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Magazin für Theologie und Ästhetik


Tabubruch des Bildermachens

Eine Rückmeldung

Stefan Budian

Lieber Andreas,

ich habe Deinen Artikel gelesen über "Die Hand Gottes und die Rückkehr der Priester". Das war in Heft 17 von Theomag, in der selben Ausgabe hast Du auch über mein Projekt (Hanauer Regen, Wechselwirkung von Kunst und Bildung) berichtet. In Deinen Gedanken zu jüdisch-christlich-muslimischen Bilderverboten habe ich viele Zusammenhänge zu meinen Gedanken über das Bildermachen und zu dem Bildungsprojekt gesehen, an dem ich jetzt seit 2 Jahren arbeite.

Wenn Bilder nicht mehr sind als Illustrationen von Ideen, die auch ohne das Bild real sind, bin ich als Maler auf dem falschen Dampfer. Dann wäre ich einer Illusion aufgesessen und könnte meiner Familie und mir selbst gegenüber nicht erklären, was all die Behauptungen und Bemühungen der letzten Jahre für einen Sinn gehabt haben sollen. Es mag mehrere Wahrheiten geben, meine baut darauf, dass Bilder eine selbständige, über jeden Begriff hinaus reichende Präsenz gewinnen können.

Mit einem Malerkollegen unterhielt ich mich, seine Lebensgefährtin ist Zahntechnikerin. Zu ihr kommt das Modell eines Gebisses, sie fertigt den Ersatzzahn. Der muß natürlich passen. Und sie meint, im Grunde bräuchte sie das Modell nicht - insofern sie eine klare Vorstellung der Mundhöhle hätte. Es wäre dann mit der nötigen Hingabe und Erfahrung klar, wie der Zahn aussehen muß. Der Umraum bestimmt. Das künstlerische Bild ist wie ein Zahn, zu dem es kein Modell gibt, der aber trotzdem passen muß. Woher kommt die Form? Was ist der Umraum der gesamten Wirklichkeit? Wie sollte man davon Vorstellungen haben können, Formen daran bilden? Wie sollte Kunst möglich sein?

Kunst überschreitet eine Grenze, die nicht überschritten werden kann. Die Grenze bedeutet ein Tabu, das Bilderverbot ist ein Name dafür. Was passiert, wenn sie trotzdem überschritten wird? Es kommt Rechtfertigung von außen. Es entsteht eine wirkliche Form, die "passt", obwohl in der gesamten Wirklichkeit kein Grund dafür zu finden ist. Man kann die Form auch nicht übersetzen, sehr schlecht nur beschreiben - denn das Wesentliche bleibt dem Begriff entzogen und liegt am ehesten in dem, was dieses Ding tut, was es auslöst im Empfinden des Betrachters. Die Betrachter ändern sich, die Begriffe für die Empfindungen ändern sich. Und so scheint sich auch das Kunstwerk zu ändern in seinem tiefsten Wesen. Und was das Wirkliche angeht, tut es das auch. Was sollte man über das andere, die Verknüpfung mit dem Umraum sagen können, das nicht selbst die Grenze überschreitet und ebenso seltsam wäre? Könnte die Grenzüberschreitung rational bemessen werden, wäre das ein Messwerkzeug für künstlerische Qualität. Und es gibt den Wunsch nach dieser Kontrolle. Aber es verletzt die Würde des Bildes, wenn man seine Eigenschaften (vermeintlich vollständig) versprachlicht und festschreibt, und dann fällt das Tor zu. Eine solche Beschreibung wäre wie das Modell eines Zahnes, von dem man viele Abformungen machen könnte. Der Umraum wäre überflüssig. Etwas, das nicht die rechtfertigende Kraft des Umraumes in die Wirklichkeit trägt, kann vieles sein - Kunst aber nicht. Ein Bild, das trotz der rationalen Unmöglichkeit von Bildern entsteht, ist rational nicht zu bändigen und nicht starr.

Stefan Budian, Freitag den 7. Juni 2002


© Stefan Budian 2002
Magazin für Theologie und Ästhetik 19/2002
https://www.theomag.de/19/sb1.htm