Lektüren XIIAus der BücherweltKarin Wendt |
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KunstPhilosophie(n)Komplexe Sachverhalte und Einsichten sprachlich zu präzisieren, ist das Anliegen einer streng analytisch verfahrenden Philosophie. Ein Trugschluss liegt in dem häufig damit einhergehenden Anspruch, damit auch Komplexität selbst zu analysieren. Dass jede Analyse aber nur wiederum in der sprachlichen und begrifflichen Verkürzung von Komplexität erfolgen kann, hat Wittgenstein als Antagonismus der Erkenntnis beschrieben: zwischen dem Benennen dessen, was tatsächlich der Fall ist und der Tatsache, dass immer nur Bestimmtes der Fall sein kann und damit begriffliche Erkenntnis selbst fragmentarisch ist. Sprachanalysen erzeugen einen hohen Schärfegrad. Darin liegt eine Faszination analytischer Philosophie, nicht aber ein ausgezeichneter Wahrheitsgehalt. Was im besten Fall transparent wird, sind Funktionen von Sprache. Wahr ist auch die analytische Sprache nur an sich selbst, nicht in Bezug auf Anderes. Der Beweis, dass irgendeine Sprache - etwa die philosophisch analytische Sprache - einer unabhängig existierenden Wirklichkeit mehr korreliert als andere Sprachen, kann nicht geführt werden, ohne wesentliche Voraussetzungen erkenntnistheoretischer Art zu machen. In dieser Hinsicht bildet auch das Sprechen analytischer Philosophie eine Funktion unseres Verstehens ab, nicht das Verstehen selbst. Das gilt auch für die von Reinold Schmücker und Axel Spree herausgegebene Reihe zur "KunstPhilosophie". Nach und nach werden Positionen der (analytischen) Ästhetik in Diskussionskomplexe zusammengefasst, um einem Fachpublikum wie auch interessierten Laien eine systematische Einführung an die Hand zu geben. Der erste Band versammelt Aufsätze zum Verhältnis von Kunst und Kunstbegriff, genauer zum "Streit über die Grundlagen der Ästhetik" innerhalb der analytischen Philosophie. Er lässt die wichtigsten Protagonisten dieses Streits zu Wort kommen: Berys Gaut, William E. Kennick, Maurice Mandelbaum, Robert J. Matthews, Robert Stecker, Morris Weitz und Paul Ziff. Viele der Aufsätze liegen zum ersten Mal in deutscher Übersetzung vor. Dass postmoderne Ansätze wie der von Nelson Goodman oder Richard Shusterman, die das Proprium der Kunsttheorie gerade als (perfomative) Kritik an Kunstdefinitionen erläutern, in dieser Diskussion fehlen, kennzeichnet den eng gesetzten Rahmen einer Fachdiskussion und ist von daher auch programmatisch zu verstehen. Traditionelle philosophische Ästhetik ist der Versuch, über Kunst mit Hilfe der drei klassischen Erkenntnisfragen definitorisch etwas auszusagen: über ihre Eigenart (Was ist Kunst), ihren Zweck (Wozu gibt es Kunst?) und ihre Qualität, d.i. die von ihr aufgeworfenen Normen und Werte (Wie soll Kunst sein?). Heute mehr denn je ist hierbei jedoch strittig, ob es überhaupt möglich oder gar sinnvoll ist, nach einem Kunstbegriff zu suchen, mit anderen Worten nach dem Wesen der Kunst oder ihrem Was nur zu fragen. Diese Frage als Streit um das Für und Wider von Definitionen zu behandeln, setzt der philosophischen Diskussion bereits eine implizite Grenze, insofern der argumentative Rahmen der von Induktion und Deduktion bleibt, ein Rahmen, den Kunst jedoch gerade sprengt. Historisch richtig ist wohl die Einschätzung vorab, es sei "nicht die durch die Avantgarde potenzierte Schwierigkeit, Kunst von Nicht-Kunst zu unterscheiden, die den Ausgangspunkt der kunstästhetischen Skepsis bildet." (S. 8) Mit der Ausblendung dieses für die Moderne zentralen Problems im Hinblick auf die Definierbarkeit von Kunst bleibt jedoch unreflektiert, dass die drei Erkenntnisfragen im Bereich der Kunst eine eigentümliche Wendung erfahren, insofern Kunst uns nicht begegnet wie ein Gegenstand unter anderen, sondern Kunst für uns in einer anderen Art und Weise zum Gegenstand wird. Die Aufsatzsammlung rekonstruiert so einen Teilkomplex der philosophischen Ästhetik, in dem viel von Bildern die Rede ist, weniger von der Kunst. Die Gegenüberstellung von "Essentialisten" und "Skeptikern" einer schlüssigen Kunstdefinition spiegelt letztlich einen Schulstreit, der dem Standard wissenschaftlicher Diskussionskultur äußerlich bleibt. Zustimmen wird man am ehesten Morris Weitz und William E. Kennick, die Kunstdefinitionen keinen epistemischen Status zuerkennen, sondern sie als "Empfehlungen" bzw. "Slogans" erläutern. Einwenden könnte man hier, dass diese Unterscheidung von offenem und geschlossenem Begriff die Debatte jedoch nur verlagert. Zudem wäre zu fragen, ob nicht das Proprium des Begriffs Kunst gerade in der Definitionsgewalt liegt und von daher eine offene Verwendung des Begriffs verbietet. Was der erste Band ausblendet, dass nämlich die moderne Philosophie der Ästhetik des 20. Jahrhunderts entscheidende Impulse verdankt, macht der dritte Band, zusammengestellt von Thomas Hecken und Axel Spree, zu seinem Thema: In sieben Originalbeiträgen werden Klassiker des Pragmatismus (Dewey) und der analytischen Ästhetik (Wittgenstein, Macdonald, Sibley) sowie zentrale Positionen des Neopragmatismus (Rorty, Shusterman) und der postanalytischen Philosophie (Danto, Goodman) referiert. Sie sind als Einführungen in das Denken der jeweiligen Philosophen als Ästhetiker sehr zu empfehlen. Beide Bände zusammen genommen liefern einen guten Einblick in die analytische Diskussion um den Status ästhetischer Theorien. Zudem gewinnt man gewinnt eine Vorstellung davon, wie sich die analytische Philosophie in der Gegenwart selbst beschränkt, aber auch grenzerweiternd ausdifferenziert hat.
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