Differenz und Union
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Zwischen Betroffenheit und Nicht-Betroffen-SeinWider den identitätspolitischen BildersturmAndreas Mertin Ein notwendiger Prolog zu einem komplexen Thema2019 veröffentlicht die Pop-Ikone Madonna auf ihrem Album „Madame X“ ein Lied mit dem Titel „Killers Who Are Partying“. Darin geht es um Engagement und Identitätsbestimmung, um das, was man ist und das, wofür man einstehen kann, obwohl man es nicht ist. Hintergrund ist nicht zuletzt eine Frage, die Madonna fast während ihrer gesamten Karriere begleitet hat: Wie glaubwürdig ist eigentlich das Engagement einer reichen weißen Geschäftsfrau für die Ausgegrenzten dieser Welt? Madonna ist nicht die Einzige aus der Popkultur, die sich dieser Frage stellen muss, aber wegen ihres nun Jahrzehnte anhaltende Engagements für die Ausgegrenzten musste sich sie vielleicht am längsten mit dieser Hermeneutik des Verdachts auseinandersetzen, während anderen, den Rolling Stones etwa oder den Who derartige Fragen gar nicht erst gestellt wurden.
Das ist der erste Schritt wir haben das Recht zu sagen, dass und wo wir uns engagieren wollen, selbst dann, wenn wir nicht Teil der Opfergruppe sind für die wir eintreten. Unter der Voraussetzung einer universalistischen Ethik, einem Weltethos, das nicht zuletzt Künstler:innen der Pop-Kultur pflegen, ist das plausibel und nachvollziehbar. Andererseits ist die Tatsache, dass man in einen bestimmten Bereich der Lebenswelt selbst ein Opfer ist, noch keine ausreichende Legitimation dafür, auch für Opfer aus anderen Bereichen der Lebenswelt sprechen zu können wohl aber, auch für sie einzutreten. Diese Differenz erörtert Madonna in einem ersten Schritt, wenn auch nicht immer deutlich wird, ob sie selbst diese Grenze immer einhält. Je suis Charlie
Madonna zeigt sich als Vertreterin einer universalistischen Ethik. Universalistische Konzepte unterliegen heutzutage nicht mehr der gleichen Selbstverständlichkeit wie in der Zeit, in der Madonna groß und berühmt wurde. Gerade das, was sie in ihrem Album „Madame X“ vorführt, ist in der jüngeren Theoriebildung extrem umstritten, ja wird als ausbeuterisch kritisiert: es sei cultural appropriation. Denn Madonna borgt sich Musikstile, Rhythmen ebenso wie Fragestellungen fremder Kulturen, um sie zu ihren eigenen zu machen. Und sie reklamiert deutlich ein/ihr Recht darauf. Das gilt auch für „Killers Who Are Partying“. Madonna hat als Italo-Amerikanerin keine genuine kulturelle Bindung an den portugiesischen Fado, der wahrscheinlich seinerseits bereits ein Teil der Geschichte des cultural appropriation (der brasilianischen Kultur) ist. Madonna hat sich schlicht in Lissabon niedergelassen, weil es woke ist. Und weil sie sich langweilte, hat sie sich mit regionalen Künstler:innen getroffen und aus diesen Erfahrungen neue Musikstücke entwickelt. In kulturellen Fragen war Madonna immer wie ein Schwamm, der alles aufsaugte, was an Fluidem gerade zur Verfügung stand und angesagt war. Aber Madonna das muss man ihr zugutehalten - hat das immer kenntlich gemacht. Im Video zu „Killers Who Are Partying“ zeigt Madonna das, indem sie sich am Anfang und zum Schluss als reiche weiße Frau kenntlich macht nur sekundenlang, aber als notwendige hermeneutische Rahmung. I know what I am / And I know what I'm not. Confessions on a Dancefloor - Keine To-Do-Listen Aber und das ist die Überleitung zum Hauptteil dieses Textes, man kann natürlich fragen, ob das konkrete verbale Engagement wirklich hilfreich oder emanzipatorisch ist, mit anderen Worten, ob es sich nicht wie bei den Freunden Hiobs eigentlich mehr um Lug für Gott handelt, um geborgtes Leid, und nicht wirklich um Lösungsvorschläge sich offenbarender Probleme. Man kann das Banner des Engagements für Marginalisierte ja auch ganz unverbindlich vor sich hertragen, ohne für die Folgen einstehen zu müssen oder wirkliche Verantwortung zu übernehmen. Der AnlassDieser Artikel möchte sich mit einem Text auseinandersetzen, der genau in dieser Zwischenlage entstanden ist: zwischen Betroffenheit und Nicht-Betroffen-Sein. Und die Frage ist, welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben. Ausgangspunkt war eine To-Do-Liste einer Autorin, die sich als Nicht-Betroffene aus Betroffenheit für die Belange marginalisierter Gruppen einsetzte.[3] Formuliert war das Ganze als eine Art Hausaufgabenliste für die Sommerferien. Schon das hat mich gestört: Nur noch kurz die Welt retten (Tim Bendzko). Diese To-Do-Liste war nach meinem Empfinden aber zugleich etwas kleinteilig und kurzatmig geraten, was mich nicht weiter berührt hätte irgendwo muss man ja anfangen, warum nicht bei E-Mail-Absenderangaben und Toilettenanlagen? Was mich aber zunehmend störte, war die Generalkompetenz, die sich die Autorin zuschrieb, obwohl sie zumindest in dem kulturellen Feld, in dem ich arbeite offensichtlich nicht darüber verfügt. Es ist das eine, wohlfeile Forderungen aufzustellen, etwas anderes ist es, sie begründet aus der Sach- und Problemkenntnis des jeweiligen kulturellen Feldes heraus zu entwickeln. Wir können alle Probleme lösen, indem wir zu radikalen Strategien greifen. Ohne Menschheit ginge es der Erde vermutlich besser aber das ist keine Lösung. Ohne Anstößiges wäre die Welt glatter aber keinesfalls wäre sie besser. Konkret ging es darum, was Gemeinden in ihrem konkreten Umfeld tun könnten: etwa barrierefreie Zugänge zu schaffen. Das fand ich etwas merkwürdig, nicht, weil es nicht sinnvoll wäre, sondern weil die Autorin ihre To-Do-Liste in einem Periodikum publizierte, welches nicht wirklich als barrierefrei bezeichnet werden kann. Im schönen CMS-Style machen sich inklusionskonforme Designs insbesondere bei Verlinkungen nicht so gut. Das Magazin für Theologie und Ästhetik folgt der Logik der Barrierefreiheit nicht (weil es inzwischen technische Lösungen für Sehbehinderte gibt), aber es stellt diese Forderung auch nicht auf. Aber wenn man moralische Forderungen aufstellt, dann sollten sie wenigstens ansatzweise eine Konsistenz besitzen. Wenn man sich um Sehbehinderte sorgt, die angeblich durch eine Formulierung wie „blinde Wut“ verletzt werden könnten (was für ein Schwachsinn als Sehbehinderter darf ich das schreiben), warum sorgt man sich nicht auch um die Gehörlosen, wenn man einen Podcast nach dem anderen empfiehlt? Weil Podcasts woke sind? Der Blick der Scharfrichter
Aber Theolog:innen wissen es besser. So schreibt die Autorin:
Die Behauptung, die ‚Eingeborenen‘ eines Kirchenraumes wüssten manchmal nichts über die Kontexte ihrer Räumlichkeiten, ist doch arg von oben herab gesprochen. Mit meiner Lebenserfahrung deckt sich das nicht. Die lokalen Raumnutzer:innen wissen vielleicht nicht alles über die Ausstattungsgegenstände ihrer Räume, aber doch wesentlich mehr als Außenstehende. Ob Kirchenräume heute tatsächlich noch bestimmten „Bildprogrammen“ unterliegen, wie wir sie etwa im Dom von San Gimignano in der Toskana oder im Kloster San Marco in Florenz in der Ausstattung von Fra Angelico finden, erscheint mir sehr zweifelhaft. Zumindest der Protestantismus hat keine derartigen ausgefeilten Bild-Programme entwickelt anders als im Bereich des Kirchenbaus, bei dem es explizite Kirchbauprogramme gibt.[5] Der Übergang vom ersten zum zweiten Satz des Zitats ist nun außerordentlich dramatisch. Inwiefern ergibt sich aus der unterstellten Unkenntnis der Bildprogrammatik einer Kirche die Notwendigkeit der Prüfung durch einen geschärften Blick zur „Reinigung“ des Tempels? Weiß man / frau schon vorab, dass der Protestantismus mit fehlerhaften und zweifelhaften Bildprogrammen ausgestattet ist? Das wäre mir neu. Oder wird das als kirchenpolitische Agenda einfach gesetzt? Die angebliche Unkenntnis der Bildprogrammatik könnte ja dadurch behoben werden, dass man sich sachkundig macht und ein Ausbildungsprogramm zum Beispiel in Sachen Kirchenpädagogik in Gang setzt. Das geschieht seit Jahrzehnten landauf, landab. Warum sollte man / frau aber gleich vorweg einen geschärften Blick fordern, der prüfen soll, ob die gezeigte Kunst kommentiert oder entfernt werden muss? Wer denkt so? Man kann ja einmal für einen kurzen Moment überlegen, wann in Deutschland zuletzt Kommissionen durch Räume gezogen sind, um mit einem geschärften Blick die dort ausgestellten Kunstwerke daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht entfernt oder kommentiert werden müssten. Mir fallen dabei nur zwei Beispiele ein: bei den Nationalsozialisten und bei den Kommunisten. In beiden Fällen ging es darum, unerwünschte Kunst auszusortieren, einmal die der (kommunistischen) Juden, das andere Mal die der westlichen Dekadenz. Genau so etwas ist Bildersturm bzw. Ikonoklasmus dazu muss man nicht erst Bilder zerstören oder verbrennen. Ikonoklasmus ist es auch, wenn Kunst nur kommentiert wird.[6] Wenn man nicht in den Fingerspitzen fühlt, welche Vergewaltigung es ist, wenn einem Werk der Bildenden Kunst zugemutet wird, sich einem Kommentar zu unterwerfen(!), dann versteht man nichts von Kunst und Kultur. Nun kann man Theolog:innen nicht vorwerfen, dass sie sich so zur Kunst verhalten, sie tun seit dem dritten Jahrhundert nach Christus ja nichts anderes, als Bilder als bloße Illustration von Texten zu verstehen, die sie zudem im Zweifelsfall inquisitorisch mit Worten einhegen können.
Vor über zweihundert Jahren hat die Kultur begonnen, sich gegen diese Bevormundung durch die Theologie zu wehren, sie lässt sich diesen Hegemonismus durch die Kirchen nicht mehr gefallen. Und wir sollten nicht wieder damit anfangen, die Kunst zur ancilla ecclesiae zu machen. Bildersturm Teil I:
Vielleicht sollte man sich einmal vergegenwärtigen, in welchen der Kirchenräume von Gemeinden, denen man in den letzten Jahr(zehnt)en zugeordnet war, koloniale Kunst an den Wänden hing. Auch die Kolonialkunst und der Umgang mit ihr in diversen Kontexten ist so ein wokes Salonthema, das mit der konkreten Gemeindewirklichkeit äußerst wenig zu tun hat. Es mag in Bayern ja noch vorkommen (auch wenn ich es nicht glaube), dass Kirchenwände voll von Kolonialkunst sind, aber ich bewege mich im Kontext unierter Kirchen und weder im Kirchenraum meiner Hagener Gemeinde, noch früher in der Berliner Gedächtniskirche, noch in der Marburger Elisabethkirche, in deren Gemeinden ich jeweils Mitglied war, gab es Kolonialkunst an der Kirchenwand. Das mag anderswo anders sein, aber es ist keinesfalls der Regelfall. Man sollte die Kirche doch im Dorf lassen. Andersherum wird freilich eher ein Schuh daraus. Petra Kipphof ist im April dieses Jahres in einem luziden Text in der ZEIT[8] der Frage nachgegangen, ob die sakrale Museumskunst nicht eigentlich auch so etwas wie Raubkunst oder Kolonialkunst sei. Denn der sich entwickelnde bürgerliche Kapitalismus hat sich viele der ursprünglich an einen Kirchenraum gebundenen Werke angeeignet und stellt sie nun triumphierend in seinen Hallen aus. Müsste diese ‚Kolonialkunst‘ nicht an ihren Ursprungsort zurückkehren? Ein Gedankenexperiment sicher, aber ein interessantes. Die Kirchen möchten das gar nicht, weil sie sich den sicherungstechnischen Aufwand gar nicht mehr leisten können, aber „ein geschärfter Blick“ auf die Kunstwerke in den Museen lässt doch manche Fragen aufkommen. Ich will nun nicht bestreiten, dass es in Deutschland auch Kunstwerke und Artefakte in kirchlichem Eigentum gibt, die unter dem Aspekt der Kolonialgeschichte neu diskutiert werden müssten. Aber dann soll man diese Artefakte auch konkret benennen, alles andere ist nur Geraune nach dem Motto: alle reden von Kolonialkunst, wir auch. Davon noch einmal abzutrennen ist die Frage, warum wir uns im 19. Jahrhundert manche Kirchenausstattung überhaupt haben leisten können, wenn nicht auch aufgrund der Erträge, die wir aus Kolonien gezogen haben. Aber das ist gerade nicht die Frage der kolonialen Kunst. Bildersturm Teil II:
So beschreibt es Timothy Verdon, der Domherr der Kathedrale von Florenz, in seinem lesenswerten Buch „Kunst im Leben der Kirche“.[9] Seiner Wertung würde jener fiktive Bildhauer, der die imaginierte Hermes- bzw. Merkur-Statue auf dem Bild im Vatikan geschaffen hat, vermutlich nicht folgen. Er hatte für den Kult nach den Vorstellungen seiner Zeit den begehrenswerten Körper eines jungen Mannes als Gott geschaffen, der nun dem „Vandalismus“ des Christentums zum Opfer fiel. Aber Zerstörung war nicht die einzige Möglichkeit, die der jungen christlichen Religion offenstand. Das Christentum musste zunächst die Frage beantworten: welcher ‚begehrenswerte‘ Körper steht eigentlich im Zentrum des eigenen Glaubens? Dass die Antwort lauten könnte „der Körper Christi am Kreuz“, war in den Anfangszeiten der jungen Religion keineswegs klar, zu problematisch erschien die Torheit vom Kreuz der römischen Umwelt. Klar war aber, im Zentrum des Glaubens konnte nicht der Körper eines Hermes, Apollo oder Zeus präsent sein. Und dazu mussten Kommissionen durch die antiken Räume wandern und mit scharfem Blick schauen, was durch cultural appropriation eingemeindet werden konnte (etwa der Körper des guten Hirten in der Katakombenkunst), was gut paulinisch gedeutet werden konnte (Areopagrede[10]) und was als Kunst auszusortieren (zu stürzen) war. In diesen Zeiten entwickelt sich der inquisitorische Blick der christlichen Theologen, der die einfachen Gläubigen vom Anblick der falschen Körper und Körperteile zu bewahren trachtete. Und deshalb begleitet Bildersturm die gesamte Geschichte des Christentums im Guten wie im Schlechten. Im Schlechten dient es einer falschen Symbolpolitik man schlägt die Bilder, wo doch die herrschende Theologie zu klären wäre. Im Guten lässt man sich von den Bildern dazu aufrufen, die jeweilige Theologie kritisch zu reflektieren. Christoph Dohmen hat dem Bilderverbot in einem erweiterten Sinn eine Wächterfunktion gegenüber der Rede von Gott zugesprochen. Wird das Bilderverbot auf den Plan gerufen, „so signalisiert es offene theologische Fragen und Auseinandersetzungen. In keinem Fall aber steht ein Werturteil über künstlerisches Gestalten zur Diskussion.“[11] Das ist eine wesentliche Unterscheidung, die freilich selten getroffen wird. Bildersturm Teil III: Grundsätzlich gibt es zwei dominante Christus-Ausprägungen: ohne Kreuz den herrschaftlichen Christus-Pantokrator, oder mit Kreuz den zerschlagenen, geprügelten, gemarterten und leidenden Christus. Bis zum Jahr 400 gibt es gar keine Kreuzigungsdarstellungen und erst recht keine Großkreuze. Als sich nach 900 n.Chr. die christlichen Großkruzifixe allmählich durchsetzen, zeigen sie den gemarterten Christus ohne Schönheit und Gestalt.[12] Es sollte noch dreihundert Jahre dauern, bis im Florenz der Proto-Renaissance Giotto in Santa Maria Novella den entscheidenden Schritt vollzieht und Christus als Mann von nebenan zeigt. Aber auch dieser Mann von nebenan hat keinen im Fitnessstudio optimierten Körper, keinen mühsam modellierten Bizeps, er ist ein Mensch wie Du und ich. Und als dann einhundert Jahre später, im Jahr 1408 endlich ein muskelbepackter Christus am Kreuz auftaucht, dient es nicht der Durchsetzung einer sublimen white-supremacy-Fantasie, sondern ist der Versuch, einer nicht gerade im Blickfeld des Christentums liegenden Gruppierung der werktätigen Bevölkerung nämlich ein Identifikationsangebot zu machen. Der Bildhauer Donatello ist es, der ebenfalls in Santa Maria Novella einen Bauern ans Kreuz heftet, der auf entschiedenen Protest seines an der perfekten Ästhetik orientierten Freundes Brunelleschi stößt:
Brunelleschi wäre übrigens ein guter Berater für Instagram-Influencer gewesen. Der muskulöse Mann am Kreuz aber ist eine Errungenschaft des Christentums und nicht etwas, für das man sich schämen muss oder das man gar entfernen müsste. Bildersturm IV: Dabei kommt mir in den Sinn, warum eigentlich noch niemand die Entfernung des berühmten David aus Florenz gefordert hat, weil sein weißer muskulöser männlicher Körper (zudem geradezu programmatisch unbeschnitten) mit Sicherheit identitätspolitisch auch nicht korrekt ist. Aber was nicht ist, kann ja noch kommen. Wenn man einmal anfängt, in der christlichen „weißen“ Kunstgeschichte aufzuräumen, dürfte wenig übrigbleiben, vermutlich nur Sekundäres. Aber man muss es nicht entfernen oder kommentieren, man kann es auch einfach übermalen lassen: Braghettone lautet die einschlägige Antwort und bezeichnet den Maler, der im Auftrag von Papst Pius IV. die nackten Figuren des Michelangelo für immerhin 400 Jahre anständig übermalte. Bildersturm Teil V:
Wie können sie es da wagen, Aussagen über die Hautfarbe Christi und damit notwendig über die Hautfarbe Gottes zu machen? Können sie nicht erkennen, dass nicht die farbliche Ausgestaltung des Körpers am Kreuz das Problem ist, sondern das Wagnis, diesen Körper am Kreuz in seinen zwei Naturen überhaupt darzustellen? Hier gilt doch weiter Karl Barths eindringliche Warnung:
Es wäre bei all den falschen Debatten um die richtige und unpassende Hautfarbe doch gut, wenn wir uns entscheiden könnten, nicht auch noch Gott in unsere Farbenspiele mit hineinzuziehen was wir aber müssen, wenn wir Christus darstellen wollen. Manche haben sich aktuell aber schon entschieden auf die von Karl Barth als ebionitisch bezeichnete Seite geschlagen, rechnen also gar nicht mehr mit den zwei Naturen Christi. Man würde das nur gerne auch mal explizit so gesagt bekommen, so dass von den kritischen Hautfarben-Theoretiker:innen einmal gesagt würde: Christus ist deshalb in einer ethnie-spezifischen(!) Hautfarbe darstellbar, weil er durch und durch Mensch war, keine göttliche Natur hatte, sondern nur ein von Gott ausgezeichneter Mensch war. Das kann man ja glauben, aber dann soll man es auch bekennen. Die Autorin möchte nun den Blick dafür schärfen, wie dieser menschliche Körper am Kreuz ausgesehen haben muss und wie er nicht dargestellt werden darf. Ich lese aus ihren Worten: nicht weiß, nicht muskulös, nicht männlich (und vermutlich auch nicht nackt). Da bleiben noch viele andere Möglichkeiten. Denn die Fantasie der Menschen hat sich noch nie auf ein Christusbild befrieden lassen, den Schwarzafrikanern war Christus immer schon ein Schwarzafrikaner, den Arabern ein Araber, den Chinesen ein Chinese und, ob man es glaubt oder nicht, manchen erschien er auch als Frau. Und wenn man das als vorläufiges Zerrbild erkennen würde, könnte man vielleicht damit leben. Ich fürchte nur, dass dies nicht intentio auctoris ist, letztlich geht es doch um die Vorstellung, irgendwie sei ein wahres Bild (vera eikon) Jesu Christi möglich. Und da trennen sich unsere Wege. Mein Glaubensbekenntnis lautet in dieser Frage anders. Epilog:
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Artikelnachweis: https://www.theomag.de/132/am732.htm |