Praktisch-Theologische Musikwahrnehmung

Eine Rezension

Harald Schroeter-Wittke

Peter Bubmann: Musik.Spiritualität.Lebenskunst. Studien zu Ästhetik und Musik aus theologischer Perspektive. Beiträge zu Liturgie und Spiritualität 35, Leipzig 2022.

[Klappentext] Musik trägt zur religiösen Lebenskunst bei. Wie das geschieht und wie es theologisch zu würdigen ist, zeigen die Beiträge dieses Bandes. Musik konnte vor allem im Protestantismus zum herausragenden Medium spiritueller Erfahrungen werden. Sie lässt sich als Spiel der Freiheit theologisch wertschätzen. Und in ihr spiegeln sich in unterschiedlicher Weise Gottesbilder. Zugleich wird in der Kirche um Stile und Formen von musikalischer Praxis gerungen. Das Neue Geistliche Lied, Gospel oder etwa Techno kommen auf den Prüfstand. Worin die Chancen des Musizierens im Gottesdienst, in der Gemeindeentwicklung und in der religiösen Bildungsarbeit liegen, wird aufgezeigt. Und es wird herausgearbeitet, dass das Singen auch weiterhin in der Öffentlichkeit zu den Merkmalen christlichen Glaubens zählt. [/Klappentet]


Weit mehr als die Hälfte seines Lebens hat Peter Bubmann zur theologischen Musikwahrnehmung geforscht und publiziert. Anlässlich des 60. Geburtstages des Erlanger Religions- und Gemeindepädagogen haben seine Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen eine Aufsatzsammlung dieser Forschungen herausgegeben, die die gesamte Bandbreite seines musikotheologischen Schaffens präsentiert, welches von den großen musikästhetischen Fragen herkommt und zugleich praktisch-theologisch immer die konkrete Praxis in den Blick nimmt. Viele seiner Beobachtungen, Anfragen, Kriteriologien, Beschreibungen und Visionen haben ihren konkreten Entstehungsanlass überdauert und werden hier zurecht erneut publiziert. Da begegnen grundlegende Beiträge wie der zum Charisma des Hörens als Grundvollzug der Liturgie oder zum Spiel der Freiheit als Signatur der Gegenwart des Protestantischen in der Musik. Es werden Fragen gestellt, z.B. ob Musik Sprache zwischen den Religionen sein kann. Dabei reflektiert Bubmann von Beginn an die Revolution, die sich durch die Popkultur, insbesondere die Popmusik auch in Kirche und Christentum massenwirksam etabliert hat, in ihren vielfältigen Spannungsfeldern von der theologischen und institutionell-kirchlichen Wahrnehmung über die Pluralität ihrer Erscheinungsformen in der kirchlichen Praxis vom gemeinsamen Singen über die Kasualien bis hin zu Musicalprojekten, die als Event zu verstehen sind.

Kirchenmusikalisch schreitet Bubmann einen weiten Horizont ab von der Orgelkultur als Gegenstand religiöser Bildung über die Schwierigkeiten und Chancen im Miteinander der Berufsgruppen bis hin zu seinen kritisch-konstruktiven Überlegungen zum Neuen Geistlichen Lied oder zu der Herausforderung, die ein neues Gesangbuch im Zeitalter der Digitalisierung darstellt. Die Stichworte Spiritualität und Lebenskunst engen sein Musikverständnis nicht ein, sondern focussieren es theologisch auf evangelische Praxis hin. Sein Buch bildet daher eine Alltagsästhetik des Musikalischen im vornehmlich protestantischen Christentum unter der Signatur des Festes, des Feierns, der Unterbrechung. Seinen Beobachtungen ist zu wünschen, dass sie weithin gehört werden.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/138/hsw23.htm
© Harald Schroeter-Wittke, 2022