The Disconnect

Eine Neuerscheinung

Andreas Mertin

Wer im Internet die Adresse des neuen Vierteljahres-Magazins THE DISCONNECT (https://thedisconnect.co) eingibt, kommt nicht viel weiter, als bis zu dem nebenstehenden Bild mit der Aufforderung: Please Disconnect from the Internet. This is an offline-only magazine of commentary, fiction, and poetry. Just disable your WiFi to view this issue. (It’s free)

Das ist in Zeiten der geradezu universalen Verbundenheit mit dem Internet natürlich eine Provokation. Und man versucht zunächst einmal zu tricksen um die Abschaltung zu umgehen, aber es hilft nichts, irgendwann klickt man auf den Flugmodus des Smartphones, um doch noch einen Blick auf das Magazin zu werfen. Und dann wird man begrüßt: „Welcome to the inaugural issue of The Disconnect. You now have access to all the stories, commentary, and poetry in this issue, but not to the rest of the internet.” Und dann folgt das Inhaltsverzeichnis, das die Stories (5 Artikel mit insgesamt 46 Seiten), Commentary (3 Artikel mit insgesamt 13 Seiten) und Poetry (5 Artikel mit insgesamt 8 Seiten) auflistet. Hinzu kommt noch der „Letter from the Editor“.

Die erste Ausgabe lebt natürlich von den Überraschungseffekten. Dass in dem Moment, in dem der Begrüßungsbildschirm erscheint, schon das ganze Heft heruntergeladen ist, aber man nicht zugreifen kann. Dass ein Herausgeber sich erdreistet, die Art und den Kontext des Zugriffs zu reglementieren, den Leser / die Leserin also zum Versuchskaninchen macht. Dass man ein Magazin laden muss, ohne zu wissen, was einen erwartet. Das ist ganz interessant.

Und dann kommen die ersten, sagen wir einmal dissoziativen Momente:

  1. Man möchten den gerade gelesenen Text „Rescue“ von Brian Mihok schnell mit Hilfe von Google von Englisch nach Deutsch übersetzen lassen und das Smartphone meldet natürlich: Hoppla! Diese Seite konnte nicht übersetzt werden. Wie auch, wenn kein Kontakt zum Internet besteht. Also schnell auf das WLAN-Symbol geklickt und wie nicht anders zu erwarten legt sich nun ein Banner über das Display: Please Disconnect from the Internet. This is an offline-only magazine of commentary, fiction, and poetry.
  2. Dann der Gedanke an den Autoren: Wenn das Magazin konsequent den Online-Zugriff abweist, kann Google die einzelnen Beiträge erfassen und verlinken? Der Google-Cache bleibt jedenfalls leer. Eine Verlinkung findet – noch – nicht statt. Das ist schon #elitär.
  3. Dann die Überlegung: wenn ich jetzt einen Anruf bekomme und aus dem Browser rausgehe und nach dem Anruf die Seite wieder aufrufe, ist sie dann noch im Cache? Oder muss ich erst wieder mit dem Internet in Beziehung treten, die Seite aufrufen, dann den Kontakt abbrechen, um in Ruhe weiterlesen zu können? Nein, sie ist im Browser-Cache, ganz so radikal sind die Herausgeber nicht.
  4. Nächster Schritt: Was, wenn ich die Seite speichere? Das Javascript wird mitgespeichert. Daran rumzuspielen ist mir schlicht zu aufwändig.
  5. Copy & Paste? Geht! Und so komme ich zu meiner robotergefertigten deutschen Übersetzung. Immerhin. Auch wenn Google Translator protestiert, ich hätte ja 28.307 Zeichen mehr als das erlaubte Maximum von 5.000 eingegeben. Jeder hat so seine Regeln.
  6. Mein Bibliotheksprogramm Citavi kann Webseiten notieren und auslesen. Aber der Picker bringt keine sinnvollen Ergebnisse zusammen, nicht mal einen ersten Screenshot. Also ist händisches Vorgehen angesagt. Das ist schade. Viel Mühe.

Ich breche ab, nicht ohne das Recherche-Ergebnis – Originaltext und Maschinenübersetzung - abzuspeichern. Das war eine höchst interessante Erfahrung – wobei der Aufmerksamkeitsfokus weniger bei den Inhalten – der Science-Fiction-Story von Brian Mihok – lag, als vielmehr auf der technischen Form. Vielleicht ändert sich das, wenn man die Zeitschrift regelmäßig liest. Sie eignet sich meines Erachtens eher für das Smartphone, weil da der Flugmodus schnell ein und auszuschalten ist, als für den Desktop-PC. Richtig genießen, so wie ich Science-Fiction-Stories normalerweise genieße, konnte ich die Erzählung nicht. Zuviel Rauschen drum herum – dabei war es doch eigentlich das, was die Herausgeber von THE DISCONNECT vermeiden wollten. Sinnvoller erschiene mir ein Format, wenn man denn die Grundidee aufgreifen und weiter verfolgen will, bei dem man die Magazinausgabe zwar abspeichern, sie aber nur lesen kann, wenn man sich vom Netz getrennt hat. Dann wäre das was für langweilige Zugfahrten oder Flüge.

Immerhin habe ich einige technische Details meines Computers kennengelernt, die mir bisher nicht so vertraut waren. Mein Smartphone und mein Netbook haben einen Flugmodus, der PC aber nicht. Zumindest kann ich ihn jetzt auch schnell vom Netz trennen. Das ist doch schon mal etwas. Ob das für eine kontinuierliche Beobachtung des Magazins reicht?

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/112/am628.htm
© Andreas Mertin, 2018