01. Juni 2022

Liebe Leserinnen und Leser,

in Deutschland wird zurzeit heftig um die Art der Beteiligung am Krieg in der Ukraine gestritten. Das ist gut so. Was weniger gut ist, ist der Stil, mit dem gestritten wird. Hier hat der Botschafter eines befreundeten Staates von Beginn an einen Ton angeschlagen, der offene Debatten nur schwer möglich macht. Und auch die neu konvertierten Bellizisten, die die Debatte beherrschen, pflegen eine Wortwahl, die Andersdenkenden und -handelnden wenig Raum lässt. Es tut schon weh, wenn der bedeutendste Philosoph, den Deutschland in der Gegenwart hat, so aggressiv angegangen wird. Oder wenn der Kanzler für seine abwägende Haltung derartig verächtlich gemacht wird. Das spricht nicht für ein aufgeklärtes Land. Manche feiern es als Errungenschaft, dass grüne, rote und blaugelbe Bellizisten nach Kiew reisen und danach schwere Waffen für den Angegriffenen fordern. Den Fortschritt sehen sie darin, dass drei zuvor konkurrierende Parteien gemeinsam agieren. Aber das ist noch keine Debatte um den richtigen Weg. Der Preis, der dabei gezahlt wird, ist die moralische Verurteilung der Andersdenkenden. Dass Pazifisten nun quasi als Gestrige, von der angeblichen Zeitenwende Überholte, abgekanzelt werden, spricht eigentlich nicht dafür, dass man im Augenblick gute politische Argumente für seine Sache hat - wohl aber ein moralisches Überlegenheitsgefühl, das Momentum, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Laut wird es in der Debatte um die Ukraine, stumm ist man beim Krieg der Türkei gegen die Kurden im Nordirak. Die Kurden, einst geschätzte Partner im Kampf gegen den IS werden nun fallen gelassen und der Aggression eines NATO-Landes ausgesetzt. Das sind Doppelstandards, die hier kultiviert werden.

Die fortdauernde Pandemie und der nun drei Monate dauernde Krieg in der Ukraine zerren an den Nerven und hinterlassen ihre Spuren. Eigentlich war für dieses Heft ein ganz anderes Thema mit anderen Beiträgen geplant. Aber da wir im Magazin für Theologie und Ästhetik nur ein ganz kleines Team von drei Personen sind, gehen auch uns einmal die Kräfte aus, weshalb man sich nicht immer so motivieren kann, wie es eigentlich notwendig wäre. Das eigentlich geplante Heft muss daher auf die kommende Ausgabe im August verschoben werden. Wir hoffen bis dahin, wieder so bei Kräften zu sein, dass wir das Magazin wie gewohnt weiterführen können. Wir wollten diese Ausgabe aber auch nicht einfach ausfallen lassen, schließlich erscheint das Magazin seit einem Vierteljahrhundert pünktlich am ersten Tag jeden geraden Monats. Deshalb gibt es dieses Mal eine Art Übergangsausgabe, die vieles von dem weiterführt, was schon die letzten Hefte des Magazins bestimmt hat: die identitätspolitischen Anfragen an die Kunst und die Kultur, die Diskussion um die Schatten über der Documenta fifteen, der Krieg in der Ukraine. Trotz aller Widrigkeiten hoffen wir, so ein interessantes und nachdenkenswertes Heft zusammengestellt zu haben.

Der erste Text beschäftigt sich mit diversen popkulturellen Reaktionen auf den Krieg in der Ukraine, beginnend mit dem Eurovision Songcontest bis zur aggressiven popkulturellen Kriegspropaganda aus Russland. Noch nie war Popkultur so wertvoll für einen Krieg wie heute.

Der zweite Text unternimmt eine Re-Lektüre eines Reiseberichts von Günther Anders, der sich fragt, wie man identitätspolitisch mit der europäischen Kulturgeschichte umgehen sollte, warum man heute überhaupt noch reisen sollte und ob die Kirche eigentlich merkt, wie häretisch die Kultur in ihren Räumen ist. All dies sind auch aktuelle Fragen.

Der dritte Text thematisiert den Protest der AfD in Baden-Württemberg gegen eine temporäre Kunstaktion, bei der eine Kaiser Wilhelm I. Statue mit einem roten Tuch verdeckt wurde. Das wiederum war für die AfD ein rotes Tuch und sie forderte: weg mit der Kunst.

Der vierte Text setzt sich mit der popkulturellen These auseinander, Gott könne uns in den aktuellen Problemlagen nicht helfen, das müssten wir schon selber tun.

Der fünfte Text greift noch einmal die Diskussion um den Vorwurf auf, die documenta habe Probleme mit Israel und dem Antisemitismus. Seit Januar ist in dieser Frage viel geschehen - leider nicht zu einem befriedigenden Abschluss.

Für dieses Heft wünschen wir eine erkenntnisreiche Lektüre!

Andreas Mertin, Wolfgang Vögele und Karin Wendt
sowie Jörg Herrmann und Horst Schwebel


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