Sex, qualifizierte Recherche und Suchmaschinencrossbot durchsucht das interNet christlichFrank Wessel |
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Crossbot ist die neue, mit großem Aufwand betriebene interNet-Suchmaschine der EKD. Als eine Mischung aus Suchmaschine (wie z.B. Google), die das Netz durchforstet, um Suchanfragen zu beantworten und Katalog, der von Menschen redigiert wird und in verschiedenste Rubriken unterteilt ist (wie z.B. Yahoo). "Crossbot ist eine Suchmaschine für den christlichen Raum und für alle Menschen, die Interesse an christlichen Inhalten haben. Es ist zudem der meines Wissens einzige tragfähige Katalog für christliche Inhalte im Internet."[1] Mit diesem Satz werden viele Versprechungen gemacht. Sicherlich ist es ein sinnvolles Anliegen, die zahlreichen interNet-Seiten mit "christlichen Inhalten" unter einer Plattform zu versammeln, bzw. zu verlinken. Zugleich stecken darin aber resignierte Untertöne: es ist (noch) nicht gelungen "christliche Inhalte", oder auch nur den Content der EKD so in anderen Katalogen zu positionieren, dass dies von interessierten Surfern gefunden wird - also muss ein eigener Katalog her, der die Gefahr einer binnenkirchlichen Referenzierung birgt. Zum anderen bleibt der Begriff "christliche Inhalte" trotz eigener Erklärungsversuche von crossbot sehr offen.[2] (Screenshot erstellt mit downloads am 6. Okt. 2003) Aber langsam und an einem Beispiel: Nutze ich crossbot als Suchmaschine, kann ich dort Suchbegriffe eingeben und bekomme die Ergebnisliste mit "christlicher Qualität" (Selbstbeschreibung in der Titelzeile von crossbot). Natürlich bleibt es nicht aus, dass diese Verheißung von allzu spielwütigen Surfern (deren harter Kern bekanntlich anarche Züge an den Tag legt) ausprobiert wird. Es werden also Begriffe eingegeben, die vermutlich wenig mit christlichen Inhalten zu tun haben. So kommt es, dass unter den 50 häufigsten Suchanfragen (auch die können eingesehen werden) die Worte "Sex" und "Ficken" auf den Plätzen 1 und 3 landen (Ergebnis am 7. Okt. 2003, siehe den screenshot oben). Bleibe ich neugierig und untersuche die Ergebnisse zum Suchwort "Ficken", stoße ich zunächst auf theomag.de, das Magazin für Theologie und Ästhetik des Theologen und Publizisten Andreas Mertin. Dieser beschäftigte sich in einer seiner Ausgaben mit dem Teufel in der Kunst, hier kam die "Sylvesteransprache des Teufels" mit den Begriffen Faust und Ficken vor. Andreas Mertin musste feststellen, dass deshalb viele Surfer, die einen anderen Kontext erwarteten, auf seinen Seiten landeten und machte dies zum Gegenstand eines weiteren Aufsatzes. Noch interessanter ist aber der zweite Eintrag in der Ergebnisliste. Unter diesem Eintrag verspricht mir eine simple Textseite, ich könne "live beim Ficken zusehen" und bietet mir zwei weiterführende Links. Der angezeigte domain-Name "dw-fuerstenwalde.de" lässt kirchliche Insider an "Diakonisches Werk" denken und mutet deshalb auch einer christlichen Qualitätssuchmaschine wohl unverdächtig an. Diese domain ist nach Auskunft der Denic im September (neu) registriert worden und wird samt den weiterführenden domains von der gleichen Person geeignet (Stand: 6. Okt. 2003). Hier leuchtet also ein Lehrstück über die (subversive) Positionierung von Inhalten auf. Nicht weiter überraschend ist die unverhüllte Benennung der eigenen Inhalte und damit auch die Zitation dieses Textes in der Ergebnisliste der Qualitätssuchmaschine. Überraschend dagegen ist aber, dass diese domain in der Ergebnisliste überhaupt auftaucht, verspricht doch M. Eisele, dass die Ergebnisse auf "bad words" überprüft würden. Auch auf sexistische Inhalte würde dabei geachtet und daraufhin ggf. Seiten aus der Ergebnisliste gefiltert. Technisch steht dahinter jedoch das Problem der Filter: werden sie zu engmaschig, kommt nichts mehr durch, bleiben sie zu weit, entstehen kuriose Dinge, wie das beschriebene. Dieses technische Problem wird zu einer hermeneutischen Fragestellung, wenn auf der anderen Seite von crossbot ein Katalog steht. Dieser Katalog wird von Redakteuren gepflegt, indem sie interNet-Seiten überprüfen, die dort angemeldet werden. Diese Redakteure treffen die Entscheidung, welche Inhalte "christlich" sind oder nicht. Nicht veröffentlicht sind aber die theologischen und kulturhermeneutischen Kriterien, wann interNet-Seiten "sich mittelbar oder unmittelbar mit den christlichen Kirchen, dem christlichen Glauben und christlichen Werten befassen" oder "den Hintergrund des christlichen Glaubens erhellen können oder Erstinformationen über nichtchristliche Religionsgemeinschaften und Religionen bereitstellen" ("Was ist crossbot.de?" Download von www.crossbot.de am 5. Okt. 2003, 17.42 Uhr). Wird der hermeneutische Filter zu eng gezogen, verbleibt crossbot.de - wie gegenwärtig der Fall - im Rahmen eines kircheninternen Zitationskartells. Dann bildet sich eine "christliche interNet-Kerngemeinde" die im weltweiten Netz unter sich bleibt und sich über Termine, Veröffentlichungen, gemeindliche web-Auftritte u.ä. austauscht. Wird der Filter aber weitmaschiger gehalten, stehen die Redakteure vor dem Dilemma, einem Teil der Sucher zu erklären, warum manche Seiten überhaupt in den Katalog aufgenommen werden und dem anderen Teil der User die Ablehnung von Katalogaufnahmen plausibel zu machen. Ist Kamasutra als Information über einen Teil einer nichtchristlichen Religionsgemeinschaft dann aufnahmewürdig? Oder eine Auseinandersetzung mit z.B. Rave-Partys, Kinofilmen und Pop-Konzerten als virtuosen Inszenierungen religiöser Sprache, Symbole und Rituale? Was sind also - theologisch überspitzt formuliert - die Kriterien, die über die Wahrhaftigkeit des Glaubens oder auch nur der "Christlichkeit" der web-Seiten-Betreiber und der Aufnahme in den crossbot-Katalog richten? Das bleibt ungeklärt und wird sich wohl erst noch herausstellen, da der Umfang des Katalogs nach Auskunft von Markus Eisele innerhalb eines Jahres um das zweifache des jetzigen Standes auf ca. 1 Million erfasster Seiten anwachsen soll. Dann wird das faktische Ergebnis sehr normativ. Zudem wird es nahezu unmöglich, den Bestand der verzeichneten Links dahingehend zu prüfen, ob nicht der jeweilige Eigner gewechselt hat und die Inhalte nicht mehr "christlich" sind. Denn dieses ist geschehen: dw-fuerstenwalde.de war scheinbar bis vor kurzer Zeit noch die Adresse einer diakonischen Einrichtung in Fürstenwalde an der Spree ... Putzig erscheint vor diesem Hintergrund auch die Einladung der crossbot-RedakteurInnen an alle Nutzer, etwaige Fehleintragungen zu melden. Der gegenwärtige Personalbestand von zwei Vollzeit- und 5 TeilzeitmitarbeiterInnen (M. Eisele im Spiegel-online Interview) wird kaum gewährleisten können, den Katalog kontinuierlich zu erweitern und gleichzeitig auf Fehleinträge zu überprüfen. Ein Ausweg wäre eine "Community für christliche Qualität im interNet", zu der User sich anmelden könnten. Dies ist aber in kommunikativer Hinsicht keineswegs angebahnt und würde eine neue "Kerngemeinde" gründen. Der einzige Anlass, sich bei crossbot.de anzumelden, besteht zur Zeit darin, der "Einladung" auf Spenden zu folgen - das erwartet jeder säkularisierte Mensch, wenn er sich mit Kirche befasst. Auch die Möglichkeit, Katalog-Einträge zu bewerten - also eine "Qualität" der Katalogeinträge zu produzieren, ist vor diesem gesamten Hintergrund fragwürdig. Es soll Spaßvögel geben, die alle verzeichneten Seiten der EKD abwerten; andererseits kann jeder die Bewertung seiner eigenen Seiten hoch treiben. Dies ist möglich, weil keine Anmeldung nötig ist und die vergebenen Sterne sich schlicht aus dem arithmetischen Mittel der abgegebenen Bewertungen errechnen. Ein System, das einst von Joachim Happel, Andreas Mertin u.a. für das reliweb.de erdacht, aber im rpi-virtuell.de (der religionspädagogischer Plattform der EKD) längst verbessert und abgesichert worden ist, obwohl hier z.Z. nur eine halbe Planstelle existiert. Es wird also viel verheißen und kaum etwas erfüllt: der Begriff des Christlichen ist inhaltlich nicht gefüllt, die Suchmaschine referenziert (beinahe nur) den innerkirchlichen Raum und der Katalog bürgt nicht für Qualität. Das positiv zu würdigende Anliegen von crossbot.de ist es, ein eigenes interNet-Portal zu schaffen, um damit auch eine Positionierung auf anderen Portalseiten zu erreichen. Auch das Argument von der Nadel im Heuhaufen der zahllosen interNet-Seiten hat eine nicht zu unterschätzende Zugkraft im Rahmen der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit. Dann wäre es aber aufrichtig, trotz aller Zugeständnisse an die notwendigen Riten innerhalb der PR, den Begriff "Qualität" zu verlassen und das Anliegen zu benennen, das geleistet werden kann: "crossbot.de - Ein interNet-Katalog der EKD". Anmerkungen
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https://www.theomag.de/26/fw1.htm |