Lass‘ Dich verbessern

Ich wollt‘ ja nur mal fragen - 4

Andreas Mertin und DeepL Write

Mitte Januar 2023 ist nach der mythisch gewordenen ChatGPT eine weitere KI online gegangen und zwar die Beta-Version von DeepL Write. Sie verspricht den Nutzer:innen, dass sie mit ihrer Hilfe aus bereits vorhandenen Texten im Handumdrehen bessere Texte machen könnten. Und zwar klar, präzise und fehlerfrei.

Das klingt vielversprechend und könnte sich als Segen für diejenigen erweisen, die bisher mühsam fehlerhaft formulierte Texte korrigieren mussten. Es klingt aber auch wie ein Alptraum für all jene, die bisher einen ganz spezifischen, eigenen Stil gepflegt haben und nun befürchten müssen, dass dieser wie mit dem Rasenmäher glatt und sprachkonform gemacht wird. Aber das ist – wenn mich der erste Eindruck nicht täuscht – keineswegs der Fall. Man kann die Texte dieser KI nicht 1:1 übernehmen, aber man kann schauen, wo man selbst sprachlich nicht sauber formuliert hat und wo dementsprechend noch Verbesserungen vorgenommen werden können.

Das Ganze befindet sich noch im Versuchsstadium und ist ein kommerzielles Projekt. Im Moment kann man Texte bis zu einer Länge von 2000 Zeichen überprüfen lassen, danach bricht die KI ab und verweist auf die zunächst kostenlose, später aber kostenpflichtige Version DeepL Pro. Darum geht es aber nicht, man kann einen langen Text durchaus in 2000-Zeichen-Häppchen überprüfen lassen. Und das ist schon mehr als nichts, wenn es darum geht, ob eine Formulierung, die man im Text verwendet hat, auch wirklich die richtige ist.

Mein erster Test war ein Online-Editorial eines ziemlich rechten Meinungsmachers, der unter der Überschrift „Früher Vogel“ jeden Tag fehlergesättigte Kurztexte an seine Leser:innen absetzt – nicht ohne dafür auch noch um Spenden zu betteln. Aber das Ergebnis war zu niederschmetternd – und man sollte Menschen, die der deutschen Sprache nicht wirklich mächtig sind und den Sinn der Fehlerkorrektur, die mittlerweile fast alle Programme anbieten, nicht verstehen, nicht vorführen. Trotzdem war es merkwürdig, dass eine KI mehr Sprachgefühl hatte als ein Journalist, der einmal für eine der großen Boulevardzeitungen Deutschlands gearbeitet hatte.

Also musste ein anderes Beispiel gefunden werden. Es wäre verlockend gewesen, einen Text eines der großen deutschen Philosophen zu nehmen, etwa aus der Zeit des Idealismus, aber das ist nicht sinnvoll, weil sie für ihre Zeit geschrieben haben. Es ist auch nicht sinnvoll, eine freie Rede zu korrigieren, weil sie natürlich grammatikalisch nie perfekt sein kann. Ich habe dann verschiedene Texte ausprobiert und war erstaunt, wie oft die KI in den eingegebenen Texten fehlerhafte Formulierungen gefunden hat. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass wir die deutsche Sprache nicht mehr beherrschen. Manchmal sind es nur kleine Veränderungen, die den Text aber wirklich besser und lesbarer machen.

Bei ikonischen Texten funktioniert das Spiel dagegen nicht. Ich habe versuchsweise Walter Benjamins Thesen „Über den Begriff der Geschichte“ eingegeben, aber das Ergebnis ist schmerzhaft. Das liegt daran, dass in solchen Texten großer Schriftsteller wirklich jedes Wort bewusst gewählt ist und sich die gewählten Formulierungen eingeprägt haben.

Das sind auch schon inhaltliche Variationen. Ob das wahre Bild der Vergangenheit vergeht oder vorbeihuscht sind zwei verschiedene Sachverhalte. Hier ist die vorgeschlagene Korrektur nicht sinnvoll. Dass die KI dann auch noch Zitate korrigiert, kann man ihr nicht vorwerfen, aber man sollte ihr beibringen, dass sie Texte in Anführungsstrichen nicht verbessern darf. Andererseits finde ich die Formulierung „durchbrochen“ besser als „durchschlagen“, wenn man von einer Stelle spricht.

Ich war gespannt, wie die KI mit der berühmten These zum Angelus Novus umgeht. Das ist ja eine These, die man fast auswendig kennt, wenn man sich mit Kunst und Philosophie beschäftigt. Und hier ist das Ergebnis:

An dieser Stelle war ich ehrlich erleichtert, dass die KI nur sehr zurückhaltend und eigentlich kaum sinnentstellend in den Text eingegriffen hat. An ein, zwei Stellen hat sie den Text tatsächlich verbessert (‚die Toten erwecken‘ statt ‚die Toten wecken‘; das Zerschlagene wieder zusammenfügen), ansonsten aber nur im Sinne heutiger Sprachgewohnheiten umgestaltet.

Was gar nicht geht, ist Gedichte zu überarbeiten. Da kommt nur noch sprachlicher Müll heraus. Mein Versuch mit dem Gedicht „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“ von Novalis ging fürchterlich schief. Aber dafür ist das Programm ja auch nicht gemacht.

Manchmal verändert die KI auch den Sinn von Texten. Man kann also nicht einfach einen geschriebenen Text eingeben und das Korrekturergebnis ungeprüft übernehmen. Das ist gut so, denn so zwingt der Korrekturprozess die Nutzer:innen, über die Logik der Korrekturen nachzudenken.

Der größte Vorteil, den ich in der KI sehe, ist, dass sie unser Sprachgefühl schärft. Was ändert sich am Feinschliff eines Textes, wenn man die Reihenfolge der Wörter ändert? Was ändert sich, wenn man ein Wort durch ein fast bedeutungsgleiches Wort ersetzt? Wenn sich Schüler:innen und Studierende darauf einlassen würden, wäre schon viel gewonnen.


Dieser Text wurde von DeepL Write Korrektur gelesen und entsprechend den Vorschlägen der KI überarbeitet. Sollten dennoch Fehler im Text sein, beruhen sie auf der händischen Übertragung der Korrekturvorschläge durch den Autor. Überraschend war, dass die KI kaum in den hypotaktischen Stil des Verfassers eingegriffen hat. Das fand ich bemerkenswert. Ebenso überrascht war ich, dass die KI – im Gegensatz zur Rechtschreibkorrektur von MS Office – mit dem Gender-Doppelpunkt umgehen konnte. Es besteht also noch Hoffnung.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/141/am776d.htm
© Andreas Mertin, 2023