Giftpilz - Oder: Rote Linien

Notizen zu Bild-Sprachen und Sprach-Bildern

Andreas Mertin

Nachgeschobene Vorbemerkung

Dieser Text entstand aus dem Erschrecken über ein Symbolbild für einen Artikel in einer befreundeten evangelischen Kulturzeitschrift.[1] Ich frage ja ab und an, ob Redakteur:innen die Wirkmacht von Bildern und die Bildersprache an sich noch bewusst ist.[2] Bilder sind keine Adiaphora wie Martin Luther in den Bilderstreitigkeiten der Reformation meinte, sie sind weiterhin wirksame Elemente in den Auseinandersetzungen der Gegenwart. Man muss es nicht so trivialisieren wie im häufig zitierten Satz „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ (das ist selbst schon wieder so ein verkürztes Sprachbild aus der Werbebranche), aber ein Bild transportiert mehr als bloß das Denotat. Bilder sind nicht nur Illustrationen von Sachverhalten, sondern eigenständige visuelle Argumente. Den Antisemiten in unserer Gesellschaft ist das klar, wenn sie von Strippenziehern, Marionettenspielern und neuerdings wieder von Knollennasen sprechen. Bilder werden als visuelle ‚Waffen‘ eingesetzt, weil sie sich nicht im Dargestellten erschöpfen, sondern Konnotate z.B. aus ihrer nationalsozialistischen Verwendung mitschleppen. Natürlich kann man einwenden, dass einer überwiegenden Zahl heutiger Menschen diese Konnotate gar nicht bewusst sind. Aber trotzdem setzen die Neo-Nazis sie ganz gezielt ein. Umso mehr sollte gerade die kirchliche Öffentlichkeit achtsam sein in der Verwendung bestimmter Metaphern und Bilder.

Bei einigen Sprachbildern, die nach 1945 noch als problematisch angesehen wurden, habe ich es inzwischen aufgegeben, ihre Verwendung zu kritisieren, etwa wenn kirchliche Kunstreferate sich an die „Kunst- und Kulturschaffenden“ richten.[3] Ja, das stammt von den Nationalsozialisten und wurde später von den totalitären Regimen der DDR und der Sowjetunion weiter gepflegt. Wie der Arbeiter schafft der Künstler Kultur, das passte zur Ideologie der Nationalsozialisten wie des Arbeiter- und Bauernstaates. Aber hier mag ich inzwischen keine roten Linien mehr ziehen. Anders ist es bei anderen (Sprach-)Bildern, die – vielleicht ohne es zu wollen – die (Bild-)Sprache der Nationalsozialisten fortführen. Ein Beispiel dafür ist die hier zu erörternde Metapher des Giftpilzes. Gerade in der personalen Zuschreibung ist das ein schreckliches und vor allem ein schrecklich belastetes Sprachbild, an ihm klebt das Blut von Millionen Jüdinnen und Juden.[4]

Als ich gegen die - zugestandenermaßen unbedachte – Verwendung einer entsprechenden Bildmetapher bei der Zeitschrift Einspruch erhob, wurde das Bild sofort ausgetauscht. Damit hätte sich mein Text erledigt, wenn wir uns nicht in einer Zeit befinden würden, in der es wichtig ist, über unseren Umgang mit (Sprach-)Bildern nachzudenken. Gerade das vergangene Jahr mit der documenta fifteen hat ja gezeigt, dass die Frage, was belastete, was beleidigende und was tödliche Bilder sind, sorgfältig erörtert werden muss.[5] Deshalb habe ich beschlossen, auch nach dem Austausch des Symbolbildes der Sache noch einmal genauer nachzugehen und lege das Ergebnis meines Nach-Denkens über die Sprache der Bilder und die Bilder der Sprache hier vor.

Victor Klemperer – LTI

1947 erscheint im Ost-Berliner Aufbau-Verlag ein Buch mit dem etwas verwirrenden Titel „LTI. Notizbuch eines Philologen“.[6] Verwirrend ist er, weil spontan niemand weiß, was LTI eigentlich bedeuten soll. Normalerweise sind Büchertitel ja auch ein Teil der Verlagswerbung und wer kauft schon ein Buch, von dem er nicht weiß, was es beinhalten soll? Nun ist der Titel LTI selbst schon ein Teil der Programmatik des Buches, denn er spielt auf den Aküfi des Gröfaz und seiner Genossen an, also den Abkürzungsfimmel des Größten Führers aller Zeiten. LTI ist die Abkürzung für Lingua Tertii Imperii – Sprache des Dritten Reichs.

Und das ist auch der Kern des Buches, eine Auseinandersetzung mit der Sprache der Nationalsozialisten und der Sprache im Nationalsozialismus sowie deren Weiterwirken nach dem Ende des Dritten Reiches. Victor Klemperer (1881-1960), von dem dieses berühmt gewordene Buch stammt, versucht hier den Nationalsozialisten die Sprache zu entringen, das Gute aufzuheben und den Missbrauch aufzudecken. Den Missbrauch des Heroischen durch die Nazis konterkariert Klemperer etwa mit dem Heroismus jener „arischen“ Frauen, die während des Nationalsozialismus zu ihren jüdischen Männern hielten. Gewidmet ist das Buch deshalb seiner Frau Eva Klemperer. Und so muss man dieses Buch in all seinen Anspielungen und Zwischentönen lesen. Wenn Klemperer etwa vom „Arsen der Worte“ spricht, dann ist das auch eine Gegenrede gegen die nationalsozialistische Sprache von den Juden als Gift für das Volk und insbesondere und besonders infam von den Juden als Giftpilzen. Das sollte man nicht übersehen, es ist wichtig.

Wer war Victor Klemperer und was ist das Besondere seines Projektes der Untersuchung des Verhältnisses von Sprache und Nationalsozialismus?

„Klemperer war 1881 als Jude geboren worden und konvertierte 1912 zum Protestantismus. Er wurde in Dresden Professor für Romanistik. Die Nationalsozialisten stuften ihn als Juden ein; da er aber mit einer sogenannten Arierin verheiratet war, wurde er nicht sogleich deportiert. Klemperer erhielt Berufsverbot und musste mit seiner Frau in ein Judenhaus umziehen, von wo aus beiden im Anschluss an die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 die Flucht gelang. Während der Jahre der Verfolgung führte er ein geheimes Tagebuch, das ihn, wäre es bei einer Razzia entdeckt worden, wahrscheinlich das Leben gekostet hätte. Da er zuletzt nur noch Schriften und Zeitungsartikel der Nationalsozialisten lesen durfte, entschied er sich, der Analyse ihrer Sprache viel Zeit zu widmen. Nach der Befreiung wertete er 1946 seine Beobachtungen aus und verfasste das Buch LTI, das 1947 erschien.“[7]

Allgemein gilt dieses Werk zusammen mit den erst postum veröffentlichten Tagebüchern[8] als herausragendes Werk der Tagebuchliteratur. Und genau das macht die Stärke der Arbeit von Klemperer aus, dass er zeigt, wie eine systematisch vorgehende Ideologie daran arbeitet, Sprache zu verändern, um die Menschen im Alltag zu beeinflussen. Klemperer ist daran gelegen, aufzuzeigen, dass nicht alle Worte, die die Nazis nutzen, von diesen selbst entwickelt wurden. Davon gibt es zwar auch einige, aber nicht viele.[9] Stattdessen verändern die Nazis Sprachmaterial, das sie woanders fanden und unterwerfen es ihrer Ideologie. Klemperer schreibt:

»der Nazismus glitt in Fleisch und Blut der Menge über durch die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang und die mechanisch und unbewusst übernommen wurden«[10]

Die nachfolgende Übersicht von Tim Bauerschmidt zeigt die Sorgfalt und Komplexität, mit der Victor Klemperer sich der nationalsozialistischen Sprache nähert. Und er macht das nicht in einer abstrakten Weise, wie man vielleicht angesichts einer solchen Übersicht vermuten könnte, sondern, indem er den nicht zuletzt biographisch leidvoll erfahrenen Alltagsgebrauch untersucht. Es geht also nicht nur darum, welche Worte die Nationalsozialisten nutzen, prägen oder umprägen, sondern auch darum, wie diese im Alltag der Menschen ankommen. Und mit Bedauern muss Klemperer feststellen, dass selbst er unwillkürlich in diesen Jargon verfällt.

Von Tim Bauerschmidt - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=76408599

Was Klemperer freilich nicht macht, ist, dass er die Sprache als solche als Gift bezeichnet, er zeigt nur, wie sie als Gift medialisiert werden kann:

„Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da“

Schon hier fällt auf, dass ein einzelnes Subjekt (etwa ein Dozent einer Universität) nicht die Sprachmacht haben kann, derartige Veränderungen vorzunehmen. Das funktioniert nur in einem größeren Systemzusammenhang. Darauf macht Klemperer auch explizit aufmerksam. Das haben nicht alle verstanden. Auffällig ist der stereotype und verkürzte Gebrauch, der von dem Arsen-Zitat gemacht wird. Stereotyp in dem Sinn, dass gar nicht mehr deutlich wird, wofür Klemperer das Sprach-Bild verwendete: für die Worte der Nationalsozialisten. Denn der Kontext des Zitats lautet so:

Aber Sprache dichtet und denkt nicht nur für mich, sie lenkt auch mein Gefühl, sie steuert mein ganzes seelisches Wesen, je selbstverständlicher, je unbewusster ich mich ihr überlasse. Und wenn nun die gebildete Sprache aus giftigen Elementen gebildet oder zur Trägerin von Giftstoffen gemacht worden ist? Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da. Wenn einer lange genug für heldisch und tugendhaft: fanatisch sagt, glaubt er schließlich wirklich, ein Fanatiker sei ein tugendhafter Held, und ohne Fanatismus könne man kein Held sein. Die Worte fanatisch und Fanatismus sind nicht vom Dritten Reich erfunden, es hat sie nur in ihrem Wert verändert und hat sie an einem Tage häufiger gebraucht als andere Zeiten in Jahren. Das Dritte Reich hat die wenigsten Worte seiner Sprache selbstschöpferisch geprägt, vielleicht, wahrscheinlich sogar, überhaupt keines. Die nazistische Sprache weist in vielem auf das Ausland zurück, übernimmt das meiste andere von vorhitlerischen Deutschen. Aber sie ändert Wortwerte und Worthäufigkeiten, sie macht zum Allgemeingut, was früher einem einzelnen oder einer winzigen Gruppe gehörte, sie beschlagnahmt für die Partei, was früher Allgemeingut war, und in alledem durchtränkt sie Worte und Wortgruppen und Satzformen mit ihrem Gift, macht sie die Sprache ihrem fürchterlichen System dienstbar, gewinnt sie an der Sprache ihr stärkstes, ihr öffentlichstes und geheimstes Werbemittel.[11]

Ein Wort wie fanatisch kann also quasi durch konsequenten Gebrauch mit bestimmten Konnotaten in sein Gegenteil verkehrt werden, also von einem kritischen Wort (Fanatiker) zu einem affirmativen (unbedingt Engagierter) umgestaltet werden. Die bloße Statistik zeigt uns noch nicht, dass die Nazis das Wort umwerten, sie indiziert nur, dass sie es vergleichsweise häufig verwenden. Erst die genauere Untersuchung der Worte zeigt uns dann, wie dies geschieht.

Zu überlegen wäre nun, ob diese Form der Umwertung schon als Vergiftung zu etikettieren ist. Das Sprachbild vom Arsengift, das Klemperer verwendet, ist leider etwas schief. Denn die verwendeten Worte sind ja, wie Klemperer selbst hervorhebt, nicht vorab giftig, sondern wer­den durch den sinnverändernden Gebrauch der Nationalsozialisten toxisch. (Sie sind eher so etwas wie ein Küchenmesser, das für einen Mord verwendet wird.) Das unterscheidet sie vom Arsen, genauer von Arsenik, das für Menschen immer Gift ist. Was Klemperer eher meint, wäre ein Stoff, der erst durch Zuführung weiterer Stoffe im Körper selbst seine toxische Qualität entwickelt.

Es geht vielleicht um so etwas wie die Entwicklung eines Pawlowschen Reflexes. Wie das funktioniert, zeigt Hitlers berüchtigte Rede in der Siemensstadt am 10. November 1933. Obwohl er immer nur von „ganz bestimmten Interessenten“, einer „kleinen wurzellosen internationalen Clique“ spricht, erfolgt in einer künstlich angelegten Sprachpause der scheinbar spontane Zwischenruf aus dem Publikum: „Juden“. Das Publikum scheint (sofern es sich nicht um eine Inszenierung[12] handelt) bereits perfekt konditioniert auf bestimmt Reizworte, auf Codes.

Bemerkenswert an der oben abgebildeten Übersicht über die Eigenschaften nationalsozialistischer Sprache in der Wahrnehmung von Victor Klemperer ist, wie viele dieser Eigenschaften auch bei den Kritikern „vergifteter Sprache“ zu finden sind. Das hatte schon Konrad Ehlich in seinem Text „Von der Unschuld der Sprache und der Schuld der Sprechenden“ beob­achtet.[13] Auch die Kritiker:innen bevorzugen die Hierarchisierung von Verantwortlichkeiten, wenn sie die einen (also die Nationalsozialisten) als Manipulatoren und die anderen (das deutsche Volk) als deren Opfer ansehen. Und die Kritiker der Nazisprache nutzen selbst distanzierende Ironisierungen, wenn sie auf bestimmte Positionen oder Verbindungen anspielen, etwa „Professor“, „befreundete Professoren“ oder aktuell wieder auch „Intellektuelle“. Das sollte einen davor warnen, eine Formulierung wie „Das Gift der Sprache“ als Denunziationsformel zu verwenden, es könnte auf einen zurückfallen. Das Sprachgeschehen ist dann doch wesentlich komplexer.

Nun aber zum Kern meiner Intervention, es geht um jene Sprachbilder und Bildsprachen, die die Nationalsozialisten ganz bewusst in die Welt gesetzt haben, wo sie nicht einfach nur Sprachmaterial und Bildmaterial aufgegriffen und umgewertet haben, sondern eine Neubestimmung von Wörtern und Bildern gezielt in Gang gesetzt haben. Das scheint mir bei dem bis in die Gegenwart wirkenden Giftpilz der Fall zu sein.

Der Giftpilz

Im Rahmen des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher des Nationalsozialismus geht es in der Nachmittagssitzung des 10. Januars 1946 um Julius Streicher, den Herausgeber des „antisemitischen politpornografischen Hetzblattes“ Der Stürmer, und dabei auch um eine der widerlichsten Schriften aus seinem Verlag.[14]

Der britische Staatsanwalt Oberstleutnant John Griffith-Jones stellt dem Gericht in dieser Sitzung zwei Kinderbücher vor, unter anderem auch das  illustrierte Buch „Der Giftpilz – Ein Stürmerbuch für Jung und Alt“.[15] Es ist erstmalig 1938 im Verlag Der Stürmer erschienen und wurde nicht zuletzt auch in Schulen eingesetzt. Die Wikipedia beschreibt es so:

Das Buch soll Kinder im Geiste der nationalsozialistischen Propaganda erziehen. Es beginnt mit einer einleitenden Erzählung, in der eine Mutter ihrem Sohn beim Pilze-Sammeln davon erzählt, dass es auch unter den Menschen „Giftpilze“ gebe. Der Giftpilz unter den Menschen sei der Jude.[16]

Im Buch selbst heißt es dann:

„Genau wie ein einzelner Pilz eine ganze Familie töten kann, so kann ein einzelner Jud ein ganzes Dorf, eine ganze Stadt, sogar ein ganzes Volk zerstören.“[17]

Damit ist die titelgebende Metapher gesetzt. Und in diesem Stil geht es dann immer weiter:

Beim Anblick eines Kruzifixes solle man, so die Ermahnung, „an den grauenhaften Mord der Juden auf Golgatha“ denken …. Der Giftpilz schließt damit, dass es keine „anständigen Juden“ geben könne und dass es ohne die „Lösung der Judenfrage“ keine Rettung der Menschheit geben könne.[18]

Alles, was die Nationalsozialisten planen, umsetzen und noch umsetzen werden, ist – bis hin zur Endlösung der Judenfrage – in dieser kleinen Schrift zur Beeinflussung der Kinder bereits angelegt – die jungen Menschen werden sozusagen schrittweise vorbereitet. Auch all die Klischees, die Nationalsozialisten in dieser Zeit verbreiten, sind hier in einer quasi pädagogischen Programmatik für die Jüngsten gebündelt. Das macht die Schrift ebenso entsetzlich wie widerlich.

Im Nürnberger Prozess heißt es bereits im Dezember 1945:

Ein Strom von Schmutzliteratur aller Art und für alle Altersgruppen wurde in Deutschland herausgegeben und in Umlauf gesetzt. Bezeichnend für diese Art von Veröffentlichungen ist ein Buch mit dem Titel »Der Giftpilz«. Ich bringe es als Beweismaterial, Dokument 1778-PS, US-257, zur Vorlage. Dieses Buch bezeichnet den Juden als einen Verfolger der Arbeiterklasse, als Rassenschänder, als einen Teufel in Menschengestalt, als Giftpilz und Mörder. In diesem Buch wurde den Schulkindern durch Karikaturen, die auf Seite 6 und 7 erscheinen, gelehrt, wie sie den Juden an seiner Körperbeschaffenheit erkennen könnten. Auf Seite 30 wird gezeigt, dass der Jude kleine Jungen und Mädchen missbraucht, und auf Seite 13 bis 17, dass die jüdische Bibel alle Verbrechen erlaubt.[19]

Und all das wird unter einer einzigen Metapher subsumiert, die für die Kinder erkenntnisleitend sein soll: der Jude als Giftpilz. Darum geht es, darum wird diese kleine Schrift erstellt und publiziert, um dieses Mem ins Gehirn der jungen Menschen zu hämmern.

Wenn man nun heute Menschen und/oder ihr Handeln unter das Bild des Giftpilzes stellt und sei es noch so subtil oder auch nur visuell, heißt das somit, sich in diese fatale Sprachbildtradition der Nationalsozialisten einzuschreiben.

Nun könnte man argumentieren, dass die assoziative Verbindung von Giftpilz und Judentum längst vergessen ist, dass heute ganz andere Assoziationen mit dem Giftpilz verbunden werden. Dem ist aber nicht so. Wenn man das Wort „Giftpilz“ in den NGram-Viewer der Google-Buchsuche eingibt, erkennt man zunächst, dass es zwei Höhepunkte im Gebrauch des Wortes gibt: Anfang der 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts und dann wieder seit Beginn des 21. Jahrhunderts.

Wenn man dann recherchiert, woher die Renaissance des Wortes „Giftpilz“ nach dem Jahr 2000 kommt, dann liegt es zum einen an den verstärkten wissenschaftlichen Forschungen zum NS-Sprachgebrauch und der Kinderliteratur in dieser Frage.[20] Vor allem aber kommt es von Neuauflagen des alten antisemitischen Buches, das nun von Neo-Nazis in neuer, für die heutige Generation besser lesbarer Schrift gedruckt wird.

Heute lässt sich dieses Buch jederzeit bestellen oder auch online als PDF herunterladen. Weil der objektiv beleidigende und volksverhetzende Inhalt des Buches natürlich erhalten bleibt, wird es nun unter dem Etikett „Wissenschaftlicher Quellentext“ vertrieben, ohne dass tatsächlich eine wissenschaftliche Kommentierung stattfinden würde. Der Giftpilz wird inzwischen nicht nur auf Deutsch vertrieben, sondern auch in anderen Sprachen, vor allem Englisch und Tschechisch. Damit wird eine neo-nazistische Szene bedient, aber eben auch ein Mem am Leben erhalten, das jederzeit in den aktuellen Debatten angewendet werden kann.

Denn auch in der politischen Auseinandersetzung der Gegenwart spielt die Bezeichnung „Giftpilz“ mit explizitem Bezug auf den nationalsozialistischen Gebrauch des Wortes weiterhin eine Rolle, sie erlebt eine nicht ganz unerwartete Renaissance. Ein Beispiel für diese denunziatorische Verwendung bildet ein „Nachruf“, den Jürgen Gansel 2004 auf Theodor W. Adorno schrieb.

Einen „geistigen Giftpilz der Gemeinschaftszersetzung“ hat der NPD-Kader und Autor der „Deutschen Stimme“, Jürgen Gansel, den Philosophen des Nicht-Identischen, Adorno, zu dessen 35. Todestag im Jahr 2004 genannt. Für ihn ist Adorno der Inbegriff „des entwurzelten jüdischen Intellektuellen“. Und auch aktuell fehlt fast nie der Hinweis auf die „Kulturmarxisten“ von der „Frankfurter Schule“, wenn von der „Vergiftung des deutschen Volkes“ nach 1945 die Rede ist.[21]

Diese NS-Sprache spitzt Jürgen Gansel noch zu, wenn er schreibt:

„Mit scheinhumanitären Forderungen nach Demokratisierung, Emanzipation und Aufklärung rührten diese Köche [scil. Die Kritische Theorie] eine ganz und gar nicht koschere Speise an: einen Giftfraß, der die inneren Organe und das Gehirn des deutschen Volkskörpers angreifen sollte.“ Der Artikel von Gansel endet dann mit den Worten: „Der Giftpilz starb vor 35 Jahren, das Gift wirkt noch heute.“[22]

Die Kombination von Intellektuellen, Vergiftung und der Metapher des Giftpilzes ist so gesehen eine feste denunziatorische Größe von Antidemokraten, sie ist keinesfalls etwas Akzidentielles. Man sollte sie unter keinen Umständen gebrauchen.

Exkurs: Und immer wieder: Martin Luther

Als Julius Streicher 1946 von seinem Anwalt nach seiner konkreten Verantwortung befragt wird, beruft er sich direkt auf Martin Luther. Was er publiziere, könne man auch bei Luther finden:

STREICHER: Antisemitische Presseerzeugnisse gab es in Deutschland durch Jahrhunderte. Es wurde bei mir zum Beispiel ein Buch beschlagnahmt von Dr. Martin Luther. Dr. Martin Luther säße heute sicher an meiner Stelle auf der Anklagebank, wenn dieses Buch von der Anklagevertretung in Betracht gezogen würde. In dem Buch »Die Juden und ihre Lügen« schreibt Dr. Martin Luther, die Juden seien ein Schlangengezücht, man solle ihre Synagogen niederbrennen, man soll sie vernichten …

DR. MARX: Wer hat diese Bilderbücher verfasst?
STREICHER: Das Bilderbuch »Trau keinem Fuchs auf grüner Heid' und keinem Jud bei seinem Eid« wurde von einer jungen Künstlerin verfasst, gezeichnet, und sie hat auch den Text dazu gegeben. Der Titel, der auf dem Bilderbuch steht, stammt von Dr. Martin Luther. Das zweite Bilderbuch, das wurde verfasst vom Chefredakteur des »Stürmer«, der früher Pädagoge, Lehrer war.[23]

In der Sache hat Julius Streicher recht. Immer wieder stellt Luther in der Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“[24] die Verbindung von Gift und Juden her. Hier typische Zitate:

1.   Sie sind von Jugend auf erzogen mit Gifft
2.   ein verbittert / gifftig / blind Hertz der Juden
3.   weil sie so gifftig unseren Glauben lestern
4.   auffs aller gifftigst und bitterst wie die teufel selbst thun
5.   die Leute vergifftet und tötet…
6.   so mutwillig vergifften
7.   Christo auf bitterst und gifftigst verspottet
8.   Ihr gifftige Lesterung
9.   Sie haben solchen gifftigen Hass wider die Gojim
10. nächst dem Teufel keinen bittereren, gifftigeren, heftigeren Feind hast als einen rechten Juden,
11. Daher gibt man ihnen oft … Schuld, dass sie die Brunnen vergifftet … haben.
12. sie rühmen es getrost und stärken ihren Glauben und gifftigen Groll wider uns
13. da wurden sie zornig, bitter, gifftig
14. vergifften wider die Person unseres Herrn
15. Dies Stücklin meinen sie seer gifftig, bitter und böse.
16. mit gifftigen Lügen
17. das sie ja sollen bitter, gifftig und böse Feinde der Christen bleiben
18. die Wasser vergifften
19. das sie gifftige, bittere, rachgirige hemische schlangen, Meuchelmörder und Teufelskinder sind.
20. gießen ihnen solches Gifft, Fluch und Lästerung ein.
21. das wir Christen von den gifftigen Schlangen und jungen Teufeln leiden
22. dass ein Christ nächst dem Teufel keinen gifftigeren, bitterern Feind als einen Juden habe
23. und wo sie uns Christen heimlich fluchen, gifften oder Schaden tun
24. für solche schendliche, mutwillige, schedliche, gifftige lügen.
25. der blinden gifftigen Juden

Knapp dreißigmal kommt Gift im Kontext des Judentums in dieser Schrift vor. Es gibt guten Grund, das, was Klemperer über die systematische Beeinflussung der Bevölkerung durch Worte und Wortkombinationen schreibt, auch schon Martin Luther zuzuschreiben.

„Das Gift der Sprache“ – oder: Die Berufung auf Klemperer in der Gegenwart

Victor Klemperer hatte „Arsen“ als Metapher verwendet, um die problematische Wirkung von Worten (und nicht des Sprechers) zu bezeichnen. Bezeichnet man dagegen das Gegenüber als Giftpilz, personalisiert man das Ganze und tritt in die alte Sprachbildung der Nazis ein. Aber auch wenn man sich auf Klemperers Nutzung der Gift-Metapher einlässt, muss man im Hinterkopf haben, dass dieser nicht allgemein über die Sprache schreibt, sondern ganz spezifisch von der Vergiftung durch den nationalsozialistischen Wortgebrauch, es geht ihm explizit darum „das Gift der LTI deutlich zu machen“.[25]

Wer also Klemperer in Debatten zur aktuellen Sprachkultur zitiert, ignoriert entweder diese spezifische Intention oder stellt explizit und bewusst eine Beziehung zwischen den kritisierten Äußerungen heutiger Autor:innen mit der Sprache der Nationalsozialisten her. Das ist etwas, wo ich dann doch im Regelfall eine rote Linie überschritten sehe. Es mag dort Sinn machen, wo der völkische Flügel der AfD bewusst Sprachgrenzen überschreitet, indem er Vokabular der Nationalsozialisten re-aktualisiert. Aber wenn es im normalen Diskurs genutzt wird, um die Dringlichkeit des eigenen Anliegens und die Verwerflichkeit des gegnerischen zu markieren, nivelliert es die nationalsozialistischen Untaten, weil sie als alltäglich dargestellt werden.

Nun ist die Sprachdiagnostik Victor Klemperers unter Linguisten in bestimmten Punkten durchaus auch umstritten. Und an diesen Punkten teile ich deren Kritik. So schreibt Konrad Ehlich:

Wie die Manipulation geschieht - ob eher als rein rhetorische oder als die Sprache selbst deformierende oder - so das Klemperersche Konzept - als Verabreichung von Gift -, dies wird unterschiedlich gesehen. Gemeinsam ist der Versuch, die Mitglieder der „Sprachgemeinschaft“ vorwiegend als Opfer derartiger sprachlicher Manipulationen zu sehen. Dies steht sicher in einem Zusammenhang etwa mit der Dämonisierung der politischen Hauptverantwortlichen oder einiger von ihnen. Es ist wohl auch als ein Versuch zu lesen, das Ungeheuerliche der historischen Handlungen zur Kenntnis zu nehmen - und die Ungeheuerlichkeit zugleich als solche irgendwie zu konzeptualisieren. Selten kommt dagegen in den Blick, daß diese „manipulierten“ Subjekte in großen Teilen der Geschichte ja keineswegs in die Zustimmung, in, wie es dann hieß, die „Gefolgschaft“ gezwungen wurden.[26]

Die Hierarchisierung in der Sprache, die Klemperer zu Recht den Nationalsozialisten vorwirft, wird dort von ihm nachvollzogen, wo er nur Manipulatoren und deren Opfer kennt. Deshalb muss man sorgfältiger untersuchen, wie die Veränderung der Sprache funktioniert, wie sie jenen aggressiven Touch bekommt, der dann alle am Kommunikationsgeschehen Beteiligten ermöglicht, eine Gruppe oder einen gruppenzugehörigen herabzusetzen.

Der Giftpilz als Denunziationsformel

Ein Bild wie dieses ist unschuldig, so könnte man meinen. Es spiegelt einen natürlichen Gegenstand im Medium der Fotografie: den Fliegenpilz. Als solcher ist er bestimm- und beschreibbar.[27] Die Reduktion des Fliegenpilzes auf einen Giftpilz ist dagegen irreführend. Für eine letale Dosis müsste man schon 1 kg frischen Fliegenpilz essen. Der Fliegenpilz ist eher ein Delirantium[28], ein Rauschmittel und wurde in der Geschichte von manchen Völkern auch so genutzt.

Die obige Fotografie verliert ihre Unschuld, wenn man sie als visuelle Metapher für eine Situation, für einen Menschen oder auch für dessen Sprache einsetzt, um konkret die Assoziation des Giftpilzes hervorzurufen. Genau das ist im Februar 2023 auf der online-Plattform der ev. Kulturzeitschrift Zeitzeichen (versehentlich) passiert. Dort setzt sich Angelika Nothwang überaus kritisch (und m.E. ungebührlich denunziatorisch) mit der Metaphorik des Bochumer Theologen Günter Thomas auseinander und unterstellt, dass er mit seinen Texten zur Vergiftung des Diskurses beitrage. Dementsprechend trägt der gesamte Artikel die Überschrift „Das Gift der Sprache“.[29] Die Redaktion wählte dazu ein Symbolbild und setzte über den Artikel nun nicht ein Bild des Giftes Arsen, das Nothwang, Victor Klemperer zitierend, in ihrem Text erwähnt, sondern ein Bild eines Fliegenpilzes, also des Giftpilzes, so wie er auch 1938 auf dem Buchcover aus dem Stürmer-Verlag erscheint, nur dass dort auch noch Gesichtszüge und Symbole eingetragen waren.

Im Text bezieht sich das Gift verbreiten explizit auf Günter Thomas und zwar so sehr, dass es wie erwähnt für den Gesamttext titelgebend wird: das Gift der Sprache.

„Wer wie Thomas selbst anmahnt, man möge diskriminierende Assoziationen, ein Framing, das darauf zielt, dass immer etwas hängen bleibt, meiden, müsste doch vorsichtig sein in der Wahl der Metaphern, die er benutzt. „Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da“, hat schon Victor Klemperer festgestellt. Es gibt also gute Gründe dafür Sprache bedachtsam zu wählen. Und zur Bedachtsamkeit gehört wohl auch, bei der Wahl der eigenen Sprache zu bedenken, in welche Gesellschaft wir uns mit ihr stellen.“

Das „müsste“ im ersten Satz unterstellt, dass Thomas bei der Wahl seiner Metaphern eben nicht vorsichtig ist. Nun hatte ich schon gesagt, dass es Klemperer darum geht, aufzuklären, wie ein verbrecherisches System Worte nutzt, um neue „Werte“ durchzusetzen. In dem Text in Zeitzeichen wird durch den Bezug auf Klemperer insinuiert, dass die von Thomas verwendete Sprache in dieser problematischen Tradition steht. Das wird deutlich an der Formulierung, man müsse bedenken in welche Gesellschaft man sich mit der eigenen Sprache stellt. Da Klemperer die Bezugsgröße ist, kann sich das nur auf die Sprache der Nationalsozialisten beziehen. „Das Gift der Sprache“ wird so Thomas zugeordnet. Durch das hinzugefügte Symbolbild wird er nun visuell im Gesamten als Giftpilz konnotiert. Spätestens damit ist eine rote Linie überschritten. Ein Mem der Nationalsozialisten wird angewendet auf ein Mitglied der christlichen Gemeinde der Gegenwart, das von ihr zur Ausarbeitung und Pflege ihrer Lehre beauftragt wurde. Aber auch ohne das Symbolbild ist die Anwendung von Klemperers Sprachkritik auf die Texte und Äußerungen von Günter Thomas schier unerträglich und auch nicht akzeptabel. Die Redaktion hat letztlich nur visualisiert, was sachlich schon im Text steckt. Es ist letztlich aber ein doppelter Angriff: man unterstellt Thomas mit Hilfe der Metaphorik der Nazis eine metaphorische Nähe zu diesen.

Letztlich ist das ein Indiz, dass Sprache, Sprachbilder und Bilder und ihre Geschichte nicht mehr ausreichend ernst genommen und durchdacht werden. Ich unterstelle der Autorin nicht, dass sie Günter Thomas und die beiden anderen Theologen bewusst als Giftmischer des Diskurses im alten nationalsozialistischen Sinn bezeichnen wollte, aber sie hat diese Konnotation mit in Kauf genommen und nichts getan, um sie auszuschließen. Im Gegenteil, durch den besonderen und durch nichts erzwungenen Verweis auf Victor Klemperer, spielt sie mit diesen Konnotationen. Das ist zumindest fahrlässig.

Ich finde es befremdlich, dass wir heute in einer kirchlichen Welt leben, in der eine Gesprächskultur existiert, in der ein Gemeindeglied einem anderen vorwirft, ihn diskursiv eliminieren zu wollen (so Thomas), oder eine vergiftete Sprache zu nutzen bzw. zur Vergiftung der Sprache beizutragen und dabei sogar noch mit einfließen lässt, dieser habe keine ausreichende Abgrenzung zum rechten Rand dieser Gesellschaft (so Nothwang). So geht das einfach nicht.[30]

In der türkischen Community unterhalb meiner Wohnstraße würde man sagen: Du musst mehr Respekt zeigen. Da haben sie Recht, wir sollten unsern Nächsten nicht verleumden oder ins Gerede bringen, sondern Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren.

Epilog

Machen wir uns nichts vor: nahezu alle Debattenbeiträge zu dem kontrovers verhandelten Themenkomplex der theologischen Deutung und Begründung des Engagements in der Klimafrage sind gesamtgesellschaftlich absolut folgenlos. Sie werden meines Erachtens auch gar nicht geführt, um die Klimakatastrophe in irgendeiner Form zu bewältigen. Hier geht es fast ausschließlich um Lagerkämpfe. Verschiedene theologische Lager erweisen sich als unfähig, Argumente auszutauschen, vielmehr schlagen sie verbal auf den anderen ein. Das ist nichts Neues in der Christenheit, aber man hatte doch gehofft, dass dabei wenigstens Argumente ausgetauscht werden und das Gegenüber in seiner Argumentation auch anerkannt wird (ganz im Sinne der herrschaftsfreien Kommunikation von Jürgen Habermas). Das sehe ich im Moment nicht.

In intellektuellen Auseinandersetzungen geht es selten freundlich zu, allzu oft ist es eher gehässig. Aber es gibt rote Linien, die bei allem Eifer nicht überschritten werden sollten. Eine dieser roten Linien ist der Gebrauch der Gift- und der Giftpilzmetapher. Sie ist kontaminiert bis in jeden einzelnen Buchstaben hinein. Wer ein Minimum an Diskurskultur fordert und gleichzeitig(!) das Gegenüber unter Verweis auf Victor Klemperer ermahnt, er müsse seine Sprache auf ihr latentes oder manifestes Gift untersuchen, hat für mich diese rote Linie überschritten.

Nun argumentiert Günter Thomas in dem Text, auf den Nothwang sich bezieht, ebenfalls mehrdeutig, nicht in der Wahl einer Metapher, sondern eines Wortes. Und das ist das Wort „eliminieren“. Im Text heißt es konkret, es ginge Thomas‘ Kritiker darum, ihn „öffentlich diskursiv zu eliminieren“. Nun hat „eliminieren“ ein breites Bedeutungsfeld, es kann sich auf das physische Vernichten im Sinne von liquidieren beziehen, aber auch auf Zahlen, die aus einer Reihe getilgt werden. Ich unterstelle einmal, dass Günter Thomas die ursprüngliche Bedeutung des Wortes im Sinn hatte: „über die Schwelle setzen, aus dem Hause treiben, entfernen“. Dennoch sollte gerade die Sprachgeschichte angeraten sein lassen, vorsichtig mit diesem Wort umzugehen. Denn spätestens seit Daniel Goldhagens 1996 publiziertem Buch „Hitlers willige Vollstrecker“, in dem dieser vom „eliminatorischen Antisemitismus“ der Deutschen sprach und dieser Begriff in der Folge zu einer stehenden Redewendung wurde, kann man „eliminieren“ nicht mehr unbefangen verwenden. Wir müssen bei aller Lust am Streit die Worte sorgfältiger wählen.

Anmerkungen

[1]    Nothwang, Angelika (2023): Das Gift der Sprache. Für ein Minimum an Diskurskultur in der Evangelischen Kirche, zeitzeichen https://zeitzeichen.net/node/10286

[2]    Vgl. etwa Mertin, Andreas (2022): Reichtum und Armut der Bilder. Eine Annotation. In: tà katoptrizómena - Magazin für Kunst | Kultur | Theologie | Ästhetik, Jg. 24, H. 140. https://www.theomag.de/140/am770.htm.

[3]    Vgl. dazu Sternberger, Dolf; Storz, Gerhard; Süskind, Wilhelm E. (Hg.) (1962): Aus dem Wörterbuch des Unmenschen. München, S. 64f.

[4]    Auch wenn Julius Streicher das im Nürnberger Prozess entschieden bestritt. Nicht Bilder, nur die Auftraggeber seien für die Tötungen verantwortlich, also Adolf Hitler selbst.

[5]    Mertin, Andreas (2022): ‚Woran erkennt man, dass das Kunstwerk antisemitisch ist?‘. In: tà katoptrizómena - Magazin für Kunst | Kultur | Theologie | Ästhetik, Jg. 24, H. 139. https://www.theomag.de/139/am766.htm.

[6]    Klemperer, Victor (2020): LTI. Notizbuch eines Philologen. Ditzingen.

[7]    Kramer, Sven (2020): "Über diesem Abgrund". Studien zur Literatur der Shoah. Würzburg, S. 180.

[8]    Nowojski, Walter; Klemperer, Victor (Hg.) (1999): Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945; Band I-VIII. 3. Aufl. Berlin.

[9]    Konrad Ehlich listet davon einige in seinem Aufsatz auf; vgl. Ehlich, Konrad (1998): „…, LTI, LQI, …" - Von der Unschuld der Sprache und der Schuld der Sprechenden. In: Kämper, Heidrun; Schmidt, Hartmut (Hg.): Das 20. Jahrhundert, S. 275–303, hier das Schaubild auf S. 285.

[10]   Klemperer, Victor (2020): LTI, a.a.O., S. 25.

[11]   Kramer, Sven (2020): "Über diesem Abgrund". A.a.O., S. 27.

[12]   Victor Klemperer nennt es in LTI „gut einstudierte Zwischenrufe“ und verweist auf den pseudoreligiösen Charakter der Veranstaltung. Klemperer, Victor (2020): LTI, a.a.O., S. 51.

[13]   Ehlich, Konrad (1998) a.a.O.

[15]   Hiemer, Ernst (1938): Der Giftpilz. Ein Stürmerbuch für Jung und Alt; Erzählungen. 31. - 60. Tsd. Nürnberg: Verl. Der Stürmer.

[17]   Hiemer, Ernst (1938): Der Giftpilz, a.a.O., S. 7.

[20]   Vgl. etwa Anti-semitism and schooling under the Third Reich (2002). New York, N.Y. Schreckenberg, Heinz (2001): Erziehung, Lebenswelt und Kriegseinsatz der deutschen Jugend unter Hitler. Anmerkungen zur Literatur. Münster.

[21]   Stender, Wolfram (2020): Das antisemitische Unbewusste. Zur politischen Psychologie des Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland. In: Hagen, Nikolaus; Neuburger, Tobias (Hg.): Antisemitismus in der Migrationsgesellschaft. Theoretische Überlegungen, Empirische Fallbeispiele, Pädagogische Praxis. Innsbruck, 21-40.

[22]   Zit. nach Globisch, Claudia (2013): Radikaler Antisemitismus. Inklusions- und Exklusionssemantiken von links und rechts in Deutschland. Wiesbaden.

[24]   M. Luther, Von den Juden und ihren Lügen, WA 53, 417-552.

[25]   Klemperer, Victor (2020): LTI, a.a.O., S. 26.

[26]   Ehlich, Konrad (1998): „…, LTI, LQI, …" - Von der Unschuld der Sprache und der Schuld der Sprechenden. In: Kämper, Heidrun; Schmidt, Hartmut (Hg.): Das 20. Jahrhundert, S. 275–303.

[29]   Folgt man Klemperer müsste man eigentlich vom Gift der Worte sprechen.

[30]   Gerhard Wegner schreibt zu Recht auf zeitzeichen: „Eine ätzende Hermeneutik des bösen Verdachts zerstört alle Unterstellung von Gemeinsamkeit. Wie kann man bloß denn überhaupt auf die Idee kommen, in Texten von Günter Thomas, Ulrich Körtner oder Ralf Frisch allen Ernstes nach Anzeichen von Antisemitismus zu suchen?“ Vgl. https://zeitzeichen.net/node/10282

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/142/am789.htm
© Andreas Mertin, 2023