Du brauchst keinen BeweisZum Verlust der Unähnlichkeit*Karin Wendt |
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Public nightmareEine Tendenz lässt sich im Zuge einer immer dichter und gegenwärtiger werdenden Medialität von Erfahrungsräumen und -situationen beobachten. Der Einzelne hat zunehmend den Eindruck, nicht er sei der Referent (s)einer Kultur und Gesellschaft, sondern umgekehrt, seine Existenz sei lediglich ein Abbild der Medienöffentlichkeit, der er seinerseits ähnlich zu werden versucht. Die individuelle Autonomie des Einzelnen scheint der konkret gewordenen Autonomie gesellschaftlicher Geltungsbereiche gegenüber sekundär zu werden, eine Ohnmachtserfahrung, die depressiv machen kann. Aufschlussreich ist die schonungslose Sprache einer nachwachsenden Generation, ihr Blick auf den (a)sozialen Charakter von öffentlichen Räumen, die Sprachlosigkeit politischer Kommunikation, die Nachzeitigkeit medial vermittelter Inhalte und die Verdinglichung der bürgerlichen Pflichten. In einem Rap von Samy Deluxe[1] heißt es: Weck Mich Auf[2] [...] Ich bin der Typ, der kurz nach Beginn der Party schon geht, Gehirnwäsche pur, rund um die Uhr, Eine solche Gesellschaftskritik lässt sich nicht allein als Verweigerungshaltung gegenüber dem Establishment erläutern, als Forderung nach mehr persönlicher Freiheit im Sinne einer Nivellierung öffentlicher Machtstrukturen - dies auch. In Frage gestellt wird eher eine demokratische Übersättigung des gegenwärtigen öffentlichen Lebens. Der Rap zeichnet ein Panorama gesamtdeutscher Wirklichkeit(en): Wir leben in ´nem Land, in dem mehr Schranken stehn als es Wege gibt, [CHORUS:] manche leben nich weiter als heute Abend, Während die 90er Jahre von einer großen Virtuosität im Spiel mit und im Klonen von Kultur geprägt waren, von einer Lust an der Souveränität gegenüber gesellschaftlichen Identifikationsangeboten und am Spiel der Selbst-Erfindung, wird das Sprechen in den letzten Jahren direkter, konkreter, anklagender. Im Rap kommt es zur Diagnose einer bodenlosen Doppelgesichtigkeit: Mit Blick auf die Medienöffentlichkeit konstatiert er eine Ruhigstellung des Einzelnen, ein Vegetieren seiner Handlungspotenz, welche in den Medien gleichwohl unter Vorwürfen wie denen vom mangelnden Engagement, fehlenden Profil oder visionärer Armut immer aggressiver eingefordert wird - "und man versucht uns ständig einzureden, dass es noch möglich wär, hier frei zu leben". Greifbar wird der Zustand einer allgemeinen inneren Lähmung. Kriminell erscheinen nicht die Medien als das Andere oder die Öffentlichkeit als das Gegenüber, sondern bedrohlich erscheint die Handlungsunfähigkeit im öffentlichen Bewusstsein - genauer ein unbewusster Umgang mit dem öffentlichen Charakter des Lebens selbst. Wir erleben alle denselben "(Alb-)Traum". Wir leben gemeinsam "unter lebenden Toten". Gefragt wird nicht, ob sich öffentliches Kommunizieren nach demokratischen Regeln vollziehen kann oder sollte - der Rap ist selbst nichts anderes als ein Reden mit Anderen auf ganz verschiedenen Ebenen, er ist eine öffentliche Rede im Medium Musik, und er ist als Musikform ein Medium der öffentlichen Einmischung - was der Rapper vielmehr nacherzählt, um es darin zu entlarven, ist die verheerende weil versteinernde Wirkung einer verinnerlichten Verallgemeinerung von Öffentlichkeit auf allen Ebenen der Gesellschaft. Wir neigen dazu, das, was "öffentlich Werden" charakterisiert, so zu entlassen, dass das öffentlich Gewordene uns als abstrakte Größe entgegentritt: als an sich gültig bzw. an sich verlogen. Eine so an sich rational oder irrational verfasste, gemeinschaftlich oder feindlich charakterisierbare Öffentlichkeit gibt es aber nicht. Zur "Vielfalt des Öffentlichen und dem Problem der Öffentlichkeitsgeneralisierung" schreibt Ingolf U. Dalferth: "Der soziale Raum der Öffentlichkeit wird stets konkret durch kommunikatives Handelns in bestimmten Kontexten erzeugt, von denen nur um den Preis der Aufhebung der so erzeugten Öffentlichkeit abgesehen werden kann. Umgekehrt lassen sich diese Kontexte mittels abstrakter 'Öffentlichkeitsgeneralisierung' [...] auch nicht so verallgemeinern, dass konkretes kommunikatives Handeln in ihnen noch möglich wäre. Die Menschheit, alle Menschen oder alle Mitglieder unseres politischen Gemeinwesens sind keine realistischen Kommunikationspartner, und dementsprechend bilden sie auch keine (moralische oder ethisch-politische) Öffentlichkeit."[3] Auch ein formalisierter Begriff von Öffentlichkeit im Sinne eines offen stattfindenden Geschehens hat nur Sinn, wenn er zunächst offen lässt, was unter Beteiligten wie verhandelt wird. "Ich und du und er und sie und es sind besser dran, wenn wir uns selber helfen." In der Tat ist es jedoch schwierig, aus diesem Albtraum aufzuwachen, denn natürlich gibt es Formen und Auswirkungen machtgewordener Öffentlichkeit, denen wir uns ausgesetzt sehen und die nicht einfach zu personalisieren, von unten aufzulösen oder umzustrukturieren sind: wir werden "verwaltet", "gefüttert" und "regiert". Gegen alle Heteronomie des öffentlich Gewordenen kann es also immer nur um Versuche einer Verflüssigung von "Öffentlichkeit", um ein "öffentlich Machen" Abbild gewordener Autonomien gehen. Ähnlichkeiten erkennenWerden Gründe und Begründungszusammenhänge für das mangelnde Vertrauen in das öffentliche Leben und die Medien gesucht, so herrscht jedoch meist eine seltsame Blindheit. Auf der einen Seite gibt es die assertorische Rede von der Macht des Faktischen, der Sachhaltigkeit der Information und der Realität der Bilder - "Mächte", die man einfach anerkennen und mit denen man arbeiten soll. "Es ist doch fast alles möglich in diesem Land, du musst dich nur informieren, dann weißt du auch, wie die Dinge laufen." Auf der anderen Seite gibt es die verdammende Rede von der Scheinwirklichkeit der Medien, ihrer Verführungsgewalt, ihrer Verführung zur Gewalt, die Rede vom medialen Overflow, dem Wirklichkeitsverlust - darauf folgt dann meist der Ruf nach Fernsehverbot und nach Indices für bestimmte Filme, Spiele und Diskussionsforen. Beide Beschreibungen zeichnen eine Abhängigkeitsstruktur. Sie führen eine Figur ein, die die Moderne - im Ästhetischen - meinte, erfolgreich verabschiedet zu haben: Die Figur der Ähnlichkeit. Das Merkmal der Ähnlichkeit, das in der modernen Kunst eine beispielhafte Entzauberung erfahren hat, scheint sich im Zuge einer medialen Entgrenzung des Bildbegriffs wieder in unsere Deutung der Wirklichkeit einzuschleichen. Zum einen, indem aufgefordert wird, sich der Realität als einer Wirklichkeit von Bildern und Zeichen endlich zu stellen, sich also als Teil eines letztlich kausal und darin vermeintlich sinnvoll strukturierten Netzes aus Ähnlichkeiten zu begreifen, zum anderen im Kampf gegen diese Bilder als nur ähnliche Abbilder einer irgendwie doch realeren Welt jenseits ihrer medialen Vermittlung - das platonische Argument. Auf einer anderen Ebene wird die relationale Selbständigkeit der unterschiedlichen Geltungsbereiche - das Soziale, das Politische, das Ästhetische - abbildtheoretisch als selbst-verständliche Gültigkeit erläutert: als ontische Autonomie von Teilsystemen, zu denen sich der Einzelne seinerseits entweder in ein mimetisches Verhältnis setzen oder aber ganz distanzieren kann. "Aufgrund fehlender feststehender Ordnungen herrscht der Wunsch vor, vorbehaltliche Kontinuität zu implementieren"[4], bemerkt Timothey Druckrey. Je vielfältiger eine mediale Vernetzung wird, umso vehementer wird offenbar das Verlangen nach Kontinuität - alles affirmativ zu internalisieren oder sich von allem generell zu distanzieren. Wie, fragt Druckrey, kann und soll man aber "mit dem Gegensatz - vielleicht besser mit der Differenz - zwischen dem Bedürfnis, alles das, was uns passiert, wirklich ernst zu nehmen und dem damit einhergehenden Drang, das zu entmachten, was so überwältigend scheint, zurechtkommen?" Hinter dem Einwilligen in eine trügerische Kontinuität kann die Angst vor dem Konflikt zwischen individueller und konkret gewordener gesellschaftlicher Autonomie stehen: die Angst, angesichts des "Faktischen" zu versagen. Dahinter kann aber auch der Wille zur Macht stehen: Wird die Souveränität bestimmter Autonomiebereiche gegenüber einer Kritik durch andere behauptet, nimmt die Pluralität von Autonomie-Entwürfen zugunsten bestimmter Erfolgsmodelle ab. Die Rede von der primären Autonomie der Systeme suggeriert die Vorstellung einer sich selbst aufklärenden Rationalität, die eben nur in bestimmten Bereichen der Gesellschaft stattfindet. Wer eine "Ethik des Erfolgs"[5] verfolgt, kann nur das frei gelten lassen, was sich als Autonomie eines Erfolgs erwiesen hat. Es scheint mir gegenwärtig daher sinnvoll, ein (erneutes) Plädoyer für die Bedeutung von Unähnlichkeit zu formulieren, und zwar um der Autonomie als Handlungsmaxime, nicht als scheinontologischer Größe wieder zur Geltung zu verhelfen. Wie die Vorstellung einer Sinn erschließenden Ähnlichkeitsstruktur als Deutungskategorie für Wissensprozesse oder Erkenntniszusammenhänge gezielt von Fragen des emanzipatorischen Gebrauchs und von Versuchen einer Differenzierung ablenkt - und ablenken soll -, ist besonders von der analytischen Philosophie herausgestellt worden.[6] Natürlich bewegen wir uns in Mechanismen, lernen über Wiedererkennen und handeln analog. Dass wir jedoch handelnd lernen und lernend handeln, lässt sich damit nicht erläutern. Die Bedeutung der Ausbildung eigener Fähigkeiten kann nur begriffen werden, wenn man Kompetenzen nicht repräsentational beschreibt, das heißt mehr oder weniger passend im Sinne einer Leistung, die Freiheit beweist, sondern konkret: als freiheitlichen Vollzug. Unsere Autonomie bildet sich nicht ab, und keine unserer Abbildungen - das heißt Überzeugungen von Realität - ist jemals autonom. Wie lässt sich aber eine Sensibilität für die Unähnlichkeit des Autonomen überhaupt gewinnen? Lässt sich der Begriff des Anderen theoretisch begründen? Oder hat die Diagnose, alles mediale Erleben füge uns nichts "Kränkungen" zu, auch "die intimsten selbsthaften Manifestationen der menschlichen Existenz wie Kreativität, Liebe und Willensfreiheit [werden] in einem von Irrlichtern übersäten Sumpf aus reflexiven Technologien, Therapien und Machtspielen untergehen"[7], doch das letzte Wort? Zu einer Ahnung davon, was es heißen kann, das nicht Wahrgenommene wahrzunehmen, hat Marcel Duchamps Idee des Ready-mades, seine Strategie des Wahrnehmungsentzugs, beigetragen. Sie gälte es vielleicht noch einmal zur Sprache zu bringen. Ein Ready-made bringt für die Erfahrung zweifach Freiheit hervor, nicht nur indem ein Gegenstand, der bisher eine bestimmte Bedeutung hatte, eine erweiterte Bedeutung erfährt, sondern auch umgekehrt dadurch, dass der Bedeutungsspielraum, den der Gegenstand bis dahin hatte, begrenzt wird: auf Kunst. Die Differenz des Ästhetischen liegt also nicht darin, dass wir den Unterschied erkennen zwischen dem Gegenstand und dem Ready-made - wir erkennen ihn gerade nicht - sondern dass wir etwas so aussondern, dass ein Bereich des Virtuellen und der Indifferenz - ein freier Bereich - entsteht neben einem Bereich der erklärten Funktionen und Bedeutungen. Es geht also nicht um die erkannte Differenz, sondern um das, was am Differenten gesetzgebend ist. Vielleicht sollten wir Medien selbst immer nur als Autonomie-Modelle denken, Ready-mades unserer Möglichkeit, individuell zu handeln. Medien sind an sich nicht schon die "abstrakten Maschinen" einer entfremdeten Subjektivität. Erst im konkreten Umgang mit ihnen kommt es zur Ausbildung von Abbildverhältnissen - mediokratischen Phänomenen -, die immer wieder zu hinterfragen sind. Auch die Versuche einer Resozialisierung des Ästhetischen, wie sie den Kunstdiskurs der letzten Jahren prägen und zuletzt programmatisch von der Documenta11 aufgerufen wurden, stellen die Frage nach der (Selbst-)Ähnlichkeit der Welt - von der anderen Seite. Man könnte auch hier einen Generalisierungsverdacht äußern. Eine Entgrenzung des ästhetisch gebundenen Sinns von Freiheit soll als Prototyp positiver menschlicher Freiheit überhaupt figurieren. Kunst würde, verstanden als ideologiefreie Dokumentation des Realen, einen genuin sozialen Raum schaffen. Die Frage wäre auch hier, welches Reale wird dokumentiert und was für ein Soziales wird intendiert? Einen Blick für das sozial Mögliche und ein Bedenken unterschiedlicher Auffassungen von Realität - einen freien Blick auf Freiheit - gewinne ich nicht in den Abbildern der Welt, sondern nur in formaler Reflexion auf eine - niemals ideologiefreie - Kultur des Optischen (Konrad Fiedler). Wir sind das BildDie Beobachtung eines unbewussten Inkorporierens von abstrakt gewordener Öffentlichkeit im Einzelnen nahm der Künstler und Autor Matthias Schamp zum Anlass und initiierte 1996 eine künstlerische Medienbewegung. Schamp fordert Bürger auf, sich zu einer "Wir sind das Bild"-Demonstration zu formieren, zuletzt 2002 im Westfälischen Kunstverein in Münster im Rahmen einer Ausstellung zum Thema "Chat". Wer wollte, nahm sich eines der Schilder mit der Aufschrift "Wir sind das Bild" und schloss sich im Chor mit dem Künstler der Demonstration an. Die Demos werden jeweils fotografiert. Die Teilnehmenden erhalten rückwirkend ein vom Künstler zertifiziertes Foto. Was haben Bilder mit Demonstrationen zu tun? Wir machen und zeigen auf Bilder, um etwas zu erklären oder zu plausibilisieren. Die demonstrative Bedeutung von Bildern liegt jedoch nicht in dem, was sie zeigen, sondern darin, wie sie es zeigen und das heißt, dass sie es zeigen (sollen). Bilder sind also (auch) Demonstrationen. In der Bezugnahme auf ein Drittes verleihen wir unseren Absichten mehr Gewicht, vielleicht größere Plausibilität und Überzeugungskraft. Wir vergegenständlichen gewissermaßen das intentionale Moment unseres Anliegens, unserer Überzeugung und vermitteln den anderen die Ahnung einer - zunächst virtuellen - Interessengemeinschaft. Man müsste also genauer fragen: Was können Bilder mit Demokratie zu tun haben? Schamp führte sein Projekt mit einigen Beobachtungen ein. Mit der wachsenden Mediatisierung, so Schamp, nehmen Situationen von Interpassivität zu. Interpassiv ist unser Verhältnis zur Welt und untereinander, wenn wir uns bewusst über ein Medium verständigen und handeln. Jeder kennt die Aufnahmen von Reportern, die vor Ort über etwas berichten, während Menschen in das Bild drängen und sich so indirekt an der medialen Inszenierung beteiligen. Wir agieren also für das Bild, wenn wir wissen, dass wir ins Bild gerückt sind. Es macht meines Erachtens viel Sinn, diesen Sachverhalt von Interpassivität von dem der Interaktivität zu unterscheiden. Inter-aktiv verhalten wir uns, wenn wir ein Medium benutzen, um mit anderen zu kommunizieren, inter-passiv erleben wir uns, wenn wir wissen, dass wir über ein Medium mit anderen kommunizieren. Dabei fühlen wir uns wiederum passiv mit denen verbunden, die real oder virtuell mit uns agieren, während wir uns aktiv mit denen verbinden, für die bzw. vor denen wir agieren. Interpassivität beschreibt so das demonstrative Moment von Erfahrung, eine Verdichtung von Erfahrung durch ihren mehrfach gebrochenen reflexiven Bezug. Demonstrativ gemachte Erfahrungen erhöhen vermutlich das Wahrnehmen der eigenen Souveränität im kulturellen Umgang mit anderen, während sie auf der anderen Seite unsere Fähigkeit zur Abgrenzung gegenüber der Kultur undeutlicher werden lassen. Beides ist jedoch immer der Fall. Schamps "Wir sind das Bild"-Demonstrationen stellen uns nun genau an den Knotenpunkt dieser mehrfach perspektivierten Erfahrung: An einen Punkt, an den wir uns selbst nicht begeben können, weil wir das Bild, das wir sehen, nicht sind. An einem Punkt, an dem wir dennoch immer stehen, weil wir das, was wir sind, nicht sehen. In diesem Sinne formt er eine Spiegel-Situation unseres immer schon medial miteinander verknüpften Erlebens und Handelns. Gegen Beweise"Du brauchst hier keinen irgendeinen Beweis, es sei denn für dich selbst" (Die Toten Hosen).8 In der Tat ist es sinnlos, die Frage nach der menschlichen Freiheit als Frage nach ihrer Möglichkeit zu stellen. Alles Reden über Freiheit findet auf dem Boden der (bürgerlichen) Freiheit statt.9 Zugleich gilt jedoch, dass uns diese Freiheit als eine unser Leben vereinheitlichende Erfahrung entzogen bleibt. Lebenserfahrung ist mehr als die Erfahrung von Freiheit, und Freiheit ist mehr als all unsere Lebenserfahrungen. Was sich hinter dem Stichwort "Lebenserfahrung" verbirgt, muss vielmehr unklar bleiben. "Unser Leben ist kein Gegenstand unserer Erfahrung [...] Prinzipiell bleibt daher die Frage offen, ob am Ende nicht doch Macbeths desillusionierendes Urteil über das Leben zutreffen könnte: Life's but a walking shadow, a poor player [...] signifying nothing' [...] Auch die Theologie wird im Rekurs auf die Lebenserfahrung die Bedeutung des Lebens daher nie unzweideutig zur Geltung bringen." [10] Advanced religion?Wir können Sinnlosigkeit erfahren. Es gibt aber keine sinnlose Erfahrung. Gerade im Wissen um den Zwang technokratischen Denkens und Handelns[11] können wir daher versuchen, uns im Umgang mit uns selbst und der Welt immer wieder auf die Bewegung einzulassen, durch die die Welt zum Gegenstand unserer Erfahrung wird, das daran Erfahrene sich vergegenständlicht, um erneut Gegenstand von Erfahrung zu werden. Es ginge um "ein Denken, das sich aussetzt, statt sich durchsetzen zu müssen, gleich weit entfernt von Übereinstimmungssucht wie von Widerspruchsangst, ein strukturell (und nicht lediglich in bezug auf den Denkenden) gebrochenes Denken, das sich selbst, unter Umständen aber auch anderem Denken ins Wort fällt, das durchaus harte Brechungsmomente bereithält auch für das Systematische und Schematische, für das Funktionalistische und das Agonale."[12] Die Beobachtungen zu einer medialen Entfremdung - einem Fremdwerden der Medien oder einer aktiven Entfernung vom medialen Geschehen - sollten also nicht als Verlust an Authentizität gewertet oder als Horrorvision einer totalen Medienkontrolle, eines langsamen Tods der Kommunikation durch Kommunikation benutzt werden, sondern eher Anlass dazu sein, ein Bewusstsein für das interpassiv Erfahrene zu schaffen und zu schärfen und von da aus interaktive Formen auszudenken, die die Gestalt von Handlungsmodellen im medialen Raum selbst verändern. Das Einholen dieser Praxis würde vergegenwärtigen, inwiefern das Wahrnehmen von Ähnlichkeiten in medialen Systemen ein Wahrnehmen von Unähnlichkeit im eigenen Wahrnehmen bedeutet und erst und nur als solches eine Erfahrung darstellt - oder wie der Kybernetiker Heinz von Foerster es formuliert hat: "Man kann nicht zweimal in dasselbe Gesicht schauen."[13] Anmerkungen* Überarbeitete Version des Statements "fjorden statt surfen? Zum Verlust der Unähnlichkeit“ auf der Tagung „Autonomie und Referenmz" des interdisziplinären Arbeitskreises für philosophische Reflexion, Essen 15.-17. November 2002
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