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Magazin für Theologie und Ästhetik


Wunderbare Welten

Anmerkungen zum Aufsatz "Sonderbare Welten -

Einwürfe zur "christlichen Qualitätssuchmaschine" crossbot" von Jörg Mertin

Markus Eisele, Sven Sabary

Jörg Mertin hat mit seiner Stellungnahme zur "christlichen Qualitätssuchmaschine" crossbot interessante Aspekte beleuchtet. Wir haben im vergangenen Monat viel Lob bekommen, über das wir uns gefreut haben, aber Kritik bringt uns weiter. Uns ist sein Artikel auch deshalb wichtig, weil crossbot hier erstmalig zum Gegenstand einer theologischen Betrachtung wurde. Gern nehmen wir die Anregung von Andreas Mertin auf, unsere Anmerkungen an dieser Stelle zu formulieren.

Jörg Mertin vermutet, dass die Finanzierung der Suchmaschine zu Lasten von "renommierten kirchlichen Zeitschriften" geschieht. Hier irrt der Autor. Die Erstinvestitionen für crossbot sind äußerst niedrig. Die Anschubfinanzierung durch den Medienfonds der EKD reduziert nicht die Mittel für andere publizistische Aufgaben in der EKD. So besteht zum Beispiel - anders als von Mertin vermutet - kein Zusammenhang mit der Einstellung der Zeitschrift "medien praktisch". Der Grund hierfür wurde bereits plausibel im letzten Heft der Zeitschrift erläutert: Zu wenige hatten das renommierte Periodikum abonniert.

Besondere Probleme scheint Jörg Mertin die Bezeichnung "christliche Qualität" zu bereiten. Hier ist zu unterscheiden. Von "christlicher Qualität" ist bei crossbot an keiner Stelle die Rede. So etwas wäre tatsächlich Unfug. Es handelt sich vielmehr um eine "christliche Qualitätssuchmaschine", bei der die Qualität darin besteht, dass die Nutzer schneller fündig werden als bei der Suche in einer herkömmlichen Suchmaschine. crossbot ist dabei ein Katalog und eine Suchmaschine zugleich. Crossbot findet nämlich nicht nur Hinweise auf einzelne Seiten, sondern erfasst alle Inhalte von in Crossbot aufgenommenen Websites. So bietet crossbot immer ein dreiteiliges Suchergebnis auf einen Blick an:

  1. Die passenden crossbot-Kategorien,
  2. die besten Ergebnisse (aus dem crossbot-Katalog) und
  3. alle Ergebnisse (der Suche im Web).

Die entscheidende Qualitäts-Frage für den Nutzer lautet: Sind Inhalte mit Bezug auf Kirche und Christentum in den gängigen Suchmaschinen wirklich noch gut auffindbar? Die Suchgewohnheiten vieler Nutzer führen bei vielen christlichen Begriffen bereits zu schlechten Ergebnissen. Diese werden häufig nicht mehr dem mutmaßlichen Interesse des Suchers gerecht. Der crossbot-Vorteil: Hier wird nicht das gesamte Web, sondern - im Sinne einer Spezialsuchmaschine - nur die zuvor in Augenschein genommenen und aufgenommenen thematischen Seiten durchsucht.

Eine "christliche" Suchmaschine sei - nach Mertins Auffassung - ein mehrfacher Widerspruch in sich: "Eine neutrale, prinzipiell auf sämtliche Wissensbestände ausgerichtete Technologie wird mit einem begrenzten Inhalt kombiniert." Das allerdings ist mittlerweile nicht nur gang und gäbe, sondern auch zum Vorteil der Nutzer. Es gibt Hunderte von Spezialsuchmaschinen, die ihre besondere Qualität darin haben, ein Themenfeld schneller und besser zu erschließen als die "Alleskönner". Deren Ergebnisqualität ist - wie praktisch alle Experten konzedieren - immer schlechter geworden - und zwar insgesamt und nicht nur auf den Bereich "christlicher Glauben" bezogen.

Jörg Mertin kritisiert diese bewusste Fokussierung auf christliche Seiten. Er fragt mit Blick auf die gängigen Suchmaschinen: "Warum aber stehen [hier] die kirchlichen Seiten nicht oben?" Seine Antwort: " Weil die User des Internet sich nicht dafür interessieren. Das ist die bittere Wahrheit." Dieser Erklärungsversuch trifft nicht zu. Der Autor ignoriert die Tatsache, dass das Vorkommen in den besten Positionen eines Suchergebnisses nichts mit dem Interesse der Nutzer, sondern in der Regel mit der finanziellen Macht der Anbieter zu tun hat.

Die Optimierung von Websites für Suchmaschinen ist eine teure Angelegenheit. Hier sei exemplarisch auf solche Unternehmen hingewiesen, die sogenannte "sponsored links" anbieten. Diese ermöglichen gegen eine Gebühr einen vorderen Platz in der Ergebnisliste auf Zeit (vgl. Overture oder E-Spotting).

Jörg Mertin schließt aus seinen Überlegungen: "Jetzt werden sogar nur noch die kirchlichen User überhaupt auf die Idee kommen, Kirchliches zu suchen." Dieses Argument leuchtet uns nicht ein. Das Gegenteil ist der Fall. Wer crossbot nicht kennt, wird weiter mit Google und anderen, ihm bekannten Suchmaschinen arbeiten. Crossbot dagegen hilft auch dabei, bei einer Suche mit gängigen Suchmaschinen schneller christliche Inhalte zu finden. So listet zum Beispiel Google Ergebnisse aus dem crossbot-Bestand auf. Das ist ein Effekt, der durchaus einkalkuliert ist. Je häufiger crossbot von Homepage-Betreibern verlinkt ist, desto höher werden die Ergebnisse in Google bewertet. Das kommt den eigentlichen Anbietern, auf die crossbot ja nur verweist, zugute: Christliche Websites werden künftig auch in anderen Suchmaschinen wieder besser auffindbar sein.

Dass crossbot nur evangelische Seiten finde, wie Mertin behauptet, entspricht nicht den Tatsachen. In crossbot stecken neben Tausenden von katholischen Seiten, auch solche der Freikirchen, der orthodoxen Kirche sowie jüdische und überkonfessionelle Websites. Dass jedoch zur Zeit (noch) eine starke Präsenz der evangelischen Kirchen auffällt, sei eingeräumt. Auch haben bislang vornehmlich Angebote der EKD im Bewertungssystem Punkte gesammelt. Das ist kein Privileg der EKD. Jeder Nutzer kann seine eigenen Seiten wie auch die Seiten anderer Nutzer selbst bewerten. Im Laufe der Zeit wird sich daraus ein zwar formalisiertes, aber differenziertes Meinungsbild aller Nutzer entwickeln.

Jörg Mertin spricht in seinem Aufsatz von einer "Entmündigung der Nutzer". Dies geschehe durch die Eingrenzung der Suchergebnisse auf "christliche Seiten". Hier wird die Argumentation des Autors inkonsistent. Geht er von mündigen Nutzern aus, die auch verfeinerte Suchtechniken anwenden können und damit in Google und anderen gängigen Suchmaschinen - zwar mit erheblich mehr Zeitaufwand - gute Ergebnisse produzieren können? Solche Nutzer sind wohl nicht durch die Zusatzleistung einer Spezialsuchmaschine zu entmündigen. Oder geht er von unmündigen Nutzern aus, die über crossbot Google vergessen? Wir gehen davon aus, dass Nutzer crossbot als gute Ergänzung betrachten und selbstverständlich auch weiterhin mehr als eine Suchmaschine konsultieren. Eine Einschätzung übrigens, die durch die Studie der Bertelsmann-Stiftung (Prof. Dr. Marcel Machill: Verhaltenskodex für Betreiber von Suchmaschinen, Oktober 2003) gestützt wird.

Ein weiteres Manko liegt für Mertin in der Auswahl derjenigen Seiten, auf denen crossbot sucht. Er vermutet diesbezüglich: "es geht bloß darum, ob die Website aus dem kirchlichen Bereich kommt." Kennt der Autor die Kriterien nicht? Sie sind auf der Website ausdrücklich genannt. crossbot nimmt selbstverständlich auch private Angebote auf.

Das zentrale Kriterium ist allein die sogenannte ACK-Klausel. So heißt es auf der crossbot-Seite: "Wenn wir schauen, ob ein Angebot passt oder nicht, orientieren wir uns an den Stellungnahmen der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK)."

In der Tat, das ist ein formales Kriterium, das es aber ernst zu nehmen gilt. Wir denken, die Nutzer von crossbot erwarten, dass sie sich bei einer Suche z.B. nach Spiritualität nicht erst durch Hunderte von abstrusen Angeboten durchklicken müssen, sondern auf einen Blick Angebote finden, mit denen sie als Suchende etwas anfangen können. Wenn's nicht so ist, werden sie sich wieder verstärkt Google & Co. zuwenden.

Jörg Mertin analysiert: "Dahinter steckt die Angst [der Kirche] vor der Nichtwahrnehmung und zugleich ein Kontroll- und Begrenzungsbedürfnis [der Kirche], das die Freiheit berührt." Von Angst ist hier nicht zu sprechen. Vielmehr entspricht es ihrem Auftrag, dass die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen wahrgenommen werden will. Ein inhaltliches Kontroll- und Begrenzungsbedürfnis kennt crossbot nicht in dem Sinne, dass theologische Ansichten, die sich im Rahmen der ACK bewegen, ausgegrenzt würden. Wer in crossbot sucht, wird merken, dass das Spektrum weder auf Volkskirche noch auf das evangelikalen Spektrum beschränkt ist. In diesem Sinne ist crossbot universal und besser als die bisherigen Suchmaschinen (leviatan.net, feuerflamme.de, jesus.de o.ä.). Schade, dass der Autor auf diese Angebote gar nicht eingeht.

Wenn Jörg Mertin die bewusste Fokussierung auf christliche Inhalte als ein schwieriges Unterscheiden zwischen "Drinnen" und "Draußen" kritisiert, dann wollen wir fragen: Gibt es keine Abgrenzung zwischen den Sphären? Gibt es nicht Kirche und Nicht-Kirche, Christentum und Nicht-Christentum? crossbot stellt selbst klar: Was lassen wir draußen? Beispielsweise Scientology, oder die Neuapostolische Kirche und New Age-Sekten. Wer würde bestreiten, dass solche Angebote keine spezifisch christliche Ausrichtung haben?

Jörg Mertin wirft crossbot schließlich eine überstarke evangelische und institutionelle Prägung vor. Die Ausblendung nicht-christlicher Seiten stehe im Widerspruch zum Protestantismus. Das ist eine nur schwer fassbare Charakterisierung. Ein Beispiel: Eine "katholische" Suchmaschine wäre wohl eher zu erwarten, dass vor allem die zentralen institutionellen Angebote erfasst sind. Der crossbot-Ansatz ist unseres Ermessens dagegen gerade protestantisch. Eine Suchmaschine, in der Anbieter - egal ob privat oder institutionell - vorkommen. Ein echter Knoten im Netz, mit dem es gelingen kann, von einer privaten Homepage auf eine Institutionenseite zu wechseln und umgekehrt. Denn heute kann niemand mehr die Menge christlicher Websites überblicken.

Schließlich fasst Jörg Mertin zusammen: "In Wirklichkeit ist also diese Suchmaschine eine Art Fachkatalog für alles, was mit (evangelischer?!) Kirche zu tun hat (aber schon "Religion", "Religionen" usw. gehören offenbar nicht mehr zum Thema des Katalogs)". Dies ist schlichtweg falsch. Natürlich verweist crossbot nicht gleich-gültig auf Sekten und andere Weltreligionen. Aber wer sich über andere Religionen informieren will, der kann das. Die Angebote, die er findet, orientieren allerdings aus "christlicher Sicht" und zwar aus der Sicht des jeweiligen Informationsanbieters.

Es gibt also nicht die eine richtige Sicht der Dinge, aber immerhin verschiedene christlich verantwortete Sichten auf das Thema. crossbot macht so christliche Diskurse transparent. Nirgendwo sonst kann man sich im Internet so schnell erschließen, wie viel- oder einstimmig Christinnen und Christen sowie die Kirchen und ihre Institutionen sich zu den Themen des Glaubens und der Gesellschaft, zu Gott und der Welt verhalten. Wer crossbot zu nutzen weiß, dem erschließen sich nicht nur sonderbare, sondern auch wunderbare Welten.

Wir laden daher jede und jeden ein, mit crossbot zu suchen und zu finden, zu arbeiten und es selbst weiter zu entwickeln. Auf Anregungen, Kritik wie Lob, freuen wir uns.


© Eisele / Sabary 2003
Magazin für Theologie und Ästhetik 26/2003
https://www.theomag.de/26/es1.htm