nur um die Steigerung seiner körperlichen Fitness kümmert; der Rock’n’Roller, der sich nur auf seine Tourneen und Gigs konzentriert. Dabei gehen sämtliche sozialen und natürlichen Beziehungen, innerhalb derer individuelles Leben erst wachsen kann, verloren. Der intensive Mensch ist eine isolierte Monade, die viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Garcias Modell der Intensität kippt noch an einem zweiten (internen) Punkt, weil sich irgendwann Intensität nicht mehr steigern lässt; sie ist dann ausgereizt und kippt um in Gewohnheiten, die sehr schnell langweilig werden. Aus Intensität wird Überdruss. Der Mensch der Intensität ist ständig in Gefahr, seine Grenzen zu überschreiten und zu scheitern. Wegen dieser Gefahren fängt auch der intensive Mensch an, ein wenig nachzudenken, obwohl ihm dies von Natur schwerfällt: Intensität wird selbstreflexiv. Aber das Denken, so hat es Garcia schon angedeutet, orientiert sich am „Gleichmäßigen“ (166), der intensive Mensch dagegen lässt sich von Erfahrungen und Emotionen überwältigen. Letzteres ist kein rationaler Prozess, der von Ruhe, Überlegenheit und Gelassenheit bestimmt wäre. Denken bewegt sich in Systemen und Ordnungen, es ist kalt und leidenschaftlos. Das Denken steht der Leidenschaft im Weg und umgekehrt. Aus dieser Paradoxie zwischen Denken und Intensität untersucht Garcia zwei Auswege: die Suche nach Weisheit und die Suche nach (externem) Heil (170). An diesem Punkt werden Garcias Reflexionen nun endgültig theologisch interessant. Wer weise sein will, bringt sein Leben in ein bestimmtes Maß, er vermeidet die Extreme der Intensität. Wer dagegen nach (religiösem) Heil sucht, will sein Selbst in der Ewigkeit auf Dauer stellen. Garcia sagt, in beiden Vorstellungen, der Weisheit und der Erlösung, siegt am Ende das Denken über die Tiefe der Erfahrung. Leben wird geordnet, indem es nach Wahrheiten und Überzeugungen konfiguriert wird. Aber genau diese Ordnung blockiert im Gegenzug intensive Erfahrungen. Garcia schreibt: „Vielleicht gibt es kein dauerhaftes Mittel, zu leben, aber nicht auf intensive Weise zu denken, und zu denken, aber nicht auf gleichmäßige Weise zu leben. Vielleicht ist unsere Seinsweise ausweglos.“ (183; Hervorhebung von Garcia). Hier ist der entscheidende Punkt erreicht, den Garcia nicht auflöst. Es bleibt bei dem Vielleicht dieser Sätze. Denken oder intensiv Leben, das ist die Alternative, die sich für ihn stellt. Und Garcia beendet die Reflexion dieser Paradoxie mit folgender Passage: „Als zugleich lebende und denkende Wesen tragen wir in uns ein ständig sich wandelndes Kräfteverhältnis zwischen Variationen, die von unserem Leben herrühren, und Identitäten, die uns von unserem Denken aufgezwungen werden. (…) In dem Maße, wie wir leben, und in dem Maße, wie wir denken, urteilen wir selbst über die jeweiligen Werte unseres Lebens und Denkens.“ (196) Garcia konstruiert einen Gegensatz von Leben und Denken, aber ich habe den Verdacht, dass die beiden Kategorien gar nicht miteinander verglichen werden können. Das Leben ist der Inbegriff dessen, wie Menschen mit ihrer Umwelt interagieren, mit Personen, Gruppen und Dingen. Das Denken dagegen ist ein Vorgang des Bewusstseins, der sich im Inneren abspielt, eine faszinierende, aber dennoch letztlich begrenzte Funktion des Gehirns, die irgendwann nachlässt, weil der Mensch altert, schwächer wird und schließlich zusammen mit dem Körper stirbt. Garcia gelingt es nicht, das Denken ins Leben zu integrieren, es bleibt ein Fremdkörper. Weil das Leben so komplex ist, fürchtet sich das Denken davor. Umgekehrt ist es nicht möglich, das Leben ins Denken zu integrieren, denn das Denken ist ein viel zu kleines Gefäß, um das komplexe Leben zu fassen. Mit den vereisten Abstraktionen des Denkens lässt sich dem intensiven Feuer des Lebens nicht beikommen. „Wir sind intensiv, weil wir leben, doch wir sind gleichmäßig, weil wir denken.“ (199) Garcia hat ein Buch für Taugenichtse und junge Wilde geschrieben, aber nicht für älter werdende Menschen. Denn irgendwann zieht sich die Intensität aus dem Leben eines Menschen zurück, weil ihm Aufmerksamkeit, Kraft und Konzentration im Prozess des Älterwerdens abhandenkommen. Alte, dement gewordene Menschen führen kein intensives Leben mehr. Wer nicht mehr denkt, verliert sich in den Intensitäten des Lebens, die am Ende alle doch zu Routinen erstarren und langweilig werden. Wer nicht mehr lebt, der rettet sich in ein Denken, welches das Leben in einer kastrierten Form bewältigt, aber darüber jegliche Intensität verliert. Widerstand ist geboten, wenn Intensität überhandnimmt. Dann verliert sich das Individuum in der Selbstlosigkeit von Empfindungen. Widerstand ist aber auch geboten, wenn das Denken überhandnimmt und dem Leben mit allen seinen Kontingenzen keinen Raum mehr lässt. Garcia erweist sich darin als ein Kierkegaard der späten Moderne.[4] Er lotet Existenzweisen aus. Kierkegaard beschäftigte sich mit Angst und Furcht, Glauben und Zweifeln, Ethik und Ästhetik. Garcia beschäftigt sich mit dem intensiven Menschen, dem Weisen und dem Heilssucher, dem aufgeklärten Libertin und dem antirationalen Romantiker sowie mit dem Rock’n’Roller. Und das wäre den Spießern, den klerikalen Bürokraten, Philistern, den Koalitionsverhandlern, der Generation Praktikum ins Stammbuch zu schreiben: Ein wenig Rock’n’Roll muss sein. Anmerkungen[1] Man denke an das Bild „La Fée Electricité“ von Raoul Dufy, gemalt für die Weltausstellung 1937, heute ausgestellt im Musée de l’Art Moderne de la ville de Paris. Vgl. auch http://col21-albertcamus.ac-dijon.fr/IMG/pdf/fee_electricite_detaillee.pdf. [2] Alle Seitenangaben im Text beziehen sich auf das im Untertitel angegebene Buch. [3] Sören Kierkegaard, Der Begriff Angst, Gütersloh 1991 (1844); ders., Die Krankheit zum Tode, München 1969 (1849). [4] Neben dem Vergleich mit Kierkegaard legt sich noch der Vergleich der Thesen Garcias mit der Anthropologie Fernando Pessoas nahe. Vgl. dazu Wolfgang Vögele, Wolkenflüstern. Eine Auseinandersetzung mit der radikalen Anthropologie Fernando Pessoas, Tà Katoptrizómena. Magazin für Kunst, Kultur, Theologie, Ästhetik, H.97, 2015, https://www.theomag.de/97/wv21.htm |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/111/wv041.htm |