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Magazin für Theologie und Ästhetik


White Cube II

Ausstellungskritiken

Andreas Mertin

Felder

Die Kunsthalle Bremen präsentiert bis zum 26. Januar 2003 das "Ausstellungs-Highlight des Jahres", wie es so schön übertrieben in einer Ankündigung heißt, nämlich eine Übersicht über Vincent van Goghs Landschaftsbilder. Anlass dieser Ausstellung ist nicht zuletzt die Erinnerung an einen heftigen Streit deutscher Künstler um den Ankauf des Werkes "Das Mohnfeld" durch die Bremer Kunsthalle im Jahr 1911. Schon damals gab es einen künstlerischen Streit um die angebliche "Überfremdung" kultureller Präsentationen in deutschen Museen.

Die Ausstellung ....

... zeigt 50 Gemälde und Zeichnungen van Goghs rund um das Thema "Felder". Die Ausstellung ist allerdings nicht chronologisch aufgebaut, so dass man Bilder aus Arles (1888) fast am Ende des Rundgangs findet, während Bilder aus Saint Remy (1889/90) den Anfang bilden. Die Ausstellung eröffnet mit Werken aus dem Park der Heilanstalt in Saint-Rémy, dem Blick auf die Mauer. Ergänzt werden die Werke durch Zeichnungen aus dieser Zeit. Es folgt ein Übergangsraum mit zwei Werken, die nach den ersten "Freigängen" van Goghs entstanden sind. Der Raum 5 bildet dann das Kernstück der Ausstellung rund um das 1911 erworbene Werk Mohnfeld, gezeigt werden hier Feldbilder. Der Raum 8, den man nach zwei weiteren Räumen mit Zeichnungen und Studien erreicht, blendet zurück in das Jahr 1888 mit Bildern vor den Toren von Arles. Der Raum 9 sringt dann ins Jahr 1890, in dem sich van Gogh nach Auvers begibt.

Der Raum 10 zeigt dann Werke der am deutschen Künstlerstreit beteiligten Künstler. 120 Künstler protestierten gegen den Ankauf des Mohnfeldes durch die Bremer Kunsthalle, während 47 Künstler und 28 Museumsdirektoren und Kritiker positiv reagierten. Die ausgestellten Werke machen deutlich, dass der Streit im Wesentlichen nicht um den Stil, als vielmehr um die Verteilung von Geldern ging.

.... und ihr Publikum

Das oft mit Bussen angereiste Publikum vor Ort ist eine Notiz wert. Zum einen kann man ihm eine extreme Abhängigkeit von den erläuternden Kommentaren anmerken. Obwohl doch die Zusammenstellung von 50 nah verwandten Werken eigene Studien und erschließende Vergleiche erleichtern sollten, trifft man nahezu ausschließlich auf Kopfhörer-bewehrte Besucher, die sich vor den Gemälden drängen. Geht man dann in der Bremer Kunsthalle ein Stockwerk höher in die ständige Sammlung, ist man nahezu unter sich. Kaum einer der Besucher verirrt sich hierher, wo doch zahlreiche Werke hängen, die zeitlich zu den unten ausgestellten passen. Aber offensichtlich geht das "Event: van Gogh und seine Felder" vor wirklicher Kunsterfahrung. Das wird dann auch im kommerziellen Teil der Ausstellung deutlich: hier kann man Wandlampen und Stoffblumen im Stil van Goghs kaufen und es wird rege zugegriffen.

Der Kunststreit

Als die Kunsthalle Bremen "Das Mohnfeld" 1911 erwarb, formierte sich ein künstlerischer Widerstand, der vom Worpsweder Maler Carl Vinnen initiiert wurde, und der sich gegen den vermeintlich zu großen Einfluss französischer Kunst der Moderne in deutschen Museen wandte. Proteste und Ressentiments dieser Art sind nicht nur Geschichte, sie wiederholen sich in anderen kulturellen Medien bis in die Gegenwart (z.B. bei der angeblich ausgegrenzten deutschen Pop-Musik). Seinerzeit jedenfalls wurde ein Protest Deutscher Künstler initiiert, dem sich auch namhafte Künstler wie Max Beckmann oder Franz Stuck anschlossen.

Vielleicht am Interessantesten ist aber weniger der Kunststreit als solcher, als vielmehr die Dokumentation der Ankaufspolitik ausgewählter deutscher Museen zwischen 1900 und 1914, die im Raum 11 präsentiert wird. Hier stößt man auf nur wenige Besucher und doch kann man hier sehr viel über Museen, Preise, Sammlungsstrategien lernen, was zum Teil bis heute noch seine Gültigkeit besitzt. So war das 1902 von K.-E. Osthaus in Hagen gegründet Museum Folkwang die einzige Institution, die konsequent auf Internationalität gesetzt hat und so als erste auch Werke van Goghs kaufte. Die Mehrzahl der Museen war dagegen was internationale Kunst angeht, eher zurückhaltend und ist ihren "nationalen Pflichten" nachgekommen.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der dem Thema "Felder" bei van Gogh nachgeht, den Künstlerstreit nachzeichnet und die Ankaufspolitik ausgewählter deutscher Museen dokumentiert.


© Andreas Mertin 2002
Magazin für Theologie und Ästhetik 20/2002
https://www.theomag.de/20/am68.htm