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Magazin für Theologie und Ästhetik


Wenn die Kirche auf den Geist geht

Eine präzisierende Erwiderung

Jörg Mertin

Die Beiträge, die sich mit meinem polemischen Einwurf zu "crossbot" beschäftigen, zeigen mir, dass er einen vitalen Punkt getroffen hat. Sie geben mir auch die Gelegenheit, vielleicht noch einmal etwas genauer zu sagen, worum es mir geht. Denn da gibt es durchaus vielfachen Präzisierungsbedarf. Ich will daher gar nicht auf zahlreiche Einzelheiten eingehen, bei denen mir zu Recht vorgehalten wird, ich hätte nicht genau hingeschaut. Denn das will ich gerne zugeben: Ein Teil meiner spontanen Reaktion auf den Auftritt von "crossbot" war nämlich ungläubige Verwirrung. Ich dachte zunächst, das kann doch nicht wahr sein, dass man so frech und gleichzeitig nachlässig mit Begriffen und Vorstellungen umgeht. Gleichzeitig war und bin ich mir (immer noch) nicht sicher, ob und wie ich die Sache ernst nehmen soll. Und ich weiß nicht genau, wohin mit meiner Kritik, sprich: Geht es wirklich um Theologie? Geht es um die Sprache? Geht es um die Wirkung auf die Internet-Öffentlichkeit, um die öffentliche Präsenz von Institutionen? Geht es um kulturelle Milieus?

Mein Einwurf wurde ja meist so wahrgenommen, dass es sich dabei um "hehre" Theologie handele, die aber in unseren ökonomischen Zeiten nurmehr ornamentales Schmuckwerk sein könne, denn die "Wirklichkeit" sehe anders aus. So wurde "theologisch" zugestimmt und gleichzeitig die Wirkungslosigkeit behauptet. Dieser Umgang mit theologischem Denken ist sicher ein Syndrom, das einer eigenen Kritik bedarf.

Ich setze noch mal neu und anders an. Aber ich gehe immer noch von meiner Verwirrung aus, die geht nicht weg. Sie kam eigentlich vom sprachlichen Eindruck her, den ich spontan hatte. Ich empfand die Kombination "die christliche Qualitätssuchmaschine" als anstößige Unverschämtheit. Nun wird zur Verteidigung vorgebracht, man dürfe "christlich" nicht auf Suchmaschine oder Qualität beziehen, sondern auf die Inhalte, die gefunden werden können. Alles schön und gut, die Erklärung hört man wohl, doch Sprachgefühl und Grammatik sagen etwas anderes: Man wird "christlich" eben doch auf Qualität und Suchmaschine beziehen (müssen). Ich nehme den Anbietern nicht ab, dass sie diese Verwirrung nicht gewollt haben. Natürlich soll ein bestimmter Eindruck hervorgerufen werden, über den man nicht weiter nachdenken soll, eben wie in der Werbung üblich.

Und jetzt möchte ich noch etwas nachholen, was in meinem Einwurf gar nicht vorkam. Ich bin nämlich gar nicht auf das "Unwort" eingegangen, das ich im Grunde als den skandalösesten Vorgang empfinde, nämlich "crossbot". Vermutlich war ich darüber so entsetzt, dass ich gar nicht mehr hingucken mochte und es verdrängt habe. "Crossbot" setzt sich, so habe ich gelesen, aus "Cross" = Kreuz und "bot" als Abkürzung von Roboter zusammen. Also ist die Suchmaschine ein "Kreuzesroboter". Darf ich noch fragen, was das soll (ohne dass ich mich gleich des theologischen Denkens schuldig mache)? Vielleicht wird man sagen, ich dürfe das natürlich nicht theologisch-semantisch verstehen, es gehe vielmehr um eine griffige Verkürzung. Die aber erzeugt eine Verknüpfung mit einem Inhalt, der nun aber nicht mehr inhaltlich, sondern lediglich als abstraktes Zeichen fungiert. Doch wofür? Neben kirchlicher Tradition kommen auch kulturelle Vermittlungstechniken in Betracht (Cross-Over) oder Textilverarbeitung (Kreuzstich), Genetik und vieles mehr. Soll man sagen: Gut, es geht um Werbung, und da wird eben alles entfremdet und irgendwie wird es schon mit Kirche in Verbindung gebracht? Soll man nach der Haltung fragen, mit der so eine Begrifflichkeit produziert wird?

Ich sage einfach dies: Mir ist kein Vorgang bekannt, in dem so entfremdend mit dem zentralen Symbol des Neuen Testaments und der christlichen Kirchen umgegangen wurde. Noch in der atheistischen Spottpolemik behält das Kreuz mehr Würde als in dieser Benutzung. Es ist prostituiert worden zu einem beliebig verknüpfbaren, aller Substanz entleerten Erkennungszeichen wie die sprachlosen Symbole in unserer Lebenswelt.

Ganz ohne Humor gefragt: Wie kann die (meine!) Evangelische Kirche in Deutschland eine solche Verwahrlosung nicht nur zulassen, sondern gutheißen und sogar bezahlen? Anscheinend ist inzwischen jedes Mittel recht, wenn es um möglichst alberne Präsenz in der gegenwärtigen Öffentlichkeit geht. Man sollte in einem hellen, ernsthaft reflexiven Moment überlegen, ob hier die Grenze zur Lächerlichkeit und Peinlichkeit nicht berührt oder überschritten ist.

Ein weiterer Aspekt ist noch einmal das Thema "christlich". Neben der bereits genannten grammatischen Problematik ist es vielleicht doch nicht ganz vergeblich, erneut darauf hinzuweisen, dass es hier um die "Verweltanschaulichung" des christlichen Glaubens geht. Das war in der Tat mal ein theologisches Thema. Ich erinnere mich noch sehr gut an diese Zeit. Ich finde, die Frage muss immer wieder gestellt werden: Inwiefern darf man sich das Adjektiv bzw. Adverb christlich zuschreiben, bzw. was sind die Folgen, wenn man es tut? Jeder, der sich "christlich" nennt, ob es Parteien sind, Einzelpersonen oder das Abendland, muss wissen, was er tut. Mich hat mein theologisches Studium gelehrt zu unterscheiden zwischen dem, was Christus ausmacht und dem, was Menschen daraus machen. Es ist daher etwas anderes, ob man ein Lexikon "evangelisches Kirchenlexikon" nennt oder "Wörterbuch des Christentums". Anders ausgedrückt: Der Begriff "christlich" gehört in einen kulturwissenschaftlichen Diskurs. Im theologischen Diskurs aber muss dieser Begriff, wenn er ernsthaft verwendet wird, christologisch kritisiert und reflektiert sein. Die Betreiber von crossbot bedienen sich nun nicht des theologischen, sondern des kulturwissenschaftlichen Diskurses. Das Resultat ist: Aus dem Glauben wird eine Weltanschauung, aus den Kirchen werden Weltanschauungsvertreter. Ich bezweifle, ob es unter dem Terror der Ökonomie das Schicksal der Kirchen ist, das zu werden (so wird aber immer wieder argumentiert). Also: gegen die "kirchliche Suchmaschine" sage ich nichts, vom Geschmack der "christlichen" Suchmaschine wird man mich nicht überzeugen können.

Und noch einen letzten Aspekt möchte ich aus meinem Einwurf aufgreifen und verstärken: das Thema Qualität. Man sollte sich das wirklich nicht einfach so attestieren. Der Begriff "Qualität" ist oft nur eine Werbemasche und dementiert sich dadurch im Grunde selber. Wenn man Qualität sagt, müsste man ernsthaft erklären, was man darunter versteht. Und man müsste sie von unabhängiger Seite überprüfen lassen. Aber wie soll man Qualität bei dieser Suchmaschine verstehen?

Man könnte an die Technik des Suchens denken. Gut redigierte Internetkataloge aus dem Bereich der Kirchen könnten eine wertvolle Sache zu sein. Wie ich zu einem guten theologischen oder kirchlichen Lexikon greife, so würde ich auch einen gut gearbeiteten Internetkatalog aus dem Bereich der Kirchen zu schätzen wissen. Die technischen Schwierigkeiten sind dabei groß, und Suchmaschinen und Kataloge im Internet können kaum eine qualitative Wissensbasis hervorbringen wie es wissenschaftliche Lexika sind, denn Suchmaschinen können sich im Grunde lediglich auf den serverbasierten Datenbestand beziehen, nicht aber auf inhaltliche, geprüfte Qualität. Ein laufendes Projekt der Bertelsmann-Stiftung beschäftigt sich mit diesem Thema und plant eine Art Gütesiegel für Suchmaschinen. Dabei wird deutlich, wie schwierig es ist, unter nachvollziehbaren und kontrollierbaren Gesichtspunkten das Internet handhabbar zu machen. Eine kirchliche Suchmaschine könnte da Maßstäbe setzen, sie sollte es möglicherweise auch versuchen. Gegenwärtig ist der Standard aber noch nicht zureichend. Aber das spricht nicht gegen den Versuch. Es ist noch was zu tun.

Man könnte bei Qualität aber auch an die Transparenz von Kriterien denken. Da gibt es den Hinweis auf die Stellungnahmen der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen als letztes Kriterium. Das ist in Ordnung, gleichzeitig ist dieses Kriterium kein inhaltliches Qualitätskriterium, sondern ein institutionelles Kriterium, bringt also die Interessen einer Institutionsgemeinschaft zum Ausdruck, nicht aber das Interesse an der freien Information.

Der Begriff "Qualität" suggeriert also mehr als dass er klärt. Ich meine, man sollte ihn allenfalls im Zusammenhang einer unabhängigen Prüfung verwenden.

Auf jeden Fall braucht man für diese "Suchmaschine" eine angemessenere, bescheidenere und darin auch klügere Überschrift. Offensive Präsenz müssen die Kirchen im Internet durch maximale unabhängig geprüfte Qualität und das ehrliche Auftreten unter dem Signum Kirche anstreben, nicht mit den nervtötenden Sprachverbiegungen, wie sie in der Werbung üblich sind.


© Jörg Mertin 2003
Magazin für Theologie und Ästhetik 26/2003
https://www.theomag.de/26/jm3.htm