Das Oratorio di San Michele

Eine Kleinod

Andreas Mertin

Das Gebäude, das wir heute sehen, ist ein Überbleibsel der alten Kirche San Michele und der Santi Arcangeli, die auch andere Fresken von Jacopo da Verona beherbergte. Die Kapelle Santa Maria wurde nach einem Brand errichtet, der während der Belagerung des nahe gelegenen Castelvecchio während der Rückeroberung Paduas von den Visconti durch den letzten Herrn, Francesco II Novello da Carrara, entstand.

Die Fresken, die die Kapelle schmücken, wurden 1397 von Jacopo da Verona geschaffen und konzentrieren sich auf den Marienzyklus. Dargestellt sind Verkündigung, Geburt und Anbetung der Heiligen Drei Könige, Himmelfahrt, Pfingsten, Tod der Jungfrau Maria und St. Michael. Eine noch vorhandene Gedenktafel bestätigt die Urheberschaft von Jacopo da Verona und bezeugt, dass die Kapelle 1397 in Auftrag gegeben wurde. Das heutige Gebäude ist das Ergebnis eines Erweiterungsbaus aus dem 19. Jahrhundert.

In den Fresken zeigt sich ein weitgehend eklektizistisch arbeitender Maler, der neben den Elementen, die er im Rahmen seiner Ausbildung bei Altichiero da Zevio gelernt hat, der sich mehr an den alltäglichen Details orientierte, Momente aufgreift, die wir auch bei Giotto, Avanzi und Giusto de' Menabuoi finden. Der bürgerliche und sozusagen alltägliche Ton der Dekoration kontrastiert mit der aristokratischen Eleganz, die die malerische Kultur der Stadt in den unmittelbar vorangegangenen Jahren geprägt hatte.

Einen besonderen Akzent setzt der Künstler, wie schon sein Lehrmeister Altichiero, auf die Porträtmalerei. Vor allem in den Szenen der Anbetung der Heiligen Drei Könige und der Beweinung der Jungfrau wird das besonders eindringlich. In letzterem gibt es Charaktere, die (wenn auch kontrovers) als Petrarca, Francesco il Vecchio und Francesco II. Novello da Carrara identifiziert wurden.

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Artikelnachweis: https://www.theomag.de/133/am735j.htm
© Andreas Mertin, 2021