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Von Jeanne d‘Arc bis Beatrix KiddoDas Schwert und die Kriegerin in der PopulärkulturInge Kirsner Die Seele des Kriegers wohnt im Schwert, die Seele der Frau im Spiegel, heißt es in einem alten japanischen Sprichwort. Wir werden im Folgenden (zumindest im Spiegel des Films) Kriegerinnen kennenlernen, die durchaus mit dem Schwert umgehen können, auch wenn sie keine Samurai sind. Und am Ende vielleicht zu dem Schluss gelangen, der eine Hoffnung von Napoleon Bonaparte gewesen sein soll: "Es gibt zwei Kräfte in der Welt, das Schwert und den Geist. Am Ende wird das Schwert vom Geiste besiegt." In Frankreich beginnen wir auch, und zwar mit einer französischen Ikone, der heiligen Jeanne d‘Arc. Sie wird oft mit dem Schwert dargestellt, hier Symbol für ihre Reinheit und Klarheit und ihre Mission, ihr Land zum rechten Glauben und zur wahren Freiheit zu führen. 1. Johanna von Orléans - im FilmJeanne d‘Arc wird im Film dargestellt von Ingrid Bergman, Jean Seberg, Sandrine Bonnaire und Milla Jovovich (um nur die wichtigsten zu nennen) und zeigen beispielhaft das sich ändernde Frauenbild im Laufe der Jahrzehnte.
Diese Heilige muss alle, die gegen sie agieren, ins Unrecht setzen. Die Frau wird als moralisch überlegen, aber letztlich chancenlos gegen die Intrigen der Männer gezeigt. Sie zeigt ihr Gesicht offen, ebenso wie ihr Schwert, und wird hinterrücks gefällt werden. Schwert und Geist vereinen sich in ihrer Gestalt, und auch wenn sie diesen Kampf verliert und auf dem Scheiterhaufen landet, ist es doch ihre Geschichte, die weiterlebt in zahlreichen kulturellen Emanationen (im Theater, im Film, im Manga).
Jeanne ist nicht nur ein französisches Nationalsymbol, sie ist vielmehr eine universelle Heldin, die weltweit anerkannt ist. Entsprechend ihrer Kulturen haben alle Länder sich ein eigenes Bild von Jeanne gemacht.
Das Mädchenmanga Shojo kakumei utena (dt.: Die Revolution des Mädchens Utena, ein Manga / Anime von Kunihiko Ikuharas Kollektiv Be-Papas seit 1996) zeigt neben Mädchenfarben das Schwert eher als Modeaccessoire - dennoch wird dieses Manga problemlos den Bechdel-Test bestehen, da die beiden Mädchen auch über anderes als Männer reden und sich gegenseitig zu genügen scheinen.[1] Die Heldin Utena will, als Mann verkleidet, ein Prinz werden, und steckt die anderen Mädchen in der Klasse mit ihrem androgynen Gebaren an, bevor sie den Kampf gegen den bösen Mikage antritt.
Realisiert in der Tradition klassischer Schwertkämpferfilme werden hier die Frauen als ebenbürtige Gegner gezeigt.
Als letztes fernöstliches Beispiel sei noch der Film "Ichi - Die blinde Schwertkämpferin" (Fumihiko Sori 2009) erwähnt. Zatoichi ist eine feste Größe im asiatischen Martial-Arts-Kino. Zwischen 1962 und 1989 trat die ursprünglich aus der Literatur stammende Figur des blinden Schwertkämpfers in 26 Filmen und knapp über 100 Folgen einer Fernsehserie auf. Ichi wurde dabei stets von ein und demselben Schauspieler verkörpert: Shintarô Katsu. 2003 belebte Takeshi Kitano mit seinem Martial-Arts-Musical "Zatoichi Der blinde Samurai" die mythische Figur wieder. Die Hauptrolle übernahm der Regisseur selbst.
2. Kill Bill (Quentin Tarantino, USA 2003/2004)
Der Schwertmeister Hanzo steckt in einem Dilemma. Er ist ein echter Meister seines Faches, kennt den langen komplizierten Prozess des Schmiedens, bei dem zuvor geschmolzener Stahl hunderte von Malen flachgehämmert und gefaltet wurde. Dann wird harter Stahl um einen Kern aus weichem Stahl gehüllt. Am Ende dieses Prozesses ist die Klinge so hart und scharf, dass sie einen Menschen von der linken Schulter zur rechten Hüfte durchtrennen kann. Das schneidende Geheimnis ist der flexible Kern im Innern des Tötungsinstrumentes. Durch das Zusammenfalten des Stahls werden auf molekularer Ebene außergewöhnliche Verbindungen geschaffen, von denen einige beim abschließenden Polieren des Schwertes als Wolken, Wetterleuchten oder Geister sichtbar werden, parallel verlaufend zur tödlichen Schneide und beim Ziehen des Schwertes im Film auch hörbar gemacht. Traditionellerweise fand das Schmieden eines japanischen Schwertes in einem religiös geprägten Umfeld statt. Der Schmied wurde durch einen Shintopriester gereinigt, und dann wurde ein geweihtes Seil aus Reisstroh (shimenawa) mit heiligem Papier (gohei) daran als Symbol der Reinheit so angebracht, dass es den Schmied umgab.[2] Die Herstellung eines Schwertes ist also ein spiritueller Akt; dennoch ist wohl auch Hanzo immer mehr der Zweck des Schwertes bewusst geworden, nämlich dass es durch Fleisch und Haut schneiden, dass es Leben nehmen sollte. Seine Bestimmung ist der Tod - und Hanzo will aus diesem Kreislauf ausscheiden. Allerdings macht er für Beatrice eine Ausnahme: indem sie Bill tötet, unterbricht sie den Gewaltkreislauf, den der einstige Schüler in Gang gesetzt hat. Dazu aber muss sie noch einige Hindernisse und Menschen (mit dem Schwert) aus dem Weg räumen, eine davon ist O-Ren-Ishii, eine Auftragskillerin in Bills Diensten. Positiv an KILL BILL wird allseits gewertet, dass Frauen hier nicht in der Opferrolle verharren, sondern äußerst wehrhaft sind und die Rolle der blutbefleckten Kriegerin verkörpern. Letztere wussten bereits die Kirchenväter zu schätzen. Eine Frau, die „männliche“ Taten vollbrachte, sei es in Glaubensstärke oder gar Militanz, konnte als Ausnahme unter ihren Geschlechtsgenossinnen höchst positiv gewürdigt werden,[3] und fiel in die eigene Kategorie der virago[4]. Dieses Bild war länger ziemlich verschüttet gewesen, doch auf der Suche nach „starken Frauen“ zu Beginn der 1990’er Jahre wurden auch die biblischen viragines wiederentdeckt; so z.B. Debora und besonders Jael und Judith. Die Aufklärung und in ihrem Gefolge die bürgerliche Geschlechterordnung hatte diese Bilder vergessen lassen, zuvor hingen die Heroinnen in vielen, auch in protestantischen Kirchen. In und seit der Renaissance hatte die virago eine Hoch-Blütezeit in Literatur und Kunst. Allerdings wurde zu allen Zeiten die männlich-bedrohende Frau wieder zu einem vertrauteren Typus der männerbedrohenden Frau umstilisiert, indem das „typisch Weibliche“, die sündig-bedrohliche Sexualität, vorrangig in die Bilder eingetragen wurde.[5] Tarantino steht hier in einer langen Tradition, inzwischen auch der Unterhaltungsmedien. Diese werden seit den 1990’er Jahren verstärkt von Kämpferinnen heimgesucht, die die alten Geschlechterklischees vorgeblich mit ihrer Militanz brechen, bei genauerem Hinsehen aber perpetuieren, indem die Rollen der Kurvenreichen, der Liebenden, der In-die-Zweite-Reihe-Tretenden, der Aufopferungsvollen nun eben der Amazone auf den Leib geschrieben werden. Die aktuellen viragines zu Anfang der 2000’er Jahre hatten indessen mit der „natürlichen Friedfertigkeit der Frau“ üblicherweise auch die Mutterrolle abgestreift. Hier geht Tarantino einen ganz eigenen Weg, und seine Frauen sind weit stärker und autonomer als viele ihrer Vorgängerinnen und Nachfahrinnen im Kino.
Symbolisiert das Schwert im Film zunächst v.a. den japanischen Mann, v.a in Hinblick auf sein männlich-militärisches Ich, sehen wir doch bei Ang Lee und Zhang Yimou, dass dieses bisher nur als Phallussymbol fungierende Werkzeug in den Händen der Frauen zu einem ganz anderen Instrument der Selbstbehauptung wird. Sie sind nicht mehr Dienerinnen - und "dienen" ist die ganz ursprüngliche Bedeutung des Begriffes Samurai (der ja immer einem Herrn dienen musste) - sondern sie durchschneiden damit eine Tradition, die bis heute in Japan besonders patriarchal geprägt ist. In der letzten Szene von "Kill Bill - Vol 2", gelangt die Ankündigung im Filmtitel "Kill Bill" zu ihrer Erfüllung und die "Schnittmeisterin" vollzieht ihre Rache.
Der Name der Braut in KILL BILL erinnert an eine andere Beatrix, die den Dichter Dante einst in der Divina Commedia durch das Paradies führte in der Divina Commedia, und die einen nun führt durch Himmel und Hölle des Tarantino-Kosmos. Und dieser hebt uns ganz am Ende noch auf eine andere Ebene: Beatrix verlässt mit ihrer Tochter B.B. das Haus des Vaters und verbringt mit ihr die erste Nacht in einem Hotelzimmer. Während B.B. Trickfilme anschaut, sehen wir Beatrix in embryonaler Haltung auf dem Boden im Bad liegen und weinen; das Weinen geht in Lachen über und sie stammelt mehrmals: „Danke!“ Beim vierten, kaum verständlichen Mal könnte es sogar heißen „oh Danke, Gott!“ (58:13) So klingt es wie ein Gebet: Jetzt, wo der ´numinose´ Bill weg ist, wird der Raum frei für andere ´Transzendenzen´. Es ist möglicherweise eine andere Art von Transzendenz als jene aus dem eigenwilligen Gottesbeweis in VOL.1, das Bewusstsein eines Überschusses, ein Wissen darum, dass die Existenz sich letztlich nicht selbst verdankt und das Glück dieses Augenblickes die Immanenz sprengt. Fazit
Beatrix Kiddo führt ihr Schwert zunächst aus Liebe, sie ist das Werkzeug des Auftragskillers Bill, der nach seinem Verrat an ihr zum Feind und Ziel des Schwertes wird. Das Hanzo-Schwert wird extra für ihn geschmiedet, von dem Schwertmeister, der seinem Handwerk eigentlich abgeschworen hat, weil er keinen Menschen mehr töten wollte. - Am Ende wird Bill dann auch tatsächlich mit einem anderen Mittel getötet, das ihm im wahrsten Sinne des Wortes das Herz bricht. Dem Schwert kommt spirituelle Bedeutung zu, wie es in der Übergabe vom Schwertmeister Hanzo an den weiblichen Samurai Beatrix gezeigt wird. Das Schwert wird zunächst von einem Symbol für ´etwas Höheres´, Transzendentes wieder zu einem profanen Werkzeug, das der Rache dient. Doch das bloße Tötungswerkzeug wird wieder aufgeladen, mit ´japanischem Spirit´. Letztlich soll es dazu dienen, den Bösen aus der Welt zu schaffen und die Welt so wieder ins Gleichgewicht zu bringen, aber dazu sind Rituale notwendig. Diese Rituale machen rein immanente Vorgänge - wie etwa Teetrinken oder Blumenstecken in Japan - zu transzendenten Vorgängen, weil sie alltägliche Vorgänge überhöhen und Erlösung in der Feier und dem Bewusstwerden des Augenblickes suchen. EpilogZum Schluss noch ein kurzer Ausblick auf Schwertkämpferinnen in der filmischen Gegenwart in einigen Spots: Auch die DC-"Wonder Woman" (Patty Jenkins, USA 2017) wird mit Schwert gezeigt, ebenso "Alita - Battle Angel" von Roberto Rodriguez (USA 2018). „Alita: Battle Angel“ ist die Realverfilmung des gleichnamigen Mangas von Yukito Kishiro. Werfen wir noch einen kurzen Blick in den Westen bzw. ins deutsche Fernsehen: Florence Kasumba, eine deutsche Schauspielerin mit ugandischen Wurzeln, spielte die Kriegerin Ayo in "Black Panther" (Ryan Coogler, USA 2018) - natürlich mit Schwert. Nun spielt sie die Kollegin von Kommissarin Lindholm, Anaïs Schmitz, in einer Tatort-Folge von Franziska Buch ("Das verschwundene Kind", ausgestrahlt am 3.2.19). Vielleicht sind die Kommissarinnen unsere deutschen Kriegerinnen, auch wenn sie eher mit Worten als mit Waffen agieren müssen (was nicht immer klappt). Mit ihnen steht und fällt die Hoffnung, dass, wie Napoleon meinte, am Ende der Geist über das Schwert siegen wird, also das Leben den Tod besiegt (auch wenn man manchmal einfach auch mal zuschlagen muss bei zu viel weißer Arroganz). Anmerkungen[1] Der Bechdel-Test soll dazu dienen, herauszufinden, ob die Frauenrolle im Film diese als Abziehbild oder eigenständige Person zeigt. Der Test offenbart mit drei einfachen Fragen, ob ein Film Frauen ernst nimmt. 1. Kommt in dem Film mehr als eine Frau vor und haben sie einen Namen? 2. Sprechen die Frauen miteinander? 3. Reden die Frauen miteinander über etwas anderes als Männer? Siehe: http://www.sueddeutsche.de/kultur/bechdel-test-in-schwedischen-kinos-frauen-die-mit-frauen-sprechen-1.1813032 [2] Gregory Irvine, The Japanese Sword: The Soul of the Samurai, London 2000; siehe dazu auch Peter Carey, Wrong about Japan. Eine Tokyoreise, Frankfurt/M. 2000, 40ff [3] Unter anderem auch deshalb, weil sie sich der stofflichen „weiblichen“ Seite, unter anderem des Gebärens, enthoben hatte. Vgl. z.B. King, Margaret L.: Frauen in der Renaissance, München 1993, bes. 229. [4] Die virago genießt ähnlich hohes Ansehen wie die andere „Ausnahmefrau“ virgo, die Jungfrau, was die Analogbildung des Worts mit erklärt. Die „Unweiblichkeit“ klingt ebenfalls an, wenn auch grammatikalisch nicht ganz korrekt: vir ago, ich handle [als] Mann. Siehe dazu: Inge Kirsner/Stefanie Schäfer-Bossert, Die Rache ist mein spricht wer? Quentin Tarantinos KILL BILL, in: Thomas Bohrmann u.a. (Hg.), Handbuch Theologie und populärer Film, Band 3, Paderborn 2012, 291-305 [5] So kann auch Salome ähnlich oft vor Augen gemalt werden, die biblisch noch namenlos für ihren Tanz vor der Hofgesellschaft des Herodes auf Anraten ihrer Mutter den Kopf von Johannes dem Täufer fordert und erhält (Mk 6,14-29; Mt 14, 1-12; Lk 9, 7-9). [6] Norbert Elias, Eric Dunning: Sport und Spannung im Prozess der Zivilisation, Frankfurt/M. 2003, 99. Siehe auch: Akira Kurosawa, Ausstellungskatalog Filmmuseum Frankfurt/M. 2003, 55ff. |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/120/ik15.htm |