Geographische PredigtenZur digitalen Karl-May-AusgabeAndreas Mertin |
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Ich habe erst gezögert, ob ich das Angebot des Verlages, die digitale Karl-May-Ausgabe für das Magazin für Theologie und Ästhetik zu rezensieren, annehmen sollte. Zum einen besitze ich so ziemlich alle größeren Werke Karl Mays als Print-Ausgabe, zum anderen konnte ich mir schlecht vorstellen, ausgerechnet Werke von Karl May am Bildschirm zu lesen. Und schließlich schien mir Karl May von seriöser Theologie und Ästhetik doch arg weit entfernt. Ich habe die CD dann doch zur Rezension angefordert, nicht zuletzt deshalb, weil ich hoffte, mir so anderthalb Meter Bücherbord frei räumen zu können. Dennoch hat das Stöbern im 70.000 Seiten umfassenden digitalen Archiv natürlich seinen Reiz. Das hat mehrere Gründe. Zum einen natürlich die Möglichkeit, bestimmte Begriffe quer durchs Werk zu verfolgen. Worüber schreibt Karl May, wenn er über Schönheit schreibt? Wie häufig und wo kommt das Buch Hiob vor (und warum bevorzugt May so augenfällig Gottes Rede aus dem Wettersturm)? Gibt es Doppelungen im Werk? Usw. usf. Ein Vorteil einer derartigen Werk-CD ist natürlich, dass man auf Stücke stößt, die man sich ansonsten aus ganz unterschiedlichen Gründen im Rahmen einer Print-Ausgabe nicht angeschafft hätte. Dazu gehören im vorliegenden Fall etwa die "Geographischen Predigten" aus dem Frühwerk in der von ihm selbst begründeten Zeitschrift "Hütte und Schacht" oder auch die daraus entwickelte "Darstellung des Einflusses der Liebe und ihrer Negationen auf die Entwickelung der menschlichen Gesellschaft" im "Buch der Liebe", das mehrfach Gegenstand von Gerichtsprozessen war. Hinzuweisen ist zudem auf Volker Grieses "Karl May. Chronik seines Lebens", das chronologisch die Fakten zu Karl Mays Leben zusammenträgt. Aus der historischen Distanz und bei der kursorischen Lektüre entdeckt viel Kurioses und Erschreckendes ("Deshalb kann man die Neger als große Kinder, und zwar, sobald sie sich selbst überlassen sind, als große verwilderte Kinder betrachten"), viel Aktuelles (zum Konflikt und zum möglichen Zusammenleben der Religionen und Denominationen), und nicht zuletzt auch Surrealistisches wie die späten Werke Ardistan und Dschinnistan.
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