Befremdlicher Dialog

Wolfgang Vögele


Dieser Text erschien zuerst auf dem Blog Glauben und Verstehen von Wolfgang Vögele.


In der Evangelischen Landeskirche in Baden zirkuliert im Moment ein Papier zum Dialog der evangelischen Kirche mit dem Islam (Christen und Muslime. Gesprächspapier zu einer theologischen Wegbestimmung der Evangelischen Landeskirche in Baden, Karlsruhe 2018), das zu Recht heftige Kritik hervorgerufen hat, insbesondere durch den Missionswissenschaftler Henning Wrogemann aus Wuppertal, der seine Thesen in einer der letzten Nummern des Pfarrerblatts begründete. Wrogemann stellt dort die These auf, daß es sich bei dem Gottesverständnis, welches das Papier propagiert, nicht mehr um das christliche Gottesverständnis handelt. Er schreibt: „Dass ein solches Papier im Namen einer Kirchenleitung herausgebracht wurde, sollte Anlass zu ernsthafter Besorgnis geben.“ Niemand zweifelt nun an der Notwendigkeit des Dialogs. Aber es sollte auf einer ernsthaften und soliden theologischen Basis geschehen.

Im Folgenden seien einige Links aufgelistet, welche die Geschichte des Papiers und die theologische Kritik daran erhellen. Denn das Gesprächspapier besitzt noch keinen endgültigen Charakter. Die Landeskirche hat es Landes- und Bezirkssynoden zur Diskussion zur Verfügung gestellt.

Die Badische Landeskirche ist nicht die erste Landeskirche, die solch ein Papier zum Dialog mit dem Islam veröffentlicht. Zuvor waren unter ähnlichen Titeln schon Ratgeber, Papiere, Bekundungen aus der EKD (Klarheit und gute Nachbarschaft, Reformation und Islam, Dialogratgeber zur Förderung der Begegnung zwischen Christen und Muslimen in Deutschland) sowie zum Beispiel aus der Rheinischen Kirche (Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit den Muslimen in Deutschland) veröffentlicht worden. Insbesondere das Papier aus der Rheinischen Kirche erregte Aufsehen, weil es den Verzicht auf Mission gegenüber Muslimen nahelegte.

In Baden haben zuerst Mitverfasser des Papiers ihre theologischen Gründe für die Abfassung in den Badischen Pfarrvereinsblättern (Ausgabe 6/2018) dargelegt. Dort finden sich eine Art Inhaltsangabe sowie eine stichwortartige Begründung christlicher Dialogfähigkeit aus der Israeltheologie, die so in der Kürze der Stichworte kaum nachvollziehbar erscheint. Dazu kommt als weitere Position die Stellungnahme eines muslimischen Theologen. Im Pfarrerblatt ist auch eine einzige kritische Stellungnahme – aus evangelikaler Sicht – enthalten, von der sich die Redaktion distanziert.

Aus einer weiteren evangelikalen Stellungnahme (Kommentar von Theo Breisacher zum Gesprächspapier „Christen und Muslime“ des Evangelischen Oberkirchenrates in Karlsruhe, August 2018) erhellt dann einiges über die Entstehungsgeschichte des Papiers: „Gegenüber der ersten Fassung empfinde ich es persönlich als großen Fortschritt, dass zumindest an einigen Stellen auch „unsere“ Position dargestellt wird.“ Die ursprüngliche Fassung ist also evangelikal angereichert worden, und diese Eingriffe zielen offensichtlich auf den vertretenen Gottesbegriff: „Der Begriff der „Selbigkeit Gottes“ in den monotheistischen Religionen wurde fallen gelassen. Man hat das Missverständnis gespürt, dass es neben oder über einer christlich-trinitarischen Theologie kein Gottesverständnis des gemeinsamen Nenners geben kann. (…) Diese Relativierung des christlichen Glaubens wurde in der überarbeiteten Version überwunden. An den wesentlichen Stellen wird nun davon gesprochen, dass Christen nur von Gott als dem dreieinigen Gott sprechen können, der sich in Jesus Christus offenbart hat.“ Dazu kommen weitere Veränderungen, die zum Beispiel den Missionsbegriff betreffen, die aber im Papier selbst eher wie Fremdkörper wirken.

Der Kirchenbezirk Karlsruhe-Land hat sich dann die Aufforderung zur Diskussion des Papiers so zu eigen gemacht, dass er den Missionswissenschaftler Wrogemann im Herbst 2018 zu einem Vortrag einlud. Seine Thesen sind in der Version des Pfarrerblatts (s.o.), aber auch als Vortragspapier der Synode (Gespräch mit Muslimen auf welcher Basis) nachzulesen. Wrogemanns Kritik zielt auf den Gottesbegriff und die These von der Selbigkeit/Einzigkeit Gottes sowie auf die Christologie (des Gesprächspapiers) und die Jesus-Interpration des Koran: „Nach dem Zeugnis der ntl. Schriften geht es zentral nicht um die Rede Gottes, sondern um die Menschwerdung Gottes. In der koranischen Botschaft geht es dagegen um die Rede Gottes, die sich selbst als Rede Gottes begreift. Mit der behaupteten Parallelität im Blick auf die Rede Gottes verschiebt das GP (Gesprächspapier wv) den Akzent zu Lasten des ntl. Verständnisses von Gottes Selbstoffenbarung in Jesus Christus in der Kraft des Geistes in Richtung auf das koranisch-islamische Verständnis göttlicher Selbstkundgabe als sprachlicher Rede.“

Am Ende seines Beitrags spitzt Wrogemann seine Kritik am Gesprächspapier so zu: „Im GP (Gesprächspapier wv) finden sich Aussagen wie »Als Christinnen und Christen nehmen wir mit großer Anerkennung die Hochschätzung der Person Jesu im Koran wahr« (26) oder »Der christliche Glaube darf und soll die Hochschätzung Jesu im Koran entdecken und darüber freudig staunen« (27). Angesichts des koranischen Befundes, der das christliche Jesus- und Gottesbild rundheraus ablehnt, könnte nur jemand »freudig staunen«, der in Jesus ohnehin nicht mehr sieht, als einen ethisch orientierten Gottsucher. Ist dies wirklich die Meinung des Oberkirchenrates der Evang. Landeskirche von Baden? Oder handelt es sich um reine Anbiederung?“

Im synodalen Papier bei der Bezirkssynode hatte Wrogemann seine Kritik noch deutlicher formuliert: „Kirchenleitungen haben sicherlich die Aufgabe, zu Diskussionen anzuregen und zu ermutigen. Dabei aber sollten Kirchenleitungen jedoch nicht einseitig Stellung beziehen, sondern sich als das verstehen, was sie sind, nämlich gebunden an das neutestamentliche Zeugnis und die kirchlichen Bekenntnisse der Alten Kirche wie der Bekenntnisse der Reformationszeit.“

Man kann die Kritik am Gesprächspapier nicht nur theologisch und christologisch, sondern auch sozialethisch fassen. Das betrifft insbesondere das Verhältnis von Menschenrechten im Islam, welches die Verfasser des Gesprächspapiers allzu kritiklos rezipieren. Meine eigene Kritik (Wolfgang Vögele, Kritik der aufblasbaren Kirche, Oktober 2018) am Gesprächspapier zielte insbesondere auf den Begriff der Religionsfreiheit: „Zunächst ist problematisch, dass das Dialogpapier dem Konzept der Menschenrechte und des weltanschaulich neutralen Staates sehr schnell eine christliche Begründung unterschiebt und die entsprechenden historischen Konflikte unterschlägt. Weiter konzediert das Papier dem Islam, dass sich seine theologischen Grundlegungen innerhalb einer bestimmten „Sozialordnung“ entfaltet haben, welche nicht die Demokratie war. Es genügt dann aber nicht zu fordern, die Muslime müssten ein eigenes theologisches Konzept entwickeln, das eine positive Einstellung zur Religionsfreiheit beinhaltet. Die Geltung von Religionsfreiheit ist im Übrigen nicht gebunden an ein christliches, islamisches oder sonstiges „Konzept“, was der intrareligiösen Legitimation dient. Für die islamische Haltung zur Religionsfreiheit gilt doch, dass solche Konzepte, die seit langem existieren, entweder daran kranken, dass die Scharia den Menschenrechten übergeordnet wird oder, sofern sie das nicht tun, daran kranken, dass sie innerhalb der muslimischen Gemeinschaften keine Bedeutung haben.“

Als vorläufiges Resultat dieser noch nicht beendeten Debatte lässt sich festhalten, dass schon die bekannt gewordene Entstehungsgeschichte des Papiers nahelegt, dass sich widersprechende Positionen festgehalten werden, die man argumentativ nicht zum Ausgleich bringt. Die Kritik an den Positionen des Gesprächspapiers zielt auf erhebliche theologische, christologische und sozialethische Defizite. Man darf gespannt sein, wer sich in der Debatte noch zu Wort meldet.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/117/wv050.htm
© Wolfgang Vögele, 2019