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01. Februar 2019 Liebe Leserinnen und Leser,
"Holo-Kitsch" war bisher ein Begriff, mit dem jüdische Kritiker (Henryk M Broder) und Künstler (Art Spiegelman) bestimmte Umgangsformen der Mehrheitsgesellschaft mit dem Holocaust kritisch beschrieben. Dass dies nun gegen jüdische Mitbürger gewendet wird, ist ein Skandal. Noch dramatischer sind Verwendung und Konstruktion der Wortkombination "Auschwitz-Legende". Nichts in der Debatte um die Äußerungen von Robert Menasse rechtfertigt diese Wortwahl - nichts! Dass ein Vertreter der Evangelischen Kirche 78 Jahre nach dem Stuttgarter Schuldbekenntnis sich zu derartigen sprachlichen Missgriffen verleiten lässt, ist schrecklich. Hier wurde nicht "zu scharf" formuliert, hier wurde in der Sache völlig danebengegriffen! Wir haben die sich nun häufenden sprach-kulturellen Ausfälle des Kulturbeauftragten mehrfach angesprochen (und dafür viel Kritik bekommen). Deshalb verzichten wir auf eine weitere Auseinandersetzung, erinnern aber zumindest an Überlegungen von Walter Benjamin aus seinen Geschichtsphilosophischen Thesen:
Es gibt gute Gründe, Robert Menasses Äußerungen in diesem Licht zu deuten. Unter diesem Niveau sollten wir keine Auseinandersetzung führen. Mit Nietzsche (Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben) halten wir daran fest:
Weitere Beiträge stellen die Kunst von Ruppe Koselleck als eine vor, die sehr an biblische Zeichenhandlungen erinnert, und beschäftigen sich kritisch mit einem religionskritischen Musikvideo aus der Ukraine. In der aktuell eingeschobenen Rubrik FEED-BACK gehen wir Reaktionen nach, die auf Texte vergangener Hefte bezogen sind. Wolfgang Vögele greift noch einmal das Islam-Impuls-Papier der badischen Landeskirche auf, Andreas Mertin setzt sich mit Reaktionen auf seine Kritik an Chrismon und auf seinen Artikel zur Digitalisierung der Kirche auseinander. Unter RE-VIEW stellt Hans Jürgen Benedict neues zur Wirkungsgeschichte von Luthers später Judenschrift vor. Unter POST findet sich die religionspolitische Kolumne „Die schwarzen Kanäle“ von Andreas Mertin. Das nächste Heft 118 des Magazins für Theologie und Ästhetik beschäftigt sich mit dem Thema "Inszenierung und Vergegenwärtigung". Inszenierung ist ein relativ junger Begriff, der sowohl Tendenzen der Gegenwartsgesellschaft charakterisiert, als auch Formen der Präsentation von Gegenwartskunst charakterisiert. Vergegenwärtigung ist dagegen ein seit 200 Jahren gebräuchlicher Begriff, der geschichtsphilosophische und theologische Implikationen hat. Nicht zuletzt in den Diskussionen um Robert Menasse hätte eine Besinnung auf beide Begriffe Sinn gemacht. Aber auch grundsätzlich wäre zu fragen, wie Geschichte erinnert und vergegenwärtigt werden kann. Wir laden zur Mitarbeit ein. Für dieses Heft wünschen wir eine erkenntnisreiche Lektüre!
Andreas Mertin, Jörg Herrmann, Horst Schwebel und Wolfgang Vögele Für die nächste Zeit sind folgende Themenausgaben geplant: Heft 118 (April) befasst sich mit dem Thema "Inszenierung und Vergegenwärtigung" Leserinnen und Leser, die Beiträge zu einzelnen Heften einreichen wollen, werden gebeten, sich mit der Redaktion in Verbindung zu setzen.
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