SeelenverkäuferMit Bart Simpson einem religiösen Phänomen auf der SpurAndreas Mertin |
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Im Kinokultfilm "Pulp fiction" jagen die Hauptfiguren Vincent und Jules, zwei Profikiller, einem Koffer hinterher, der ihrem Gangsterboss gehört. Als sie den Koffer finden und öffnen, kann man seinen Inhalt nicht sehen, aber ein goldener Glanz erfüllt den Raum. In den einschlägigen Newsgroups des Internets wird seitdem darüber spekuliert, was dieser Koffer wohl enthalten mag. Die dabei immer noch am häufigsten vertretene Theorie lautet, dass er die Seele des Gangsterbosses beherberge, deren goldener Widerschein sich im Angesicht der Betrachter spiegele.[1] Mit dem Thema Seele beschäftigen sich auch mehrere Folgen der beliebten amerikanischen Zeichentrickserie "Die Simpsons", als deren auffallendste Eigenschaft vielleicht die freche Zitation von Medien- und Kulturelementen angesehen werden kann.[2] Die Simpsons als kulturelles PhänomenDie Simpsons dienten 1987 zuerst zur Überbrückung zwischen Sketchen und Werbung in der "Tracy Ullman Show".[3] Der Cartoon wurde aber so populär, dass er seine Umgebung überlagerte und deshalb zu einer eigenständigen Serie ausgebaut wurde. Man kann die darin dargestellte Familie als "Antwort der neunziger Jahre auf die uns in den fünfziger und sechziger Jahren präsentierte Medienrealität" verstehen. Die Familie setzt sich aus verschiedenen Charakteren zusammen, die je auf ihre Weise versuchen, in einer durch Medien bestimmten Welt zurecht zu kommen. Die Hauptfigur Bart ist ein frecher Bursche, der sich durch kein Medienereignis reinlegen lässt und die Medien selbst für seine Strategien nutzt. Sein etwas tumber Vater ist Repräsentant einer früheren Mediengeneration und nimmt diese oft noch wörtlich. Seine Schwester Lisa leidet unendlich unter der Medialisierung der Welt und fühlt sich durch sie entfremdet. Seine Mutter Marge ist eine gutmeinende und allen helfen wollende Person. Zwischentöne kennt sie kaum. Daneben gibt es eine Fülle wiederkehrender Typen, die jeweils für bestimmte Medieninstitutionen und politische bzw. gesellschaftliche Institutionen stehen, der Pfarrer, der Boss, der Bürgermeister, der Nachrichtensprecher, der Schuldirektor etc.[4] Wer die Simpson regelmäßig sieht, begreift schnell, dass wir nicht mehr in einer Welt leben, in der einfach nur Medien betrachtet werden, sondern vielmehr in einer Welt, in der wir Medien betrachten, in denen Medien betrachtet werden, in denen Medien betrachtet werden. Die Zeiten medialer Unschuld sind lange vorbei und die Jugendlichen heutiger Tage sind in dieser Konstellation aufgewachsen: "Wir können alles ertragen. Wir sind die MTV-Generation. Wir fühlen keinen Höhen oder Tiefen" sagt Lisa, die schlaue Tochter von Homer Simpson, ganz selbstreflexiv. Die gesamte Serie setzt sich aus Medienfragmenten zusammen. Ob Hitchcocks "Vögel" oder der biblische Exodus, ob George Bush oder Fernsehwerbung, ob Edvard Munchs "Der Schrei" oder Halloween, alles was in Medien vorkommt, wird in der Serie aufgegriffen und reflexiv gespiegelt. Wenn die Serie eine Intention verfolgt, dann die: "Der verbindende Gesichtspunkt ist, dass die Medien blöd und manipulativ sind, das Fernsehen ein Narkotikum ist und alle großen Institutionen korrupt und böse sind."[5] Zugleich ist die Serie, worauf ihre Macher mit Stolz verweisen, eine der gebildetsten im Fernsehen überhaupt. Mehr als zwei Drittel der Autoren haben einen Harvard Abschluss. Das Arbeiten mit Versatzstücken aus der Kulturgeschichte der Menschheit geht ihnen leicht von der Hand. Man kann davon ausgehen, dass nahezu jede Szene einer Episode voller Anspielungen steckt. Subversiv ist die Sendung darin, dass sie wie ihr Held Bart keinen Respekt vor irgendetwas hat, und daher sowohl in den amerikanischen Wahlkampf wie auch in die Predigt des Sonntagsgottesdienstes eingreift.[6] Die Episode: Bart verkauft seine SeeleGleich zu Beginn der Episode "Bart verkauft seine Seele" hat dieser wieder einmal den (von den Impulsen der 70er Jahre desillusionierten[7]) Pfarrer ausgetrickst und ihm für den Sonntagsgottesdienst ein berühmtes Rock'n'roll-Lied als Gemeindegesang untergeschoben. Das untergeschobene Lied, Iron Butterflys "In-A-Gadda-Da-Vida", hat seine eigene Genese und Wirkungsgeschichte, die dem Thema der Simpsons-Folge entspricht. Man kann geradezu von einer kongenialen Wahl sprechen: "'In-A-Gadda-Da-Vida' was written by the Iron Butterfly's lead singer and keyboard player Doug Ingle. Ingle, the son of a church organist, had originally written it as a short little country folk song called "In the Garden of Eden".[8] Während der Ausarbeitung des Stückes betrank sich der Sänger so, dass er den Titel nicht mehr korrekt aussprechen konnte und lallte daher den Titel "In-A-Gadda-Da-Vida", der dann auch Verwendung fand. Die 17-minütige(!) Performance des Stückes transformiert es dann vom unschuldigen Folk-Stück zur satanischen Inszenierung: "In-A-Gada-da-Vida" is heavy metal made by the devil himself, taking an innocent little tale of Edenic innocence ... and corrupting its very soul."[9] Seine besondere Pointe bekommt das Stück schließlich dadurch, dass es in der Verfilmung von "Manhunter" aus der Hannibal Lector Trilogie zur Vorbereitung eines Mordes gespielt wird: "And when Dollarhyde (Tom Noonan) takes a young blind lady (Joan Allen) back to his pad for that final delusional Blakeian sacrifice what does he play on his Centrex eight-track cartridge player but the full-volume, full-length 17 minute version of Iron Butterfly's 'In-A-Gadda-Da-Vida'."[10] Anstößig scheint so weniger die Tatsache, dass im Gottesdienst ein Rock'n'roll-Stück gespielt wird, sondern welches Stück gewählt wurde. Ob der amerikanische Zuschauer des Jahres 1995 diese Bezugnahme auf einen Kinofilm des Jahres 1986 realisieren kann, sei dahingestellt. Jedenfalls wird hier luzide auf das Motiv der Episode - der Kampf um die verlorene Seele - verwiesen. Zur Strafe für seine subkulturelle Untat muss Bart die Orgelpfeiffen reinigen. Dabei gerät er in einen Streit mit seinem Freund Milhouse, in dem er die Ansicht vertritt, die Seele sei eine kirchliche Erfindung und in Wahrheit gäbe es sie gar nicht.[11] Darauf fordert Milhouse Bart heraus und kauft ihm seine Seele für 5$ ab. Deutlich ist hier die Aufnahme des Faust-Stoffes, aber auch zahlreicher populärkultureller Stoffe aus der Märchen- und Sagenwelt wiederzuerkennen. Der Teufelspakt ist ein beliebtes Thema des 19. und 20. Jahrhunderts. "Die eigentliche literarische Konjunktur des Teufels setzte nach der Aufklärung ein, die seine Existenz in Frage stellte und schließlich negierte. Vor allem der Okkultismus der Goethezeit griff das literarische Motiv auf, variierte es ihn vielfältiger Weise. Goethe selbst gestaltete es in Form des Teufelspaktes (der gleichfalls auf eine lange Vorstellungs- und Literaturtradition zurückblickt) in seiner Tragödie Faust (1808 und 1833), die wiederum andere Autoren zur Nachahmung anregte, auch hinsichtlich der halb dämonischen, halb satirischen Auffassung der Teufelsfigur Mephisto. Während die romantische Novelle den poetischen Reiz des Infernalischen ausschöpfte, machten ihn Jean Paul (Auswahl aus des Teufels Papieren) und Wilhelm Hauff (Mitteilungen aus den Memoiren des Satan, 1824) in der Tradition Lésages (Der hinkende Teufel, 1759) zur Zentralgestalt satirischer Werke. Adelbert von Chamisso lieh seiner Teufelsfigur in Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1814) bereits ein modernes Gewand, indem er ihn als undämonischen, höflichen Geschäftsmann zeichnete. Der mit Chamisso befreundete E. T. A. Hoffmann dagegen hielt in seiner Replik auf den Schlemihl, der Binnenerzählung der Abenteuer der Sylvester-Nacht (Die Geschichte vom verlorenen Spiegelbilde, 1814), an einer traditionellen Teufelsikonographie fest, die auch in der Oper (Jacques Offenbach: Hoffmanns Erzählungen) weiter wirkte. Ein modernes Beispiel des Teufelspaktes ist Thomas Manns Roman Dr. Faustus. Die Geschichte des Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde (1948), der dort das problematische Verhältnis des Künstlers zur Diktatur symbolisiert. Während der Protestantismus längst vom Teufelsglauben abgerückt ist, ist seine Existenz in der katholischen Kirche ein nach wie vor gültiges Dogma."[12] Die unmittelbare Assoziation an den Teufelspakt wird in der Episode insofern vermieden, als Milhouse eigentlich keine dämonischen Interessen hat. Er simuliert zwar bei seinem Spiel einen "Krieg" um Barts Seele (an dem auch ein Ayatollah beteiligt ist), aber das bleibt eher im Assoziativen.[13] Milhouse ist in seiner religiösen Sozialisation vermittelt worden, dass die Seele etwas Wertvolles ist, weshalb er den Erwerb von Barts Seele als ganz selbstverständliches Geschäft ansieht [Er tauscht sie später ebenso selbstverständlich gegen Alf-Plaketten ein]. Von nun an scheint für Bart alles schief zu laufen (wobei nicht deutlich wird, woran das liegt). Die Tiere knurren ihn an, er kann nicht mehr lachen,[14] und selbst automatische Türen öffnen sich nicht mehr für ihn.[15] Und als er seine Seele zurückhaben will, ist der Preis zunächst ins Unermessliche gestiegen und dann ist sie auch noch eingetauscht worden. Und so macht sich Bart schließlich auf die Suche nach seiner Seele, um sie wiederzugewinnen. Aber er kann sie nicht erwerben, denn sie wurde an eine(n) Unbekannten verkauft. Am Ende bekommt er sie dann geschenkt - von seiner Schwester Lisa, die sie zwischenzeitlich erworben hat. Ihr Standpunkt: die Seele besitzt man nicht an sich, sondern muss sie sich durch Leiden, Nachdenken und Beten verdienen. Bart jedenfalls verspeist erleichtert den wiedergewonnenen Zettel[16], mit dem er seine Seele verkauft hat. Interessant ist, dass die Seele hier wenig mit gut und böse zu tun hat: erst mit seiner Seele ist Bart endlich wieder jener freche Junge, der er vorher war.[17] Die ParallelhandlungDie Mehrzahl der Episoden aus der Simpson-Serie besteht aus mindestens zwei parallelen, in der Regel aufeinander bezogenen Handlungssträngen.[18] In diesem Fall erzählt der zweite Handlungsstrang vom Versuch des Kneipiers Moe, aus seiner finsteren Spelunke ein freundliches und vor allem profitables Familienrestaurant zu machen, was jedoch nicht zuletzt an den Ansprüchen seiner Kunden scheitert. Der Sinn dieser Parallelhandlung ist nicht leicht zu entschlüsseln, mit etwas Phantasie könnte man in ihr eine moderne Paraphrase und Umschreibung des Exodus-Motivs sehen. Dafür spricht ein kleines Detail: Als Moes Spelunke zum ersten Mal von außen ins Blickfeld gerät, sieht man am Nachbarladen - einem Musik-Store - ein (überarbeitetes und verzerrtes) Abbild einer Pharaomaske. Das könnte als Symbol für die Knechtschaft in Ägypten gewertet werden. Moe's (= Moses) Aufbruch in das gelobte Land ("darin Milch und Honig fließt")[19] scheitert jedoch ebenso an seiner eigenen Halsstarrigkeit wie der seiner anspruchsvollen Klientel, so dass Moe schließlich resigniert zu den Fleischtöpfen Ägyptens[20] zurückkehrt. So gelesen wäre es freilich eine äußerst ironische Verkehrung des Exodus-Motivs. Aber das bleibt Spekulation. Die Simpsons und die ReligionDie Beantwortung der Frage, warum in der Fernsehserie "Die Simpsons" Religion so häufig vorkommt und vor allem, warum die Seele eine solch besondere Rolle spielt, ist nicht ohne Interesse. Versteht man "Die Simpsons" als innermediale Medienreflexion, kann man der Frage nachgehen, worauf die Folge "Bart verkauft seine Seele" eigentlich reagiert, was sie spiegelt und welche "Botschaft" sie hat. Denn Religiosität ist offensichtlich - zumindest in Amerika - eine Realität, auf die zu reagieren es sich lohnt.[21] Im September 2001 erschien ein Buch, das sich explizit mit dem Thema "Religion und 'Die Simpsons'" auseinandersetzt.[22] Sein Verfasser, Mark I. Pinsky, kommt zu dem Schluss: "The Simpsons is a situation comedy about modern life that includes a significant spiritual dimension; because of that, it more accurately reflects the faith lives of Americans than any other show in the medium."[23] Interessant ist das Buch nicht zuletzt deshalb, weil auch die Macher der Simpsons zum Thema Religion befragt wurden. Und ihre Aussagen sind mehr als überraschend. So äußert sich Al Jean über die Gründe, Religion in die Serie einzubeziehen: "I consider myself someone who believes in the teachings of Jesus Christ, but who is not a huge fan of organized religion," said Al Jean, who returned to the job as The Simpsons' runner in 2001. "We respect everyone's belief." Jean began working on the show in 1989 and, with Mike Reiss, is credited in over 200 episodes, which provides him with perspective on the way the presentation of religion in the series has evolved. "Often things on the show grow of their own accord," he said. "We didn't set out on the show with an agenda. But very early on we showed characters going to church, and we began exploring that venue, which was obviously very rich. So, for example, we looked at the Ten Commandments as source material. As writers, we are always looking for aspects of life that are under-covered or under-represented on TV, and religion is definitely one of them." And the frequent inclusion and favorable slant on faith? "It wasn't because of any conscious attempt at the beginning," he said. "We didn't want to take cheap shots. It was a subject that was not explored much in prime time sitcoms. We're not perfect, but we definitely are very thoughtful and funny. The show is something a family can watch." Jean acknowledged that there are some taboos in the religion area: No crucifixion or resurrection jokes. "People are very sensitive to those things," he said. "Images of Christ on the Cross, things like that can't avoid offending a huge group of people. We're pretty cautious about that." Crossing such lines, he said, "would erode all the good will the show generates, and would undermine the show's moral messages." While there are people on the staff who may now be irreligious, he said, religion plays a part in The Simpsons because the writers were raised in middle or upper middle class homes where faith and observance were part of their lives. "We're just aiming to depict what we saw as reality. We just want you to believe these are real people. ... Without a doubt, religion has been accepted in the show because it is reflective of life, but we never forget that comedy is the real point of it all." [24] Die christliche Religion wurde also gewählt, weil sie nicht nur ein reichhaltiges Themenspektrum bietet, sondern explizit auch, weil Religion an sich medial unterrepräsentiert war: As writers, we are always looking for aspects of life that are under-covered or under-represented on TV, and religion is definitely one of them. Die faktische Medienpräsenz der Religion in der Serie "Die Simpsons" wäre demnach eine Kritik jener Medienrealität, die diesen Aspekt des Lebens im Medium Fernsehen tabuisiert: "Without a doubt, religion has been accepted in the show because it is reflective of life." Des weiteren spielt Religion offensichtlich eine Rolle, weil die Autoren selbst - auch wenn sie inzwischen religiös-institutionell distanziert sind - aus Elternhäusern stammen, in denen Religion zum Alltag und zur Alltagsorientierung gehörte. Und schließlich ermöglicht die Serie aber auch - anders als etwa die moralisch-religiös bestimmte Serie 7th Heaven (Eine himmlische Familie) - eine ironische Distanzierung.[25] Es scheint den Autoren wichtig zu sein, Religion nicht zu idealisieren, sondern ganz realistisch und ohne Verklärung in ihrer Alltäglichkeit zu zeigen. Dem Friedenszeichen im Gottesdienst folgt eben allzu oft der "Stinkefinger" vor der Kirchentür: "Mike Scully, at the time the series' executive producer and "show-runner," explained to me that the series wanted to reflect through its characters the fact that faith played a substantial part in many families' lives, although it is seldom portrayed on television. "We try to represent people's honest attitudes about religion," he said in another interview. "You see the Simpsons and all the townspeople in church together, just like real life. You're in church giving the sign of peace to somebody and then in the parking lot afterward, you're giving them the finger because he's blocking your way. It's just human nature," he told another interviewer." Selbst Evangelikale und die amerikanische religiöse Rechte können sich mit dieser Form der ambivalenten Thematisierung von Religion einverstanden erklären. In der allgemeinen theologischen Diskussion Amerikas finden die Simpsons sogar weitgehend Zustimmung: "William Romanowski, author of 'Pop Culture Wars: Religion and the Role of Entertainment in American Life', found that 'The Simpsons is not dismissive of faith, but treats religion as an integral part of American life.' At the same time, the Calvin College professor said, 'Episodes generally leave the matter of God and religion open to multiple interpretations, perhaps so as not to potentially alienate audience members, but also as a reflection of American attitudes.'[26] Das Spiel mit ZeichenRomanowskis Einschätzung, dass die Episoden der Simpsons die Darstellung religiöser Themen bewusst für vielfältige Interpretationen und Anschlüsse offen halten, soll zum Schluss noch einmal explizit bedacht werden. Das lustvolle Spiel mit Zeichen, das die Autoren der Serie "Die Simpsons" grundsätzlich - und nicht nur im Blick auf religiöse Themen - pflegen, kann an der Initial-Sequenz "Das untergeschobene Rock'n'roll-Lied" nachvollzogen werden. Grundsätzlich stellt sich zunächst die Frage, worin der Konflikt, also das Vergehen Barts eigentlich besteht. Es geht um gut und böse. Aber was ist das Böse? Das Unterschieben eines Liedes? Oder das Unterschieben dieses Liedes? Bart ist sich offensichtlich - das wird aus seinen Gesten klar - von vorneherein über die Unzulässigkeit seines Vorgehens im Klaren; sonst wäre es auch kein Streich. Woraus sich diese Gewissheit speist, aus der Geschichte des Liedes oder bloß wegen seiner Form als Rock'n'roll, ist jedoch nicht zu entscheiden.[27] Dieses Lied gehört nicht in den Gottesdienst, aber es steht zu erwarten, dass die Gemeinde es trotzdem singen wird, einfach weil es auf dem offiziellen Liedzettel steht. Der Streich wird also dem Vertreter der Kirche Reverend Lovejoy gespielt. Bei dessen Ankündigung des Liedes[28] ist keine Irritation bemerkbar, was insofern überrascht, da Lovejoy ein klassischer 70er-Jahre-Typ ist, der einen der erfolgreichsten Titel der damaligen Zeit eigentlich kennen sollte. Die Gemeinde setzt mit ihrem Gesang ein und es wird schnell deutlich, dass dies kein "normales" Kirchenlied ist. Bei Homer löst das Lied vor allem biografisch-erotische Erinnerungen an Begegnungen mit Marge aus.[29] Lovejoy dämmert nun die Erkenntnis, dass hier Rock'n'Roll aufgeführt wird, dennoch unterbricht er das Geschehen nicht (obwohl er meint, dass dadurch die Orgel entweiht wird). Die Gemeinde scheint dagegen ziemlich hingerissen zu sein, denn im Stil von Rock-Konzerten schwenkt sie am Schluss (also nach 17 Min. Orgelspiel!) Kerzen durch die Luft. Eine Blasphemie oder Ähnliches hat sie offenkundig nicht wahrgenommen. Im Anschluss an den Gottesdienst wird von Lovejoy klargestellt, dass etwas Strafwürdiges geschehen ist, denn Pop- und Rock-Musik entweiht eine Kirche. Damit ist aber erst ein Teil jener "Links" angesprochen, die zu dieser Eingangssequenz gehören:
So ist schon die Eingangssequenz ein dichtes Wahrnehmungsangebot, das verschiedene Lesarten - abhängig vom Kenntnisstand des Betrachters - ermöglicht. Ein Missverstehen kann es aber insofern nicht geben, als die Gesten von Bart und der ihn umgebenden Figuren immer eine primäre, "naive" Lesart vorgeben. Was aber als "religiös" oder "irreligiös" angesehen wird, hängt offensichtlich von der jeweiligen Perspektive, das heißt der Lesart bestimmter Zeichen ab. Material- und Literaturhinweise
Anmerkungen
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