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Magazin für Theologie und Ästhetik


"medien praktisch" - erscheint nicht mehr

Anmerkungen zum Ende der Zeitschrift für Medienpädagogik

Klaus Heiner Weber

medien praktisch Hefte 1999

Leserumfragen sind oft der Anfang vom Ende. Als vor mehr als einem Jahr die Leserinnen und Leser von medien praktisch zur Beurteilung der Zeitschrift aufgefordert wurden, läuten bereits die Alarmglocken. Das "Gemeinschaftswerk für Evangelische Publizistik" in Frankfurt erhält einen neuen Geschäftsführer, der als Sanierer bekannt ist und offensichtlich auch mit dem Ziel eingestellt wurde, dem "Unternehmen" die entsprechenden Einsparungen zu verpassen.

Mitte des Jahres lud der verantwortliche Redakteur Johannes Gawert zur einer Expertenbefragung, bei der sich diese ausnahmslos außerordentlich lobend für das publizistische Flaggschiff der Medienpädagogik in ihren schriftlichen Statements einsetzten. Dies war die Phase der zweiten gelben Karte. Ich selbst gehöre seit 1990 dem Beirat der Zeitschrift an und habe als Vertreter der religionspädagogischen Institute nicht nur die Wichtigkeit dieser Zeitschrift überall und immer wieder hervorgehoben, sondern auch in all diesen Jahren das Auf und Ab in der immer finanziell bedrohten Umgebung des Gemeinschaftswerks miterlebt.

Die seit über einem Jahr deutliche Linie der Spitze des Hauses, alle Produkte kostendeckend auf dem Markt zu präsentieren, machte inhaltliche Argumente weithin obsolet -dies wurde in dem einzigen Gespräch, das der Beirat mit dem neuen Geschäftsführer Bollmann führen konnte, sehr schnell sehr deutlich. Einsparungen sind auf den ersten Blick natürlich immer dann am ehesten zu vollziehen, wenn niemand entlassen werden muss, sondern - wie in diesem Fall - der Redakteur in den Ruhestand tritt. Also ein besonders günstiger Zeitpunkt, Einsparungen mit der Einstellung der Zeitschrift zu erzielen.

medien praktisch Hefte 2000

Aus der Sicht von kirchlichen Kernbereichen ließen sich möglicherweise Zweifel an der Notwendigkeit der finanziellen Ausstattung einer solchen Zeitschrift anmelden. Es wird allerdings an dieser Stelle nicht zum ersten mal deutlich, dass die gesellschaftliche Verantwortung - hier nach Wertorientierung kirchlich-religiöser Publizistik - aufgegeben wird zugunsten, ja zugunsten von was eigentlich? Wo liegen die kirchlichen Kernbereiche, wer definiert diese, und welche Konsequenzen wären daraus zu ziehen?

Die gut begründeten Argumentationen all der honorigen Professoren und Leiter von Fortbildungseinrichtungen im kirchlichen und staatlichen Bereich blieben letztlich Makulatur, wenn nicht gar ungelesen. Sie blieben zumindest ohne Wirkung was das angestrebte Unternehmens-Ziel angeht. Klar ist, dass diejenigen, die im Bereich der Medien versuchen relevante Fragestellungen und Entwicklungen kritisch zu reflektieren, kein Massenpublikum erreichen. Konkret war klar, dass eine solche Zeitschrift nicht kostendeckend wird arbeiten können, also Zuschussgeschäft bleibt. Selbst weit getriebene Übernahmegespräche durch entsprechende andere medienpädagogische Publikationen blieben zum Schluss ergebnislos.

In der ersten Juniwoche (Heft 2/2003) wird das letzte Heft von medien praktisch, Zeitschrift für Medienpädagogik ausgeliefert und dann ist endgültig Schluss.

medien praktisch Hefte 2001

Was wird fehlen? medien praktisch als Organ der Ev. Publizistik, das sich in qualifizierter Form der Medienfrage stellt - zwar kirchlich gebunden, aber ohne den üblichen Tunnelblick sonstiger kirchlicher Gremien und Organe. medien praktisch verbindet die Vorstellungen der Ergebnisse von medienpädagogischer Forschung und Lehre mit medienpädagogischer Praxis in schulischen und außerschulischen Zusammenhängen. Keine andere Publikation leistet dies so anspruchsvoll, praxisbezogen und umfassend. Alle relevanten Medien sind einbezogen.

Unverzichtbar für Medienzentralen, Multiplikatoren in Schule, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung, das gilt für kirchliche Einrichtungen vielleicht noch mehr als im "säkularen" Bereich.

Alle Autoren, die sich seriös mit medienpädagogischen Fragestellungen beschäftigen, haben hier veröffentlicht. Professoren der einschlägigen Lehrstühle haben hier ebenso publiziert wie Lehrer, Fortbildner, Studenten, Journalisten, Medienpädagogen - ein breit gefächertes Autorenspektrum.

medien praktisch Hefte 2002

Kaum überbietbar die professionelle redaktionelle Arbeit, bei Redaktionsleiter Johannes Gawert und in gleicher Engagiertheit bei Thomas Hammerschmidt und Frau Merzbach. Auf je unterschiedliche Weise haben alle drei ihren besonderen Anteil am hohen Standard und Erfolg dieser wichtigsten medienpädagogischen Fachzeitschrift.

Es ist ja nicht immer leicht, auf der einen Seite das richtige Gespür für sich ankündigende Themen zu haben und dann dafür auch noch die entsprechenden Autoren zu finden. Besonders reizvoll, wenn dann von anderer Seite heftiger Widerspruch gegen eine veröffentliche Position publiziert wurde. Der Info-Teil (Projekte, Bücher, Veranstaltungen) ist von außerordentlicher Güte, man kann sich nur wundern, wo diese Informationen überhaupt alle herkommen. Auch hier kann man Trends ablesen, Diskussionslinien finden, die für die eigene Arbeit von Nutzen sein können.

Die graphische Gestaltung ist sehr ansprechend und das Bildmaterial ist nie nur illustrativ, sondern zusätzlicher Bedeutungsträger. Und die seit einiger Zeit aufgelegten zusätzlichen Sonderhefte bieten hervorragendes zusätzliches Material für die Bildungsarbeit (z.B. Filmverstehen mit "Trainspotting" oder Filmerleben mit "Titanic").

Die von Kindern und Jugendlichen genutzte Popularkultur (soap- und talk-Formate) wird genauso in den Blick genommen wie Aspekte der Wertung, der Moral und ethische Fragstellungen oder die Fragen des vernetzten Lernens, Videoclips und anspruchsvolle Kurzspielfilme.

medien praktisch Hefte 2003

Auf all das werden wir in Kürze verzichten müssen. Trauer, Ohmacht und Wut bleiben zurück.

Was bleibt: vergessen Sie nicht, noch einmal zur Homepage zu surfen (www.medienpraktisch.de) und unverzüglich alles, was verfügbar ist auf die eigene Festplatte herunter zu laden

Den Machern von medien praktisch alles Gute für ihren weiteren Weg!


© Klaus Heiner Weber 2003
Magazin für Theologie und Ästhetik 23/2003
https://www.theomag.de/23/khw1.htm