Wer regiert die Welt?

Ein alternativer Versuch, die Documenta fifteen mittels ‚Kir Royal‘ zu deuten

Andreas Mertin

Wer reinkommt, ist drin

Einer der eindrücklichsten Dialoge in der Kult-Serie Kir Royal entspinnt sich zwischen dem Boulevardreporter Baby Schimmerlos (gespielt von Franz Xaver Kroetz) und dem schwerreichen rheinischen Generaldirektor Heinrich Haffenloher (gespielt von Mario Adorf). Dieser möchte an den Treffen der Münchener Schickeria teilnehmen, stößt aber als neureicher rheinischer Kapitalist auf Widerstand. Und nun sucht er mit den Mitteln des Kapitalismus‘ den Zugang zur begehrten alternativen Lebenswelt zu kaufen. Dabei entspinnt sich folgendes Zwiegespräch: 

„Schimmerlos, ich mach Dich nieder, Schimmerlos. Wenn Du mich jetzt hier stehen lässt, wie ‛nen Deppen, dann mach ich dich nieder“ – „Was?“ – „Ich ruinier Dich, ich mach Dich fertig, ich kleb‘ Dich zu von oben bis unten“ – „Ah, mit Deinem Kleber?“ – „Mit meinem Geld“ – „Wie?“ – „Ich kauf Dich einfach, ich kauf dir ‛ne Villa, stell Dir noch ‛nen Ferrari davor, Deinem Weibchen geb‛ ich jeden Tag ‛nen Fünfkaräter. Ich schieb es Dir hinten und vorne herein, ich scheiß Dich so was von zu mit meinem Geld, dass Du keine ruhige Minute mehr hast. Ich schick Dir jeden Tag Cash im Koffer, das schickste zurück, einmal, zweimal, vielleicht auch ein drittes Mal. Aber ich schick Dir jedes Mal mehr. Und irgendwann kommt dann mal der Punkt, da bist Du so mürbe und so fertig, und die Versuchung ist so groß, dann nimmst Du es. Und dann habe ich Dich, dann gehörst Du mir. Dann bist Du mein Knecht. Ich mach mit Dir, was ich will. Verstehste Junge, ich bin Dir einfach über, gegen meine Kohle hast Du doch gar keine Chance. Begreifst Du das denn nicht mein Junge? Mensch, Baby, Junge, ich will doch nur Dein Freund sein. Komm – und jetzt sag‘ Heini zu mir.“[1]

Diese Szene kam mir in den Sinn, als ich zu verstehen suchte, was auf der documenta fifteen machtpolitisch passiert ist. Wenn man die Villa durch das Fridericianum ersetzt, den Ferrari durch die Tickets nach Europa und den Koffer voller Geld mit dem zugesagten Etat der Documenta – dann kommt man der Verwandtschaft zumindest in struktureller Hinsicht näher.

Begreift man Antisemitismus-Kritik und Rassismus-Kritik als zwei unterschiedliche Aktivitäten mit gesellschaftlichem Konfliktpotential, dann wurde auf der Documenta deutlich, wie diese Konflikte in Deutschland entschieden werden. Mit Geld. Der Kapitalismus in Gestalt der Bundesrepublik Deutschland, des Landes Hessen und der Stadt Kassel hat ein indonesisches Kollektiv mit Geld zugesch(m)issen, er hat es gekauft, während es ebenso wie die dem globalen Süden zugeneigte Findungskommission dachte, man könnte und würde sein anti-globalistisches Spiel mit den Geldgebern spielen. Aber da hatte man sich getäuscht, so ist es nicht, der Kapitalismus hatte die Initiative schon längst unter Kuratel, denn mit der Zusage, die mit 42 Millionen Euro ausgestattete Documenta zu kuratieren, wurde anerkannt, dass das Kapital für die Documenta die einzige Größe ist, die dazu berechtigt, letzte und harte Entscheidungen zu treffen: gegen meine Kohle hast Du doch gar keine Chance. Begreifst Du das denn nicht mein Junge?

Anfangs war das noch nicht sichtbar, man hätte meinen können, das Spiel, das das Künstlerkollektiv Ruangrupa mit und auf der Documenta spielte, sei ein freies Spiel gewesen, unbefangen, losgelöst von den Zwängen, Vorgaben und Logiken einer westlichen Welt. Und so konnten Ruangrupa wie die Happy Few in Kir Royal zunächst auch auf den Tischen tanzen, konnte Treffen innerhalb der Peergroups der künstlerischen Freiheitsbewegungen organisieren und konnte es sich gut gehen lassen und von einem fröhlichen Fest schwärmen.

Bis, ja, bis die ersten Konflikte und Begehrlichkeiten nach Diskurshoheit auftauchten, und die deutschen Geldgeber mitreden wollten, über Inhalte, über Formen, über die Art der Kommunikation. Als nämlich das Spiel, das die Kuratorengruppe spielte, den Geldgebern zu heikel wurde, weil es bestimmte ethische Standards der bundesrepublikanischen Gesellschaft unterlief, da zeigte die Bundesregierung, da zeigte die hessische Staatsregierung, da zeigte die Stadt Kassel, wer hier das Sagen hat: und das waren natürlich die Finanziers der Documenta.

Um mit Goethe zu sprechen: Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles! Ach wir Armen![2] Nicht im offenen Diskurs des besseren Arguments wurde über die kritischen Fragen diskutiert, es wurde kalt machtpolitisch entschieden. Wenn wir schon Geld geben, wollen wir auch über die Inhalte mitentscheiden, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth mit geradezu unverhohlener Offenheit. Wo kämen wir auch hin, wenn die Kunst autonom wäre? Niemandem dem die Kunst, aber auch Israel wichtig sind, kann das gefallen, richtige Aufklärung sieht anders aus.

Wenn man etwas vom kritischen Diskurs über Rassismus lernen kann, der sich ja an Machtfragen abarbeitet, dann, dass es so, wie es jetzt gelaufen ist, nicht hätte laufen dürfen. Es trat ein, was Floris Biskamp bereits 2021 vorausgesagt hatte, dass nämlich der Aufklärungsdiskurs sich im Zweifelsfall auch gegen die Machtlosen der Welt wenden kann, wenn diese die Ideale der Aufklärung missachten.[3] Gelernt hat der Westen überhaupt nichts von den Eingeladenen, er setzte, nachdem er einmal einen kritischen Ansatzpunkt gefunden hatte, zu einem brutalen Belehrungsdiskurs an. Und die zu Belehrenden mussten zuhören, denn sie waren ja (ein)gekauft. Das ist auch eine der Lehren dieser Documenta. Mein Haus, meine Regeln sagte die deutsche Gesellschaft zu den Gästen, und jetzt benehmt Euch dementsprechend.

Diskursbereiniger

Der herablassende Ton der Kritiker:innen der Documenta gegenüber dem Kurator:innenteam war dabei ziemlich erschreckend. Bei aller Zustimmung zur Kritik am BDS-freundlichen Kurs dieser Documenta, aber der Tonfall, in dem diese Kritik geäußert wurde, war stellenweise rassistisch, über weite Strecken aber vor allem paternalistisch. Wenn man eine Bestätigung für die postkolonialistische These gesucht hätte, dass Antisemitismuskritik oft deshalb geübt wird, um weitergehende Machtfragen auszublenden, dann hätte man sie hier gefunden. Bloß nicht über Macht reden.

In Kassel polemisierten Antisemitismus-kritische Aktivisten gegen Rassismus-kritische Aktivisten jeweils mit Argumenten, die mit Kunst überhaupt nichts zu tun hatten. Um Kunst im traditionellen Sinn der Kunstgeschichte seit 1300 ging es nicht einmal ansatzweise. Elementare Kenntnisse vom Betriebssystem Kunst wurden ignoriert, etwa wenn die Documenta als Kunstmesse oder als Biennale bezeichnet wurde (so etwa auf den Seiten der Ruhrbarone). Das ist, um es klar zu sagen, einfach nur dumm oder fahrlässig, auf jeden Fall aber bar jeder Sachkenntnis. Weder ist die Documenta eine Messe (gerade diese Documenta fifteen nicht), noch findet sie zweijährlich statt. Man sollte das Wort Biennale schon verstehen, bevor man es gebraucht, wenigstens könnte man kurz in der Wikipedia nachschlagen.

Man würde zudem gerne wissen, ob die These vom Antisemitismus, der der postkolonialen Theorie angeblich inhärent ist (wie bei den Ruhrbaronen behauptet wurde), auch für die postkoloniale Künstlerin Hito Steyerl zutrifft, die gerade wegen des Antisemitismus ihre Arbeit von der Documenta zurückgezogen hat. Aber dazu schweigt man dann lieber. So wie man den Kuratoren erst vorwirft, dem BDS nahezustehen und deshalb keine jüdischen und israelischen Künstler:innen einzuladen, um dann, wenn sich herausstellt, dass sie doch jüdischen Künstler:innen eingeladen haben, ihnen vorzuwerfen, dass sie diese Einladung wegen des Drucks palästinensischer Gruppen nicht aufrechterhalten haben. Was denn nun? BDS-Nähe oder Erpressbarkeit durch BDS? Man sollte sich schon entscheiden. Vieles spricht für Letzteres, also dass sich die Kuratoren einem woken Druck gebeugt haben. Das spricht nicht für sie, als Kurator:in muss man Druck aushalten können, dafür wird man ja engagiert, aber es macht sie noch nicht zu BDS-Anhängern.

Beide Seiten zeigten für Kunst, autonome zumal, nicht einmal einen Ansatz von Verständnis, sie offenbarten ein extrem politisch und ethisch überformtes Verständnis von Kunst, jenseits aller Diskursdifferenzierung der europäischen Moderne. Man funktionalisierte Kunst für eigene Zwecke. Aber gerade jene, die sich auf die Aufklärung berufen (wie die Ruhrbarone), sollten doch auch an deren Erkenntnissen festhalten (m.a.W.: etwas mehr in Immanuel Kants „Kritik der Urteilskraft“ lesen).

Letztlich entschieden wurden die auftauchenden Konflikte aber durch jene, die die Geldgeber der Veranstaltung waren. Und die Entscheidung lautete: Fort mit dem Störenden, aus den Augen, aus dem Sinn. Es war quasi eine politische Inversion des legendären Kunstwerks Dust-Channel von Roee Rosen von der Documenta 14 unter der Leitung von Adam Szymczyk. Ging es im damaligen Kunstwerk um die Reinigung Israels von allen fremden politischen Flüchtlingen, so geht es nun um die Reinigung Deutschlands von allen unangenehmen Assoziationen mit dem Antisemitismus. So radikal symbolpolitisch hat man das bisher selten gesehen und es ist erschreckend. Es lässt für die Zukunft auch des Kunstbetriebs nichts Gutes erwarten.

Die antikolonialistisch und antikapitalistisch inspirierte Hoffnung der Kuratorengruppe, fantasievoll neue Regeln für die Herrschaft der Welt zu entwerfen und auszuprobieren, stieß hier auf eine harte Realität und entschiedenen Widerspruch. Und dieser Widerspruch war so rigoristisch, dass selbst jüdische Zeitgenoss:innen meinten, so wäre man in Israel aber nicht mit dem Problem umgegangen und von einer fatalen Lust der Deutschen an Symbolpolitik schrieben.

Im SPIEGEL polemisierte Eva Menasse etwa gegen den "diskursiven Reinigungsfuror eines publizistischen Bataillons aus Anti-Antisemiten", das sich einbilde, dieses Land antisemitenfrei zu kriegen. "Da man nach all den Jahren im eigenen Purgatorium vollumfänglich verstanden zu haben glaubt, was Antisemitismus ist, und sich selbst frei davon wähnt, möchte man ihn bei anderen umso allumfassender geahndet sehen. Ein deutscher Drang zur Übererfüllung blitzt auf.“[4] Da hat sie vermutlich recht.

Es gibt gute Gründe dafür zu vermuten, dass zum Beispiel die junge Kunstszene in Israel eine völlig andere Haltung eingenommen hätte, als es die Antisemitismus-kritischen Polemiker:innen aus Deutschland getan haben. Diese (anti-deutschen) Polemiker:innen haben nicht nur dem Staat Israel und der dortigen Kunstszene einen Bärendienst erwiesen, sondern auch den doch notwendigen Diskurs zwischen Antisemitismus-kritischen und Rassismus-kritischen Aktivisten hier in Deutschland vergiftet. Nun herrschen auch dort die symbolpolitischen Schlagworte vor, die eine professionelle Sicht auf die Dinge eher vernebeln, als zur Fortentwicklung der Diskussion beizutragen. Aber daran haben zumindest die Anti-Deutschen auch überhaupt kein Interesse, ihnen liegt mehr an der Polemik und der Verurteilung, als an einer gesellschaftlichen Urteilsbildung in Sachen Anti-Rassismus.

I say I rule the world. Oder: Mit dem Kopf durch die Wnd

Andererseits macht es die Kuratorengruppe ihren Kritiker:innen auch leicht, halten sie doch kreativen Aktionismus für Kunst und träumen stellenweise sogar von einem simplen Zurück-zur-Natur im Sinne von Jean-Jacques Rousseau. Das ist kaum mit sinnvollen und professionellen Konzepten für die Gestaltung einer Welt mit acht Milliarden Bewohner:innen in Übereinstimmung zu bringen und passt auch nicht in die Tradition der bisherigen Documenta-Ausstellungen.

I say I rule the world / Don't cloud my vision / I'm telling you not today / 'Cause I'm seein' straight / Made my decision / Made it through the shades of grey / Made it my own way / I materialise the feeling / To carry on, to carry on / I wish I would say I'm dreaming / I carry on, I carry on / They say no way-oh, I say I rule the world / Ain't afraid of the walls, I'ma break 'em down / They stay the same, while I'm feeling high as a bird / Ain't afraid of the ground, I'ma stay up / I say yeah-yeah-yeah, they say no-no-no / They say slow-slow-slow, I say go-go-go.[5]

Ihre Visionen und Fantasien brachten auch Ruangrupa zudem entgegen allen Bekundungen nur scheinbar in Gespräche ein (ein Dialog war gar nicht mehr möglich und wurde schließlich durch ein angebliches passives Zuhören abgelöst). Eigentlich stellen sie ihre Ansichten nur aus, so als reiche es, zu zeigen, wie man demonstrativ mit dem Kopf durch die kapitalistische Wand geht. Das musste schiefgehen. Es funktioniert nur in Werbung oder Pop-Kultur, nicht in der Realität.

Am Ende bleiben vermutlich nur noch Ignoranz und Verbitterung auf allen Seiten. Nachdem die Geldgeber rigoros entschieden hatten, nach welchen Regeln verfahren wird, konnte es kaum noch um Erkenntnis und den Austausch von Argumenten gehen, obwohl es im Vorfeld einfach begehbare Lösungen gegeben hätte (sofern die beteiligten Kunstkollektive nicht wirklich aktive BDS-Anhänger waren). Aber selbst der Kurator der Documenta 14, der ja durchaus seine Sympathien für die BDS-Bewegung bekundet hat, hat im Rahmen seiner Documenta bemerkenswerte jüdische und israelische Kunstwerke (wie den erwähnten Dust Channel) präsentiert, die Hanno Rauterberg in der ZEIT damals nicht zu Unrecht als die Highlights der d14 bezeichnet hat. Es geht also durchaus, seine Sympathien für den Protest gegen die Besetzung des Westjordanlands zu zeigen und dennoch Kunstwerke und Künstler:innen aller am Konflikt beteiligten Gruppen auszustellen. Nur wenn vorab ausgegrenzt wird, indem Solidarität mit den Palästinensern oder auch Solidarität mit dem Staat Israel tabuisiert wird, verhindert man eine Perspektive. Der Arbeit an der Kritik des Antisemitismus wurde durch das konkrete Prozedere jedoch ein schlechter Dienst erwiesen, und auch der schleichende Boykott israelischer Künstler:innen wird sich nach der Documenta fifteen fortsetzen, zu peternalistisch war die Intervention. Besser wäre es gewesen, sich von vornherein um globale und produktive Lösungen zu kümmern. Dieser Weg ist nun mühsamer geworden.

Der große Verlierer ist die Bildende Kunst als solche, nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Wie schon erwähnt, hat die Bedeutung der Kunst die Diskutanten gar nicht interessiert, ihnen ging es um Politik und Propaganda.

Karls-Heinz Schmidt schrieb in der Kunstzeitung:

Das Kunstwerk, so vermittelt die d 15, hat ausgedient. Zwar gibt es das Gemälde noch, auch die Form der Ausstellung, sofern herausragende Künstlerinnen wie Tania Bruguera (bei Instar) oder Hito Steyerl (bei Inland) bescheiden in den Kollektiven mitmischen, doch alles in allem: Jede Koch-, Skater- oder Wickelstelle scheint für ruangrupa mehr Kunst zu sein als ein Bild an der Wand.[6]

Aber die Kunstwelt, das Betriebssystem Kunst muss sich dafür interessieren, wie es weitergeht. Man könnte nun sagen, dass die Bedeutung der Documenta für das Betriebssystem Kunst schon seit 2007 schrittweise nachgelassen hat. War sie 2002 mit Enwezor noch auf der Höhe der Zeit, so hat sie dies danach nicht mehr kultiviert und stolz bekundet: „Ich weiß gar nicht, was Kunst ist“ (so zumindest die Bekundungen der letzten vier Documenta-Leitungen und Titel einer Ausstellung im Martha Herford). Parallel dazu stieg die Bedeutung der Biennale in Venedig. Hier hat man ein konkurrentes System von über 80 nationalen Kurator:innen-Teams, die zwar nicht mit einer Stimme sprechen (das hat aber auch die Kunst noch nie getan),in der Gesamtheit aber durchaus die Tendenzen und Stimmungen, und damit auch die Zukunft des Betriebssystems Kunst widerspiegeln.

P.S.: Kunst kommt von kaufen. Zur Käuflichkeit alternativer Systeme

„Vor der Documenta-Halle in Kassel steht eine angerostete Wellblechinstallation von Wajika Kwetu, die einer Slumhütte in Kenia nachempfunden ist und bald im Skulpturenpark eines Kunstsammlers stehen könnte: „When They Come to Our Place“ kostet 60.000 Euro.“[7]

Zugegebenermaßen ist das günstig. Aber nur weil ein Kunstwerk über eine andere Plattform verkauft wird als über eine traditionelle Galerie, eine Plattform, die dafür 10% mehr ausschüttet als die Galerie (statt 50% bekommt der Künstler hier 60%), ist man noch nicht im Bereich der alternativen Ökonomie. Man ist mittendrin in der ganz normalen Ökonomie des Turbo-Kapitalismus. Hätte der besagte Kunstsammler direkt mit dem Urheber verhandelt, hätte dieser noch mehr bekommen. Eine bestimmte Art der alternativen Ökonomie zielt ja gerade auf die komplette Ausschaltung des Zwischenhandels. Darum geht es hier offensichtlich nicht, es geht darum, einen ganz bestimmten Zwischenhandel – die etablierten Galerien – auszuschalten. Aber diese Galerien leisten eben auch mehr, als es die alternativen tun. Sie bezahlen normalerweise zum Beispiel zu einem guten Teil die Installationen auf einer Documenta. Dieses Mal macht das der Steuerzahler – als ob das alternative Ökonomie wäre. Wenn aber die Documenta-Kunst letztlich doch auf die normalen Kunstsammler:innen zielt, dann ist sie eben doch Teil des Systems.

Anmerkungen


[1]    Kir Royal, Folge 1: Wer reinkommt, ist drin, ab Minute 50.

[2]    Goethe: Faust.

[3]    Vgl. dazu Biskamp, Floris (2021): Ich sehe was, was Du nicht siehst. Antisemitismuskritik und Rassismuskritik im Streit um Israel. In: PERIPHERIE 40 (3 and 4-2020), S. 426–440. DOI: 10.3224/peripherie.v40i3-4.12.

[5]    Liedtext von „I rule the world” der Gruppe “Walk off the Earth”
https://www.youtube.com/watch?v=ukigjUvwAR4

[6]    Karl-Heinz Schmidt, Die documenta als Aktivistencamp. Der überdehnte Kunstbegriff von ruangrupa, Kunstzeitung Juni/Juli 2022, Nr. 300

[7]    Marcus Woeller, So kommerziell ist die Documenta, Welt online, 12.02,2022
www.welt.de/kultur/kunst/article239758451/Kunstverkauf-in-Kassel-So-kommerziell-ist-die-Documenta.html

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/138/am763.htm
© Andreas Mertin, 2022