Ästhetische Verführung zum Guten?

Eine Rezension

Andreas Mertin

Erbele-Küster, Dorothea (2019): Verführung zum Guten. Biblisch-theologische Erkundungen zwischen Ethik und Ästhetik. 1. Auflage (Theologische Interventionen).

Klappentext:
„Die ästhetische Wahrnehmung will verführen zum Guten bzw. zur Erkenntnis des Guten. Diese These entfaltet Dorothea Erbele-Küster mit Blick auf eine Ethik des Alten Testaments. ‚Verführung zum Guten‘ spielt auf die gängige Interpretation der Erzählung von Genesis 3 an - den Griff nach der Frucht der Erkenntnis von Gut und Böse - und kehrt diese um. Der vorliegende Band lotet das Verhältnis von Ethik und Ästhetik aus: PoEt(h)ik impliziert dabei einen Zusammenhang zwischen poetischer Struktur und ethischer Urteilsbildung. Nach einer philosophisch-literaturwissenschaftlichen und methodischen Grundlegung wird in drei Durchgängen anhand unterschiedlicher literarischer Genres nachgezeichnet, wie die ästhetische Erfahrung zur Lebenskunst verführt.“


Verführung zum Guten

Die Autorin des hier vorzustellenden Buches ist Dorothea Erbele-Küster. Sie lehrt Altes Testament an der Universität Mainz. Im Magazin für Theologie und Ästhetik hat sie in der Ausgabe 49 über Kunst auf der documenta XII geschrieben und in Ausgabe 63 über Kunst im Jewish Museum in New York.[1]

Von ihr stammen zahlreiche Bücher, von denen wenigstens drei erwähnt werden sollen:

  • Erbele-Küster, Dorothea (2001): Lesen als Akt des Betens. Eine Rezeptionsästhetik der Psalmen (Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament).
  • Erbele-Küster, Dorothea (2005): Generationenfolge und Geschlecht. Variationen über drei alttestamentliche Texte.
  • Erbele-Küster, Dorothea (2008): Körper und Geschlecht. Studien zur Anthropologie von Leviticus 12 und 15 (Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament).

Das vorzustellende Buch teilt sich in vier Kapitel: Es beginnt mit grundlegenden „Erkundungen zwischen Ethik und Ästhetik“, um sich dann drei Einzelstudien biblischer Texte zu widmen: Genesis 3,6, Genesis 1 und Psalm 1.

Nun könnte man sagen, gerade die Texte der Urgeschichte und auch der Psalmen seien nun bereits ausreichend erschlossen, aber der Blick auf die Erträge des Buches zeigt, dass dem nicht so ist. Dass es etwa möglich ist, mit Hilfe rezeptionsästhetischer Perspektiven neue Einsichten in alte Texte zu gewinnen, den Texten etwas zu entlocken, was bisher nicht als intentio operis[2] oder intentio auctoris[3] erkannt worden ist, nun aber in einem neuen Verstehensgang mit Hilfe der intentio lectoris[4] einsichtig wird. Die grundlegende These, dass sich in den bearbeiteten Bibelstellen etwas zum Verhältnis von Ethik und Ästhetik erschließen lässt, ja dass die ästhetische Wahrnehmung selbst zum Guten verführen will, hängt von sehr vielen Voraussetzungen ab, bei denen einen Konsens zu erzielen, schwierig sein dürfte.

Man muss sich zunächst fragen: Welches Verständnis von Ästhetik wird zugrunde gelegt, welchen Begriff des Guten wird man den Autoren der Texte mit guten Gründen unterstellen können und wie lässt sich das in eine produktives und das heißt auch zeitgenössisch rezipierbares Verhältnis bringen? Ist es die sinnliche Wahrnehmung allein, die uns schon zum Guten verführt, oder ist es die zu sich selbst in ein Reflexionsverhältnis tretende sinnliche Wahrnehmung, die das leistet? Ist in der ästhetischen Erfahrung ein ethischer Glutkern enthalten oder kann dieser sich erst entfalten, wenn die ästhetische Erfahrung ethisch fruchtbar gemacht wird? Kann ästhetische Erfahrung ein Ferment ethischer Urteilsbildung sein, um eine Überlegung von Thomas Erne variiert aufzugreifen?[5] Was unterscheidet die für den ethischen Urteilsprozess notwendige sorgfältige Wahrnehmung von einer sorgfältigen sinnlichen Wahrnehmung? Oder beschreibt beides das Gleiche, weil wir Texte und Reden ja nur mit den Sinnen aufnehmen können? Aber reicht das schon, um von der Verführung zum Guten durch ästhetische Wahrnehmung zu sprechen?

Wer mit diesen Fragen an das kleine, 110 Seiten umfassende Buch von Dorothea Erbele-Küster herangeht, wird reich belohnt. In Zeiten, in denen wir uns allzu sehr daran gewöhnt haben, sofort nach der Botschaft, sofort nach dem Inhalt, sofort nach dem Sinn von Texten und Reden zu fragen, ist es gut, diesen Automatismus aufzubrechen, um auch der Form, der ästhetischen Gestalt, der ästhetischen Erfahrung Raum zu geben. Das leistet dieses Buch. 

Im Folgenden stelle ich das Buch und einige seiner Schritte kurz vor, trage einige fragende Annotationen ein und bündele am Ende noch einmal ein paar Aspekte, bei denen man m.E. die Arbeit am Text und die Diskussion über das Prozedere noch fortsetzen könnte.


Erkundungen

Die Erkundungen im ersten Kapitel (9-37) stecken das Feld ab, in dem sich die anschließenden Textbegehungen[6] bewegen. Es basiert auf der These, „dass der Lust am Text ein ethisches Moment inhärent ist, insofern es die Lesenden durch die Lektüre herausfordert“ (12). Das wird deutlich „im Text, im Rezeptionsprozess und in der Konzeption von Ethik als Lebenskunst“ (12). Akzentuiert: „Es geht um die Wahrnehmung der Sprachform des biblischen Textes, d.h. die ästhetische Erfahrung des Textes im Rezeptionsvorgang, die ein ethisches Potential hat. Zugleich wird die ästhetische Wahrnehmung, wie sie die Texte selbst thematisieren, untersucht.“ (13)

An dieser Stelle wird die erste Herausforderung der Fragestellung deutlich, nämlich, wie man jeweils präzise zwischen der ästhetischen Erfahrung des Textes und der im Text beschriebenen Form ästhetischer Wahrnehmung unterscheidet. Mir leuchtet unmittelbar ein, dass man biblische Texte in einem Prozess ästhetischer Erfahrung wahrnehmen kann. Das ist der gleiche Prozess, den Friedrich Schiller in den ästhetischen Briefen am Beispiel der Skulptur der Göttin Juno beschreibt, die, obwohl sie ihres funktionalen religiösen Kontextes entledigt ist, dennoch als ästhetisches Objekt erfahren werden kann. Wolfgang Harnisch hat dies in theologischer Perspektive am Beispiel der Gleichnisse Jesu aufzuzeigen versucht: „Auch die Parabel Jesu gibt sich als ästhetisches Objekt zu erkennen. Sie ist ein poetisches Kunstwerk: die Miniaturausgabe eines in Erzählung gefassten Bühnenstücks mit stilisiertem Handlungsgefüge und eigenwilliger Figurenanordnung“[7]. Harnisch bindet das aber lebensweltlich an die unmittelbare Narratio Jesu: „Die mündlich vorgetragenen Gleichnisse Jesu haben, so Harnisch, eine einzigartige po(i)etische Sprachkraft: Sie vermögen die Hörerschaft ganz auf den Erzählverlauf zu konzentrieren, ohne vorschnell die ‚Sache‘ ins Spiel zu bringen. Anders die schriftlichen Gleichnisse der Evangelien: Sie dokumentieren einen Sprachverlust, denn sie lenken von vornherein, etwa durch Einleitungsformel oder andere Lesesignale, den Blick auf die ‚Sache‘. Der entscheidende Aha-Effekt (der ‚metaphorische Prozess'), der zur verzögerten und damit effektvollen Erkenntnis der Gottesherrschaft führt, gehe dadurch verloren.“[8] Die Frage ist also, ob a) die ästhetische Wahrnehmung auch unabhängig von der im Text beschriebenen ästhetischen Wahrnehmung funktioniert, und b) ob die Zuschreibung ethischer Potentiale nicht die ästhetische Erfahrung überformt.

Im nächsten Schritt geht die Autorin zunächst der Frage nach, inwiefern „mit Blick auf die alttestamentlichen Texte überhaupt von einer Ethik gesprochen werden kann“ (19). Dann greift sie das Schmidsche Konzept der „Lebenskunst“[9] auf, um die „ästhetische Dimension der Ethik“ (23) zu betonen.

Das ist einer der Punkte, an denen weitere Diskussionen entstehen. Denn Wilhelm Schmids Konzept basiert auf Annahmen, die nicht mit der modernen Philosophie der Ästhetik kompatibel sind, es ist im Kern ein ethisches Konzept, das den Begriff der Kunst im Sinne des Könnens funktionalisiert und in Gebrauch nimmt. Das wird in folgendem Zitat Schmids deutlich: „Arbeit ist all das, was ich in Bezug auf mich und mein Leben leiste, um ein schönes und bejahenswertes Leben führen zu können“. Oder auch in folgender Paraphrase von Erbele-Küster: „Die Lebenskunst realisiert sich nach Schmid in einer kunstvollen, schönen und freien Selbstgestaltung des Individuums. Dazu gehört auch die Wahrnehmungsfähigkeit“ (23). Das dürfte mit vielen ästhetischen Konzepten der Moderne, aber auch mit solchen, wie sie etwa Emanuel Levinas beschrieben hat, kaum harmonieren. „Die Einzigkeit und Eigentlichkeit findet das Selbst gerade nicht bei sich, in der Besinnung der Innerlichkeit, sondern dadurch, dass sich das Ich dem Anderen ausliefert.“[10] Auch das kann man – mit Henning Luther – als ethisch-ästhetisches Zusammenspiel deuten, ist aber ein anderes Konzept mit ganz anderen Schlussfolgerungen.

Erbele-Küster will aber nicht, wie Wilhelm Schmid, die Ethik in der Ästhetik gründen, sondern geht von einem „dialektischen Wechselverhältnis zwischen beiden aus“ (24). Was Wechselverhältnis(!) heißt, muss nun genau bestimmt werden. Präzisierend schreibt sie: „Ethik und Ästhetik müssen jeweils autonom gedacht werden, um dann in einem zweiten Schritt aufein­ander bezogen werden zu können.“ (24) Bedeutet das, dass auch die Ethik Folgen für die ästhetische Erfahrung hat? Und wie konkretisiert sich die Beziehung der Ästhetik auf die Ethik?

Ich glaube, dass sich alles um die Frage dreht, was hier zweiter Schritt meint. In dem Augenblick, wo wir nicht abstrakt von Ästhetik sprechen, sondern modern in der Tradition Kants von Prozess der ästhetischen Erfahrung, fragt sich: wie soll das funktionieren? „Zweiter Schritt“ müsste ja heißen, dass man aus dem Prozess der unendlichen Verzögerung der Semiose­bildung (Roman Jakobson) bzw. der Desautomatisierung der Signifikantenbildung (Christoph Menke) ausgestiegen ist, das heißt den Prozess der ästhetischen Erfahrung abgebrochen oder beendet hat, um dann mit Hilfe des dabei Erfahrenen (aber doch nur vorläufig Erfahrenen!) ethische Bezüge herzustellen. Genau das halte ich für problematisch. Es scheint legitim[11], weil wir de facto ethische Erfahrungen mit dem Rückblick auf ästhetische Erfahrungen machen können. Das ist aber nur möglich, wenn der eigentlich unabschließbare Prozess ästhetischer Erfahrung unterbrochen wird. Die eigentümliche ästhetische Souveränität (Christoph Menke) kann so nicht zur Geltung kommen. In meinen eigenen Worten: solange wir ästhetisch erfahren, kommen wir nicht zum ethischen urteilen.

Erbele-Küster wendet sich nun der Frage zu, was wir unter „Ästhetik“ verstehen können (24f.). Auch hier wird deutlich, wie stark der weitere Fortgang von dem in Anschlag gebrachten Ästhetik-Verständnis abhängt. Die Autorin skizziert zwei moderne Hauptstränge, die sich mit Wolfgang Welsch einerseits und Martin Seel andererseits verbinden. Während Wolfgang Welsch Ästhetik eher im Rückgriff auf Baumgarten als Aisthetik fundiert wird, beharrt Seel im Rückgriff auf Kant auf der Selbstreferentialität der Ästhetik.

An dieser Stelle hätte ich mir einen stärkeren Einbezug anderer Fortschreibungen ästhetischer Theoriebildungen der Moderne gewünscht, etwa im Sinne der ästhetischen Negativität Theodor W. Adornos.[12] In diesem Sinne hat Christoph Menke die ästhetische Souveränität stark gemacht, die in der Deautomatisierung der Verstehensbildung ihr kritisches Potential entwickelt.[13] Auch Thomas Lehnerers „Methode der Kunst“ begreift sich in ihrem Eigenwert als bestimmte Negation aller anderen Wirklichkeitsbereiche.[14] Auch die Ästhetik Jacques Rancières wäre hier zu nennen (Dazu später mehr).[15]

Das Kapitel abschließend summiert Erbele-Küster den Gang durch die Ästhetik im Blick auf die zu untersuchenden Texte so:

„Drei Charakteristika seien be­reits genannt, die in den folgenden Kapiteln anhand der Ana­lyse von biblischen Texten herausgearbeitet werden:

  1. Der Sinneswahrnehmung kommt in der Konzeption der Ästhetik eine umfassende Rolle zu. Es geht dabei nicht nur um die Wahrnehmung der Form, sondern etwa auch um Klang und Ge­schmack.
  2. Die Wahrnehmung vollzieht sich als ein Bezie­hungsgeschehen zwischen zwei Subjekten.
  3. Dabei sind so­ziale, funktionale und ästhetische Aspekte nicht voneinander zu trennen, entsprechend besteht alttestamentlich ein Asso­ziationsfeld zwischen Ehre, Macht, Glanz, Zweckgemäßheit und Schönheit.“ (28)

Im nächsten Schritt untersucht Erbele-Küster das Verhältnis von Rezeptionsästhetik und Ethik biblischer Texte (29-34). Damit ist der Rahmen abgesteckt, anhand derer nun drei zentrale Texte untersucht werden.

Ich bilde im Folgenden die ausgewählten Texte ab, um im Anschluss ihre Bedeutung nach Erbele-Küster zu skizzieren. Es soll den Leserinnen und Lesern selbst überlassen bleiben, in der Lektüre des Buches von Erbele-Küster der Detailargumentation zu folgen.


Das Untersuchungsmaterial

Ich folge bei der Zusammenfassung der Bedeutung der drei Texte den Wegmarkierungen, die die Autorin im gleichnamigen Abschnitt setzt: Zentrale Erkenntnis des ersten Textes ist, dass „die Erkenntnis von Gut und Böse im Kontext einer Fülle von Sinneswahrnehmungen geschildert wird“ (34) Dem werde bisher zu wenig Beachtung geschenkt, weshalb die Bedeutung der Sinneswahrnehmung für menschliches Handeln und Entscheiden unzureichend gewürdigt wird. „Kanonisch gesehen wird in diesem Text zum ersten Mal anhand einer Ursprungsnarration die Lust und Last des menschlichen Reflektierens und Handelns entfaltet. Die Narrativität ist entsprechend konstitutiv für die Vermittlung der Anthropologie und Ethik.“(34) Der zweite Text Genesis 1 wird von der Frage nach der Kategorie des Guten dominiert: „Die Grundlage des menschlichen Handelns bildet … die Wahrnehmung der Welt durch Gott als perfekt und die Strukturierung der Zeit.“ (35) Der dritte Text Psalm 1 ist exemplarisches Beispiel dafür, was in biblischer Perspektive ein glücklicher und gelungener Lebensweg ist. „Psalm 1 steht exemplarisch für eine ethisch-ästhetische Lebenskunst. In der Reflexion auf das gute und glückliche Leben im Psalter wird deutlich, dass der Weg des guten Lebens eine ästhetische Dimension hat, die sich mit Begriffen wie Glück, Lebensfreude und Gottesjubel zum Ausdruck bringen lässt.“ (36)

In der Summe schlussfolgert Erbele-Küster daraus, dass „die ästhetisch-literarische Form des Textes von Relevanz für die ethische Erfahrung ist“. Gezeigt werden könne gerade mit den drei untersuchten Texten, „wie die ästhetische Erfahrung zur Lebenskunst verführt“ (36f.).


Kursorische Notizen für weiterführende Diskussionen

Ethik und Ästhetik

„Ästhetische Wahrnehmung verführt – zum Guten bzw. zur Erkenntnis des Guten“ – Diese These, die das Buch eröffnet, beschäftigt die Kunstphilosophie, die Literaturwissenschaft und die Theologie seit Jahrzehnten (eigentlich seit Jahrhunderten). Sie war Gegenstand vieler Reflexionen der berühmten Arbeitsgruppe Poetik und Hermeneutik (insbes. im Band IX – Text und Applikation)[16], aber auch des Arbeitskreises Theologie und Ästhetik.[17] Letztlich ist sie Grundlage aller Kunstphilosophien, die auf dem Fundament einer Metaphysik stehen.[18] Der Rezensent will an dieser Stelle nicht verschweigen, dass er dieser These nicht zu folgen vermag. Er bestreitet nicht, das Schönes zum Guten und Wahren führen kann, aber mit Theodor W. Adorno gesprochen:

„Der Blick, der ans eine Schöne sich verliert, ist ein sabbatischer. Er rettet am Gegenstand etwas von der Ruhe seines Schöpfungstages. Wird aber die Einseitigkeit durchs von außen hin­eingetragene Bewusstsein des Universalen aufgehoben, das Besondere aufgestört, substituiert und abgewogen, so macht der gerechte Überblick über das Ganze das universale Unrecht sich zu eigen, das in Vertauschbarkeit und Substitution selber gelegen ist“ (MM 48)[19]

Das heißt, gerade eine intendierte positive ethische Einordnung unterminiert das Wesentliche der ästhetischen Erfahrung. Das Verhältnis von Ethik und Ästhetik muss meines Erachtens weiterhin als kritisches erörtert werden.[20] Es mag eine mögliche Folge von ästhetischer Erfahrung sein, dass wir anschließend zu besseren Menschen werden. Wahrscheinlich ist das m.E. nicht.

Denn das andere ist doch die Beobachtung, dass der Umgang mit dem Schönen die Menschen eben nicht zu besseren Menschen macht. Legendäres Beispiel ist der manieristische Bildhauer Benvenuto Cellini (1500-1571), Schöpfer des Perseus in Florenz, wahrhaft ein unübertroffener Meister des Schönen, der zugleich ein Schläger, Sexualstraftäter und dreifacher Mörder war.[21] Ein anderes Beispiel wäre vermutlich auch Caravaggio. Aber man könnte auch aus dem 20. Jahrhundert viele Beispiele nennen. Wenn die Wahrnehmung des Schönen seine Verehrer nicht daran hindert, in nationalistisches Pathos zu verfallen und Kriegsaufrufe zu unterschreiben (z.B. das Manifest der 93),[22] dann ist Kultur zu einer ethisch fragwürdigen Größe geworden. Kultur für sich ist noch kein positiver ethischer Wert, Kultur hindert an keiner Barbarei. Spätestens die erschreckende Erfahrung, dass Goethe- und Schillerverehrer auch Konzentrationslager bauen, beschädigt alle Modelle, die der ästhetischen Wahrnehmung Gutes zuschreiben.[23] Das wusste Karl Kraus schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts:

Die Deutschen sind das Volk der Dichter und Denker.
Drum eben nannt' ich sie das Volk der Richter und Henker.
[24] 

Dass sie nicht aus der Sache heraus zum Guten (ver-)führt, spricht aber nicht gegen die ästhetische Erfahrung und deren Reflexion in der philosophischen Ästhetik, es gibt eben nur keine funktionale Logik von der Ästhetik zur Ethik.

Aisthetik und Ästhetik

Produktiv finde ich die von Dorothea Erbele-Küster diskutierte Möglichkeit, genauer zwischen Aisthesis (als sinnlicher Wahrnehmungslehre) und Ästhetik (als sinnlich-reflexives Kunsturteil) zu unterscheiden, auch wenn sie sich im Folgenden eher der Lösung von Wolfgang Welsch im Sinne eines in Richtung Aisthesis erweiterten Ästhetik-Begriffs anschließt (S. 26).

Leider hat sich die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingeführte, überaus erhellende und produktive Differenzierung zwischen Aisthetik (sinnliche Wahrnehmung) und Ästhetik (sinnlich-reflexive Wahrnehmung) nicht durchgesetzt.[25] Sie wäre aber meines Erachtens gerade bei den von Erbele-Küster in den Blick genommenen biblischen Texten produktiv gewesen.

„Die an der Kunst zu machende ästhetische Erfahrung ist als ein sinnlicher Erfahrungsmodus an die Betätigung der Sinnesorgane gebunden. Zugleich überschreitet die ästhetische Erfahrung die Unmittelbarkeit sinnlicher Erfahrung. Die Künste zeigen, was es heißt, im Medium der Sinne Erfahrungen zu machen. Bei der an den Künsten zu machenden ästhetischen Erfahrung verbindet sich die Sinnlichkeit mit einer reflexiven Haltung. Aus diesen Andeutungen geht schon hervor, dass die Theorie der Sinnlichkeit für die Ästhetik eine im wesentlichen heuristische Funktion hat. Die Ästhetik muss auf mehr rekurrieren als auf die sinnlichen Erfahrungsmodalitäten, will sie die ästhetische Erfahrung in ihrer Totalität erfassen. Dieses Plus, das in der ästhetischen Erfahrung zum Tragen kommt, möchte ich - dem Sprachgebrauch der Tradition folgend - als Reflexion kennzeichnen.“[26] [Heinz Paetzold]

Ich kann nachvollziehen, warum in der Folge der Lebenskunst-Debatte die Orientierung an der Aisthetik plausibler und vor allem allgemeiner und alltagsweltlicher erscheint als an der eher als elitär erscheinenden Ästhetik, aber halte à la longue die philosophische Ästhetik für die grundlegendere und weiterführende Begrifflichkeit.

Nebenbei bemerkt: Den hier gemeinten Sachverhalt finde ich, wie ich an anderer Stelle in diesem Magazin ausgeführt habe, nicht zuletzt kirchenpolitisch relevant, erlaubt er es doch, die aisthetische Kehre der evangelischen Kirche (im Sinne einer neuen Oberflächenstruktur und einer Fokussierung auf die Spiritualität) mehr oder weniger präzise von einer wirklichen ästhetischen Reform des Protestantismus (im Sinne einer sinnlich-reflexiven Durchdringung von Form und Inhalt) zu unterscheiden.[27]

Intermezzo: Die verschiedenen Regime der Identifikation der Künste

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an jene Differenzierungen erinnern, die der Philosoph Jacques Rancière im Blick auf verschiedene Regime der Künste vorgenommen hat. Ich wiederhole daher noch einmal einiges von dem, was ich bereits 2012 in Heft 75 ausführlicher beschrieben habe.[28] Innerhalb des historischen Rahmens, so sagt Rancière,

„bestimmen sich die Regimes der Identifikation der Künste, das heißt die Regimes der Wahrnehmung und des Denkens, die bestimmte Tätigkeiten abteilen, die als Künste anerkannt werden, als Schöne Künste oder als Kunst. Diese Unterteilungen sind immer eine Weise des Einschnitts in eine Vielzahl von Aktivitäten, die eine bestimmte Kunst … ins Werk setzen und sie einem bestimmten sinnlichen Milieu zuordnen. Sie definieren also immer eine bestimmte Form der Aufteilung des Sinnlichen. Ich habe vorgeschlagen, jene Aufteilung ein ethisches Regiment zu nennen, indem die Tätigkeiten, die wir die Künste nennen, nicht als autonome verstanden werden … Ich habe vorgeschlagen, jenes Regime ein poetisches Regime oder ein Regime der Repräsentation zu nennen, welches eine eigene sinnliche Sphäre der mimetischen Aktivitäten bestimmt.“[29]

Dieses Regime hat noch nichts mit dem zu tun, was wir heute „Kunst“ nennen, aber er hat Nachwirkungen bis in die Gegenwart. Denn sowohl das ethische Regime wie das „Regime der Repräsentation“ sehen viele Menschen als die entscheidenden Regime der Kunstqualifizierung an. Kunst ist das, was bestimmten Regeln folgt, was Sachverhalte abbildet usw. und dementsprechend nach dem korrekten Regelgebrauch bzw. dem angemessenen Abbildungsverhältnis (z.B. im Blick auf das Soziale) beurteilt werden kann. Aus diesem Grunde können Theologen schreiben, die Kunst der Predigt oder die Kunst des Gottesdienstes sei schlecht entwickelt. Das aber macht nur Sinn, wenn Kunst einem Regelset folgt (den man lernen und damit auch vermitteln kann) oder nach Kriterien der Re­präsentation beurteilt werden kann (die dann kritisch zur Kunstbewertung herangezogen werden können). Das ist aber deutlich ein vormodernes, eher am Handwerk bzw. der technē orientiertes Verständnis von Kunst, das im kreativen Können das Ziel der Tätigkeit sieht. Mit dem sich in der Aufklärung und dann vor allem in der Moderne entwickelnden Verständnis von Kunst hat das aber wenig zu tun. Deshalb setzt Rancière vom ethischen bzw. poetischen Regime nun ab, was er das „ästhetische Regime“ nennt:

„Ich nenne ästhetisches Regime ein Regime, welches keine Form der Entsprechung mehr, das heißt keine Hierarchie dieser Art voraussetzt. Dieses System qualifiziert die Dinge der Kunst nicht nach den Regeln ihrer Produktion, sondern nach ihrer Zugehörigkeit zu einem besonderen Sensorium und zu einem spezifischen Erfahrungsmodus … Nur in diesem Regime existiert die Kunst als solche, und nicht mehr einfach die Künste oder die schönen Künste, nur in diesem Regime hat die Kunst eine Geschichte ... und eigene Institutionen: die Statue eines griechischen Gottes, eine Darstellung der Kreuzigungsszene, ein Königsporträt oder eine flämische Wirtshausszene unterstehen im Museum alle der gleichen indifferenten Betrachtung der ursprünglichen Zielsetzung der Werke und der Ausarbeitung ihrer Sujets.“[30]

Die Vergleichgültigung der (religiösen) Kunstwerke im Museum, die bis in die Gegenwart so viele Betrachter (und nicht zuletzt viele Theologen) schmerzt, ist zugleich eines der wesentlichen und vor allem konstitutiven Elemente eines zeitgenössischen Verständnisses von Kunst als Gegenstand ästhetischer Erfahrung. Nicht das künstlerische Können im Sinne der Befolgung eines Regelsets, nicht die Bedeutung des Sujets generiert die Bedeutung des Werks und auch nicht die angemessene Repräsentation eines außerästhetischen Themas. Mit dem ästhetischen Regime verfügen wir über einen Terminus, der bezeichnet, wie wir heute Kunst als Kunst identifizieren. Erst unter diesem Aspekt nehmen wir das betrachtete Objekt als autonomen, für sich selbst stehenden ästhetischen Gegenstand wahr. Das ist die Schlussfolgerung aus den Ausführung Friedrich Schillers in den Briefen zur ästhetischen Erziehung, die er am Beispiel der Göttin Juno exemplifiziert.[31]

Man kann diese Differenzierung durch Rancière nun heuristisch auf die Interpretation biblischer Texte anwenden und schauen, wie produktiv das ist. Was passiert, wenn wir biblische Texte mit ethischen Fragestellungen, mimetischen Fragestellungen oder ästhetischen Fragestellungen (Regimes) betrachten?

Ein ethisches Regime biblischer Texte wird man dort erkennen können, wo diese vorrangig nicht als autonome literarische Texte bzw. Kunstwerke verstanden werden, sondern dazu dienen, bestimmte religiöse und/oder ethische Maximen in eine anspruchsvolle Gestalt – und sei es die Lebenskunst - umzusetzen. Der biblische Begriff des Guten, grundsätzlich eher funktionalistisch angelegt, deutet in diese Richtung. Unter diesem Regime wird auch das Ästhetische der biblischen Texte als ethische Vorleistung interpretiert werden. Gegenüber dem Eigentlichen – dem Guten – bleibt das Ästhetische aber sekundär. Es ist ein Mittel zu diesem zu verführen. Ein poetisches Regime biblischer Texte wird man dort erkennen können, wo biblische Texte nach formalen Kriterien der Literaturwissenschaften klassifiziert werden, also ein Regelset zur Geltung kommt. Ein ästhetisches Regime biblischer Texte liegt da vor, wo das Ästhetische des untersuchten Textes selbst, sein Fürsichsein, im Zentrum steht. Genau darin kann man nun, wie Schelling, wie Schopenhauer, wie Adorno, wie Ranciere es getan haben, ein ethisches Moment entdecken. „Kunst offenbart uns die Welt nicht, wie sie ist - das wäre Aufgabe der Erkenntnis, und ebenso wenig, wie sie sein soll - das wäre praktische Verwirklichung des Intelligiblen. Kunst zeigt Welt, wie sie wäre, wenn sie in sich und d.h. ohne unser Zutun sinnvoll strukturiert wäre“.[32] Dies widerspricht aber der Formel des „Verführung zum Guten“.

Untersuchungsebenen

Herausfordernd wird das Arbeitsfeld meines Erachtens auch dadurch, weil das Ästhetische sich auf mindestens drei elementaren Ebenen ereignen kann:

Denn zum einen kann ein biblischer Text von Ästhetischem (Kunst, Gestaltung, Schönem) handeln, ohne dabei sich selbst den Kriterien einer ästhetischen Gestaltung zu unterwerfen. Zum zweiten kann ein biblischer Text selbst literarisch ästhetisch aufgebaut sein, ohne dabei zwingend selbst Ästhetisches zum Gegenstand zu haben; auch die Kreuzigung könnte so ästhetisch dargestellt werden. Und drittens kann jener Text, in dem der biblische Text untersucht wird, selbst noch einmal ästhetisch gestaltet sein, ohne dass der untersuchte Text ästhetisch gestaltet sein oder Ästhetisches zum Inhalt haben muss.

In diesem Sinne kann man etwa die textliche Gestaltung des Buches „Kassandra und Jona. Gegen die Macht des Schicksals“ von Jürgen Ebach in der Form der ästhetischen Verknüpfung als Kon-Figuration als Beispiel nehmen.[33] Hier geht es auch um eine ästhetische Konstellation eines als ästhetisch aufgefassten Untersuchungsgegenstandes. Man könnte auch den Talmud als ein grundlegend ästhetisch angelegtes Textkonvolut bezeichnen. Die Wende vom Bleisatz-Buchdruck zum Computersatz, die eigentlich derartige Kon-Figurationen wieder ermöglicht hätte, hat – von wenigen Ausnahmen abgesehen – leider keine entsprechenden Ergebnisse gebracht.

In diesem Sinne wäre also zu fragen, was uns nun „zum Guten verführt“? Ist es der Inhalt des Textes, der uns z.B. beschreibt, wie Eva aus als sinnlich-reflexiv zu beschreibenden Gründen zur Frucht greift?[34] Oder ist es die ästhetische Gestaltung des Bibeltextes der Genesis, der die Leserinnen und Leser einlädt, sich auf die Erzählung vom Garten Eden einzulassen und ihm so selbst eine ästhetische Erfahrung vermittelt? Oder ist es die spezifisch theo-ästhetische Konstellation, die die Theologin / Exegetin des 21. Jahrhunderts vornimmt, um den biblischen Text mit seiner Erzählung zu einer vielleicht durchaus neuartigen Erkenntnis zu bringen? Denn klar ist ja zumindest, dass die biblischen Erzähler mit den neuzeitlichen Ästhetik-Konzeptionen zumindest in der Tradition Kants (Zweckmäßigkeit ohne allen Zweck) nichts hätten anfangen können. Jedes Mal konfiguriert sich die unterstellte ästhetische Verführung zum Guten anders.

Verführung zum Guten?

Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet mag noch einmal dazu verhelfen, dem Problem etwas genauer auf die Spur zu kommen. Im Artikel „Gut / Gutes (AT)“ fasst Jörn Kiefer den allgemeinen Erkenntnisstand zunächst so zusammen:

„Keiner der philosophischen Definitionsversuche hat im neuzeitlichen Diskurs allgemeine Anerkennung gefunden: weder die metaphysische Bestimmung, wonach das Gute objektiv vorgegebene Idee (Platon) oder Zielvorstellung (Aristoteles) ist, noch die Reduktion des Guten auf streng subjektive Kategorien wie die des Angenehmen (Hedonismus) oder des Nützlichen (Utilitarismus). Aus dem sprachlich-philosophischen Befund lassen sich nur wenige konsensfähige Charakteristika für das Gute festhalten:

1.    Das Gute ist keine objektiv fassbare, absolute Größe, sondern es gibt Gutes in vielerlei Beziehung. Immer ist es gut für oder in Bezug auf etwas oder jemanden. Das Gute ist also stets relational.

2.    Das Gute ist keine Eigenschaft, sondern ein Werturteil und damit immer subjektiv.

3.    Das Gute ist attraktiv. Es erweist sich, indem es sich als die bessere Alternative präsentiert und zwar hinsichtlich der Eignung, Zweckmäßigkeit und Funktionalität für das, was das Wesen eines Dinges bzw. Lebewesens oder den Sinn einer Handlung ausmacht.

Das heißt 4.: das Gute ist immer funktional zu bestimmen.“[35]

Ich vermute, es ist von allen vier Punkten vor allem der dritte Punkt, der in einer gewissen Perspektive sich scheinbar zwanglos mit der ästhetischen Erfahrung verbinden lässt. Das Gute verführt. Darin besteht ein Konsens. Strittig ist, ob das Ästhetische dazu als Mittel gedacht werden kann. Denn die Anziehungskraft des Guten ist biblisch als eine durch und durch funktionale Anziehungskraft gedacht.

„Beim Tun des Guten geht es im alttestamentlichen Sinne nicht um die Aufrechterhaltung bleibender Werte, sondern immer wieder um ein aktives Entscheiden und Tun. Die Wahl des Guten wird deshalb sehr treffend als das Beschreiten eines Weges beschrieben: Das Gute hat eine Funktion, ein Ziel. Es dient dem Leben.“

Und dort, wo in der Bibel das Schöne in den Blick kommt, ist es eben auch funktional gedacht: es ist kein freies Schönsein für sich in einem modernen Sinn, sondern „ein Schönsein für …“ (Claus Westermann). In diesem funktionalistischen Sinn kann daher das Gute und das Schöne biblisch (AT und NT) zusammengedacht werden. Das ist seit der Aufklärung, seit Kant und seinen Nachfolgern so nicht mehr denkbar. Sie entkoppeln radikal die ästhetische Erfahrung von der Funktionalität, das ästhetische Urteil vom ethischen Urteil, vom Erkenntnisurteil und auch vom Angenehmen. Ihre eigentliche Bedeutung, ihre Widerständigkeit bekommt sie in ihrer Funktionslosigkeit, die ihre Freiheit begründet.

"Allein das ästhetische Urteil ist ein freies Urteil und begründet ein freies Wohlgefallen. Das moralische Urteil kennt diese Freiheit nicht ... Auch das theoretische Erkenntnisurteil ist nicht frei, sondern an die Gesetzlichkeit des Verstandes gebunden. Am wenigsten ist das pathologisch bestimmte Urteil über das Angenehme (das Sinnenurteil) frei, weil die subjektive Empfindung dort das einzige Kriterium ist. - Da der ästhetisch Betrachtende vom schönen Ding nichts begehrt, nichts erkennen, verändern oder genießen und konsumieren will, weil er … dem Gegen­stand seine Freiheit lässt, deshalb bleibt er selbst in seinem Urteil über es frei.“[36]

Das ist der Kern der modernen Ästhetik nach Kant. Darin kann man nun, ohne es zu funktionalisieren, selbst ein ethisches Moment sehen. Aber das wäre eine Gratwanderung.

„Soweit von Kunstwerken eine gesellschaftliche Funktion sich prädizieren lässt, ist es ihre Funktionslosigkeit. Sie verkörpern durch ihre Differenz von der verhexten Wirklichkeit negativ einen Stand, in dem, was ist, an die rechte Stelle käme, an seine eigene. Ihr Zauber ist Entzauberung. Ihr gesellschaftliches Wesen bedarf der Doppelreflexion auf ihr Für­sich­sein und auf ihre Relationen zur Gesellschaft.“[37]

Gerade weil die Kunst, weil das ästhetische Objekt eben nicht zum Guten verführt, sondern frei für sich steht, könnte man in ihr ein ethisches Moment im Sinne einer Utopie sehen. Nur:

„Zentral unter den gegenwärtigen Antinomien ist, dass Kunst Utopie sein muss und will und zwar desto entschiedener, je mehr der reale Funktionszusammenhang Utopie verbaut; dass sie aber, um nicht Utopie an Schein und Trost zu verraten, nicht Utopie sein darf. Erfüllte sich die Utopie von Kunst, so wäre das ihr zeitliches Ende.“[38]


Anmerkungen

[1]    Erbele-Küster, Dorothea (2007): „Alle Menschen werden Schwestern“. Vom Umgang mit „männlichen Söhnen“. In: tà katoptrizómena - Magazin für Kunst | Kultur | Theologie | Ästhetik, Jg. 9, H. 49. www.theomag.de/49/dek1.htm. Erbele-Küster, Dorothea (2010): Reinventing Ritual. In: tà katoptrizómena - Magazin für Kunst | Kultur | Theologie | Ästhetik, Jg. 12, H. 63. www.theomag.de/63/dek2.htm.

[5]    Erne, Thomas (1998): Vom Fundament zum Ferment. Religiöse Erfahrung mit ästhetischer Erfahrung. In: Jörg Herrmann, Andreas Mertin und Eveline Valtink (Hg.): Die Gegenwart der Kunst. Ästhetische und religiöse Erfahrung heute. München: Fink, Wilhelm, S. 283–295. Erne, Thomas (1994): Lebenskunst. Aneignung ästhetischer Erfahrung. Ein theologischer Beitrag zur Ästhetik im Anschluss an Kierkegaard. Kampen: Kok Pharos (Studies in philosophical theology, 11).

[6]    Gehring, Hans-Ulrich (1997): Textbegängnis als Kategorie biblischer Textrezeption. In: Barbara Heller (Hg.): Kulturtheologie heute? [Dokumentation einer Tagung der Evangelischen Akademie Hofgeismar in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft "Theologie und Ästhetik" 6. - 9. Juni 1996]. Hofgeismar: Evang. Akad (Hofgeismarer Protokolle, 311), S. 49–53.

[7]    Wolfgang Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Göttingen 1985, S. 12.

[8]    Erlemann, Kurt (2017): Fenster zum Himmel. Gleichnisse im Neuen Testament. 1. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S. 13.

[9]    Schmid, Wilhelm (1999): Philosophie der Lebenskunst. Eine Grundlegung. 5., korr. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 1385).

[10]   So Luther, Henning (1999): Subjektwerdung zwischen Schwere und Leichtigkeit - (auch) eine ästhetische Aufgabe? In: Dietrich Neuhaus und Andreas Mertin (Hg.): Wie in einem Spiegel. Begegnungen von Kunst, Religion, Theologie und Ästhetik: Haag + Herchen GmbH, S. 33–53.

[11]   Vgl. Verf. (1988): Der allgemeine und der besondere Ikonoklasmus. Bilderstreit als Paradigma christlicher Kunsterfahrung. In: Andreas Mertin und Horst Schwebel (Hg.): Kirche und moderne Kunst. Eine aktuelle Dokumentation. Frankfurt am Main: Athenäum Verlag, S. 146–168. Dort vor allem die Abschnitte „Ikonoklasmus ist jede Form der Auseinandersetzung mit moderner Kunst, die das freie Spiel der Sinnes- und Verstandeskräfte gegenüber dem ästhetischen Objekt zugunsten einer begrifflichen Fixierung vernachlässigt oder still stellt“ sowie „Als ‘legitimer’ Ikonoklasmus lässt sich das Spannungsverhältnis zwischen Theologie und Kunst bezeichnen, in dem die theologische Hermeneutik ästhetische Erfahrung momentan still stellt, um aus ihr Erkenntnisse für die Theologie zu gewinnen.“

[12]   Menke, Christoph (1993): Umrisse einer Ästhetik der Negativität. In: Franz Koppe (Hg.): Perspektiven der Kunstphilosophie. Texte und Diskussionen. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 951), S. 191–216.

[13]   Menke, Christoph (1991): Die Souveränität der Kunst. Ästhetische Erfahrung nach Adorno und Derrida. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

[14]   Lehnerer, Thomas (1994): Methode der Kunst. Würzburg: Königshausen & Neumann.

[15]   Rancière, Jacques (2008): Das Unbehagen in der Ästhetik. Unter Mitarbeit von Peter Engelmann und Richard Steurer. 2., überarb. Wien: Passagen Verl (Passagen Forum). Rancière, Jacques (2008): Ist Kunst widerständig? Berlin: Merve-Verl (Internationaler Merve-Diskurs, 310).

[16]   Vgl. Jauß, Hans Robert (1981): Die Mythe vom Sündenfall (Gen 3) - Interpretation im Lichte der literarischen Hermeneutik. In: Manfred Fuhrmann, Hans Robert Jauß und Wolfhart Pannenberg (Hg.): Text und Applikation. Theologie, Jurisprudenz und Literaturwissenschaft im hermeneutischen Gespräch: Fink, Wilhelm (Poetik und Hermeneutik, IX, 1978), S. 25–35.

[17]   Dietrich Neuhaus und Andreas Mertin (Hg.): Wie in einem Spiegel. Begegnungen von Kunst, Religion, Theologie und Ästhetik: Haag + Herchen GmbH, S. 33–53.

[18]   Scheer, Brigitte (1997): Einführung in die philosophische Ästhetik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 72.

[19]   Adorno, Theodor W. (2004): Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. In: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften in 20 Bänden, Bd. 4: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft).

[20]   Vgl., Verf. (1994): Die ästhetische Kritik der Ethik in Theodor W. Adornos "Minima Moralia". Marburg/Lahn. Online verfügbar unter http://www.amertin.de/aufsatz/1994/magister0.htm.

[21]   https://de.wikipedia.org/wiki/Benvenuto_Cellini. Vgl. Auch Cellini, Benvenuto; Laager, Jacques (2000): Mein Leben. Die Autobiographie eines Künstlers aus der Renaissance. Zürich: Manesse-Verl (Manesse-Bibliothek der Weltliteratur).

[23]   Die Idee einer konstitutiven Beziehung von Ästhetik und Ethik wäre am Phänomen der „Häftlingsorchester“ noch einmal genauer zu untersuchen. https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4ftlingsorchester

[24]   Kraus, Karl (1917): In eigener Regie, Fackel Nr. 472-473, S. 14

[25]   Paetzold, Heinz (1999): Ästhetische Erfahrung als Einheit von Sinnlichkeit und Reflexion. In: Dietrich Neuhaus und Andreas Mertin (Hg.): Wie in einem Spiegel. Begegnungen von Kunst, Religion, Theologie und Ästhetik: Haag + Herchen GmbH, S. 87–112.

[26]   Paetzold, Heinz (1990): Ästhetik der neueren Moderne. Sinnlichkeit und Reflexion in der konzeptionellen Kunst der Gegenwart. Stuttgart: Steiner. S. 17.

[27]   Vgl. Verf. (2010): Ästhetischer müssten die Evangelischen sein! Notizen zur kulturellen Geisteslage des Protestantismus. In: tà katoptrizómena - Magazin für Kunst | Kultur | Theologie | Ästhetik, Jg. 12, H. 63. Online verfügbar unter http://www.theomag.de/63/am300.htm.

[28]   Verf. (2012): Die Politik der Ästhetik. Ein Versuch, von Jacques Rancière zu lernen. In: tà katoptrizómena - Magazin für Kunst | Kultur | Theologie | Ästhetik, Jg. 14, H. 75. Online verfügbar unter http://www.theomag.de/75/am379.htm.

[29]   Rancière, Jacques (2008): Ist Kunst widerständig? Berlin: Merve-Verlag (Internationaler Merve-Diskurs, 310), S. 37-90, hier S. 39f.

[30]   Rancière, Jacques (2008): Ist Kunst widerständig?, a.a.O., S. 40f.

[31]   Schiller, Friedrich (1981): Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. [Nachdr.]. Stuttgart: Reclam. https://www.theomag.de/75/frs1.htm

[32]   Bubner, Rüdiger (1989): Mutmaßliche Umstellungen im Verhältnis von Kunst und Leben. In: Rüdiger Bubner: Ästhetische Erfahrung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp (Edition Suhrkamp, 1564), S. 121–142, hier S. 127.

[33]   Ebach, Jürgen (1987): Kassandra und Jona. Gegen die Macht des Schicksals. Frankfurt am Main: Athenäum Verlag.

[34]   Vgl. Verf. (1985): Asche im Herzen - feuchtes Gehirn? Eine kleine Apologie der biblischen Eva. In: Horst Schwebel (Hg.): Die andere Eva. Wandlungen eines biblischen Frauenbildes. Menden: Trapez-Verl. Online verfügbar unter http://www.amertin.de/aufsatz/1985/eva.htm.

[36]   Scheer, Brigitte (1997): Einführung in die philosophische Ästhetik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

[37]   Adorno, Theodor W. (2014): Ästhetische Theorie. 5. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, 1707). S. 337.

[38]   Ebd. 55.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/123/am685.htm
© Andreas Mertin, 2020