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Magazin für Theologie und Ästhetik


Labyrinth IX

Erscheinungen im Cyberspace

Karin Wendt

[www.art.net.dortmund.de]

Seit April diesen Jahres ist Hartware, eine 1996 von den Kuratoren Iris Dressler und Hans D. Christ in Dortmund gegründete "offene Plattform für die Produktion, Präsentation und Diskurse von zeitgenössischer bzw. Medienkunst", Teil eines professionellen Medienkunstnetzes unter der Adresse art.net.dortmund.de.

Das Menü auf der Hauptseite umfasst eine "Peripherie" mit Texten zur Netzkunstkritik und verschiedenen Diskussionsforen, ein "Archiv" mit einer Datenbank aller Künstler, mit denen Hartware im Laufe der Jahre gearbeitet hat, und eine "Workbox" zur Recherche und zum Weiterentwicklung an einer "Geschichte freier Software". "Konkret" installiert Hartware auch Netzkunst.

Auf den eigenen Seiten www.hartware-projekte.de informiert der Medienkunstverein dann über laufende Ausstellungen, die theoretisch und visuell auf hohem Niveau vermittelt werden. Zur Zeit läuft unter anderen die Ausstellung "Kontrollfelder - Programmieren als künstlerische Praxis".


[bbs.thing.net]   ---  [www.thing.de]

Die New Yorker Plattform THE THING [bbs.thing.net] war eine der ersten und ist heute eine von drei noch aktiven Adressen aus den Anfangsjahren der Netzaktivitäten, in denen das Mailboxensystem zum Austausch von Nachrichten von Internetplattformen abgelöst wurde. Vorher konnten die Benutzer mit ihren Modems die Mailboxen anrufen und Nachrichten abladen. Meistens wurde nachts gemailt, wenn die Kosten günstig waren. So gingen Nachrichten zuerst zwischen Köln und New York hin und her. Es folgten Mailboxen in Düsseldorf, Berlin, später auch in Hamburg, Wien, Frankfurt und Basel.

Noch Ende der 80er Jahre wurde über Mails und in öffentlichen Foren über "Netz-Kunst" diskutiert, die es noch nicht gab. In dieser Zeit wuchs die "The Thing - Community". Anfang der 90er ging das Interesse an öffentlichen Foren zurück: "... viele kümmerten sich verstärkt um ihre (Kunst-) Karriere oder entdeckten das Internet. So starben im Laufe eines Jahres fast sämtliche The Thing - Mailboxen weg. 1995 wurden in New York und in Berlin WWW-Server in Betrieb genommen. Die Forenstruktur wurde nicht mehr ausgetauscht. Es werden weitere Server in anderen Ländern (Österreich, Schweiz, Holland) in Betrieb genommen, im wesentlichen kocht jeder sein eigenes Süppchen, alle haben vor allem eines gemein: Es wird Künstlern die Möglichkeit gegeben, ihre Netzkunstprojekte zu veröffentlichen."

Neben der New Yorker Plattform, gegründet von Wolfgang Staehle, sind noch THE THING Berlin/Frankfurt [www.thing.de] am Netz. Alle drei arbeiten auf Non Profit-Basis und setzen daher auf das Engagement ihrer User: "We like to get support from individuals, foundations and corporations. We need you to support our art habit. THE THING accepts cash, checks, credit cards, stocks, gold, artworks, diamonds, antique clocks and fondue sets."


"friendlyghosts" [bbs.thing.net/communicator.thing].

Zur Zeit präsentiert THE THING New York die jüngste Arbeit des irischen Künstlers Garrett Phelan: "friendlyghosts" is a Flash 5 online art work. This project functions as a biographical text translator." Text, der, sobald die Arbeit aufgerufen wird, von Webseiten lädt, wird automatisch in Bilder und Töne übersetzt, die auf dem Bildschirm erscheinen. Indem der Referenztext unsichtbar bleibt, bleibt das Geheimnis der Übersetzung gewahrt und wird doch gegenwärtig. Die Arbeit ist Teil eines umfassenden Projekts mit dem Titel "Nomenclature".

Auf der Suche nach der "Erstpräsentation" von "friendlyghosts" trifft man auf die Seiten eines renommierten irischen Kunstmagazins: CIRCA ist Irlands führende Zeitschrift für bildende Kunst. Sie erscheint vierteljährlich. Sämtliche Artikel, Rezensionen und interessante Supplemente kann man online abrufen, so z.B. den 1989 erschienenen Band "CIRCA 89: ART EDUCATION SUPPLEMENT" mit lesenswerten Aufsätzen zur Theorie und Praxis der Kunsterziehung.


[www.thing.de/neid/]

THE THING Berlin weist zur Zeit auf die Ausstellung "representin" in der Galerie im Parkhaus, in der Puschkinallee hin. Künstler und Künstlerinnen "nutzen die Kunst im Sinne eines kulturellen Freiraums für unabhängige, interdisziplinäre Forschung".

Sie zeigen Arbeiten sind im Bereich visueller Studien, Fotografie, sowie Arbeiten mit vorgefundenem Bild- und Filmmaterial, das bearbeitet und kommentiert wird.

"Die Arbeiten behandeln Fragen sozialer Positionierung und spüren den Konstruktionen von Repräsentation und Identität an den Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Körpern nach. Repräsentationsverhältnisse fallen nicht vom Himmel, sondern werden gesellschaftlich hergestellt. Diese Herstellung selber, spielt sich in sozialen und politischen Räumen ab, die wiederum durch hegemoniale Repräsentationen, die vom Himmel fallen, strukturiert werden. Darum ist auch jeder Versuch, bestehende Repräsentationen zu unterlaufen, in Repräsentation verstrickt."

Die Namen der beteiligten Künstler findet man auf den Internetseiten von NEID [www.thing.de/neid/], einem Transmedia-Projekt, das in einer sich verändernden Konstellation von Autoren, Künstlern und Musikern Shows, Performances, Events, Lesungen und Partys veranstaltet. Neben Kellern, Clubs ('Substanz', München), Kinos ('Metropolis', Hamburg) und Plattenläden bespielt NEID auch Museen ('Louisiana', Museum of Modern Art, Kopenhagen), Ausstellungen ('Berlin Biennale', Berlin) und "übersetzt und vermittelt so von Underground zu etabliertem Kunst- und Kulturgeschehen." Die gleichnamige Zeitschrift ermöglicht den Austausch über die einzelnen Kunstdisziplinen hinweg. Heiko Wichmann hat seit 1995 eine umfangreiche Internetpräsentation für NEID installiert, alle Publikationen und Aktionen sind hier kostenlos einzusehen. 2000 erschien Neid #8 in Form einer CD ROM, die die Aktivitäten der letzten acht Jahre dokumentiert.


© Karin Wendt 2002
Magazin für Theologie und Ästhetik 17/2002
https://www.theomag.de/17/kw14.htm