Ethik und Ästhetik |
„Freude schöner Götterfunken ...“Über Friedrich SchillerThomas O. H. Kaiser Im Jahr 2020 wird von Kulturinstituten in Deutschland und von Kulturbeflissenen in aller Welt die Wiederkehr des 250. Geburtstags Ludwig van Beethovens gefeiert.[1] In aller Ohren ist heute seine Musik durch den letzten Satz seiner neunten Symphonie, die zur Hymne der Europäischen Union und des Europarates wurde. Ich möchte mich auf dem Hintergrund des Beethoven-Jahres jenem genialen Dichter widmen, dem die Welt die Ode ‘An die Freude’ zu verdanken hat, dem Lied, das später von Beethoven kongenial vertont wurde: Friedrich Schiller.[2] Heute in Vergessenheit geraten, ist es früheren Generationen selbstverständlich gewesen, etwas von dem, was der große deutsche Dichter der Freiheit geschrieben hatte, in der Schule zu lesen oder gar auswendig zu lernen, etwa Schillers ‘Lied von der Glocke’:
Zwar sind Schiller und Goethe[4] nach wie vor im Lehrplan der Schulen präsent; der heutigen Schülergeneration scheint ihr Werk aber sehr weit weg von ihrer Lebenswirklichkeit zu sein.[5] Es scheint relativ unklar zu sein, wer Schiller eigentlich gewesen ist und was für ein Werk er der Nachwelt hinterlassen hat. Doch auch die älteren Bürger*innen Deutschlands haben mit Schiller derzeit wenig am Hut. Auch hier scheint das Medium Bild das Medium Text verdrängt zu haben. Ganz ähnlich sieht es innerhalb der evangelischen Theologie aus: Schiller und Goethe scheinen in der Bedeutungslosigkeit verschwunden zu sein. Der Grund dafür ist vermutlich der Frontalangriff der Dialektischen Theologie vor hundert Jahren.[6] Sie hatte bekanntlich im letzten Jahrhundert mit dem ‘Kulturprotestantismus’, zu dem auch die Weimarer Klassik bis dahin selbstverständlich dazugehörte, radikal gebrochen und den absoluten Gegensatz von Gott und Mensch herausgestellt. Dialektische Theologen wie Karl Barth[7], Emil Brunner[8] oder Friedrich Gogarten[9] wurden zu Totengräbern der liberalen Theologie. Klar war jetzt: ‘Gott ist im Himmel und du, Mensch, bist auf Erden’ und die Auferstehung, nicht das Kreuz, ist die eigentliche Mitte der Offenbarung![10] Der Religionsbegriff des Idealismus, von ihnen massiv bekämpft und nachhaltig diskreditiert, wurde auf lange Sicht ins Abseits geschoben. Erst allmählich erholten sich Theologie und Kirche von diesem literarischen und theologischen Großangriff.[11] Ansätze zeitgenössischer postdialektischer Theologen wie Wilhelm Gräb[12] oder Klaas Huizing[13] nahmen nicht nur moderne geistesgeschichtliche Strömungen, sondern auch die deutschen Klassiker wieder auf und versuchten eine theologische Korrektur der dialektisch-theologischen Bilderstürmer vorzunehmen sowie eine Rehabilitierung der liberalen Theologie.[14] Doch nun, Vorhang auf: Wer war jetzt gleich nochmal Friedrich Schiller? Geboren wird Schiller am 10. November 1759 in Marbach am Neckar.[15] Sein Vater Johann Caspar Schiller[16] ist Militärarzt aus dem Württembergischen und später Leiter der herzoglichen Hofgärtnerei auf dem Schloss Solitude bei Gerlingen/Stuttgart (1775); seine Mutter Elisabetha Dorothea Schiller[17] ist Bäckermeisters- und Wirtstochter. Die Familie ist evangelisch. Schiller wird wegen der damals hohen Kindersterblichkeit einen Tag nach seiner Geburt auf den Namen Johann Christoph Friedrich getauft[18] und als Jugendlicher, wie bis heute allgemein üblich, vierzehn Jahre später konfirmiert.[19] Fünf Jahre nach seiner Geburt 1764 zieht die Familie nach Lorch im Remstal um, weil Vater Schiller, als Hauptmann und Werbeoffizier viel im Ländle unterwegs, in Schwäbisch Gmünd stationiert ist. Die Familie vergrößert sich: Von 1766 bis 1773 werden weitere Schwestern Schillers geboren. 1767 erfolgt der Umzug der Familie nach Ludwigsburg.[20] Dort besucht der kleine Fritz, wie er genannt wird, die Lateinschule Vorläuferin des humanistischen und altsprachlichen Gymnasiums, in der die Schüler auf einen geistlichen Beruf oder auf ein späteres Universitätsstudium vorbereitet werden; erste Theaterstücke entstehen. Schillers Kindheit wird als idyllisch beschrieben, obwohl der Junge häufig krank ist.[21] Er möchte eigentlich Theologie studieren; auf herzoglichen Befehl hin muss er jedoch eine militärisch-medizinische Ausbildung absolvieren, zudem noch gegen den Willen seiner Eltern.[22] 1773 tritt er in die Stuttgarter Karlsschule auf der Solitude ein, in diese ‘militärische Pflanzschule’, wie sie genannt wird, eine Art Internat mit Kasernenleben. Die Militärakademie wird 1775 in die Stuttgarter Innenstadt verlegt. Dort studiert Schiller zuerst Jura, dann wechselt er zur Medizin. 1776 erscheint sein erstes Gedicht ‘Der Abend’ im Druck. 1779 besteht Schiller die ersten medizinischen Examina und ein Jahr später, 1780, wird er promoviert und darf die Militärakademie verlassen.[23] Die Dichtung aber fesselt ihn und lässt ihn nicht los. Es ist die Zeit der Aufklärung[24], jene Zeit also, in der sich die Zeitgenoss*innen ihres eigenen Verstandes bedienen und von der Bevormundung durch die katholische Kirche und von gesellschaftlichen Zwängen frei sein wollen. Schiller hat es der ‘Sturm und Drang’[25] angetan, insbesondere schätzt er die Werke des Dichters der Empfindsamkeit, Friedrich Klopstock[26]. Er tritt eine Stelle als Regimentsmedikus in der Herzoglich Württembergischen Armee in Stuttgart an. Sein Sold ist dürftig, die Aufstiegschancen als Truppenarzt mehr als gering. Zivilist*innen darf er nicht behandeln und er selbst darf auch keine zivile Kleidung tragen, wie er es sich eigentlich gewünscht hatte. 1782 wird sein Freiheitsdrama ‘Die Räuber‘[27] in seinem Beisein in Mannheim uraufgeführt. Es macht Schiller gewissermaßen über Nacht berühmt. Besonders Jugendliche feiern den Shootingstar der deutschsprachigen Theater- und Literaturszene und gründen in Süddeutschland ‘Räuberbanden’. Schiller war allerdings zur Uraufführung seiner ‘Räuber’ in Mannheim ohne offizielle Urlaubserlaubnis gereist. Als er vier Monate später seinen Ausflug wiederholt, wird er von Herzog Carl Eugen[28] mit vierzehntägigem Arrest bestraft. Die Obrigkeit wirft ihm vor, sich unerlaubt von seinem Arbeitsplatz entfernt zu haben. Es ist Schiller künftig untersagt, in die Kurpfalz, insbesondere nach Mannheim, zu reisen und sich dort aufzuhalten. Als sein Landesherr ihm Festungshaft androht und ihm jede weitere nicht-medizinische Veröffentlichung untersagt, er sozusagen Schreibverbot erhält, begeht Schiller im September 1782 Fahnenflucht und verlässt Stuttgart auf Nimmerwiedersehen.[29] Mit seinem Freund Andreas Streicher[30] findet der Deserteur Zuflucht in Mannheim. Er bringt dort sein zweites Stück, ‘Die Verschwörung des Fiesco zu Genua’[31], auf die Bühne. Schiller taucht dann im thüringischen Bauerbach bei Meiningen, auf dem Landsitz von Freifrau Henriette von Wolzogen[32], seiner Gönnerin, unter. Unter dem Pseudonym Dr. Ritter beendet er dort die Arbeit an ‘Luise Millerin’ das Stück erhält später den Titel ‘Kabale und Liebe’, weil es sich mit dem Titel besser vermarkten lässt.[33] Im September 1783 tritt Schiller am Mannheimer Nationaltheater die Stelle eines ‘Theaterdichters’ an.[34] In diesem Jahr erkrankt er am ‘kalten Fieber’ ein anderer Name für Malaria. Starke Fieberanfälle, die sich wiederholen, schwächen ihn. Er behandelt sich selbst, allerdings falsch: Über Wochen isst er nur Wassersuppen und fiebersenkende Chinarinde, was dazu führt, dass er noch schwächer wird. 1784 verleiht Herzog Carl August von Sachsen-Weimar[35] dem Kranken, um ihn aufzumuntern, den Titel eines fürstlichen Weimarischen Rats. Da sein Vertrag am Mannheimer Theater nicht verlängert wird und ihn permanent Geldnöte plagen, reist Schiller im April 1785 in neuntägiger Fahrt nach Leipzig zu Christian Gottfried Körner[36], der ihm aus seiner finanziellen Notlage hilft und ihm großzügig Gastfreundschaft gewährt: Er wohnt zunächst in einem umgebauten Bauernhaus in dem Dörfchen Gohlis, nahe bei Leipzig, und folgt dann im September 1785 Körners Einladung nach Dresden. Dieser bietet ihm Quartier in einem pavillonartigen Gartenhäuschen in seinem Weinberg in Loschwitz und fördert ihn.[37] Schiller bleibt 1786 und 1787 in dessen Sommersitz. Der Legende nach entstehen hier das Drama ‘Don Karlos’[38] und im Oktober/November 1785 seine Ode ‘An die Freude’, Schillers berühmtes pathetisches Loblied auf die Humanität, die Gleichberechtigung und die Freundschaft, das mit der Melodie Ludwig van Beethovens bekanntlich heute die Europahymne ist:[39] Im Juli 1787 reist Schiller, inzwischen 27jährig, nach Weimar, wo die von ihm verehrten Geistesgrößen Goethe, Herder[40] und Wieland[41] leben, und macht die Bekanntschaft von Charlotte von Kalb[42]. Mit der verheirateten Adligen fängt Schiller ein Verhältnis an damals nichts Ungewöhnliches: Da Eheschließungen im Adel in der Regel materielle Gründe haben und keine Liebesheiraten sind, haben Ehefrauen damals mehr oder wenig offen, für alle sichtbar und von den Gatten häufig toleriert sog. ‘Kavaliere’. Das Leben am Weimarer Hof hat viel zu tun mit angemessener Gestik, Mode, Galanterie und Etikette, mit Gunsterweisung und Gunstentzug. Die Damen und Herren parlieren bei Hofe Deutsch mit einem hohen französischen Anteil, sie tragen weiße Perücken und bunt-seidene Mäntel, man tanzt in eng geschnürten Reifröcken Menuette. Bei den Herren blinken und blitzen die Knöpfe und Schuhschnallen, und man feiert gern und ausgiebig ‘Redouten’, Maskenbälle.[43] „Die Damen schnüren sich bis zur Ohnmacht, behängen sich mit Bändchen und türmen ihre Frisuren zu kunstvollen Gebirgen; die Herren tragen Zöpfe, Kniehosen, Wadenstrümpfe und Schnallenschuhe, Rüschchen quellen aus allen Knopflöchern. Man verewigt sich in filigranen Scherenschnitten, Pastellbildern und Miniaturen aus Elfenbein.“[44] Friedrich Schiller und mit ihm das aufstrebende Bürgertum verwirft die dünkelhafte höfische Kultur der moralisch überheblichen Weimarer Gesellschaft mit ihren Opern, Bällen und Empfängen und hält sich stattdessen lieber an schlichte Häuslichkeit, Treue und Bildungslektüre. Der Körperlichkeit des Hofes setzt man Vergeistigung und Verinnerlichung entgegen; man schließt Freundschaften aus Neigung und nicht aus Kalkül und man heiratet aus Liebe. In Weimar macht Schiller die Bekanntschaft von Carl Leonhard Reinhold[45], der ihn in die Philosophie von Immanuel Kant[46] einführt, die ihn stark beeinflussen wird. Was die Menschen von den Dingen, den Gegenständen, erkennen können, so Kant, hängt zum einem von den Formen unseres Verstandes, zum anderen von unserer Anschauung ab von Raum und Zeit. Über das Ding an sich können wir keine Aussagen treffen, so Kant, weil unsere Erkenntnis determiniert ist. Im Blick auf Gott heißt das, dass sich Gottes Existenz weder beweisen noch widerlegen lässt. Daraus folgt, dass es auch auf die vorletzten Fragen nach Sinn, Seele und Unsterblichkeit, selbst nach Freiheit, keine Antwort gibt. Die alten philosophischen Systeme gelten nicht mehr, und so wie die Französische Revolution die gesellschaftliche Ordnung in Frankreich umgewälzt hat, so revolutioniert Kant die Philosophie: ‘Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen’, lautet eine seiner Maximen. Schiller gefällt das: Das freie Spiel der Erkenntniskräfte, das Kant in der ‘Kritik der Urteilskraft’ beschreibt, kommt Schillers Idee einer ästhetischen Erziehung des Menschen entgegen. Für Schiller befreit die Kunst den Menschen nur da, wo er spielt und nicht von Sachzwängen gefesselt wird, ist er ganz frei. Völlig mittellos macht Schiller in Rudolstadt die Bekanntschaft von zwei jungen Damen: die Schwestern Charlotte von Lengefeld[47], 21 Jahre, und Caroline von Lengefeld[48], 24 Jahre alt. Die beiden gut situierten Adligen, zwar unterschiedlichen Temperaments, aber ähnlich gebildet, sind von dem ca. 1,80 m großen Mann im blauen Frack mit dem roten Halstuch, den gelben Beinkleidern und den dunklen Strümpfen fasziniert; er scheint sie mit seinem Esprit aus ihrer Langeweile und dem sie umgebenden Mittelmaß zu erlösen, und es kommt zu einem innigen Verhältnis der beiden mit ihm.[49] Jetzt kommt es auch zu einem näheren Kontakt mit dem zehn Jahre älteren Goethe, der gerade von seiner Italienreise zurückgekehrt war.[50] Anfangs sind sich Goethe und Schiller nicht ganz grün, die erste Begegnung der beiden wird als „frostig“[51] geschildert; die Freundschaft wird sich erst später entwickeln.[52] Am 7. September 1788 begegnen sich beide im Garten der Familie von Lengefeld in Rudolstadt wieder.[53] Die Familie von Lengefeld hat Kontakt zu prominenten Geistesgrößen ihrer Zeit wie Johann Gottfried Herder, Johann Gottlieb Fichte[54] und den Brüdern Wilhelm von Humboldt[55] und Alexander von Humboldt[56] so wird das Treffen von Charlotte von Lengefeld arrangiert. Die Chemie stimmt, die Anziehungskräfte zwischen beiden groß. Auf Goethes Vermittlung hin wird Schiller ein Jahr später, 1789, auf eine Geschichtsprofessur[57] in Jena berufen, damals „so etwas wie der geistig-kulturelle Mittelpunkt Deutschlands“[58], Zentrum der Frühromantik[59] und der „Republik der freien Geister“[60]. Zunächst erhält er kein Gehalt, doch schon ab Februar 1790 verdient er 200 Taler im Jahr für ihn genug, um Pläne für eine Familiengründung zu schmieden. Bereits im Dezember 1789 hatte er brieflich bei der verwitweten Louise von Lengefeld[61] um die Hand ihrer Tochter Charlotte angehalten, und als Louise von Lengefeld ebenfalls brieflich einwilligt, findet am 22. Februar 1790 die kirchliche Hochzeit von Charlotte von Lengefeld und Friedrich Schiller in Jena statt.[62] Die Trauung nimmt Schillers Freund, der Theologe Carl Christian Ehrhardt Schmid[63], Adjunkt der Philosophischen Fakultät, vor. Am 26. und am 27. Mai 1789 hält Schiller, damals 29jährig, seine Antrittsvorlesung seine ‘akademische Antrittsrede’, wie er sie nennt. Darin wendet er sich der Beantwortung der Frage zu, was Universalgeschichte heißt und zu welchem Ende man sie studiert.[64] Die Zahl der Studenten und Schaulustigen nimmt so weit zu, dass ein Umzug in den größten Hörsaal der Stadt, ins ‘Griesbachsche Auditorium’, der bis zu 400 Personen fassen kann, erforderlich wird. Den Abschluss feiern die Studenten mit Musik und dreimaligen Vivat-Rufen. Nur wenige Monate nach der Antrittsvorlesung läutet der ‘Sturm auf die Bastille’ in Paris die Französische Revolution ein: ‘Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit’ lauten die Losungsworte dieser Zeit. Auch die Luft in Deutschland ist revolutionsgeschwängert, die Mächtigen wittern Revolutionsgefahr. Schiller, der sich vor allem für die Freiheit des Denkens, für die Freiheit des Wortes und für die Freiheit der Kunst stark macht, sympathisiert mit den Revolutionären. Er ist jetzt auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Die Ehe läuft gut, vier Kinder[65] werden dem Paar im Laufe des Lebens geboren werden. Die Musen küssen Schiller immerfort[66] und er, „ein Kraftwerk der Anregungen“[67] und der Kreativität, schreibt und veröffentlicht trotz seiner großen körperlichen Beeinträchtigungen ein Werk nach dem anderen: Dramen, historische Arbeiten, philosophisch-ästhetische Schriften, auch viele Gedichte[68] darüber hinaus nicht zu vergessen Schillers Arbeiten als Herausgeber[69]. Herzog Georg I.[70] verleiht Friedrich Schiller anlässlich eines Besuches bei seiner Schwester in Meiningen den Ehrentitel ‘Hofrat’. Schillers finanzielle Verhältnisse verbessern sich nun schlagartig.[71] Doch dann wird Schiller krank lebensgefährlich! In Erfurt bricht er im Januar 1791 während der Neujahrsfeierlichkeiten beim kurmainzischen Statthalter mit hohem Fieber, krampfartigem Husten, Atemnot und Erbrechen zusammen, Erstickungsanfälle und Koliken folgen. Noch elf Tage später spuckt er Blut und es kommt zu Rückfällen: Schüttelfrost, Sprachverlust, krampfartige Unterleibsschmerzen, Ohnmachtsattacken. All das sind Vorboten jener Tuberkulose, an deren Folgen er nur ein paar Jahre später sterben wird. Von dieser Krankheit, mit der er im Verlauf seines Medizinstudiums in Kontakt gekommen war und gegen die es im 18. Jahrhundert noch kein Heilmittel gab, wird sich Schiller nie wieder richtig erholen.[72] Gerüchte, dass er gestorben ist, machen jetzt schon die Runde und erreichen Schiller-Bewunderer in Kopenhagen. Sie veranstalten daraufhin eine Totenfeier. Als man erfährt, dass Schiller lebt, entrichten ihm Mitglieder des dänischen Schiller-Freundeskreises ein Stipendium von 1000 Talern jährlich, drei Jahre lang, um ihm die finanziellen Sorgen während seiner Krankheit abzunehmen.[73] Sicherlich ist Schillers schlechter Gesundheitszustand auch seiner ungesunden Lebensweise geschuldet: Zeitlebens hat er viel getrunken und geraucht, in der Regel hat er bis mittags geschlafen und die Nächte durchgearbeitet.[74] Der weitere Krankheitsverlauf bei ihm ist typisch für eine nicht behandelte Organtuberkulose, die Lunge und Darm befällt, und bei der sich Phasen der Erkrankung und Erholung meist abwechseln. Er ist dadurch gezwungen, seine Vorlesungstätigkeit einzustellen. 1792 verleiht die französische Nationalversammlung Schiller (franz.: ‘Gille’) für seine ‘Räuber’, die die Franzosen als Freiheitskampf gegen die Tyrannei interpretieren, die Ehrenbürgerschaft der Französischen Republik eine Auszeichnung, die auch vererbbar ist.[75] Obwohl Schiller nicht gesund ist, arbeitet er weiter und publiziert unermüdlich seine ‘Geschichte des Dreißigjährigen Krieges’, ‘Neue Thalia’, ‘Über die tragische Kunst’ und, ein Jahr später, ‘Über Anmut und Würde’. Ein Sieg des Geistes über den chronisch erkrankten Körper! 1793 erhält die Familie noch einmal Nachwuchs: Sohn Karl wird geboren. 1794 lernt Schiller den Verleger Johann Friedrich Cotta[76] kennen, der sich bereit erklärt, Schillers Monatszeitschrift ‘Die Horen’[77] und seine Literaturzeitschrift ‘Musen-Almanach’[78], die Schiller von 1796-1800 herausgibt, zu verlegen. 1795 erscheinen Schillers Abhandlung ‘Über naive und sentimentalische Dichtung’ und seine Elegie ‘Der Spaziergang’. Einen Ruf als ordentlicher Professor für Philosophie und Ästhetik an die Universität Tübingen, der ihn in diesem Jahr ereilt, lehnt der Dichter ab. 1796 sterben kurz nacheinander Schillers Vater und seine Schwester Nanette, gleichzeitig wird Schiller daran erinnert, dass das Leben weitergeht: Sein zweiter Sohn Ernst wird geboren; er wird später der Nachlassverwalter seines Vaters. 1797 kauft Schiller in Jena als Zweitwohnung ein Gartenhaus[79] und verbringt dort in den kommenden beiden Jahren viel Zeit mit seiner Familie. Balladen wie ‘Der Taucher’, ‘Der Handschuh’, ‘Der Ring des Polykrates’, ‘Die Kraniche des Ibykus’ entstehen, weshalb 1797 auch das ‘Balladenjahr’ genannt wird; im Jahr darauf folgt u. a. ‘Die Bürgschaft’. Schillers Gedichte idealisieren das Wahre, Gute, Schöne; ihre Themen kreisen ums Genie, um Freiheit und Schönheit sowie um Sehnsucht nach Harmonie von Natur und Kultur, wobei es stets um den Kampf zwischen dem Ideal und der Wirklichkeit geht. Einige der Zitate aus Schillers Werken werden zu geflügelten Worten, wie z. B.: „Die Axt im Haus erspart den Zimmermann“[80], „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“[81], „Früh übt sich, was ein Meister werden will“[82], „Jetzt oder nie“[83], „Der kluge Mann baut vor“[84], „Dem Manne kann geholfen werden“[85], „Raum ist in der kleinsten Hütte“[86] oder „Durch diese hohle Gasse muss er kommen“[87]. Noch heute sind diese Zitate bekannt.[88] Anfang Oktober 1799 wird Schillers drittes Kind, seine Tochter Karoline Henriette Luise, geboren. Nur zwei Monate später, am 3. Dezember 1799, zieht die Familie nach Weimar in eine Mietwohnung um. Schiller hatte „einen Umzug nach Weimar erwogen, der leichteren Luft wegen, er wollte mehr Bewegung haben, nicht zuletzt Goethe näher sein und dem Theater.“[89] Auch der Herzog hatte den Wunsch geäußert, dass der berühmte Dichter sich in Weimar niederlassen sollte. Weimar ist übrigens damals der Ort, an dem sich ehrgeizige, ernsthafte und auch skurrile Menschen treffen einer der Orte, die in Deutschland ‘in’ sind.[90] Hier kommt es jetzt zur Vertiefung der ungewöhnlichen Freundschaft beider Dichter, Goethe und Schiller.[91] Die beiden besuchen sich täglich gegenseitig, Schiller lässt sich gerne in der Sänfte zu Goethes Haus tragen. Geheimrat und Hofrat tauschen sich literarisch, philosophisch und naturwissenschaftlich miteinander aus, diskutieren, kritisieren sich, regen einander an, ermutigen und motivieren sich gegenseitig.[92] Diese intensiven, besonders Schiller vitalisierenden Jahre werden zum Inbegriff deutscher klassischer Dichtung und gehen in die Literaturgeschichte als ‘Weimarer Klassik’ ein. Ende 1799 beendet Schiller seinen ‘Wallenstein’[93] und ‘Das Lied von der Glocke’ und schon im Jahr darauf sind seine Trauerspiele ‘Maria Stuart’[94] und ‘Die Jungfrau von Orleans’[95] sowie sein Gedicht ‘Der Antritt des neuen Jahrhunderts’[96] fertig. Er selbst begrüßt das neue Jahrhundert gemeinsam mit Goethe und Schelling[97] in Goethes Haus am Frauenplan. Im März 1802 kauft Schiller für seine Familie und sich ein großes Haus an der Weimarer Esplanade und bezieht es am 29. April;[98] an dem Tag, als er mit seiner Familie dort einzieht, stirbt seine Mutter. Noch im selben Jahr, am 16. November 1802, wird Schiller vom Kaiser in den erblichen Adelsstand erhoben und darf sich ab jetzt Friedrich von Schiller nennen. Der Herzog von Weimar wollte ihm mit dieser Nobilitierung ein Geschenk machen. 1803 bringt Schiller sein Drama ‘Die Braut von Messina’[99] zuende, 1804 seinen ‘Wilhelm Tell’[100]: In Reaktion auf die blutigen Folgen der Französischen Revolution stellt er der Welt des Terrors einen Freiheitskampf gegenüber. Die darin enthaltene Frage, inwieweit und wann Widerstand gegen einen Gewaltherrscher legitim ist, macht das Drama bis in die Gegenwart aktuell. Nach dessen Uraufführung unternimmt Schiller wieder gewonnene Kräfte erlauben es ihm mit seiner Familie eine Reise nach Berlin. In Sanssouci trifft er mit Prinz Louis Ferdinand[101] und Königin Luise[102] zusammen und trägt sich mit Plänen, nach Berlin umzuziehen. Im Nationaltheater werden ihm zu Ehren einige seiner Werke gespielt und er nimmt an Aufführungen von Mozarts ‘Zauberflöte’[103] und Glucks ‘Iphigenie auf Tauris’[104] teil. Die Rückkehr nach Weimar ist ernüchternd: Arbeiten an seinem ‘Demetrius’ kann Schiller nicht mehr abschließen, so krank ist er jetzt: Die ‘rote Ruhr’ verursacht ihm extreme Schmerzen. Auf einen Zettel kritzelt er eine Botschaft an die Nachwelt: ‘Sorgt für eure Gesundheit!’ Am 25. Juli 1804 wird sein viertes Kind, seine Tochter Emilie Friederike Henriette[105], geboren. Es gelingt ihm noch, krank, wie er ist, mit viel Disziplin, die klassische Tragödie ‘Phèdre’ von Jean Racine[106] ins Deutsche zu übersetzen dann ist Schluss.[107] Seine Kräfte haben ihn verlassen, er ist zu schwach zum Arbeiten. Am 9. Mai 1805 stirbt Friedrich Schiller in seinem Haus an der Esplanade in Weimar, nach vierzehn Jahren ständiger Krankheiten[108], im Alter von nur 45 Jahren und 6 Monaten.[109] Während einer Aufführung im Weimarer Theater im Frühjahr 1805 bekam er einen Fieberanfall und musste nach Hause gebracht werden. Starke Hustenanfälle und ein schier endloser Fieberkrampf folgen. Unter Tränen nimmt er von seinem jüngsten Kind Abschied und fällt ins Delirium, aus dem er nicht mehr erwacht dann ist er tot.[110] Bevor die Mediziner den Leichnam obduzieren[111], wird dem Verstorbenen auf dem Totenbett eine Totenmaske abgenommen und ein Totenporträt von Schiller angefertigt.[112] Im Unterschied zu Bestattungen anderer prominenter Dichter, wie z. B. des erwähnten Klopstock, fällt Schillers Beerdigung, der zum Zeitpunkt seines Todes in Deutschland populärer als Goethe ist, relativ schlicht aus.[113] Er wird nachts um 1.00 Uhr im wörtlichen Sinne sang- und klanglos im Kassengewölbe des Weimarer Jacobsfriedhof, einem Massengrab für Angehörige des mittleren Adels und des Bürgertums, die nicht über Grüfte[114] verfügen, als 53ster von insgesamt 64 Verstorbenen beigesetzt.[115] Freunde trugen seinen Sarg dorthin: „Zwei Tage nach seinem Tod bereits, bei Nacht und ohne jedes Zeremoniell wurde er in die unterirdische Gruft des sogenannten Kassengewölbes zu den dort schon Bestatteten herabgelassen, während die Geistlichkeit in Gestalt des Weimarer Generalsuperintendenten allererst bei der Trauerfeier des nächsten Tages in Erscheinung“[116] tritt. Am Nachmittag des 12. Mai um 15.00 Uhr ist dann unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die kirchliche Trauerfeier.[117] Nachdem Goethe von Christiane Vulpius[118] die traurige Nachricht vom Tode Schillers überbracht worden war, ist der Dichterfürst zu Tode betrübt, weint und vergräbt sich vor Trauer in seiner Wohnung.[119] An der Beerdigung des Freundes nimmt er nicht teil[120] wie Goethe generell von Beerdigungen fernbleibt, selbst der seiner Eltern und seiner Ehefrau.[121] Zu dieser Lebenseinstellung passt es allerdings nicht, dass er sich zwanzig Jahre später im Zuge einer Renovation des Friedhofs und Umbettungsmaßnahmen Schillers skelettierten Kopf kommen lässt, diesen unter ein Glasgehäuse legt, ihn dort monatelang aufbewahrt und das Gedicht ‘Bei Betrachtung von Schillers Schädel’[122] schreibt. Nur sein Freund Wilhelm von Humboldt ist in Goethes seltsame Aktion eingeweiht er erzählt es jedoch weiter! Am 16. Dezember 1827 werden Schillers Überreste auf den neuen Weimarer Friedhof überführt und in der Fürstengruft, der Grabstätte von Mitgliedern der Häuser Sachsen-Weimar und Sachsen-Weimar-Eisenach, beigesetzt.[123] 1832 wird dort auch Goethe bestattet seinem Wunsch gemäß an der Seite Schillers. Heute ist der Sarg Schillers in der Fürstengruft leer: Denn aufwendige DNA-Analysen ergaben 2008, dass es sich bei dem beigesetzten Schädel nicht um den von Friedrich Schiller handelte. Der Bürgermeister hatte bei der ersten Öffnung des Gemeinschaftsgrabes 1826 und der erfolgten Umbettung einfach den größten Schädel herausgenommen, in der trügerischen Annahme, der Größte würde wohl der von Schiller sein. Und auch die Teile des Skeletts im vermeintlichen Sarg Schillers, so stellte sich heraus, stammten von mindestens drei unterschiedlichen Personen.[124] Friedrich Schiller ist bis heute unvergessen nicht nur wegen seiner Erzählungen und seiner Prosa, sondern vor allem wegen seiner Dramen und seiner Lyrik.[125] Er ist der einzige Dichter seiner Zeit, der nie eine Komödie, nie ein Lustspiel, zu Papier gebracht hat: Im Unterschied zu Heinrich von Kleist[126], Georg Büchner[127] oder Franz Grillparzer[128] hat Schiller ausschließlich Tragödien geschrieben. Er wollte Verstand und Gefühl verbinden, wollte seinen Leser*innen ganz ernsthaft Vernunft-, Humanitäts- und Freiheitsideale näherbringen.[129] Dabei machte er auch vor dem Gottesbild nicht halt: Gott hatte Schiller zufolge der Vernunft standzuhalten. Und er ging noch einen Schritt weiter: Für Schiller war Gott keine Person, sondern die Vernunft selbst wahrer Gottesdienst war für Schiller konsequenterweise der Gebrauch der Vernunft! Alles andere, alle Religion, würde nur von dieser reinen Vernunft ablenken und sei in Wirklichkeit heidnisch. Allein mittels der Vernunft, so Schiller, vermochte die Wahrheit erkannt werden. Später setzte Schiller dann an die Stelle der Omnipotenz der Vernunft die Ästhetik, das absolut Schöne. Zum Schönen konnte man sich durch die Kunst in Beziehung setzen. Die Kunst stiftete für Schiller Transzendenz durch die Kunst konnte sich der Mensch dem Göttlichen annähern.[130] Für Schiller wurde so die Kunst zu einer Art Religion und das Theater zu einer Art Kirche, einer ‘moralischen Anstalt’, wie er es nannte, deren Aufgabe es war, die Ordnung der Welt als von Gott geschaffen zu zeigen, indem die höhere Gerechtigkeit auf der Bühne wiederhergestellt wurde.[131] Im Blick auf die frühe religiöse Erziehung schrieb Schiller:
Für die damalige Zeit waren diese Sätze Schillers außergewöhnlich. Modern klingt auch ein Satz des Dichters, der sich an Erwachsene richtet und in unsere Gegenwart zu sprechen scheint, weil es heute immer wieder um die Evolutionstheorie und Charles Darwin vs. Bibel und damit um die Hermeneutik und den Wahrheitsbegriff geht: „Das Universum ist ein Gedanke Gottes.“[133] Schöner kann man es auch heute nicht poetisch formulieren. Schillers letzte Verse, die nach seinem Tod auf seinem Schreibtisch gefunden wurden, lauteten:
In Deutschland und an vielen Orten auf der Welt wurden die Werke und Ansichten Schillers begeistert aufgenommen. Viele Jahre gehörte es zum guten Ton im deutschen Bürgertum, dass man einige Texte oder Verse Schillers auswendig deklamieren konnte. Es schien, als ließe sich Schiller im Zwanzigsten Jahrhundert ohne weiteres vor jeden ideologischen Karren spannen: Als Freiheitsdichter wurde er von der Arbeiterbewegung geschätzt. Die Nazis versuchten ihn zunächst 1933 als ‘Patron der nationalen Erhebung’ zu vereinnahmen und zu germanisieren. Im Zuge der Feierlichkeiten zu Schillers 175. Geburtstag, die per Staatsakt im Deutschen Nationaltheater in Weimar im Beisein Hitlers und der Thüringer Staatsregierung und mit Goebbels Festansprache ‘Deutschlands Bekenntnis zum Dichter der deutschen Revolution’ gewürdigt wurden, wurde die Jenaer Universität per Beschluss des Staatsministeriums in ‘Friedrich-Schiller-Universität’ umbenannt.[135] Später dann verboten die braunen Machthaber aber Aufführungen von ‘Don Karlos’ (‘Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!’) und auch vom ‘Wilhelm Tell’, weil sie darin die Verherrlichung eines Schweizer Heckenschützen sahen, der einen Tyrannenmord beging.[136] In der DDR, dem ‘Arbeiter- und Bauernstaat’, dessen Selbstverständnis ‘antifaschistisch’ war und der für das NS-Erbe keine Verantwortung übernehmen wollte, galt Schiller als Symbol des ‘geistigen Neubeginns’ nach der katastrophalen Zeit der braunen Barbarei als ein ‘fortschrittlicher Bürgerlicher’, der den Sozialismus mit vorbereitet hatte.[137] Das DDR-Regime sah sich als Sachwalterin des humanistischen Erbes und der literarischen Klassik. 1953 kam es deshalb zur Gründung der ‘Nationalen Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur’. Und auch im Deutschland nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wird Schillers gedacht: Es gibt Schiller-Denkmäler[138], Schiller-Medaillen[139] und einen Schiller-Ring[140], ferner Schiller-Preise[141] und eine ‘Deutsche Schillerstiftung’[142]. Fast zwei Jahrhunderte lang war Friedrich Schiller das Symbol des sich unter dem Proprium von Freiheit und Gleichheit von den Ketten staatlicher Obrigkeit befreienden aufstrebenden Bürgertums in Deutschland, und darin inbegriffen waren die Sprengung der Ketten einer als knechtend erlebten christlichen Religion, eines despotischen Gottes und der katholischen Kirche.[143] Auch heute noch ist angesichts der politischen Zustände in der Welt dieser alte Ruf Schillers nach Freiheit und Gleichheit aktuell. Und jetzt: Vorhang zu! Und mit Bertolt Brecht und Marcel Reich-Ranicki Anmerkungen[1] Vgl. den Titel des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL Nr. 49 v. 30.11.2019: Der Popstar wird 250. Beethoven: Warum die Welt ihn bis heute vergöttert, darin den Bericht von Susanne Beyer, Ludwig der Größte, online zugänglich unter: magazin.spiegel.de/SP/2019/49/167212247/index.html?utm_source=spon&utm_campaign=centerpage (aufgerufen am 30.11.2019), sowie den Titel und das Feuilleton der ZEIT Nr. 2/2020, 45-56: Beethoven, der Rebell, online zugänglich unter: https://epaper.zeit.de/webreader-v3/index.html#/918649/1 (aufgerufen am 4.1.2020). Ludwig van Beethoven (1770-1827) aus Bonn, genialer Komponist und Klaviervirtuose, führte die Wiener Klassik zu ihrem Höhepunkt und ebnete der Musik der Romantik den Weg, vgl. Johannes Strempel, Das Grosse Finale, in: GEO EPOCHE Nr. 37: Die deutsche Romantik, Hamburg 2009, 104f. Neben der Europahymne werden bis heute Beethovens große Symphonien (besonders die 5., die 6. und die 9.) von den führenden Orchestern der Welt oft gespielt. Eine Widmung der 3. Symphonie an Napoleon zog Beethoven aus Protest zurück, als sich dieser am 18. Mai 1804 selbst zum Kaiser der Franzosen krönte. Beethoven, zeitlebens chronisch krank, wurde mit zunehmendem Alter taub und starb am 26. März 1827 mit 56 Jahren an Leberzirrhose, die Folge seines Alkoholmissbrauchs. 1995 wurde spektakulär eine Locke Beethovens genetisch analysiert, vgl. Russell Martin, Beethovens Locke. Eine wahre Geschichte, München-Zürich 2000. Am 11. Juni 2019 wurde im Zuge des anstehenden Beethovenjahres 2020 im Londoner Auktionshaus Sotheby’s eine weitere Locke des großen Komponisten für ca. 39000 € versteigert. Zu Leben und Werk des großen Komponisten vgl. die Filme von Paul Morrissey, Beethoven Die ganze Wahrheit (2007), und ders., Beethoven wie er wirklich war (2012); Ed Harris, Klang der Stille (2007); Walter Kolm-Veltée, Ludwig van Beethoven Eine deutsche Legende (‘Eroica’, 1949/2014); Wolfgang Reichmann, Ludwig van Beethoven, Genie und Wahnsinn (1985). [2] Die Sekundärliteratur zu Schillers Leben und Werk ist Legion. Hinsichtlich einer ersten Orientierung hilft, wie meist, ein Blick auf Wikipedia weiter: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schiller (aufgerufen am 15.10.2019). Dort finden auch die Werkausgaben Erwähnung, die bald nach Schillers Tod erschienen und von der die bekannteste ist: Schillers Werke. Nationalausgabe, Weimar 1948ff. Immer wieder wurden die Werke Schillers neu herausgegeben, vgl. z. B. Friedrich Schiller, Sämtliche Werke Schillers in zehn Bänden, hg. von Hans-Günther Thalheim u. a., Berlin 1980ff. Die erste seriöse Schillerbiographie stammt von dem schwäbischen Dichter und Gomaringer Pfarrer Gustav Schwab (1792-1850) aus dem Jahr 1840 und trägt den einfachen Titel: ‘Schillers Leben in drei Büchern’ (in einem Band), Stuttgart 1840; des weiteren Otto Harnack (1857-1914) aus dem Jahre 1905, online zugänglich über das ‘Projekt Gutenberg’: https://gutenberg.spiegel.de/buch/schiller-3831/1 (aufgerufen am 16.10.2019). Weitere Biographien folgten, vgl. Gert Ueding, Friedrich Schiller, München 1990; Claudia Pilling/Diana Schilling/Mirjam Springer, Friedrich Schiller, Reinbek bei Hamburg 2002, 32005; Sigrid Damm, Das Leben des Friedrich Schiller, FfM 2004; Kurt Wölfel, Friedrich Schiller, München 2005, und Rüdiger Safranski, Schiller Oder die Erfindung des Deutschen Idealismus. Biographie, FfM 2016. Empfehlenswert ist heute das Lesebuch von Christiana Engelmann/Claudia Kaiser, Möglichst Schiller, München 2005; Peter-André Alt, Friedrich Schiller, München 2009; Peter-André Alt, Schiller. Eine Biographie. Leben-Werk-Zeit. Sonderausgabe in 2 Bänden, München 2013; und natürlich die Edition der Schillerschen Werke von Peter-André Alt, Albert Meier und Wolfgang Riedel (Hg.), Friedrich Schiller. Sämtliche Werke in fünf Bänden, München 2005. Ferner sei auf den Katalog zur Marbacher Ausstellung hingewiesen, vgl. Frank Druffner/Martin Schalhorn, Götterpläne & Mäusegeschichte. Schiller 1759-1805, Marbach am Neckar 2005, und dessen Rezension im SÜDKURIER v. 7.5.2005. Dort werden auch weitere Schillerausstellungen erwähnt. Im Internet ist Schiller leicht zugänglich, z. B. unter: http://www.friedrich-von-schiller.net/, https://www.friedrich-schiller-archiv.de/biografie-schiller/ oder https://www4.uni-jena.de/Sonderausgabe_Schiller_Biographisches.html (alle drei Links aufgerufen am 17.10.2019). Dort findet man auch Auswahl-Bibliographien. [3] Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke, zit. nach: https://www.friedrich-schiller-archiv.de/inhaltsangaben/das-lied-von-der-glocke-zusammenfassung-friedrich-schiller/ (aufgerufen am 16.10.2019). Meine Großmutter Anna Müller, geb. Messerschmidt (1897-1986), aufgewachsen im Kaiserreich, konnte u. a. dieses Gedicht von Schiller auswendig; es gehörte damals zum Bildungskanon. Die Romantiker lehnten allerdings Schillers Idealismus ab und machten sich über sein Pathos lustig. Caroline Schlegel (1763-1809) berichtete in einem Brief 1799 an Auguste Böhmer von einem Lachanfall, als ihr damaliger Mann August Wilhelm Schlegel (1767-1845) und sie Schillers ‘Glocke’ erstmals lasen, vgl. ‘Ich stürze aus meinen idealistischen Welten’. Schiller zum Vergnügen, hg. von Martin Neubauer (Reclams Universalbibliothek Nr. 18319), Ditzingen 2004, 2005, 11. Eine Entfremdung zwischen den Schlegels und den Schillers war allerdings bekannt. Aus ihrer Abneigung gegen Caroline Schlegel machte Charlotte Schiller keinen Hehl: Sie nannte sie ‘Dame Luzifer’ und ‘Das Übel’. [4] Zu Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) vgl. Karl Otto Conrady, Goethe. Leben und Werk, Düsseldorf 2006, und Rüdiger Safranski, GOETHE. Kunstwerk des Lebens. Biographie, München 2013. [5] Vgl. dazu Torsten Körner, Schiller für die Schule. Zusammenfassungen und Lektürehilfen der wichtigsten Werke, Berlin 2003, 2008. [6] Vgl. dazu Kurt Bangert, Gary Dorriens Reise durch die Geschichte der liberalen Theologie. Die Auseinandersetzung eines liberalen Amerikaners mit dem Idealismus, in: DtPfrBl 12/2019, 669-673. [7] Von den zahlreichen Publikationen zu Karl Barth (1886-1968) vgl. Klaas Huizing, Gottes Genosse. Eine Annäherung an Karl Barth, Stuttgart 2018, und ders., Zu Dritt. Karl Barth, Nelly Barth, Charlotte von Kirschbaum, Tübingen 2018. [8] Der Schweizer Theologe Emil Brunner (1889-1966) war zunächst ein Weggefährte, später dann ein Gegenspieler Karl Barths, da er eine neue natürliche Theologie entworfen hatte. 1924 trat er die Nachfolge von Leonhard Ragaz (1868-1945) als Professor für Systematische und Praktische Theologie an der Universität Zürich an, wo er bis zu seiner Emeritierung lehrte. Einer seiner Schüler war Eugen Gerstenmaier (1906-1986), Mitglied des Kreisauer Kreises, CDU-Bundestagsabgeordneter und Bundestagspräsident. [9] Friedrich Gogarten (1897-1967), lutherischer Theologe, war ab 1931 Professor für Systematische Theologie und vertrat ab 1935 in Bonn den suspendierten Karl Barth. Von 1935 bis 1955 lehrte er als ordentlicher Professor für Systematische Theologie in Göttingen. Gogarten war im August 1933 den Deutschen Christen beigetreten, trennte sich allerdings schon im November desselben Jahres wieder von ihnen. [10] Ich erinnere an Dietrich Bonhoeffers Kritik an Barths positivistischer Offenbarungslehre und an sein bekanntes Diktum des ‘Vogel-friss-oder-stirb’, vgl. DBW 8, Gütersloh 1998, 415f. [11] Vgl. dazu Karl Eberlein, Der aktuelle Einspruch dialektischer Theologie. Anmerkungen zum Karl-Barth-Jahr 2019, in: DtPfrBl 8/2019, 424-427. [12] Wilhelm Gräb (geb. 1948), von 1999 bis 2016 Professor für Praktische Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin, hat mit seinen zahlreichen Arbeiten zur Religion und Kultur an das Erbe Friedrich D. E. Schleiermachers (1768-1834) und der liberalen Theologie angeknüpft. Von den vielen Werken des Erneuerers der liberalen Theologie, der die Sinnsuche des modernen Menschen aufnimmt und sich mit einem Glauben beschäftigt, der bei Verstand ist, vgl. Wilhelm Gräb, Sinn fürs Unendliche. Religion in der Mediengesellschaft, Gütersloh 2002. [13] Klaas Huizing (geb. 1958), Schriftsteller, promovierter Philosoph und promovierter Theologe, lehrt als Professor für Systematische Theologie an der Universität Würzburg. Seiner dreibändigen ‘Ästhetischen Theologie’ stellte er ein Zitat Schillers voran: „Hält man sich an den eigentümlichen Charakter des Christentums, der es von allen monotheistischen Religionen unterscheidet, so liegt er in nichts anderm als in der Aufhebung des Gesetzes oder des Kantischen Imperativs, an dessen Stelle das Christentum eine freie Neigung gesetzt haben will. Es ist also in seiner reinen Form Darstellung schöner Sittlichkeit oder der Menschwerdung des Heiligen, und in diesem Sinne die einzige ästhetische Religion.“ (F. Schiller in einem Brief an Goethe v. 17.8.1795, zitiert nach: Klaas Huizing, Ästhetische Theologie, Bd. I: Der erlesene Mensch. Eine literarische Anthropologie, Stuttgart 2000, 9). [14] Vgl. dazu Kurt Banger, Gary Dorriens Reise durch die Geschichte der liberalen Theologie. Die Auseinandersetzung eines liberalen Amerikaners mit dem Idealismus, in: DtPrBl 12/2019, 669-673. [15] Schillers Geburtshaus wurde bereits 1859 vom Marbacher Schillerverein als museale Gedenkstätte ‘Schillerhaus’ eröffnet. Rüdiger Safranski macht darauf aufmerksam, dass Schillers 100. Geburtstag wie ein nationaler Gedenktag begangen wurde, vgl. das Interview mit R. Safranski in: DIE ZEIT Nr. 34 v. 13.8.2009, 36. Rüdiger Safranski (geb. 1945) ist nach einem Studium der Germanistik, Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte seit 1985 als freier Autor tätig. [16] Johann Caspar Schiller (1723-1796) ließ sich nach seiner Rückkehr aus dem österreichischen Erbfolgekrieg in Marbach am Neckar als Wundarzt nieder. Dort lernte er die Tochter des Löwenwirts kennen und heiratete sie. Aus finanziellen Gründen kehrte er 1753 in den Militärdienst zurück. Mit Unterbrechungen nahm er am Siebenjährigen Krieg teil, danach als Hauptmann in der Ludwigsburger Garnison. 1759 zog die Familie ins Erdgeschoss des Hauses beim Niklastor, das damals dem Taschenmacher Ulrich Schöllkopf gehörte. Dort wurde Friedrich Schiller geboren und einen Tag später getauft. [17] Elisabetha Dorothea Schiller, geb. Kodweis (1732-1802) aus Marbach, trat nach der Heirat im Alter von 16 Jahren vom Katholizismus zur evangelischen Kirche über. Sie brachte sechs Kinder zur Welt, von denen einige früh starben. Ihr Sohn Friedrich war ihr zweites Kind. Ihr Grab wurde 1834 durch Eduard Mörike (1804-1875), zu Lebzeiten als bedeutendster Lyriker nach Goethe bezeichnet, instandgesetzt. Er errichtete dort ein Steinkreuz mit der vom ihm eigenhändig eingeritzten Inschrift ‘Schillers Mutter’ und bestattete seine eigene Mutter im Grab nebenan. Ein Porträt von Schillers Eltern befindet sich in Marbacher Magazin 77/1997, Sonderheft: Aus dem Hausrat eines Hofrats, hg. v. Ulrich Ott, Marbach 1997, 8f. Zur Familie Schiller und ihrer Freunde (online): http://www.friedrich-von-schiller.de/personen.htm (aufgerufen am 1.11.2019) und http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/friedrich-schiller/schillers-familie-im-bild.html (aufgerufen am 2.11.2019). [18] Bemerkenswert ist, dass die Eltern Schiller bei der Taufe ihres Sohnes neun (!) Paten benannt hatten. [19] Die Brieftasche, die Schiller zur Konfirmation bekam, ist mit anderen Gegenständen des persönlichen Bedarfs abgebildet in: Marbacher Magazin 77/1997. Sonderheft: Aus dem Hausrat eines Hofrats. Die Ausstellung in Schillers Geburtshaus. Bearbeitet von Michael Davidis und Sabine Fischer. Photographien von Mathias Michaelis, Marbach 1997, 23. In Schillers Geburtshaus befindet sich seit einigen Jahren eine Dauerausstellung aus dem Eigentum Schillers, sein „Tisch- und Schreibgerät, Kleidung und Schmuck, Briefmarken, Uhren und Tabaksdosen“ (1). Insgesamt handelt es sich um 70 Exponate. [20] Schiller hatte fünf Schwestern, von denen zwei damals nicht unüblich im Kindesalter starben: Beate Friederike (1773-1773), Luise Dorothea Katharina (1766-1836), Caroline Christiane (Nanette, 1777-1796), Elisabeth Christophine (1757-1847) und Maria Charlotte (1768-1774). Der Altersabstand zwischen dem ersten und dem letzten Kind betrug zwanzig Jahre! Die achtzehnjährige Nanette starb, als sich während der Einnahme Süddeutschlands durch napoleonische Truppen eine Fieberepidemie ausbreitete und sie sich ansteckte. Christophine, genannt Fene, wurde später eine begnadete Zeichnerin, vgl. dazu marbachermagazin 118: ‘Theuerste Schwester’ Christophine Reinwald, geb. Schiller, von Edda Ziegler in Zusammenarbeit mit Michael Davidis (Deutsche Schillergesellschaft), Marbach am Neckar 2007, bes. 4, 8, 26, 36, 46, 56. [21] Vgl. Rüdiger Safranski, Schiller Oder die Erfindung des Deutschen Idealismus, a. a. O., 12. [22] Diese Episode nimmt ein Schiller-Comic auf, vgl. HORUS, Schiller! Eine Comic-Novelle, hg. v. Schiller-Nationalmuseum und Deutsches Literaturarchiv (gefördert durch die kulturstiftung des bundes), Köln 2005. Falsch ist jedoch der Text: „…Aber Priester sollte der Friedrich werden…“ (10). Schiller wollte mitnichten katholischer Priester werden, sondern, aufgewachsen im Dunstkreis des schwäbischen Pietismus, evangelischer Pfarrer wie er schon mit zehn Jahren geäußert hatte! Es wäre zu wünschen gewesen, dass die renommierten Herausgeber an dieser Stelle mehr Sorgfalt hätten walten lassen! [23] Wie Schiller ausgesehen hat, ist bis heute unklar. Das Nachrichtenmagazin ‘DER SPIEGEL’ hat den schwäbischen Dichter vor einiger Zeit als rothaarigen Feuerkopf mit langem Hals, markanter Nase und Sommersprossen dargestellt, vgl. DER SPIEGEL 41/2004. So hatte ihn einst auch Anton Graff (1736-1813), einer der bedeutendsten Porträtmaler seiner Zeit, in Öl gemalt. Der gebürtige Schweizer Graff, der Prinzen und Könige malte und am liebsten sich selbst porträtierte, arbeitete fünf Jahre lang an seinem Schiller-Ölbild und berichtete später, dass Schiller sehr unruhig gewesen war, als er ihm Modell saß. Schon früh wurde der Dichter von den Malern idealisiert, in ihn wurden Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen hineinprojiziert. Deshalb gibt es so gesehen kein authentisches Schillerbildnis, vgl. weiterführend Klaus Fahmer, Der Bilddiskurs zu Friedrich Schiller, Stuttgart 2000. [24] Zur Aufklärung vgl. weiterführend Werner Scheiders, Das Zeitalter der Aufklärung, München 1997, 52014, bes. 7-20. [25] Als ‘Sturm und Drang’ wird eine Strömung in der deutschen Literatur zur Zeit der Aufklärung genannt, die von ca. 1765 bis 1785 von jungen Autoren getragen wurde. Sie wird wegen ihrer Verherrlichung des Geniebegriffs das Genie als Urbild des höheren Menschen und Künstlers auch als Genieperiode bezeichnet. Die Bezeichnung tauchte schon in den 1820er Jahren auf und geht auf den deutschen Dichter Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831) zurück. Sie richtete sich gegen die rein verstandesmäßige Haltung der Aufklärung und betonte mehr das Gefühl. ‘Fülle des Herzens’, ‘Ahnung und Trieb’, ‘emotio’ statt ‘ratio’ waren die Stichworte. Zu den bedeutendsten Repräsentanten gehören u. a. Johann Gottfried Herder (1744-1803), Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) und eben Friedrich Schiller. [26] Der deutsche Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803), in einer pietistischen Familie aufgewachsen, gilt als bedeutender Vertreter einer literarischen Strömung, der zufolge das überschwängliche Gefühl kein Makel sei, sondern den Menschen, der es hat, als sittlichen Menschen auszeichne. Klopstock begründet den deutschen Irrationalismus, demzufolge die Vernunft nicht hinreichend sei, um die Welt zu erkennen: Rationales Denken sei zugunsten alternativer Erkenntnisfunktionen wie der Intuition zurückzustellen. Die Lektüre (‘Lesesucht’) von Romanen erfährt damals eine gesellschaftliche Aufwertung. [27] Schiller wurde durch den auf dem Hohenasperg eingekerkerten Musiker, sozialkritischen Dichter und Publizisten Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1791) auf den Stoff zu den ‘Räubern’ aufmerksam gemacht. 1781 war das Theaterstück abgeschlossen und gelangte noch im selben Jahr in den Druck. Am 13. Januar 1782 wurden die ‘Räuber’ vom Mannheimer Theater unter der Intendanz von Wolfgang Heribert von Dalberg (1750-1806) uraufgeführt und ein voller Erfolg. Wie den ‘Räubern’, so lagen auch Schillers anderen Dramen große historische Stoffe und Persönlichkeiten zugrunde, wobei es sich nicht um trockene Geschichtsdarstellungen des Historikers Schiller handelte, sondern der Zuschauer historische Wirklichkeit auf der Bühne erlebte. Schiller bündelte in seinen Werken seine poetischen, philosophischen und historischen Ideen und bildete in den Schicksalen seiner Protagonisten ein zeitloses Muster ab. Wer sich über den Inhalt des Werkes und den anderer Dramen Schillers in nuce informieren möchte, dem sei empfohlen: Torsten Körner, Schiller für Eilige, Berlin 2003, 22005 (Lit. auf 151f.). Hierin befinden sich Inhaltsangaben von den acht wichtigsten Arbeiten Schillers. [28] Carl Eugen von Württemberg (1728-1793) gilt heute als typischer Despot seiner Epoche. Sein Hof und er waren berühmt-berüchtigt für ihre Verschwendungssucht auf der einen Seite und seine aufgeschlossene Haltung den Wissenschaften gegenüber auf der anderen Seite. Über Carl Eugen wird berichtet, dass er für winterliche Schlittenfahrten ca. fünfzig mit vergoldeten Fabelwesen geschmückte Prachtschlitten bauen ließ von denen noch 28 heute erhalten sind! und er selbst in einer achtspännigen Staatskarosse, der achtzehn Trompeter vorausritten, vorfuhr! Nach ihm war die Militärakademie, die Schiller absolvierte, benannt. [29] Desertion wurde zu Schillers Zeiten grundsätzlich mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft, beim Überlaufen zum Feind sogar mit Todesstrafe. Deutschland bestand damals aus ca. 300 territorialen Einheiten, selbstständigen, hochverschuldeten Kleinstaaten. [30] Der deutsch-österreichische Pianist, Komponist und Klavierbauer Andreas Streicher (1761-1833) war mit Schiller auf derselben Schule. Zur Zeit der Desertion befand er sich auf dem Weg nach Hamburg, um bei Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788), dem berühmtesten der Söhne Johann Sebastian Bachs (1685-1750), Klavier zu studieren. In den letzten Lebensjahren Ludwig van Beethovens (1770-1827) gehörte er zu dessen wichtigsten Vertrauten. [31] Das 1783 am Bonner Hoftheater uraufgeführte Drama, das die historische Verschwörung des Giovanni Luigi de Fieschi gegen Andrea Doria in Genua im Frühjahr 1547 aufnimmt, trägt den Untertitel ‘Ein Republikanisches Trauerspiel’. Das Stück, das Schiller bereits fertig im Gepäck hatte, als er aus Mannheim geflohen war und auf das er besonders stolz war, flog bei der ersten Lesung vor ausgewählten Zuhörer*innen durch was aber nicht dem Stück an sich, sondern Schillers schwäbischer Aussprache geschuldet war. Aus diesem Stück stammt der bis heute verwendete Ausdruck: „Donner und Doria!“ (1,5) [32] Henriette Freifrau von Wolzogen (1745-1788), die über ihre Söhne, die ebenfalls Kadetten an der Karlsschule waren, Schiller kennengelernt hatte, war eine Gönnerin Friedrich Schillers. Dieser verliebte sich während seines Aufenthaltes in ihre 16jährige Tochter Charlotte. [33] ‚Kabale und Liebe‘, ein Drama in fünf Akten, wurde am 13. April 1784 in Frankfurt am Main uraufgeführt. Das zu den bedeutendsten deutschen Theaterstücken zählende bürgerliche Trauerspiel es zählt noch heute zur Schullektüre gilt als typisches Beispiel der literarisch-aufklärerischen Strömung des ‘Sturm und Drang’. Es handelt von der leidenschaftlichen Liebe zwischen der bürgerlichen Musikertochter Luise Miller und dem Adelssprössling Ferdinand von Walter, die durch Intrigen (‘Kabalen’) zerstört wird, und spiegelt den bürgerlichen Freiheitsdrang gegenüber den Zwängen der Ständegesellschaft, die Schiller am eigenen Leibe zu spüren bekam Menschlichkeit steht hier gegen Herrschsucht. Die Tragödie wurde mehrfach verfilmt. Der Titel ‘Kabale und Liebe’ geht auf eine Empfehlung des Schauspielers, Intendanten und Dramatikers August Wilhelm Iffland (1759-1814) zurück. [34] Vgl. dazu weiterführend Claudia Pilling et. al., Friedrich Schiller, a. a. O., 20-35. [35] Carl August Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757-1828) war ab 1815 Großherzog und ist vor allem als Förderer und Patron der Weimarer Klassik in die Geschichte eingegangen. Er hatte sieben eheliche und mindestens 38 uneheliche Kinder. In der Fürstengruft in Weimar befindet sich sein Sarg. [36] Der deutsche Schriftsteller und Jurist Christian Gottfried Körner (1756-1831) ist der Herausgeber der Gesamtausgabe von Schillers Werken und der Werke seines Sohnes, des Dramatikers und Lyrikers Theodor Körner (1791-1813), der in den napoleonischen Befreiungskriegen gefallen war. Der Freimaurer zählte zu den vertrautesten und einflussreichsten Freunden Schillers. Im Kreis der Familie Körner fühlte sich Schiller wohl. Auf Körners Anregung hin schrieb Schiller seine Ode ‘An die Freude’. Seine Tochter Emma Körner (1788-1815) porträtierte Schiller in seinen letzten Jahren. Zu Schillers Wohlbefinden in dieser Zeit trugen auch seine Freunde, die Malerin Dora Stock (1759-1832), Körners Schwägerin, und der Schriftsteller und Journalist Ludwig Ferdinand Huber (1764-1804) bei. Dem Freundschaftsbund mit den beiden Paaren ist seine ‘Ode an die Freude’ gewidmet. [37] Man geht davon aus, dass erst später das Häuschen als Aufenthaltsort Schillers verklärt wurde. Loschwitz war damals ein eigenständiges Dorf und gehört heute zum gleichnamigen Dresdner Stadtteil. Dort befindet sich das kleinste Literaturmuseum Dresdens, das Friedrich Schiller gewidmet ist und zu den Städtischen Museen gehört: https://museen-dresden.de/ (aufgerufen am 9.10.2019). [38] Das Drama (im Original ‘Dom Karlos’), bestehend aus 5 Akten, wurde bei Joachim Göschen (1752-1828) in Leipzig gedruckt und am 29.8.1787 im Theater im Opernhof Gänsemarkt in Hamburg uraufgeführt. In ihm geht es um familiäre und soziale Intrigen am Hofe Königs Philipp II. von Spanien (1556-1598), dem Sohn Karls V. (1500-1558), zur Blütezeit des katholischen Spanien und zu Anfang des Achtzigjährigen Krieges, als die protestantischen niederländischen Provinzen ihre Unabhängigkeit von Spanien erkämpfen. Der italienische Komponist Guiseppe Verdi (1813-1901) vertont 1867 ‘Don Carlos’: Zu einer aktuellen Aufführung der Staatsoper Stuttgart: https://www.nzz.ch/feuilleton/das-politische-lauert-im-privaten-und-umgekehrt-ld.1518696 (aufgerufen am 31.10.2019). Die digitalisierte Ausgabe des Stückes ist online hier zugänglich: http://www.deutschestextarchiv.de/book/show/schiller_domkarlos_1787 (aufgerufen am 9.10.2019). [39] In der früheren Fassung lautete der Text: „Freude, schöner Götterfunken,/Tochter aus Elisium,/Wir betreten feuertrunken/Himmlische, dein Heiligthum./Deine Zauber binden wieder,/was der Mode Schwerd getheilt;/Bettler werden Fürstenbrüder,/wo dein sanfter Flügel weilt.“ Der gesamte Text befindet sich hier: https://de.wikipedia.org/wiki/An_die_Freude (aufgerufen am 5.11.2019). Zur Rezeptionsgeschichte der ‘Neunten’ vgl. weiterführend die Dokumentation von Pierre-Henry Salfati, Die Neunte. Ludwig van Beethovens Musik zu Schillers ‘Ode an die Freude’: Eine filmische Zeitreise von der Uraufführung 1824 bis heute, Regensburg 2005. Hier erfährt man, wie Beethovens 9. Symphonie seit ihrer Komposition 1824 eine seltsame politische Karriere machte und von verschiedenen Seiten instrumentalisiert wurde: „Die Kommunisten begriffen sie als den Geist einer klassenlosen Gesellschaft. Die Katholiken als den Geist überhaupt. Die Demokraten als den Ausdruck der reinen Demokratie! Die Sozialisten schwankten zwischen der ‘Internationalen’ und ‘Der Ode an die Freude’. Hitler gründete das Dritte Reich mit der Neunten! Japans Kamikazeflieger hörten sie vor ihrem letzten Angriff. Bei den Olympischen Spielen erklingt sie regelmäßig. Die NASA schoss sie verewigt auf einer goldenen Platte in den Weltraum. Sie war die Nationalhymne der rassistischen Politik Rhodesiens. Heute ist sie die Hymne der Europäischen Union.“ (Klappentext) [40] Der deutsche Dichter, Übersetzer, Philosoph und Theologe Johann Gottfried von Herder (1744-1803, geadelt 1802), Sohn eines ostpreußischen pietistischen Kantors und Lehrers, zählt mit Goethe, Schiller und Wieland zum klassischen Viergestirn von Weimar. Der Freimaurer, der sich gegen ein traditionelles, dogmatisches Christentum wandte, war zwar 1776 einer durch Goethe arrangierten Berufung nach Weimar gefolgt, war diesem aber dann den Rest seines Lebens feindlich gesonnen. Herder wurde zum Generalsuperintendenten, Mitglied des Oberkonsistorial- und Kirchenrats, Oberpfarrer und ersten Prediger nach Weimar an die Stadtkirche St. Peter und Paul, später ‘Herderkirche’ genannt, berufen. Herder, der Meister der „Aposiopesen, Bachylogien, Chiasmen, Hendiadyoine, Oxymora und Hystera-Protera“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gottfried_Herder, aufgerufen am 2. Januar 2018), wurde schon zu Lebzeiten verehrt, vgl. weiterführend Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Johann Gottfried Herder mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1999, und Michael Maurer, Johann Gottfried Herder. Leben und Werk, Köln 2014. Vgl. weiterführend https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/entity/118549553 (aufgerufen am 4. Januar 2018). Herder trug entschieden zur rationalistisch-biblischen Bildung Goethes bei. [41] Christoph Martin Wieland (1733-1813) war einer der bedeutendsten Schriftsteller der Aufklärung. Er übersetzte u. a. auch die Werke William Shakespeares ins Deutsche und trat als Herausgeber und als Erzieher der Söhne von Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar, geb. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1739-1807), die als Regentin, Mäzenin und Komponistin wirkte, hervor. Bei der Wiederentdeckung von Wielands Werk und der Restauration seines Gutes hat sich Jan Philipp Reemtsma (geb. 1952), Germanist, Publizist und Mäzen, bleibende Verdienste erworben. [42] Charlotte Sophie Juliane von Kalb, geb. Freiin Marschalk von Ostheim (1761-1843), hatte während ihrer Zwangsehe eine leidenschaftliche Affäre mit Schiller, später auch mit Jean Paul (1763-1825). Durch Schillers Vermittlung wurde Friedrich Hölderlin (1770-1843) 1793/94 der Hauslehrer für ihren Sohn, vgl. Rüdiger Safranski, Hölderlin, Komm! ins Offene, Freund! Biographie, München 2019, 81. 1804 verlor Charlotte von Kalb ihr gesamtes Vermögen. 1806 erschoss sich ihr Ehemann und später auch ihr ältester Sohn. Ab 1820 lebte sie völlig erblindet im königlichen Berliner Schloss. Auf dem Berliner Dreifaltigkeitskirchhof II liegt sie begraben. [43] Vgl. weiterführend das Sittengemälde Deutschlands, gezeichnet von Bruno Preisendörfer, Als Deutschland noch nicht Deutschland war. Reise in die Goethezeit, Berlin 2015, 2017, bes. 106-112. [44] Johannes Lehmann, Unser armer Schiller. Eine respektlose Annäherung, Tübingen 32009, 7 (Lit: 312-319). [45] Carl Leonhard Reinhold (1757-1823), katholischer Priester, Philosoph, Schriftsteller und Freimaurer, später der Schwiegersohn Wielands, gilt als der bedeutendste Aufklärer aus Österreich. Der Hofrat von Sachsen-Weimar wirkte seit 1787 als Philosophieprofessor in Jena und von 1794 bis 1823 in Kiel. Dort befindet sich heute auch sein Grab. Zum Nachfolger Reinholds wird 1794 der die Ideen der Französischen Revolution befürwortende Demokrat Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) berufen, nachdem Reinhold seine akademische Tätigkeit mit einer Abschiedsvorlesung beschlossen hatte. [46] Um 1791 machten sich Einflüsse der Philosophie Immanuel Kants (1724-1804) im Werk Schillers bemerkbar. 1781 war Kants ‘Kritik der reinen Vernunft’ erschienen, 1788 und 1790 folgten ‘Die Kritik der praktischen Vernunft’ und die ‘Kritik der Urteilskraft’. Unter anderem hatte der Einfluss des Königsberger Philosophen auch Auswirkungen auf Schillers Ästhetik. Vgl. dazu weiterführend Helmut Gehrke, Freiheit durch Schönheit. Friedrich Schillers Traum vom ästhetischen Menschen, in: DtPfrBl 10/2007, 515-520, der in seinem Essay den Grundgedanken von Schillers Ästhetik, nämlich die Versöhnung von Geist und Natur in der Schönheit, näher entfaltet. [47] Charlotte von Lengefeld (1766-1826) unterschrieb ihre Briefe mit Lotte und wurde von ihrer Mutter und ihrer Schwester Lolo genannt. Charlottes Patentante war Charlotte von Stein (1742-1827), eine Hofdame der Herzogin Anna Amalia, enge Vertraute von Herzogin Luise von Sachsen-Weimar-Eisenach und u. a. eine enge Freundin Johann Wolfgang von Goethes, der seine Liebe zu der sieben Jahre älteren Mutter von sieben Kindern in ca. 1700 (!) Briefen dokumentierte. [48] Caroline von Wolzogen, geb. von Lengefeld (1763-1847), literarisch gebildet, wurde im Alter von 16 Jahren 1779 standesgemäß mit dem betuchten Regierungsrat bzw. Geheimen Legationsrat Friedrich Wilhelm Ludwig von Beulwitz (1755-1829) verlobt, den sie 1784 heiratete. 1790 trennte sie sich von ihrem Mann und 1794 wurde die kinderlose Ehe geschieden. Im selben Jahr heiratete die Romanautorin den Legationsrat Wilhelm von Wolzogen (1762-1809), Kammerherr und Geheimer Rat an der Seite Goethes. Caroline von Wolzogen hatte zunächst unter Pseudonym in Schillers Zeitschrift ‘Die Horen’ 1796/97 den Roman ‘Agnes von Lilien’ publiziert. Sie veröffentlichte nach Schillers Tod 1830 die erste ernstzunehmende Biographie über ihn. Der Briefwechsel der beiden wurde nach der Verlobung mit Charlotte vernichtet. Ob Schiller ein Verhältnis mit seiner Schwägerin hatte, ist in der Schiller-Forschung bis heute umstritten. In Jena befindet sich ihr Grab. [49] Schiller, auf die 30 zugehend, dachte in der Tat darüber sind sich die Schiller-Experten heute einig über eine Ménage à trois mit Lotte und Line, wie er die Schwestern nannte, nach, vgl. dazu ausführlich Volker Hage, Die feurige Seele, in: DER SPIEGEL 41/2004, 170-190, online zugänglich unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-32362287.html (aufgerufen am 5.11.2019); Kirsten Jüngling/Brigitte Rossbeck, Schillers Doppelliebe. Die Lengefeld-Schwestern Caroline und Charlotte, Berlin 2005; Jörg Aufenanger, Schiller und die zwei Schwestern. Mit zahlreichen Abbildungen, München 2005; Ursula Naumann, Schiller, Lotte und Line. Eine klassische Dreiecksgeschichte, FfM und Leipzig 2004; Charlotte M. Werner, Friedrich Schiller und seine Leidenschaften, Düsseldorf 2004; Johannes Lehmann, Unser armer Schiller, a. a. O., 143, sowie die Verfilmung von Dominik Graf, Die geliebten Schwestern, Deutschland 2014. Vgl. dagegen Gero von Wilpert, Schiller. Die 101 wichtigsten Fragen, Nördlingen 2009, 57-65, bes. 63 u. 65. Vgl. dazu auch online: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/charlotte-von-schiller/ (aufgerufen am 19.10.2019), wo die emanzipierte Ehefrau Schillers eine entsprechende Würdigung erfährt. Hier befinden sich auch weiterführende Links. [50] Vgl. weiterführend Goethe/Schiller: Der Briefwechsel, hg. und kommentiert von Norbert Oellers unter Mitarbeit von Georg Kurscheidt, 2 Bde., Ditzingen 2009. [51] Schiller. Ständige Ausstellung des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar (Marbacher Kataloge, hg. v. Bernhard Zeller; Nr. 32), Marbach 1980, 3. durchgesehene Auflage 2001, 91. Zur Freundschaft mit Goethe vgl. ferner dort, a. a. O., 157-164. [52] Goethe und Schiller waren sich erstmals am 14. Dezember 1779 beim Stiftungsfest der Karlsschule im Neuen Schloss begegnet. Zu ihrer Freundschaft vgl. DIE ZEIT Nr. 34 v. 13.8.2009 (Rüdiger Safranski im Gespräch) und ausführlicher Rüdiger Safranski, Goethe & Schiller. Geschichte einer Freundschaft, München 2009. Vgl. dazu auch aus einer Goethe-kritischen Perspektive Tilman Jens, Goethe und seine Opfer. Eine Schmähschrift, Düsseldorf 42005, 93-111. [53] Seit 2009 befindet sich hier ein Friedrich Schiller gewidmetes Literaturmuseum. Zu näheren Infos: http://www.schillerhaus-rudolstadt.de/cms/website.php (aufgerufen am 6.11.2019). [54] Der Erzieher und Philosoph Johann Gottlieb Fichte gilt neben Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854) und Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) als bedeutender Repräsentant des Deutschen Idealismus, jener im 18./19. Jahrhundert herrschenden philosophischen Strömung, die zwischen der Weimarer Klassik und der Romantik bestand eine Wechselwirkung einen Gesamtentwurf der Welt wissenschaftlich zu erkennen und darzustellen versuchte. Fichte gilt heute wegen seines Antisemitismus, seines Rassismus und seines nationalistischen Pathos als Vorreiter der Nationalsozialisten. 1996 gründeten die rechten ‘Republikaner’ die ‘Johann-Gottlieb-Fichte-Stiftung’: http://www.fichte-stiftung.de/ (aufgerufen am 4.12.2019) [55] Wilhelm von Humboldt (1767-1835), preußischer Gelehrter, Schriftsteller, Staatsmann und Bildungsreformer, war einer der Gründer der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin (1809), die seit 1945 Humboldt-Universität heißt. [56] Alexander von Humboldt (1769-1859) ging als deutscher Forschungsreisender (Lateinamerika, USA, Zentralasien) in die Geschichte ein. Schon zu Lebzeiten wurde der angesehene Gelehrte als bedeutende Größe seines Zeitalters gewürdigt und als ‘Der neue Aristoteles’ bezeichnet. Heute gilt er als Pionier des ökologischen Denkens. [57] Das ist nichts Ungewöhnliches: Goethe war an allen wichtigen Berufungsentscheidungen der Universität beteiligt. Später beruft Goethe auch Fichte und Schilling nach Jena. Schiller nähert sich der Geschichte von der Seite der universalhistorischen Ideen der Aufklärung an, was er vor allem in seinen ästhetischen Schriften ‘Über die ästhetische Erziehung des Menschen’ (1801) und ‘Über naive und sentimentalische Dichtung’ (1795) entfaltet. Zu Schillers Professur vgl. weiterführend Johannes Lehmann, Unser armer Schiller, a. a. O., 130ff., und Gero von Wilpert, Schiller, a. a. O., 50ff. [58] Peter Neumann, Jena 1800. Die Republik der freien Geister, München 22018, 17. [59] Dieser Zeitabschnitt der Romantik dauerte von 1795/98 bis 1804. Dafür stehen die Namen Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Friedrich Schleiermacher, die Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel, Ludwig Tieck und Novalis, nicht zu vergessen die Frauen der Frühromantik. Exemplarisch sei hier Caroline Schelling, geb. Michaelis, verw. Böhmer, gesch. Schlegel, verh. Schelling genannt. Vgl. dazu weiterführend Manfred Frank, „Unendliche Annäherung“. Die Anfänge der philosophischen Frühromantik, FfM 21998, und Peer Kösling, Die Familie der herrlich Verbannten. Die Frühromantiker in Jena. Anstöße Wohnungen Geselligkeit, Jena 2010. [60] Peter Neumann, Jena 1800, a. a. O., 63. [61] Luise von Lengefeld (1743-1823) war Hofmeisterin bei den Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt auf dem Residenzschloss Heidecksburg. Sie war die Witwe des Oberforstmeisters Carl Christoph von Lengefeld (1715-1775), mit dem sie zwei Töchter hatte, die sie nach dem Tod ihres Mannes alleinerziehend aufzog. [62] Von Seiten der Charlotte von Lengefeld ist die Ehe mit Schiller nicht standesgemäß. Ihre Mutter willigte ein, um ihrer Tochter Charlotte eine Konvenienzehe zu ersparen, deren Scheitern sie bei ihrer Tochter Caroline wahrgenommen hatte. Die Kirche ‘Unserer Lieben Frau’ im Jenaer Stadtteil Wenigenjena stammt aus dem 14. Jahrhundert und heißt seit der Trauung Schillers im Volksmund ‘Schillerkirche’. Eine offizielle Umbenennung war erstmals 1909 und seither immer wieder einmal behördlich abgelehnt worden. Zur Hochzeit erhielt das Paar von Carl Theodor von Dalberg (1744-1817), dem späteren Erzbischof von Mainz, Großherzog von Frankfurt und Fürstprimas von Deutschland, ein Gemälde und eine Kiste mit drei Teedosen, vgl. Marbacher Magazin 77/1997, 36f. u. 56. [63] Der Philosophieprofessor, Theologe und Mediziner Carl Christian Erhard Schmid (1761-1812) war einer der prominentesten Kantianer in Jena. [64] Schillers Antrittsvorlesung erscheint im Novemberheft 1789 von Christoph Martin Wielands Zeitschrift ‘Der Teutsche Merkur’ (1773-1810), zudem als Sonderdruck in der Jenaer Akademischen Buchhandlung. Allerdings zieht Schillers dortiger Titelvermerk, ‘Professor der Geschichte in Jena’ zu sein, den Protest seiner Kollegen Johann August Heinrich Ulrich (1746-1813), Professor für Moral und Politik, und Christoph Gottlob Heinrich (1748-1810), Professor für Geschichte, nach sich: Schiller hatte an der Universität Jena kein Extraordinariat für Geschichte, sondern eine außerordentliche Professur für Philosophie erhalten. In seiner Antrittsvorlesung unterschied bekanntlich Schiller ironisch zwischen ‘Brotgelehrten’ und ‘Universalgelehrten’ eine Unterscheidung, die seither bis heute noch immer im Sprachgebrauch ist. [65] Schillers Kinder waren Karl Friedrich Ludwig Freiherr von Schiller (1793-1857), der nach einem von Schillers Verleger Cotta ermöglichten Studium der Forstwissenschaft im württembergischen Forstdienst tätig war. Ernst Friedrich Wilhelm (1796-1841) studierte Jura, wurde der Sprecher seiner Geschwister. Er nahm am 17.9.1826 an der Feier zur Schädelniederlegung seines Vaters teil. Am Ende seines Berufslebens war er Appellationsgerichtsrat in der Rheinprovinz. Wie sein Vater litt er an Lungentuberkulose und starb früh; in Bonn befindet sich sein Grab. Karoline Luise Friederike Junot, geb. Schiller (1799-1850) lebte zum Schluss in Rudolstadt. Freifrau Emilie Friederike Henriette Luise von Gleichen-Rußwurm, geb. Schiller (1804-1872) war zuletzt Nachlassverwalterin ihres Vaters auf Schloss Greifenstein/Unterfranken. [66] Wie viele Dichter, so lässt sich Schiller nicht nur von den Musen inspirieren, sondern auch von Drogen. Bekanntlich mochte er nicht nur Tabak, Schnupftabak, Likör und Kaffee, sondern auch Äpfel: Goethe zufolge bewahrte er in seiner Schreibtischschublade jede Menge verfaulter Äpfel auf, deren Geruch ihn drogenartig umnebelte, ihn anscheinend an seine Kindheit erinnerte und ihn zum Dichten inspirierte, vgl. Marbacher Magazin 72/1995, Vom Schreiben 3: Stimulanzien oder Wie sich zum Schreiben bringen?, 15. [67] So Rüdiger Safranski über Schiller, in: DER SPIEGEL 41/2004, 178. [68] Das Gedicht ‘Die Gunst des Augenblicks’ findet man als Autograph Nr. 84, in: SPIEGEL DER WELT. Handschriften aus drei Jahrtausenden (Marbacher Kataloge 55) Bd. 1, Tübingen 2000, 111/112 (Transkription auf 403). Der Katalog geht auf eine Ausstellung der Fondation Martin Bodmer Cologny in Verbindung mit dem Schiller-Nationalmuseum Marbach und der Stiftung Bärengasse Zürich zurück, die im Sommer 2000/2001 in Zürich, Marbach, New York und Dresden stattfand. [69] Schiller gab die Zeitschriften ‘Wirtembergisches Repertorium der Litteratur’ (1782-1783), ‘Rheinische Thalia’, ‘Thalia’ und ‘Neue Thalia’ (1785-1796) und ‘Die Horen’ (1785-1797) heraus - von ihm immer als Arbeit, die ihm sein tägliches Leben sicherte, bezeichnet. [70] Georg I. Friedrich Karl Herzog von Sachsen-Meiningen (1761-1803) war von 1782 bis 1803 der Regent des Herzogtums Sachsen-Meiningen. Er nannte sich ‘erster Diener des Staates’ und führte das Land nach den Kriterien eines aufgeklärten Absolutismus. [71] Schiller erhielt zu dieser Zeit 200 Taler jährlich aus der Privatschatulle Herzog Carl Augusts und 150 Taler jährlich anstelle einer Aussteuer von Luise von Lengefeld, hatte also im Jahr 350 Taler zur Verfügung (zum Vergleich: Goethe erhielt 3000 Taler jährlich, vgl. dazu detailliert Johannes Lehmann, Unser armer Schiller, a. a. O., 227ff.). Schiller führte über seine Einnahmen und Ausgaben ganz genau Buch, vgl. ‘Ich stürze aus meinen idealistischen Welten’, a. a. O., 23, und Manfred Mai, „Was macht den Mensch zum Menschen?“ Friedrich Schiller. Eine Biographie, München 2004, 256. Auch über seine Dramen hatte er den vollen Überblick, vgl. Dichterhandschriften von Martin Luther bis Sarah Kirsch, hg. von Jochen Meyer, Stuttgart 1999, 22003, 56f. [72] Der junge Novalis (eigentlich Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, 1772-1801), Frühromantiker und Philosoph, kümmerte sich mit weiteren Studenten und Freunden um den kranken Professor, und hält Nachtwache. Im Alter von 29 Jahren wird auch er von der Krankheit dahingerafft. Man spekuliert, er habe sich bei Schiller, zu dem er enge persönliche Kontakte geknüpft hatte, angesteckt, vgl. Peter Neumann, Jena 1800, a. a. O., 204. [73] Federführend waren dabei der dänische Dichter Jens Immanuel Baggesen (1764-1826), der dänische Finanz- und Außenminister Ernst Heinrich Graf von Schimmelmann (1747-1831) und Friedrich Christian II. von Augustenburg (1765-1814), Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, Patron der Universität Kopenhagen. [74] Vgl. dazu ausführlich Jörg Aufenanger, Friedrich Schiller. Biographie, Düsseldorf und Zürich 2004, bes. 159ff. [75] Neben ihm erhielten diese Auszeichnung Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803), Johann Heinrich Campe (1746-1818), Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827), George Washington (1732-1799) und Tadeuz Kośiuszko (1746-1817). Die von Danton (1759-1794) unterzeichnete Urkunde rettete Schillers Urenkel, Baron Alexander von Gleichen-Rußwurm (1865-1947), im Jahr 1945 das Leben, als die französische Armee Baden-Baden besetzte und die Soldaten Gebäude für sich requirierten - weil sich die Ehrenbürgerschaft automatisch auf die Nachkommen Schillers übertrug und einige Sonderrechte beinhaltete. Zur Ernennungsurkunde vgl. Schiller. Ständige Ausstellung des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar, a. a. O., 118f. [76] Johann Friedrich von Cotta (1764-1832), Inhaber der 1659 gegründeten Tübinger Cotta’schen Verlagsbuchhandlung und der Verleger der Werke Goethes, Schillers, Hebels, Uhlands, Schwabs, Schellings, Fichtes, Pestalozzis, Kleists, Hegels, Herders und vieler anderer bedeutender Schriftsteller, verkaufte bis 1867 mehr als 2,4 Millionen Exemplare der Schillerschen Werkausgabe! [77] 1795 kommen die ‘Horen’ zum ersten Mal heraus. Die berühmtesten Schriftsteller und Philosophen ihrer Zeit arbeiten in der Zeitschrift mit, darunter Herder, Fichte, August Wilhelm Schlegel, Wilhelm von Humboldt, Alexander von Humboldt, Johann Heinrich Voß (1751-1826) und Friedrich Hölderlin. Zu den ‘Horen’ vgl. Schiller. Ständige Ausstellung des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar, a. a. O., 148-156. [78] An der Zeitschrift arbeiteten neben Goethe und Herder auch Ludwig Tieck (1773-1853), Hölderlin und August Wilhelm Schlegel mit. 1797 erschienen hierin die ‘Xenien’, ein Gemeinschaftsprojekt von Goethe und Schiller: In dieser Sammlung von Zweizeilern, voller Spott und Polemik, rechneten die beiden mit ihren literarischen Gegnern ab. ‘Xenia’ ist das griechische Wort für kleine Geschenke, die im antiken Griechenland der Gastgeber nach dem Mahl an seine Gäste verteilte. Zum ‘Musen-Almanache’ vgl. Schiller. Ständige Ausstellung des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar, a. a. O., 165-172. [79] In diesem Gartenhaus kurz vor den Toren der Stadt, heute Schillergässchen 2, entstanden u. a. sein ‘Wallenstein’ und seine ‘Maria Stuart’, ferner Balladen wie die ‘Jungfrau von Orleans’. Schiller hatte noch mehrere Wohnungen in der Jenaer Innenstadt gemietet. Im Gartenhäuschen wohnte und arbeitete er mit seiner Familie und drei Dienstboten (im Unterschied zu Goethe nannte er nicht jeden seiner Diener ‘Carl’). Es kostete damals 1050 Taler, was Schiller über ein Darlehen finanzierte. In einer Ecke des Gartens ließ Schiller 1798 einen kleinen Turm bauen, in dem er ein Arbeitszimmer einrichtete (das von Goethe ‘Schillers Gartenzinne’ genannt wurde). Hier empfing Schiller zahlreiche Gäste, darunter neben Goethe auch Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854), Caroline von Humboldt (1766-1829), Johann Friedrich Cotta, Johann Gottlieb Fichte und den Philosophieprofessor Friedrich Immanuel Niethammer (1766-1848). Insgesamt lebte Schiller zehn Jahre in Jena. Nach dem Wegzug der Familie nach Weimar verpachtete Schiller Haus und Grundstück zunächst und verkaufte es schließlich 1802. Heute gehört das Gelände zur Jenaer Friedrich-Schiller-Universität und liegt im Zentrum der Stadt: https://www4.uni-jena.de/Gartenhaus.html (aufgerufen am 14.10.2019). Klassische und moderne Lesungen finden hier statt, kleine Konzerte und Vorträge. [80] Friedrich Schiller, Wilhelm Tell 3,1. [81] Friedrich Schiller, Wallenstein, Prolog. [82] Friedrich Schiller, Wilhelm Tell 3,1. [83] Schiller, Wilhelm Tell 3,2. [84] Schiller, Wilhelm Tell, 1,2. [85] Schiller, Die Räuber 5,2. [86] Friedrich Schiller, Der Jüngling am Bache. [87] Friedrich Schiller, Wilhelm Tell, 4,3. Die Hohle Gasse ist ein künstlicher Hohlweg zwischen Küssnacht und Immensee. Dort soll Wilhelm Tell 1307 den habsburgischen Landvogt Hermann Gessler getötet haben. [88] Vgl. dazu weiterführend und natürlich mit mehr Zitaten, als hier möglich ist, Johann Prossliner, Kleines Lexikon der Schiller-Zitate, München 2004, und Torsten Körner, Schiller für Eilige, a. a. O., 140-150, und Johannes Lehmann, Unser armer Schiller, a. a. O., 276ff. [89] Peter Neumann, Jena 1800, a. a. O., 124. [90] Vgl. das treffende Porträt der Stadt in: GEO EPOCHE Nr. 79: Deutschland um 1800, Hamburg 2016, 101-115, und in Claudia Pilling et. al., Friedrich Schiller, a. a. O., 68ff. [91] Vgl. dazu Eberhard Straub, Unter knorrigen Eichen, in: DIE ZEIT Nr. 34 v. 13.8.2009, 37. [92] Goethe war das Rauchen verhasst: Immer wieder wird ihm der folgende Text über die ‘Schmauchlümmel’ zugeschrieben: Rauchen macht demzufolge „dumm; es macht unfähig zum Denken und Dichten. Es ist auch nur für Müßiggänger, für Menschen, die Langeweile haben, die ein Dritteil des Lebens verschlafen, ein Dritteil mit Essen, Trinken und andern notwendigen oder überflüssigen Dingen hindudeln, und alsdann nicht wissen, obgleich sie immer vita brevis sagen, was sie mit dem letzten Dritteil anfangen sollen. [...] Zum Rauchen gehört auch das Biertrinken, damit der erhitzte Gaumen wieder abgekühlt werde. Das Bier macht das Blut dick und verstärkt zugleich die Berauschung durch den narkotischen Tabaksdampf. So werden die Nerven abgestumpft und das Blut bis zur Stockung verdickt. Wenn es so fortgehen sollte, wie es den Anschein hat, so wird man nach zwei oder drei Menschen-Alter[n] schon sehen, was diese Bierbäuche und S c h m a u c h l ü m m e l aus Teutschland gemacht haben. An der Geistlosigkeit, Verkrüppelung und Armseligkeit unserer Literatur wird man es zuerst bemerken. [...] Und kein Hungriger wird gesättigt und kein Nackter gekleidet. Was könnte mit dem Gelde geschehen! Aber es liegt auch im Rauchen eine arge Unhöflichkeit, eine impertinente Ungeselligkeit“ (zit. n. Wolfgang Herwig, Goethes Gespräche, Band 2, Zürich 1969, 362f.). Der Text befindet sich auch in der Süddeutschen Zeitung v. 28.8.2007, 33, wo er fälschlicherweise Johann Wolfgang von Goethe zugeschrieben wird. In Wirklichkeit stammt der Text aus dem Nachlass des Historikers Heinrich Luden (1778-1847), der sowohl mit Goethe als auch mit Karl Ludwig von Knebel (1744-1834) bekannt war. Bei einem Besuch Ludens bei Knebel kam das gemeinsame Gespräch auf Goethes Abneigung gegen das Rauchen und Schnupfen und wurde von Luden schriftlich festgehalten. Schiller indes rauchte gerne und nahm auch gern Schnupftabak. Beide Dichter verband die Liebe zum Wein. Sie bezogen diesen von der 1791 in Erfurt gegründeten Weinhandlung der Gebrüder Ramann. Erhalten ist ein Trinkglas (‘Römer’) aus Schillers Nachlass, das wie Schillers Pfeife und seine Tabaksdose abgebildet ist in: Marbacher Magazin 72/1995, Vom Schreiben 3: Stimulanzien oder Wie sich zum Schreiben bringen?, 43f. u. 55. [93] Mit der Bezeichnung ‘Wallenstein’ ist eigentlich eine Trilogie gemeint, die aus ‘Wallensteins Lager’, ‘Die Piccolomini’ und ‘Wallensteins Tod’ besteht. Schiller thematisiert anhand der Tragödie des Niedergangs des bekannten böhmischen Oberbefehlshabers der kaiserlichen Armee in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges den Konflikt zwischen Gehorsam und Selbstbestimmung bzw. äußerer Macht und innerer Freiheit. Die Uraufführungen der einzelnen Teile fanden von 1798-1799 im umgebauten Weimarer Hoftheater, dem heutigen Deutschen Nationaltheater statt; 1800 erschien der Text im Druck, vgl. Schiller. Ständige Ausstellung des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar, a. a. O., 173-179, und Manfred Mai, Friedrich Schiller, a. a. O., 219-240. [94] ‘Maria Stuart’ ist ein Trauerspiel in fünf Akten, das am 14. Juni 1800 im Weimarer Hoftheater uraufgeführt wurde. Es kreist um die Ereignisse um Maria Stuart (1542-1587), der Königin von Schottland. Zur Interpretation vgl. Torsten Körner, Schiller für Eilige, a. a. O., 83-94. [95] Schillers Drama wurde am 11. September 1801 in Leipzig uraufgeführt. Die ‘romantische Tragödie’, die der Weimarer Klassik zugeordnet wird, verarbeitet die historischen Geschehnisse um Jeanne d’Arc (1412-1432), die in der römisch-katholischen Kirche als Heilige verehrt wird. Im Unterschied zur historischen Vorlage lässt Schiller aber Johanna nicht auf dem Scheiterhaufen, sondern auf dem Schlachtfeld sterben. Zur ‘Jungfrau von Orleans’ vgl. Schiller. Ständige Ausstellung des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar, a. a. O., 194-199. [96] In dem Gedicht verarbeitet Schiller unter dem Eindruck des Friedens von Lunéville (1801) in vierzeiligen trochäischen Strophen den fatalen Kampf zweier Großmächte um die Weltherrschaft (gemeint sind Großbritannien und Frankreich). [97] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling war 1798 nach Jena gekommen. Zwischen ihm und Caroline Schlegel, die als Revolutionärin und Demokratin 1793 festgenommen worden war und nach ihrer Freilassung August Wilhelm Schlegel 1796 geheiratet hatte, entwickelte sich eine Liebesbeziehung, die von ihrem Mann toleriert wurde. Nach der Scheidung heirateten Schelling und Caroline Schlegel 1803 und zogen nach Würzburg. [98] Vgl. dazu: Schillers Wohnhaus in Weimar. In Zusammenarbeit mit der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen (edition Akanthus, Kleine Reihe), Spröda 2004. Das Haus an der heutigen Schillerstraße lag damals am grünen Stadtrand Weimars und bot der Familie so viel Platz, dass Schiller eine eigene Etage, die Mansarde, bezog, in der er genügend Ruhe zum Arbeiten hatte. 4200 Taler war der Kaufpreis für das Haus, weitere 800 Taler kostete der Umbau. Schiller konnte diesen Kaufpreis nicht aufbringen; er lieh sich deshalb bei seiner Schwiegermutter 600 Taler zu den damals üblichen 4% Zinsen. In seinem Haus empfing Schiller Gäste, dort fanden auch Lesungen statt. Schauspieler*innen des herzoglichen Weimarer Hoftheaters Goethe leitete es von 1791-1817, war Intendant und Direktor und damit für alles verantwortlich (Spielplan, Inszenierungen, Besetzungen, Proben, Requisiten, Theaterzettel und Bühnenbild) probten dort ihre Rollen vor Uraufführungen neuer Werke Schillers. Zu Zeiten von Schillers Tod war das Haus schuldenfrei. Schillers Witwe lebte zwanzig Jahre länger in diesem Haus als Schiller. Nach ihrem Tod wurde das Haus 1827 von ihren Kindern verkauft, gelangte dadurch kurzzeitig in andere Hände und wurde 1847 von der Stadt Weimar zurückgekauft. Heute beherbergt es das von der ‘Klassik Stiftung Weimar’ betriebene Schillermuseum in der Schillerstraße 12; seit 1998 gehört es zum UNESCO-Weltkulturerbe. Man bemühte sich, Schillers Arbeits- und Sterbezimmer authentisch einzurichten: https://www.klassik-stiftung.de/ (aufgerufen am 8.11.2019). [99] Mit ‘Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder’, ein ‘Trauerspiel mit Chören’, unternimmt Schiller den Versuch, die Tradition der antiken griechischen Tragödie auf die deutsche Bühne zu bringen. Die Uraufführung, bei der Schillers neunjähriger Sohn Karl in der Rolle eines Pagen zu sehen war, fand am 19. März 1803 in Weimar statt. Die Handlung spielt auf Sizilien, wo sich Christentum und Heidentum begegnen, vgl. Schiller. Ständige Ausstellung des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar, a. a. O., 200-202. [100] In seinem patriotischen fünfaktigen Geschichtsdrama stellte Schiller die Gründung des helvetischen Bundes aus der Solidarität der drei reichsunmittelbaren Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden gegen den habsburgischen Usurpator dar. Legendär der Apfelschuss von Wilhelm Tell. Schiller hat seinen ‘Wilhelm Tell’ in nur sechs Monaten geschrieben. Das Drama wurde am 17. März 1804 uraufgeführt und war das letzte Drama, das Schiller geschrieben hat. Gut anderthalb Jahrhunderte später erfuhr der Stoff eine Bearbeitung durch den Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911-1991), vgl. Max Frisch, Wilhelm Tell für die Schule, FfM 1971. 200 Jahre nach der Uraufführung wurde Schillers Stück am Originalschauplatz auf der Rütli-Wiese 2004 gezeigt, vgl. Thomas Hürlimann, Reaktionäre und Rebellen. So sind wir, in: DIE ZEIT Nr. 32 v. 29.7.2004, 31. Ein Auszug aus dem Manuskript von ‘Wilhelm Tell’ befindet sich zusammen mit Hintergrundinformationen zu Max Frisch (1911-1991) in: SPIEGEL DER WELT. Handschriften und Bücher aus drei Jahrhunderten, a. a. O., 362-367. Heute zählt das Freiheitsstück zur Weltliteratur und wird regelmäßig in der Schule gelesen, vgl. Friedrich von Schiller, Wilhelm Tell, Hamburger Lesehefte Verlag, 7. Heft, Husum 2005. [101] Friedrich Ludwig Christian von Preußen, genannt Prinz Louis Ferdinand von Preußen (1772-1806), aus dem Hause Hohenzollern stammend, war Feldherr, Komponist und Pianist. Er fiel am 10.10.1806 im Gefecht bei Saalfeld, vier Tage vor der Schlacht bei Jena und Auerstedt. [102] Luise Herzogin zu Mecklenburg, bekannt als Königin Luise von Preußen (1776-1810) war die Gattin von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen (1770-1840), dem reformorientierten Markgraf von Brandenburg und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. [103] Die ‘Zauberflöte’, eine Oper in zwei Aufzügen, wurde 1791 im Wiener Freihaustheater uraufgeführt. Bis heute zählt das ca. dreistündige Werk zu den international bekanntesten und am häufigsten inszenierten Opern. Die berühmte Oper von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) spiegelt deutlich den Zeitgeist der Wiener Klassik. [104] Der deutsche Komponist der Vorklassik, Christoph Willibald Gluck (1714-1787), war einer der maßgeblichen Opernkomponisten des 18. Jahrhunderts. Er hinterließ neben Instrumentalwerken und Balletten ca. fünfzig Opern. Er hatte u. a. entschiedenen Einfluss auf Richard Wagner (1813-1883). [105] Freifrau Emilie Friederike Henriette von Gleichen-Rußwurm, geb. von Schiller, die jüngste Tochter Friedrich Schillers, wuchs in Weimar auf und lebte 1827/28 eine Zeit lang in der Familie Wilhelm von Humboldts. Sie heiratete den bayrischen Kammerherrn Adalbert Freiherr von Gleichen-Rußwurm (1803-1887) und lebte mit ihm auf Schloss Greifenstein in Franken, wo sie ein Museum für ihren Vater einrichtete. Ihr Enkel Alexander von Gleichen-Rußwurm, der Urenkel Schillers, der sich ehrenhalber Alexander Schiller, Freiherr von Gleichen, genannt von Rußwurm nennen durfte Schriftsteller, Herausgeber, Übersetzer und Kulturphilosoph , war der letzte männliche Nachkomme aus der weiblichen Linie Friedrich Schillers. Da seine Mutter wenige Wochen nach seiner Geburt gestorben war, wurde er von seiner Großmutter erzogen und geprägt. Umgeben von Schillers Nachlass, war eine schriftstellerische Existenz für ihn vorprogrammiert. Im Geiste Schillers schuf er ein eigenes, dem klassischen, idealistisch-humanistischen Geist verpflichtetes Œuvre. Außerhalb literarisch interessierter Kreise wurde er als ‘Mäusebaron’ bekannt: Nachdem er einem Münchner Juwelier eine wertvolle Perlenkette per versichertem Wertbrief zur Umarbeitung geschickt hatte, entdeckte dieser nach der Öffnung des unversehrten Briefes statt der erwarteten Kette nur eine tote Maus. Baron von Gleichen-Rußwurm, der den Vorfall angezeigt hatte, wurde in einem vier Jahre dauernden Aufsehen erregenden Prozess eine pathologisch veranlagte Persönlichkeit attestiert. Er wurde wegen Betrugs schuldig gesprochen und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt: Es war ihm nachgewiesen worden, dass er anstatt der Perlenkette eine lebende Maus verpackt hatte. Sein Plan war, dass die Maus sich während des Transports durch die Verpackung nagen und somit vortäuschen sollte, dass die Sendung beschädigt war. Ziel der Aktion des hochverschuldeten Barons war es, sich in den Besitz der hohen Versicherungssumme zu bringen. Der ‘Mäusebaron’ wurde literarisch von Thomas Mann im ‘Doktor Faustus’ verarbeitet. 1938 übergab von Gleichen-Rußwurm alle Erinnerungsstücke an seinen Urgroßvater dem Schiller-Nationalmuseum in Marbach am Neckar und dem Mainfränkischen Museum in Würzburg. Direkte leibliche Nachkommen Friedrich Schillers gibt es, genau wie von Goethe, dessen Linie mit dessen Enkel Walther von Goethe (1818-1885) ausgestorben ist, heute keine mehr. Zur Genealogie der Familie Schiller: https://www.schillersgeburtshaus.de/seite/315883/schillers-familie.html?browser=1 (aufgerufen am 10.11.2019) und http://www.friedrich-von-schiller.net/familie.shtml (aufgerufen am 10.11.2019). [106] Jean Racine (1639-1699) war ein französischer Aufklärer und einer der größten französischen Tragödiendichter seiner Zeit. [107] Das letzte abgeschlossene Werk Schillers ist ‘Die Huldigung der Künste. Ein lyrisches Spiel’, das im April 1805 im Auftrag Cottas bei Frommann und Wesselhöft erschien. Es war der russischen Großfürstin Maria Pawlowna (1786-1859), Mitglied des Hauses Romanow-Holstein-Gottorp und Enkelin von Zarin Katharina der Großen (1729-1796), anlässlich ihres Besuches als Erbprinzessin in Weimar im November 1805 gewidmet, die wegen ihres sozialen Engagements von den Weimarern geliebt wurde. Noch heute erkennt man von der Wartburg aus ein auf einem Felsen angebrachtes überdimensionales vergoldetes „M“, das für den Vornamen der sachsen-weimarischen Herzogin steht, ihr zu Ehren errichtet und 1805 eingeweiht wurde. [108] Der eindrucksvolle Bericht von Caroline von Beulwitz über das Sterben Schillers ist abgedruckt in: Jürgen Schwarz, Schiller kennen lernen: sein Leben, seine Dramen, seine Balladen, Lichtenau 2008, 53f. [109] Vgl. weiterführend Gero von Wilpert, Schiller, a. a. O., 81ff., der beschreibt, an welchen Krankheiten genau Schiller gelitten hat und woran er schließlich gestorben ist. [110] Schillers Dramenfragment ‘Die Malteser’, an dem er 1787 gearbeitet hatte und das die Belagerung Maltas durch die Türken 1565 zum Thema hatte, wird nach seinem Tod zerschnitten; die Teile werden als ‘Reliquien’ von der Familie Schiller kreuz und quer an Verehrer verteilt, vgl. Ordnung. Die unendliche Geschichte (marbacher katalog 61), hg. v. Deutschen Literaturarchiv Marbach, Marbach 2007, 26-34. [111] Die Obduktion führten Wilhelm Ernst Christian Huschke (1760-1828), Hofmedikus und Leibarzt der Großherzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach, sowie Hofmedikus Gottfried von Herder (1774-1806), Sohn des Generalsuperintendenten Johann Gottfried Herder, durch, der selbst im Jahr darauf an Typhus starb. Eine akute Lungenentzündung, hervorgerufen durch eine jahrelange Tuberkuloseerkrankung, gilt als Ursache für Schillers frühen Tod. Die Obduktion vom 10. Mai 1805 ergab u. a., dass Schillers linker Lungenflügel völlig zerstört war, seine Nieren sich fast aufgelöst hatten und sein Herzmuskel sich zurückgebildet hatte; Milz und Galle waren stark vergrößert, vgl. dazu Peter Braun, Schiller, Tod und Teufel. Rede des Herrn von G. vor einem Totenschädel, Düsseldorf und Zürich 2005, 24f., wo sich der Obduktionsbericht findet. Spätere Analysen ergaben, dass die Tapete in Schillers Arbeitszimmer hohe Werte bei Blei, Arsen und Kupfer aufwies und vermutlich deren Ausdünstungen in die Umgebungsluft Schillers Gesundheitszustand abträglich waren. Jahrelang hatte Schiller an Problemen des Magen-Darm-Trakts, einer chronischen Bauchfellentzündung mit Eiterherden, einhergehend mit Fieberschüben und Schüttelfrost, zu leiden gehabt. Einer literarischen Autopsie Schillers widmet sich das Marbacher Magazin 125.126, hg. v. Heike Gfrereis. Mit einem Essay von Wilhelm Genazino, Marbach 2009. [112] Der deutsche Bildhauer Johann Christian Ludwig Klauer (1782-nach 1813, verschollen), der u. a. später auch Herzogin Anna Amalia und Wieland porträtierte, war damit beauftragt worden. Eine der Totenmasken befindet sich heute im Schiller-Nationalmuseum in Marbach, vgl. DIE ZEIT Nr. 47 v. 12.11.2009, 55. Ein Bild von Schiller auf dem Totenbett befindet sich in: Manfred Mai, Friedrich Schiller, a. a. O., 300. [113] Vgl. Johannes Lehmann, Unser armer Schiller, a. a. O., 18f. [114] Bis heute gehört es zu den Privilegien von Angehörigen des Adels, Verstorbene auf privatem Grund und Boden und in Grüften zu bestatten, während ansonsten in Deutschland für alle anderen Friedhofspflicht bzw. -zwang herrscht. Begründet wird dies mit traditionellen Rechten des Adels. [115] Vgl. Harald Gerlach, ‘Man liebt nur, was einen in Freyheit setzt’. Die Lebensgeschichte des Friedrich Schiller, Weinheim-Basel 2004, 170 (Lit. auf 189ff.). Harald Gerlach (1940-2001) war ein deutscher Lyriker, Schriftsteller und Bühnenautor. [116] Albrecht Schöne, Schillers Schädel, München 2002, 9. [117] Oberhofprediger und Generalsuperintendent Johann Ludwig Gottfried Vogt (1760-1818) hielt die Leichenrede, die Trauergemeinde nahm bei Klängen von Mozarts Requiem Abschied. [118] Christiane Goethe, geb. Vulpius (1765-1816) stammte aus einer kinderreichen, nicht sehr vermögenden Weimarer Familie. Sie lernte den 16 Jahre älteren 39jährigen Geheimrat Goethe im Sommer 1788 im Park an der Ilm kennen, als sie ihm eine Bittschrift für ihren Bruder, einen Schriftsteller, übergab. Zu dem Zeitpunkt arbeitete sie in einer Stoffblumen-Manufaktur. Goethe lebte 18 Jahre lang mit der als freundlich und lebenslustig beschriebenen Frau nicht-standesgemäß zusammen, bevor er sie 1806, ein Jahr nach Schillers Tod, heiratete. Christiane und Johann Wolfgang von Goethe bekamen miteinander fünf Kinder, von denen nur eines, August von Goethe (1789-1830), das Erwachsenenalter erreichte. Die Weimarer Gesellschaft lästerte über diese Beziehung: Für Charlotte Schiller war Christiane Vulpius ‘Goethes dickere Hälfte’. Sie starb nach einem Schlaganfall und Urämie an Blutvergiftung, vgl. weiterführend DER SPIEGEL Nr. 36/1998, online zugänglich unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7969410.html (aufgerufen am 5.12.2019). [119] Vgl. dazu Karl Otto Conrady, Goethe. Leben und Werk, Düsseldorf 2006, 783ff. Goethe schrieb an Zelter: „Ich... verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseins“ (Goethe, Brief v. 1.6.1805, zit. nach Gero von Wilpert, Goethe: Die 101 wichtigsten Fragen, a. a. O., 94). [120] Auch Charlotte von Schiller und Caroline von Wolzogen waren bei der nächtlichen Bestattung nicht dabei, weil sie psychisch und physisch dazu nicht dazu in der Lage waren. Charlotte von Schiller erzog die vier Kinder, die beim Tod ihres Vaters zwölf, neun, sechs und ein Jahr alt waren, allein; sie starb 21 Jahre nach ihrem Mann am 9. Juli 1826 in Bonn an den Folgen einer Augenoperation bzw. eines Schlaganfalls. Ihre letzten Lebensjahre hatte sie dort bei ihrem Sohn Ernst verbracht; hier befindet sich auch ihr Grabstein. [121] Vgl. Rüdiger Safranski, Goethe. Kunstwerk des Lebens, a. a. O., 458. [122] Das Gedicht beginnt mit den Worten: „Im ernsten Beinhaus wars, wo ich beschaute,/Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten;/Die alte Zeit gedacht ich, die ergraute./Sie stehn in Reih geklemmt, die sonst sich haßten,/Und derbe Knochen, die sich tödlich schlugen,/Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Bei_Betrachtung_von_Schillers_Sch%C3%A4del, aufgerufen am 17.10.2019). [123] Vgl. dazu bereits Julius Schwabe, Schiller’s Beerdigung (1852), online zugänglich unter: https://books.google.de/books?id=1ggPAAAAIAAJ&pg=PAPR3#v=onepage&q&f=false (aufgerufen am 17.10.2019). Es war eine Ironie des Schicksals, dass der ‘Weltenbürger, der keinem Fürsten dient’ in einer Fürstengruft liegen sollte, vgl. Marie Haller-Nevermann, Friedrich Schiller. Ich kann nicht Fürstendiener sein, Berlin 2004. [124] Vgl. dazu weiterführend https://gerichtsmedizin.at/schillercode_presentation_de.html (aufgerufen am 7.11.2019). Das gemeinsame Projekt der ‘Klassik Stiftung Weimar’ und des Mitteldeutschen Rundfunks wurde unter der Bezeichnung ‘Der Friedrich-Schiller-Code’ bekannt: Die Gebeine von Nachkommen Schillers auf dem Stuttgarter Fangelsbachfriedhof und auf dem Alten Friedhof in Bonn wurden exhumiert, um DNA-Proben zu entnehmen. In Stuttgart wurden die sterblichen Überreste von Carl von Schiller, dessen Sohn Friedrich und dessen Frau Mathilde von Schiller ausgegraben. In Gerlingen, wo Schillers jüngste Schwester und sein Vater bestattet sind, wurde die Totenruhe höher gewertet als die wissenschaftliche Forschung und die Exhumierung nicht gestattet. Ein seit 180 Jahren währender Gelehrtenstreit wurde damit beendet. Vgl. dazu Kai Michel, Zwei Schädel, ach!, in: DIE ZEIT Nr. 19 v. 4. Mai 2005, 42, in dem auf die Arbeiten von Herbert Ullrich hingewiesen wird. Ullrich, zu DDR-Zeiten als Anthropologe an der Akademie der Wissenschaft zu Berlin beschäftigt, war 1961 bei der Exhumierung von Schillers Sarg dabei, vgl. Herbert Ullrich, …und ewig währt der Streit um Schillers Schädel, München 2008, und ders., Friedrich Schiller. Zwei Schädel, zwei Skelette und kein Ende des Streites, Berlin 2007. Vgl. dazu auch Walter Hinderer, Schiller und kein Ende. Metamorphosen und kreative Aneignungen, Würzburg 2009, Johannes Lehmann, Unser armer Schiller, a. a. O., 300-311, und Ralf G. Jahn, Das Schicksal von Schillers Schädel (Progenies Bd. 2), Norderstedt 2012, sowie ders., Schillers Genealogie: Der Friedrich Schiller-Code (Progenies B. 4), Norderstedt 2014. Dr. Ralf G. Jahn war u. a. historischer Fachberater des MDR und der Klassik Stiftung Weimar bei den Fernsehdokumentationen über den Verbleib von Schillers Schädel. [125] Heute widmet sich der Pflege seines Werkes die Deutsche Schillergesellschaft e.V., die 1895 gegründet wurde und 1995 ihr hundertjähriges Bestehen feiern konnte. Sie ist ein Zusammenschluss von Personen des In- und Auslandes, die sich dem Werk Friedrich Schillers und generell der Literatur verpflichtet wissen. Sie trägt das ‘Schiller-Nationalmuseum’, das 1903 auf der Schillerhöhe eröffnet wurde und das ‘Deutsche Literaturarchiv’ (DLA) in Marbach, das 1955 gegründet wurde. Schillers Nachlass befindet sich in Weimar und in Marbach. [126] Heinrich von Kleist (1777-1811), Lyriker, Dramatiker, Erzähler und Publizist, weder der Weimarer Klassik noch der Romantik zuzurechnen, ist noch heute wegen seiner Dramen ‘Das Käthchen von Heilbronn’, ‘Der zerbrochene Krug’ und ‘Amphitryon’ sowie für seine Novellen ‘Michael Kohlhaas’ und ‘Die Marquise von O.’ bekannt. Er erschoss seine unheilbar an Gebärmutterkrebs erkrankte Freundin Henriette Vogel (1780-1811) und dann sich selbst in der Nähe des Wannsees in Potsdam. [127] Auf den deutschen Schriftsteller Georg Büchner (1813-1837), Dichter des Vormärz, Mediziner, Naturwissenschaftler, Doktor der Philosophie und Revolutionär, der trotz seines jungen Alters ein großes Werk (z.B. ‘Woyzeck’, ‘Dantons Tod’, ‘Lenz’, ‘Leonce und Lena’) hinterließ, geht die Parole ‘Friede den Hütten! Krieg den Palästen!’ zurück. Der nach ihm benannte und seit 1923 vergebene ‘Georg-Büchner-Preis’ gilt als der bedeutendste deutsche Literaturpreis. [128] Der österreichische Dramatiker Franz Seraphicus Grillparzer (1791-1872) gilt heute allgemein als österreichischer Nationaldichter. [129] Zur Wirkungsgeschichte vgl. Helmut Kremers, Der Mann, der es ernst meinte, in: zeitzeichen 4/2005, 25-30. [130] Einer der zentralen Sätze von Schillers Kunsttheorie lautet: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ (Schiller, zit. nach Thomas Gross, Gepuderte Perücken, in: zeitzeichen 4/2005, 35-37, Zitat auf 35). Vgl. dazu ausführlich Peter-André Alt/Marcel Lepper/Ulrich Raulff (Hg.), Schiller, der Spieler, Göttingen 2013. [131] Vgl. dazu Schillers am 26. Juni 1784 vor der kurpfälzischen Deutschen Gesellschaft gehaltenen Rede ‘Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet’. Die Schrift ist online über das ‘Projekt Gutenberg’ zugänglich: https://gutenberg.spiegel.de/buch/die-schaubuhne-als-eine-moralische-anstalt-betrachtet-3328/1 (aufgerufen am 19.10.2017). Vgl. dazu kritisch Gero von Wilpert, Schiller, a. a. O., 101f. [132] Friedrich Schiller, zit. nach: Schillers Leben. Verfaßt aus Erinnerungen der Familie, seinen eigenen Briefen und den Nachrichten seines Freundes Körner, Stuttgart und Tübingen 1845, 290, online zugänglich unter: https://books.google.de/books?id=598IAAAAQAAJ&pg=PA290#v=onepage&q&f=false (aufgerufen am 8.11.2019). [133] Friedrich Schiller, zit. nach: ‘Ich stürze aus meinen idealistischen Welten’, a. a. O., 98 (mit Quellenangaben auf 185). [134] Diese Zeilen stammen aus Schillers letztem Projekt ‘Demetrius’, zu dem er sich am 10. März 1804 entschlossen hatte und nicht mehr vollenden konnte. Man fand sie nach seinem Tod auf seinem Schreibtisch, hier zitiert nach Manfred Mai, Friedrich Schiller, a. a. O., 301. [135] Vgl. zu den näheren Hintergründen, wie die Friedrich-Schiller-Universität zu ihrem Namen kam: https://www4.uni-jena.de/Sonderausgabe_Schiller_Namensgebung.html (aufgerufen am 5.12.2019) [136] Vgl. Johannes Lehmann, Unser armer Schiller, a. a. O., 291ff. und 339, Anm. 527. Dort erfährt man, dass Schiller einer der meist gespielten Bühnenautoren in der Nazizeit war. [137] Vgl. weiterführend Monika Carbe, Schiller. Vom Wandel eines Dichterbildes, Darmstadt 2005. [138] Denkmäler stehen beispielsweise in Stuttgart (1839), in Weimar (1857) und in San Francisco (1901). Bemerkenswert ist das Goethe- und Schiller-Denkmal in Weimar, das die beiden Dichter gleich groß zeigt: Geschaffen von dem spätklassizistischen Dresdner Bildhauer Ernst Rietschel (1804-1861) und 1857 eingeweiht, steht es auf dem Theaterplatz in Weimar und stellt die Dichter in gleicher Körpergröße als ebenbürtig dar obwohl Goethe ca. 1,69 m und Schiller ca. 1,80 m groß gewesen ist. [139] Eine Schiller-Medaille erschien beispielsweise 1905 anlässlich des 100. Todestages des Dichters. Zum 200. Todestag von Schiller am 9. Mai 2005 vgl. Wolf Scheller, ‘In sich verzehrt, aber mit brennendem Licht’, in: liberal. Vierteljahreszeitschrift für Politik und Kultur v. März 2005, 47. Jg., 53-57. [140] Der deutsche Literaturpreis, ein goldener Siegelring mit Schillers Porträt, verbunden mit einer Dotation von 20000 Euro, wird von der Deutschen Schillerstiftung seit 1999 im dreijährigen Rhythmus verliehen. [141] Zu nennen ist hier u. a. der Schiller-Gedächtnispreis des Landes Baden-Württemberg, der Schillerpreis der Stadt Mannheim, der Schillerpreis der Stadt Marbach am Neckar, der Schillerpreis der Zürcher Kantonalbank und der Schiller-Preis des Deutschen Kulturwerks Europäischen Geistes. [142] Die Deutsche Schillerstiftung von 1859 mit Sitz in Weimar hat sich der Förderung in Not geratener deutscher Schriftsteller*innen verschrieben: http://www.schillerstiftung.de/ (aufgerufen am 15.10.2019). [143] Vgl. Adam Soboczynski, Schillers verlorene Ehre, in: DIE ZEIT Nr. 47 v. 12. November 2009, 54-55. [144] Das Zitat, mit dem Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) jede Sendung seines Literarischen Quartetts im Zweiten Deutschen Fernsehen beschloss, ist eine Abwandlung des Zitats von Bertolt Brecht (1898-1956) und stammt aus dem Epilog von dessen Stück ‘Der gute Mensch von Sezuan’, vgl. Bertolt Brecht, Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Zweiter Band: Stücke 2, FfM 1997, 294. |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/123/nn.htm |