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Magazin für Theologie und Ästhetik


White Cube IV

Die Ausstellung Rembrandt Rembrandt...

Andreas Mertin

Wer die Ausstellung die Ausstellung "Rembrandt Rembrandt", die vom 1. Februar bis zum 11. Mai 2003 im Frankfurter Städel zu sehen ist, besucht, trifft auf 48 Werke, die auf zwei Etagen in zwei Rundgängen platziert sind. Einige der in Frankfurt ausgestellten Werke lassen sich vorab oder auch zur Nachbearbeitung in der Webgallery of Art betrachten. Wir haben Ihnen die Recherche-Arbeit erspart und im Folgenden gleich Links auf die vorhandenen Werke gelegt.

Die Ausstellung eröffnet in der unteren Etage mit den "Anfängen in Leiden 1606-1631" und zeigt biblische Szenen und Porträtdarstellungen. Dazu gehört u. a. "Ein alter Mann mit Pelzmütze" (1630).

Es folgen der "Erfolg in Amsterdam 1632-1641" mit mehreren Porträts, der kleinen Arbeit "Daniel und König Cyrus vor dem Götzenbild von Bel" (1633) und der Arbeit "Flora" (1634). Abgeschlossen wird der untere Rundgang mit dem großen Prunkstück des Städels "Die Blendung Simsons" (1636). Rembrandt ist zu dieser Zeit 30 Jahre alt, er schafft ein Werk mit dramatischer Hell-Dunkel-Inszenierung, das den Betrachter zu einem faszinierten Voyeur einer Gewalttat macht.

Die Ausstellung setzt sich fort mit dem Rundgang im Obergeschoss und zeigt dort die "Krise und Neuorientierung 1642-1655". Aus der Zeit zwischen 1640 und 1645 sind keine Werke ausgestellt, es folgt "Die Heilige Familie mit gemaltem Rahmen und Vorhang" (1646). Ein besonderes Augenmerk legt die Ausstellung auf die Werke mit Rembrandts Sohn Titus, von denen drei in der Ausstellung gezeigt werden. Dazu gehört etwa "Titus am Schreibpult" (1655).

Im Bereich "Konkurs und letzte Jahr 1656-1669" wird das zweite großformatige Werk der Ausstellung gezeigt, nämlich "Jakob segnet die Söhne Josefs" (1656) aus den Staatlichen Museen Kassel - Gemäldegalerie Alter Meister. Selbst für heutige Verhältnisse drastisch ist "Die Anatomie des Dr. Johan Deijman" (1656), von dem nach einem Brand nur noch ein Fragment erhalten ist. Gezeigt wird ein chirurgischer Eingriff am Gehirn. Von den weiteren gezeigten Arbeiten dieses Abschnitts beeindrucken das "Selbstporträt, lachend" (1662-64), die "Juno" (1665) und das am Ende des Rundgangs gezeigte "Selbstporträt" aus dem letzten Jahr seinen Lebens, 1669.

Die Inszenierung der Ausstellung

Die Frankfurter Ausstellung selbst ist lohnenswert und gut inszeniert. Man könnte sie genießen - wenn man denn allein oder doch nur zu wenigen im Ausstellungsraum wäre. So aber stören der Publikumserfolg und die zum Besuch der Ausstellung verdammten Schülerinnen und Schüler die ästhetische Wahrnehmung und Erkenntnis.[1]

Geschickt haben die Veranstalter die Perspektiven so gewählt, dass man bei unverstelltem Blick immer wieder Bilder aus unterschiedlichen Zeiten kontrastiert findet, die so die Entwicklung des Malstils demonstrieren. Oder wenn sie am Ende der Ausstellung das "letzte Bild", das Selbstporträt von 1669, dem lachenden Selbstporträt von 1662/64 gegenüberstellen.

Es wäre natürlich wünschenswert gewesen, wenn die Radierungen Rembrandts, die das Städelsche Institut hat, während der ganzen Zeit parallel gezeigt worden wären. So kann wenigstens der Besucher ab März beides miteinander verbinden.

Eine kleine Notiz zum Begleitheft der Ausstellung. Es scheint unter Kunsthistorikern inzwischen üblich geworden zu sein, nicht mehr von alttestamentlichen oder biblischen Darstellungen, sondern von "alttestamentarischen" zu sprechen.[2] Hier schleift sich ein Sprachgebrauch ein, der einerseits sicher der Verachtung der religiös-mythologischen Grundlagen europäischer Kunst- und Kulturgeschichte entspringt, der andererseits aber latente antijudaistische Motive mitschleppt. Alttestamentarisch - das klingt archaisch, primitiv, ungezügelt, unzivilisiert. Ist es zufällig, dass der Satz im Begleitheft lautet: Die "großformatigen, alttestamentarischen Szenen ... stehen exemplarisch für Rembrandts Fähigkeit, ins Äußerste getriebene Dramatik und Gewalt ... festzuhalten"? Da ist er wieder, der jüdische, alttestamentarische Rache- und Zornesgott und wie dergleichen Stereotypen alle heißen. So etwas sollte in seriöser kunsthistorischer Literatur nicht vorkommen. Wie ein kurzer Blick ins Internet zeigt, ist inzwischen auch die Rede vom "Neutestamentarischen" auf dem Vormarsch. Auch das Neue Testament gehört inzwischen für den gebildeten Barbaren zu den archaischen Relikten der Menschheit.

Epilog: Die Medien

Es gehört zu den Auffälligkeiten des aktuellen Ausstellungsbetriebs, dass zunehmend die mediale Aufmerksamkeit weniger auf die ausgestellten Werke selbst, als vielmehr auf den logistischen Aufwand zu ihrer Präsentation gelenkt wird. Das gilt auch für die Ausstellung "Rembrandt Rembrandt". Die Vorabberichte im Fernsehen zeigten weniger die ausgestellten Werke und ihren inneren Zusammenhang, als vielmehr ihren aufwendigen Transport und kommentierten die eingesetzten Mittel und die Risiken des Kunstwerktourismus.

Auch in der weiteren Berichterstattung änderte sich das nur bedingt. Die Nachrichtenagentur dpa vertrieb ein Pressefoto, das die großformatige Blendung Simsons zeigte, nur dass künstlich ein andächtiger Betrachter vor das Werk geschoben wurde.3 Das Werk war dabei zugleich so beschnitten, dass es den sensualistischen Effekt der Blendung überbetonte, während es die für Rembrandt typischen und hier besonders auffälligen Hell-Dunkel-Kontraste vollständig ausblendete. Rembrandt selbst hatte zur Wahrnehmung des Bildes geschrieben: "Sehr geehrter Herr, hängen Sie dieses Bild in starkes Licht und achten Sie darauf, dass es aus der Ferne angeschaut werden kann. So wird es am meisten funkeln."

Anmerkungen
  1. Interessant waren die "Gespräche vor Gemälden alter Meister", welche die Schülerinnen und Schüler führten. Von wann bis wann dauert eigentlich das 16. Jahrhundert? Was ist ein Magistrat? Ist die Flora schwanger?
  2. Auch der Brockhaus verzeichnet gleich mehrfach das Wort "alttestamentarisch", sicher nicht zufällig etwa in der Beschreibung der Typologien bei Shakespeare: "Der alttestamentarisch Rachsüchtige (Shylock) kontrastiert mit christlich Vergebungsbereiten (Portia)".
  3. Der Bildtitel in dem mir zugänglichen Feuilleton dazu lautete: "Fast unsichtbar im Bild: Ein Betrachter vor Rembrandts 'Die Blendung Simsons' (1636) in Frankfurt".

© Andreas Mertin 2003
Magazin für Theologie und Ästhetik 22/2003
https://www.theomag.de/22/am85.htm