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Magazin für Theologie und Ästhetik


Die Kulturkirche Altona GmbH

Hintergründe und Erfahrungen

Ulrich Hentschel


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Die Anfänge

Es ging und geht uns in St. Johannis darum, die uns übertragene Verantwortung für unseren schönsten und schwersten Besitz, die Kirche, ernsthaft wahrzunehmen. Und dieses soll geschehen in Zuordnung zur Praxis und Verkündigung unserer Gemeinde. Konkret: Der Unterhalt des Kirchenhauses soll nicht zu Lasten unserer Arbeit für obdachlose Menschen, für bedrängte Frauen, für eine Flüchtlingsfamilie, für Kinder und Jugendliche gehen.

Unter dieser Voraussetzung: die Kirche zu erhalten und gestalten und zugleich die Gemeindearbeit zu profilieren, haben wir uns im Kirchenvorstand seit 1992 intensiv mit vielen der Fragen und Überlegungen beschäftigt. Eine Studienreise nach Amsterdam 1992 gehörte ebenso dazu wie ein großes Symposion 1997. Nachdem schnell klar war, dass ein Umbau der Kirche mit den entsprechenden konzeptionellen Voraussetzungen nicht in Frage kam, sahen wir uns mit zwei schwierigen Fragen konfrontiert:

1. Wollen wir unsere Kirche auch in Zukunft als Sammlungs- und Sendungsort der Gemeinde, für Gottesdienste und andere christlich-theologisch profilierte Veranstaltungen und Begegnungen im Kontext unserer Gemeinde erhalten?

2. Wollen und können wir - in "treuer Haushalterschaft" für dieses Haus - die Kirche teilen mit anderen Menschen und Gruppen? Sind wir bereit, die nichtchristlichen Menschen in Altona und Hamburg nicht nur als Gäste willkommen zu heißen, sondern wollen wir ihnen auch sagen können: Dies Haus sei auch euer Haus, nicht für immer, aber für Zeiten, die wir miteinander verabreden? Beide Fragen haben wir mit JA beantwortet und damit die Grundlinien einer Konzeption entwickelt.

Finanzierung

Und wir haben für diese Konzeption geworben: im Kirchenkreis, in der NEK, in der Kulturpolitik. Wir hofften, dass wir nicht nur ideelle, sondern auch finanzielle Sympathisanten und Förderer für diese Konzeption finden würden.

Parallel zur Renovierung unserer Kirche haben wir ca. zwei Jahre lang Finanzierungsmöglichkeiten diskutiert und gesucht. Das Ergebnis war leider negativ: Im Kirchenkreis, bei der NEK und seitens der Hamburger Kulturpolitik war keine finanzielle Unterstützung zu erwarten.

Wir mussten also, wollten wir nicht aufgeben, uns um Finanzierungsmöglichkeiten aus dem Bereich der Ökonomie, der Wirtschaft bemühen. Sponsoring? Das ist, wie inzwischen die meisten wissen, ein schwieriges Unterfangen. Vor allem bedeutet es, dass der Sponsor für sein Geld eine Gegenleistung erwartet, die seinem Unternehmenszweck gut tut. Diese Gegenleistung muss durch die Gemeinde erbracht werden.

Die GmbH

Wir haben uns für eine andere Möglichkeit entschieden. Damit wir als Gemeinde in unserer Arbeit und in unserer Verkündigung frei bleiben, wurde die Kulturkirche Altona GmbH gegründet.

In relativer Unabhängigkeit von der Gemeinde vermietet die Kulturkirche Altona GmbH die Kirche. Ein fester Prozentsatz der Einnahmen geht an die Gemeinde zum Unterhalt des Gebäudes. Außerdem und ebenso wichtig ist die Nutzung der Kirche durch Non-Profit Gruppen aus dem sozialen und kulturellen Bereich im engeren Sinn, die von der Kulturkirche ermöglicht wird.

Der Nachteil: Bei dieser Konzeption gibt die Gemeinde Kontrolle und Einfluss ab. Der Vorteil: Die Gemeinde bleibt frei vom Einfluss kommerzieller Unternehmen und Interessen. Sie muss niemand gegenüber freundlich sein. So entsteht keine dauerhafte Abhängigkeit von einem oder wenigen Unternehmen. Vielmehr gibt es einen Vertrag für eine begrenzte Zeit. Als Gegenleistung für seine Geld bekommt das Unternehmen für einen begrenzten Zeitraum die Kirche mit ihrer besonderen Ausstrahlung, die besondere Location, in der freilich das erwartete religiöse Gefühl mitgekauft wird.

In der Tat: Für einen begrenzten Zeitraum wird die Kirche "vermarktet". Wir halten das für das kleinere Übel im Vergleich zu der Gefahr einer Vermarktung unserer Gemeinde und unserer Gemeindearbeit.

Bei dieser Konzeption geht es also nicht um gut oder böse. Es geht vielmehr um eine Abwägung, wie wir relativ freier bleiben können in einer gesellschaftlichen Struktur, die von kommerziellen Zwecken beherrscht ist.

Im übrigen ist die Unterscheidung: "Kultur: gut" und "Kommerz: schlecht" nicht so einfach zu haben, wie wir uns das gern wünschten. Ohne Kommerz hätten viele Kirchen gar nicht gebaut werden können.

Erfahrungen

a) Einnahmen für die Gemeinde: 1999 und 2000 ca. 26.000 DM, außerdem für Instrumentennutzung ca. 9.300 DM, insgesamt also gut 35.000 DM.

b) Es gibt sehr unterschiedliche Veranstaltungen: im kommerziellen Bereich interne Firmenveranstaltungen (z.B. Compunet, PR-Agentur, Modenschauen), öffentliche Veranstaltungen im engeren kulturellen Bereich z.B. Pop-Chor, Schubert-Chor, Indischer Tempeltanz, außerdem sehr spezielle Ereignisse wie z.B.: Katholikentag, Benefiz Alsterdorf Shell, Geburtstagsempfänge, Tanzveranstaltung der katholischen Jugend.

Sowohl in kultureller wie in finanzieller Hinsicht haben wir unser Ziel natürlich noch nicht erreicht. Aber wir wissen jetzt, dass es erreichbar ist.

Insgesamt sind die Erfahrungen positiv: Fast alle Nutzer und Mieter geben sich Mühe, und halten sich an die Auflagen, u.a.: Lärmschutz, Respekt unserer sakralen Gegenstände: Kruzifix, Altar, Taufbecken.

Es gibt aber auch - selten - Situationen, die nicht vorhersehbar sind, und die uns und andere belasten. Die zuletzt von der BILD-Zeitung und dem Abendblatt in die Öffentlichkeit geschobene Dessous-Modenschau war eine problematische Erfahrung, die wir uns im Kirchenvorstand und die sich vor allem die Kulturkirche selbst gern erspart hätte.

Ich will aber deutlich sagen: Wie bei allen freiheitlichen Projekten, bei großen Gesellschaften ebenso wie bei kleinen Projekten wie der Kulturkirche, sind problematische oder provozierende "Nutzungen" der Freiheit nicht zu vermeiden. Dieser Hinweis rechtfertigt sie nicht. Er soll aber daran erinnern, dass man neue Wege dann gar nicht erst betreten sollte, wenn man eigene Fehler und (Ent-)Täuschungen durch andere vermeiden will.

Hinweisen möchte ich auf die interessante Erfahrung, dass Menschen bisweilen auch bei den "kommerziellen" Veranstaltungen mit einer positiven Neugier auf den Kirchenraum und die Tatsache seiner ungewöhnlichen Nutzung reagieren. Spricht der Raum durch die Verfremdung hindurch seine eigene Sprache?!

Wirkungen in der Gemeinde

Bei den meisten Menschen in unserer Gemeinde ist die von uns initiierte, aber jetzt selbständige Kulturkirche zwar nicht unbedingt beliebt, aber doch akzeptiert. Insgesamt nutzen wir selbst unsere Kirche intensiver als in den vorangegangenen Jahrzehnten. Es finden nicht weniger, sondern mehr gemeindliche Veranstaltungen in der Kirche statt. Neben den Gottesdiensten und der Kirchenmusik jetzt vor allem der SONNTAG, unsere regelmäßige Abendveranstaltung an fast jedem Sonntag des Jahres.

So wissen und spüren wir mehr denn je, was wir an unserer Kirche haben, gerade auch weil wir sie immer wieder anderen überlassen. Sie ist für uns kein selbstverständlicher Besitz mehr. Aber gerade diese Erfahrung kann uns frei machen von Besitzstandsdenken und der Angst um unser Kirchenhaus. So werden wir freier für die Aufgaben, die uns als Gemeinde in Altona gestellt sind.

Und: Wir können Gott preisen als den, der keinen Ort hat in dieser Welt, wo er sich festlegen ließe, sondern der bei uns ist, als der unfassbare, stets da, wo und wie er es will.


© Ulrich Hentschel 2002
Magazin für Theologie und Ästhetik 15/2002
https://www.theomag.de/15/uh1.htm