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Magazin für Theologie und Ästhetik


Im Labyrinth XIII

Erscheinungen im Cyberspace

Karin Wendt

Warburg Haus Hamburg

Die berühmte Bibliothek, die die Kunsthistoriker Aby Moritz Warburg (1866-1929) und Fritz Saxl (1890-1948) in den 20er Jahren in Hamburg aufbauten, konnte 1933 mit Unterstützung befreundeter Wissenschaftler vor den Nationalsozialisten in Sicherheit gebracht werden und befindet sich seitdem im Londoner Warburg-Institute.

Warburgs Studie über das intellektuelle und soziale Milieu des Kreises um Lorenzo de Medici war der Auftakt zu einer intensiven Forschung über das "Nachleben der Antike" seit der Renaissance bis in die Gegenwart, mit dem Ziel, Erinnerungsformeln sichtbar zu machen, die die moderne europäische Kultur in all ihren Aspekten beeinflussen: sozial, politisch, religiös, wissenschaftlich und philosophisch.

Warburgs Privathaus in der Heilwigstraße, in dem er 1903 mit seiner Arbeit begonnen hatte, wurde nach dem Krieg verschiedentlich genutzt - unter anderem drehte man hier die erste Tagesschau. 1998 hat die Stadt das Gebäude erworben und die Aby-Warburg-Stiftung gegründet. Seitdem knüpft man dort an die kulturwissenschaftlichen Forschungen des Bibliotheksgründers an. Auf den Internetseiten kann man die interessante (Wissenschafts-)Geschichte nachlesen.

Im Warburg Haus Hamburg ist heute die Forschungsstelle "Politische Ikonographie" des kunstgeschichtlichen Seminars untergebracht. Sie hat unter anderem Warburgs Bilderatlas Mnemosyne neu ediert (Hamburg 2000), ikonografische Konstellierungen von Bildern aus Kunst- und Kulturgeschichte, die er beweglich auf große schwarze Tafeln montierte und mit knappen Kommentaren versah, um "das Bildgedächtnis der europäischen Kultur sowohl struktural als auch genetisch und zugleich in seinen wichtigsten Themen und Motiven zu rekonstruieren" - ein frühes Verfahren des "hyperimaging", das zu Beginn der Moderne auch Künstler erprobten. So stellten Wassily Kandinsky und Franz Marc 1912 in ihrem Münchner Almanach "Der Blaue Reiter" Kunstwerke und Bilder ähnlich diachron zusammen, um "diskursive Gegenklänge" (Felix Thürlemann) zu erzeugen.

Eine Ausstellung dazu zeigte 1998 das Schlossmuseum Murnau. Interessantes zur Vorgeschichte sowie Texte aus dem Almanach findet man auf den österreichischen Internetseiten des Arnold Schönberg Center.

Über die Warburg Electronic Library hat man Zugriff auf den Bildindex mit etwa 300.000 Bildkarten, eine Bibliothek - beide sind nach dem selben System verschlagwortet - und eine Sammlung von Originalen: Postkarten zu politischen Themen, der Nachlass des Fotografen von Arno Breker, eine Erstausgabe von Thomas Hobbes' "Leviathan" und die Erstausgabe von Lavaters "Physiognomischen Fragmenten". "Bild und Text, Bildkarte und wissenschaftliche Studie gehen so eine unmittelbare und in dieser Form einmalige Wechselbeziehung ein." Der erweiterte Gebrauch der Warburg Electronic Library, der es erlaubt, eigene Bibliotheken anzulegen und daraus Präsentationen für das Internet zu generieren, ist Projekt- und Kooperationspartnern des Instituts vorbehalten.

Über einen Link kommt man auf die Internetseiten www.schule-des-sehens.de. Hier findet man Internetseminare der kunstgeschichtlichen Institute in Berlin, Bern, Dresden, Hamburg, Marburg, München und Köln, z.B. ein Seminar zum "Reliquienwesen im Mittelalter" oder eine Lehreinheit "Märtyrer und christliche Märtyrerverehrung".


Beats Biblionetz

Die Themen dieses Infonetzes speisen sich aus den persönlichen Interessen des Betreibers und reichen von "Erkenntnistheorie und Modellbildung", über Informatik und ICT & Schule" bis zu "Menschliches Miteinander". Beats Biblionetz ist ein Begriffslexikon mit Definitionen, eine Literaturliste zu ca. 1100 Büchern und über 2000 Texten, ein Personenlexikon mit biographischen Angaben und Veröffentlichungen der jeweiligen Person.

Das Biblionetz ...

  • verknüpft alle oben genannten Sammlungen zu einem Hypernetzwerk mit über 22.000 internen Links.
  • könnte man als je nach Herkunft/Vorliebe als Luhmannschen Zettelkasten, als eine Art Memex (Vannevar Bush) oder als Personal Infostructure bezeichnen.
  • begann Ende 1996 als persönliches Arbeitsinstrument von Beat Döbeli Honegger.

Das Biblionetz ist aber nicht nur eine thematische Datenbank sondern auch eine Art Informationsspiegel. So werden die am häufigsten gefragten Fragen und Aussagen sowie die Dichte ihrer Verknüpfung erfasst, so dass sich ein aufschlussreiches Wissens- und Interessenprofil zu jeder Themenlandschaft ergibt. "Je länger ich dieses Biblionetz betreibe, desto mehr interessiert mich auch, was die BenutzerInnen des Biblionetzes suchen. Welche Personen sind gefragt, welche Begriffe werden gesucht? Darum habe ich diese Seite programmiert." (Beat Döbeli Honegger) Die offene Nutzungsstruktur, die Kommentare fast an jeder Stelle vorsieht, insgesamt aber von nur einer Hand redigiert und nicht als Open Source frei gestellt wird, ergibt eine attraktive konzeptuelle Mischung. Erlaubt ist es auch, von Seiten des Biblionetzes auf eigene Webseiten zu verweisen: "Benutzen Sie dazu auf der gewünschten Seite den Feedback-Link."


© Karin Wendt 2003
Magazin für Theologie und Ästhetik 22/2003
https://www.theomag.de/22/kw20.htm