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Union Karlsruhe?Eine RezensionWolfgang Vögele Schon auf dem Einband dieses Buches ist das Logo wiedergegeben, das sich die Badische Landeskirche für das zweihundertjährige Jubiläum[1] ihrer Unionsurkunde gegeben hat: „Unisono“ heißt es, und als ob man dem nicht getraut hätte, steht darunter noch: „VIELstimmigEiNS“. Der Rückgriff auf die Musiksprache und der inhaltliche Gegensatz zwischen Logo-Parole und Untertitel lassen den Leser ins Nachdenken kommen.[2] Musikalisch ist es ja die komplexe Polyphonie und nicht die banale Monodie, welche Musik interessant macht, und die Werke Johann Sebastian Bachs sind ausnahmslos ein Beispiel dafür. Der von den Schöpfern dieses Slogans gemeinte Begriff des Vielstimmigen erscheint als durchaus problematisch. Denn das Vielstimmige (Jeder sagt, was er will) ist mit dem Mehrstimmigen (Alle Stimmen sind aufeinander bezogen) keineswegs zu verwechseln; beides ist vom Einstimmigen zu unterscheiden. Die Unionsurkunde wird mittlerweile als Gründungsdokument eines religiösen und innerkirchlichen Pluralismus gelesen, den legitimatorisch zu etablieren die Synode des Großherzogtums Baden überhaupt nicht im Sinn hatte, weil sie ihn noch gar nicht kennen konnte. Insofern ist es verdienstvoll, dass der Band die historisch-theologische Entwicklung dokumentiert, die zur Verabschiedung des Unionsurkunde führte und ihren Text penibel kommentiert. Daraus wird ersichtlich, dass die damalige Synode keineswegs ein demokratisches Gremium war, das der Großherzog schon vor der Abstimmung der Synode das Dokument genehmigt und unterschrieben hatte sowie dass der Bekenntnisgegensatz zwischen Lutheranern und Reformierten durch die Urkunde keineswegs in ein friedliches pluralistisches Miteinander aufgelöst war. Der genaue Blick auf die historischen Dokumente offenbart, dass die in dieser Frage engagierten Theologen mit ganz anderen Fragen und Perspektiven beschäftigt waren als das heute der Fall ist. Die im Band von Reinhard Ehmann formulierten Kommentartexte zeigen das deutlich. Problematisch erscheint es, wenn der Versuch gemacht wird, die Bekenntniseinigung der Unionsurkunde in der Perspektive von innerkirchlicher Demokratie, Pluralismus, Individualismus als ein nachhaltig modernes Dokument zu lesen. Fragen in dieser Hinsicht wirft insbesondere der Beitrag von Fritz Lienhard (67ff.) auf, der den garstig breiten Graben der Historie allzu schnell überspringt. Die Synode war noch kein demokratisches Gremium, es herrschte noch kein religiöser Pluralismus, der heutiger Vielfalt von Religionen vergleichbar wäre, und auch der Individualismus, heute ein entscheidendes gesellschaftliches Merkmal, war die Romantik war gerade noch im Schwange noch nicht so entwickelt, wie das heute der Fall ist. Dazu kommen problematische religionssoziologische Rückeintragungen (der Gegensatz von Organisation und Institution, gesellschaftliche Differenzierung), die dazu geeignet sind, historische Unterschiede zu glätten und zu überspielen.[3] Nach dem von einer breiten Mehrheit der Theologen als misslungen empfundenen und scharf kritisierten Papier der Badischen Landeskirche zum Dialog mit dem Islam[4] wäre praktisch und historisch eine kritische Selbstüberprüfung des eigenen Verständnisses von Dialog, Anerkennung und Pluralismus dringend am Platze gewesen[5]. Dringend nötig wäre in dieser Hinsicht auch ein Vergleich zwischen der Unionsurkunde aus dem 19. Jahrhundert und dem Unionsdokument des 20. Jahrhunderts, der Leuenberger Konkordie, die ja im europäischen Protestantismus leider immer noch nicht unumstritten ist. Der lutherische Einwand gegen die Koexistenz unterschiedlicher Bekenntnisse wird in letzter Zeit zwar nicht mehr so häufig vorgebracht, aber die entsprechenden theologischen Stimmen sind keineswegs verstummt. Insofern gibt der vorliegende Band Anlass, die darin aufgerufenen Kontroversen, historischen und theologischen Entwicklungen weiter zu diskutieren und zu vertiefen. Den historischen und theologischen Kommentaren sind eine Reihe von Gottesdienstmodellen, Predigtmeditationen, Gemeindevorträgen und Spielszenen beigegeben, die helfen, in gemeindlicher Praxis Geschichte und Gegenwart der badischen Landeskirche bekannt zu machen. Erfreulicherweise ist dem Band auch eine CD-ROM hinzugefügt, welche es ermöglicht, die vorgestellten Präsentationen unmittelbar zu übernehmen. Die Werbekampagne, welche das Jubiläum der Unionsurkunde und auch diesen wichtigen kirchenhistorischen Band begleitet, zeigt auf einem Plakat zwei Fußballfans, die eine vom FC Freiburg, der andere von der SG Hoffenheim. Bei aller demonstrierten Fähigkeit zur Selbstironie: Es wird eine Analogie hergestellt zwischen den Fans von Fußball-Clubs und den Gläubigen reformierten und lutherischen Bekenntnisses.[6] Hier werden, um des billigen und wohlfeilen Marketing-Effektes willen, historische und systematische Differenzen einfach ignoriert. Wer einen solchen Umgang mit theologischen Bekenntnis- und Wahrheitsfragen für unangemessen hält[7], der sollte zu diesem Band greifen und zu anderen einschlägigen Veröffentlichungen des Badischen Vereins für Kirchengeschichte, um sich damit auf die dringend notwendige systematisch-theologische Debatte vorzubereiten. Mit billigen Scherzen, die nur den Zweck haben, sich beim sowieso abgeneigten Publikum anzubiedern, ist die Unionsfrage nicht zu lösen. Wer sich also wirklich für die historischen Ereignisse interessiert, der greife als erstes zu diesem Band. Die anderen können sich eine vergoldete Jubiläumsmedaille neben das Kruzifix im Arbeitszimmer hängen. Und zum Schluss: Mit Fußball hat das alles gar nichts zu tun. Der Karlsruher SC spielt in einem ganz anderen Stadion. Anmerkungen
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Artikelnachweis: https://www.theomag.de/131/wv069.htm |