Welches Hashtag hätten Sie denn gerne?

„#unteilbar – Solidarität statt Ausgrenzung“ oder „Deutschland #vereint“

Andreas Mertin

Am Anfang möchte ich Sie einladen, zwei Text-Bilder, genauer zwei Wordclouds miteinander zu vergleichen. Sie beziehen sich auf zwei Worte, die scheinbar Ähnliches besagen, aber offenkundig ganz unterschiedliche Kon-Notationen haben. Gemeinsam ist beiden nur die Kon-Notation „Ganze“, alles andere erscheint different.

Blicken wir zunächst auf das linke Bild, dann fällt ein gewisser bewahrender Ton auf: Nation – Tradition – Dach – Sammlung – Tugend – harmonisch. Wenn es um das Ganze geht, dann ist der Zusammenklang das Wichtige und zu Betonende.

Blicken wir auf das rechte Bild, dann herrscht ein gewisser beschwörender Ton vor: unveräußerlich – Menschenwürde – Republik – Frieden – Pressefreiheit – Entspannung. Wenn es hier um das Ganze geht, dann ist es der (laizistisch aufgefasste) Kern der Humanität.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich war überrascht über die Differenz der Kon-Notationen. Intuitiv wäre ich zwar von gewissen in der Summe sich ergebenden Unterschieden ausgegangen, hätte aber nicht gedacht, wie klar sich in der Wahl leitender Begriff bereits eine Tendenz ausdrücken lässt. Das linke Bild ist dem Hashtag #vereint zugeordnet, mit dem die EKD, aber auch der DGB hausieren geht, das rechte dagegen dem Hashtag #unteilbar, mit dem die Zivilgesellschaft auf die Straße geht. Das finde ich überaus interessant.

Die eine Initiative beschwört durch einen „Es ist doch alles gut“-Gestus eine positive Idee für Deutschland, die andere Initiative verweist auf Errungenschaften der Gesellschaft, die aktuell in Gefahr sind und national nicht begrenzt werden können und sollen.

Das eine, und das finde ich bemerkenswert, ist offensichtlich eine nationale Bewegung, das andere ist eine internationale. Warum überrascht es mich nicht, die EKD auf Seiten der nationalen Bewegung zu finden, nicht aber auf der internationalen? Selbstverständlich finden sich zahlreiche evangelische Initiativen und auch zwei Landeskirchen unter den Unterzeichnern der Bewegung #unteilbar, aber die, die man erwarten würde – fehlen. Und ich glaube nicht, dass es daran liegt, dass sie nicht gefragt wurden. Auch die Evangelischen Frauen in Deutschland sind dabei, die Diakonie und Brot für die Welt, die Evangelischen Akademien leider nur indirekt. Irgendjemand in der EKD aber muss entschieden haben, nicht dabei zu sein. Man würde gerne wissen: Warum?

Entschieden hat man aber, eine andere „Allianz“ aufzumachen, ei­ne Allianz, deren Partner sich vor allem durch den ostentativen Gebrauch des Wortes „deutsch“ auszeichnen. Sarah Wagenknecht als linke Nationalistin hätte meines Erachtens auch gut dazu gepasst.

Ich glaube aber nicht, dass die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber­verbände, die Deutsche Bischofskonferenz, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Deutsche Kulturrat, der Deutsche Naturschutzbund, der Deutsche olympische Sportbund, die Evangelische Kirche in Deutschland, der Zentralrat der Juden in Deutschland oder der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland die Menschen in Bewegung versetzt hätte. Ihr Statement ist wohlfeil. Es wäre besser, sie hätten geschwiegen, als sich so in Szene zu setzen. Deutschland #vereint trennt de facto, weil es Deutschland als Orientierung vorgibt.

Stattdessen gilt: Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. Meines Erachtens hätte die EKD genau dafür einstehen müssen. Und deshalb standen die Demonstranten am 13. Oktober tatsächlich für eine andere Sache. Nicht für Nationalismus, sondern für Internationalismus oder sagen wir besser für Kosmopolitismus. Und wer auf der Demonstration mitgelaufen ist, konnte genau dies auch erfahren.

Lernen kann man daraus, dass auch die Wahl des Hashtags sorgfältig bedacht werden muss. Deutschland #vereint hat eben eine andere Bedeutung als #unteilbar. [Natürlich hätte #unteilbar zwischen 1945 und 1989 noch eine völlig andere Bedeutung gehabt.]

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/116/am646.htm
© Andreas Mertin, 2018